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9 - Die bevorstehende Katastrophe

   Zusa 9

 

 

"Das Rationale am Menschen sind die Einsichten, die er hat —
das Irrationale an ihm, daß er nicht danach handelt." (Friedrich Dürrenmatt) 

"Könnt Ihr denn mit der Erde tun,
was Ihr wollt?"  (Seattle)  

 

 

   Zweifel am technischen Fortschritt  

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Unsere moderne Gesellschaft bezeichnet mit Fortschritt das in ständig kürzeren Zeiträumen erfolgende Anwachsen des theoretischen Wissens über unsere Welt und die immer intensivere technische Nutzung dieses Wissens. 

In der Entwicklung der neuzeitlichen Naturwissenschaften, den darauf basierenden, unbegrenzt scheinenden technischen Möglichkeiten und der durch sie bewirkten Naturbeherrschung sah der Mensch der Aufklärung den Weg zu einer Humanisierung der Gesellschaft, zur Überwindung veralteter Gesellschafts­ordnungen. Die Fortschrittsgläubigkeit der Industriegesellschaft beschränkt sich jedoch zunehmend auf materielle Erfolge der sich ausdehnenden Technik und die Steigerung des Lebensstandards, der heute regelrecht als Maßstab für den Fortschritt genommen wird.

Die bisherige atemberaubende technische Entwicklung verspricht auch weiterhin, noch ungeahnte Möglich­keit­en zu erschließen. Explosionsartig verdoppelt sich heute innerhalb von jeweils etwa fünf Jahren unser natur­wissen­schaftlich-technisches Wissen. Wir stehen wohl am Beginn eines völlig von der Technik bestimmten Zeitalters. Die Erfolge der Wissenschaft verführen uns zu hemmungsloser technischer Entfaltung. Unserer Phantasie und unserem Erfindungsgeist scheinen keine Barrieren gesetzt, neue Techniken sich auszudenken und einzuführen. Die beschleunigte technische Entwicklung läßt zwar keine prinzipiellen Schranken erkennen, jedoch stößt die sich darin immer kompromißloser realisierende Zivilisation schließlich doch auf Grenzen.

Die Technik beeinflußt heute die Umwelt schon so tiefgreifend, daß ernste Gefahren sich abzeichnen und der Nutzen der Technik langsam zweifelhaft wird. Verheißungsvolle Möglichkeiten paaren sich mit beklemmenden Aussichten. Fortschritt wird in seinem bisherigen positiven Sinn fragwürdig und fällt plötzlich zurück auf seine ursprüngliche Bedeutung als die bloße Fortbewegung, weg von einem gehabten Standort.

Die Technik soll uns mehr Wohlstand schaffen. 

Doch langsam werden uns die katastrophalen Folgen der Technik offenbar, die von ihr verursachten, verheerenden Schäden erkennbar. Die Gefahr unseres Unter­ganges deutet sich an. Gerechterweise darf man diese Folgen nicht allein der Technik anlasten. Sie werden vielmehr verschuldet durch die bedenkenlose Gewinnsucht unserer in Wachstumsideologie befangenen Industrie­gesellschaft. Sie nimmt sich jeder neuen technischen Errungen­schaft eifrig an, sobald diese nur verspricht, sich gut zu verkaufen. Mögliche spätere Auswirkungen auf die Umwelt bleiben dabei meist unbe­rück­sichtigt, sie könnten womöglich dem Geschäft schaden. Profitorientiertes Wirtschaftsdenken läßt kaum Skrupel aufkommen, und Überlegungen, daß Sicherheitsrisiken bestehen könnten, werden gerne verdrängt.

Und selbst wenn die Auswirkungen schließlich erkennbar werden, wollen viele Fortschrittsgläubige sie entweder nicht wahrhaben, versuchen sie zu vernied­lichen oder ihre Ursachen abzustreiten. 

Einmal mögen sie schon so der Natur entfremdet und verblendet sein, daß sie nachteilige Folgen gar nicht mehr wahrnehmen, sie vielmehr als neue Errungen­schaften preisen und akzeptieren. Mehr noch aber dürfte es nicht in ihr eigennütziges Profitstreben passen, auf negative Folgen, seien sie auch noch so schwerwiegend, Rücksicht zu nehmen, solange sie selbst davon nicht direkt betroffen sind, vielmehr sogar noch Gewinn aus den Opfern schlagen können.

Was nun die ursächlichen Beziehungen anbelangt, so sind die Zusammenhänge tatsächlich genügend kompliziert und entsprechend schwer durchsichtig.

In der Regel läßt sich nicht genau eine einfache Ursache für eine bestimmte Fehlentwicklung angeben. Auch können viele Nebenwirkungen wegen der durch sie erst viel später auftretenden Schäden nicht kausal festgestellt werden. Da wir es aber mit beträchtlichen Risiken und schwerwiegendsten Folgen zu tun haben, müssen wir alle Möglichkeiten berücksichtigen und vor allem auch statistische Korrelationen in unsere Betrachtungen einbeziehen. D.h., selbst wenn eine Ursache nicht mit Sicherheit nachweisbar ist, sondern nur vermöge übereinstimmender Fakten wahrscheinlich zu sein scheint, muß sie als mögliche Ursache anerkannt werden. 

Wir dürfen ganz einfach keinerlei Risiko eingehen, wenn der Fortbestand der Menschheit und ihrer Kultur auf dem Spiel steht.

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Die Zerstörungskraft der Technik verdeutlicht sich beispielhaft am Schicksal Venedigs. Um für die an der Küste hinter der Lagune angesiedelten Industrie­betriebe Schiffahrts­verbindungen zum Meer zu schaffen, wurden tiefe Wasserrinnen in die Lagune gebaggert. Dadurch sanken die Inseln stetig ab und wurden immer häufiger von Überschwemmungen heimgesucht. Die Tage der Lagunenstadt sind somit gezählt. Unschätzbare Kulturgüter werden so für immer unwiederbringlich verloren gehen.

Allerdings wird der technische Fortschritt erst wirklich problematisch durch das massierte Auftreten des Menschen und durch den dadurch bedingten Massen­einsatz der technischen Errungenschaften. Zwar können sich große Teile der Erdbevölkerung diese Errungenschaften unserer Zivilisation noch nicht leisten, doch allein die industrialisierten Länder überlasten schon die Erde und hinterlassen tiefe Spuren. Mit der weiteren Entwicklung unserer Technik und ihrer Verbreitung auch in die unterentwickelten Länder steuern wir daher geradewegs in die Katastrophe. Wir haben unsere Wachstumsgrenzen längst erreicht. Wir leben über unsere Verhältnisse, was regenerierbare und nicht regenerierbare irdischen Ressourcen anbelangt. Die von uns eingesetzten, für die Erde widernatürlichen Energien schaden uns nur: Kohle und Öl erzeugen giftige Abgase, Kernenergie tödliche Strahlen.

Die Entwicklung beschleunigt sich in atemraubender Weise und verselbständigt sich dabei offenbar, d.h., scheint nicht mehr zu bremsen zu sein. Angeblich zwingt uns der internationale Wettbewerb stets zu neuester Technik um jeden Preis. Ohne die Auswirkungen einer Technik abzuwarten und womögliche Korrektur­maßnahmen bei Fehlentwicklungen einzuleiten, nimmt man die nächste schon in Angriff, sobald sie sich nur anwenden läßt und Gewinn verspricht.

Der Wandel unserer Welt nimmt so lawinenartige Züge an, die Entwicklung überschlägt sich. Chaotische Verhältnisse werden immer häufiger. Die wachsenden Zerstörungs­kräfte bedingen eine Zunahme des Reparaturwesens, an Gebäuden, Kunstwerken, unserer Gesundheit, usw., was immer mehr Energie verschlingt. Müll und Schadstoffe verteilen wir über die Erde und verstopfen damit ihre natürlichen Regenerationskräfte. Und es wird ganz offenbar, wie in unserer Technik und Zivilisation der Entropiesatz der Natur triumphiert.

Bei unserem Bemühen, uns die Erde nutzbar zu machen und ihre Schätze zu gewinnen, haben wir nur scheinbar Erfolg. Bedingt lassen sich zwar in begrenzten Bereichen erhöhte Erträge erzielen, die Natur verkümmert jedoch dabei, verliert ihre Fruchtbarkeit und bleibt verödet und verschmutzt zurück. So wird durch unser Handeln auf die Dauer die Erde erschöpft, und erreichen wir schließlich das Gegenteil unseres Bestrebens. Wir zerstören die irdische Biosphäre und mit ihr die Errungenschaften unserer Kultur.

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    Die zerstörte Biosphäre  

 

Das Gleichgewicht in einem Ökosystem stellt sich nur über Jahrhunderte und Jahrtausende ein. Es wird durch jedweden Eingriff gestört. Ein Ökosystem funktioniert nur solange, wie die ihm zugrundeliegenden, stofflichen Kreisläufe ungestört ablaufen können. Dazu gehört auch, daß Nahrungsketten bzw. -netze so gut wie unversehrt erhalten bleiben. Sie stellen das Zusammenspiel aller Lebewesen dar, die aufeinander angewiesen sind oder miteinander konkurrieren und sich gegenseitig in Schach halten.

Die weltweite Veränderung der Landschaft vor allem durch Rodung der Wälder und intensive landwirt­schaft­liche Nutzung als Monokulturen auf Chemiebasis, die Auswirkungen von Industrie und Verkehr mit der Verunreinigung der Luft, der Verschmutzung des Wassers und der Erosion und Vergiftung des Bodens, sowie die Wärmeerzeugung durch widernatürlichen Energieverbrauch wirken sich nun aber störend, ja zerstörerisch auf unsere Ökosysteme aus. Durch die Rodung und das Sterben der Wälder, durch die Auslaugung des Bodens werden die natürlichen stofflichen Kreisläufe aufgebrochen. Durch Monokulturen, chemische Schädlings­bekämpfung, Verkehr, Jagd und dergleichen werden Tier- und Pflanzenarten dezimiert oder gar ausgerottet. Damit reißen auch die Nahrungsnetze.

Durch die Sprengung der natürlichen Regulationsketten geraten Ökosysteme durcheinander, da natürliche Jäger ausscheiden und nun ihre Beutetiere überhand nehmen können. Die Verhältnisse gleichen denen beim Aussetzen systemfremder Tiere, wie am Beispiel der Kaninchen in Australien oder des Mungo auf Jamaika wohlbekannt. Wir bringen uns dabei selbst zunehmend in Gefahr, da ein großer Teil der Organismen, die mit uns um Nahrung konkurrieren oder die uns schaden, der sog. Schädlinge, in natürlichen Ökosystemen durch andere Arten noch in Schach gehalten wurden. Konkurrenten werden einfach als "Ungeziefer" oder "Unkraut" diffamiert und chemisch vernichtet. Die Ausrottung einer Art ist nur dann tolerierbar, wenn eine andere Art an ihre Stelle tritt und ihre Funktion voll übernimmt. Das ist jedoch nur in ganz begrenztem Maße möglich. Beispielsweise kann der Mensch als Jäger bestimmte Raubtiere ersetzen. Nur muß er sich dann an eine entsprechende "Abschußquote" halten.

In erschreckendem Ausmaß wird heute unsere Biosphäre durch die Abholzung der tropischen Feuchtwäldern angegriffen. Bei ihnen befinden sich die pflanzlichen Nährstoffe nicht im Boden, sondern in der Pflanzendecke. Durch das Roden werden sie frei und versickern im Boden. Die gewonnene Anbaufläche ist somit arm an Nährstoffen und wird bald nutzloses Ödland. Tropische Wälder stellen die komplexesten Ökosysteme der Natur dar. Ihre Vielfalt verleiht ihnen eine große Stabilität gegenüber natürlichen Veränderungen. Durch ihre Vernichtung verschwindet diese Waldform und fast alle darin lebenden Arten völlig. Tiergemeinschaften verlieren an Vielfalt. Die verbleibenden Populationen werden häufig sehr groß und richten auf dem neu geschaffenen Anbaugebiet massive Schäden an.

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Ein Ökosystem kann sich in bestimmten Grenzen regenerieren. In derartig geschädigten Systemen ist jedoch keine Selbstregulation mehr möglich. Das Gleichgewicht in der heutigen "Natur" läßt sich nurmehr durch gewaltige menschliche Anstrengungen aufrechterhalten, was immer mehr Chemie und damit mehr Verschmutzung und Vergiftung und immer mehr Energie bedeutet und immer weiter von der ursprünglichen Natur fort führt. Bei intensivem Raubbau verkarstet das Land schließlich oder wird sogar zur Wüste.

Im Ökosystem ist jeder Teil gleich wichtig und gleichwertig. Keine Art oder Rasse verdient Bevorzugung. Und auch der Mensch darf nur primus inter pares sein. Durch die Ausrottung von Tieren und Pflanzen, durch die Ausbeutung, ja Zerstörung der Natur gefährden wir das Leben auf unserer Erde. 

Alle verschwindenden Lebewesen sind wesentliche Bestandteile des Lebenserhaltungssystems Erde. Ihr Verschwinden schwächt das System bzw. bringt es und damit auch unsere Zivilisation zum Zusammenbruch. Wir steuern so auf eine planetare Katastrophe zu.  

 

  Der Artentod  

Unsere Maßnahmen landwirtschaftlicher Kultivierung zielen darauf hin, einige, wenige Nutzpflanzen und -tiere zu züchten, großflächige Monokulturen von ertragsreichen Nutzpflanzen wie Reis und Weizen oder schnellwachsende Fichten anzubauen, alle "nutzlosen" Arten jedoch auszurotten. Mit der Ausbreitung des Kulturlandes, mit Flurbereinigung und der damit verbundenen Beseitigung von Hecken, Feld- und Ufergehölz, mit dem Abbrennen von Wiesen und Feldrainen, mit der Begradigung von Flüssen und dem Verschwinden von Schilf- und Rohrbeständen, geht einher der Verlust natürlicher Standorte, ökologischer Nischen ausreichender Größe für Pflanzen und Tiere. Die monotonen Kultursteppen bieten nicht mehr genügend Schlupfwinkel und Nistplätze.

Die chemischen Maßnahmen zur Vernichtung von Schädlingen werden immer intensiver, da mit der Zeit einerseits viele Schädlinge immer wieder resistent gegen Vertilgungsmittel werden und anderseits die Zuchtpflanzen und -tiere ihre Resistenz gegen diese Schädlinge verlieren. Dabei gehen auch ihre natürlichen Vertilger wie insektenfressende Vögel und Raubinsekten zugrunde und sterben aus, da sie vergiftete Schädlinge fressen oder selbst die giftigen Insektizide aufnehmen und im allgemeinen nur in kleinen Populationen auftreten. Unsere Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen rotten so nicht nur die Arten aus, für die sie bestimmt sind, sondern wirken sich auch über die Nahrungsketten auf andere aus, reichern sich in ihnen an, stören ihre Reaktions­eigenschaften oder töten auch sie. So sind Hummeln, Schmetterlinge und Blütenkäfer, die auf diese Weise verschwinden, für die Bestäubung von Pflanzenblüten wesentlich, von ihnen hängt doch der Fruchtertrag ab.

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Auch der Verkehr verlangt seinen Blutzoll. Jährlich sterben auf den Straßen allein der BRD über 200.000 Hasen, Rehe, Hirsche und Wildschweine und viele Millionen Vögel und Kriechtiere, auf der ganzen Erde ein Vielfaches davon. Dazu kommen industrieller Fischfang, Jagdleidenschaft und das Geschäft mit Pelzen, Elfenbein und ähnlichem, was die Tierbestände dezimiert. In einigen europäischen Ländern hat durch das Abschießen von Singvögeln deren Bestand um 90% abgenommen.

Bis zu Beginn unseres Jahrhundert waren vom Menschen noch kaum Lebewesen ausgerottet, höchstens in schwach oder unbewohnte Gebiete vertrieben worden, so daß es zu dem Zeitpunkt etwa 10 Mill. verschiedene Arten gab. Mit der seitherigen Eroberung jeglichen damals noch unberührten Lebensraums durch den Menschen und seine Nutzung, durch die intensive Anwendung von Vertilgungsmitteln gegen "Unkraut" und "Ungeziefer", aber auch durch Luft- und Wasserverschmutzung und Maßnahmen zur Wasserregulierung, durch Erwärmung und Versauerung der Gewässer begann mit der Ausrottung vor allem von Pflanzen und Insekten eine dramatische Verringerung des biologischen Artenreichtums. 

Pro Jahr stirbt auf dem Land etwa eine Säugetier- oder Vogelart aus. Im Meer sind es etwa 20 Arten jährlich, über 1000 Landtierarten stehen vor dem Aussterben. Man schätzt, daß es bis zur Jahrtausendwende insgesamt Hunderttausende von Arten nicht mehr geben und wohl etwa 1/5 aller noch vor kurzem lebenden Arten für immer verschwunden sein wird. Dabei haben in einem funktionierenden Ökosystem auch "Ungeziefer" und "Unkraut" ihre Bedeutung und ihren Nutzen.

So ist beispielsweise in Afrika die Tsetsefliege wichtig, da sie den Erreger der Nagana-Seuche überträgt. Diese Seuche befällt Rinder, hält so die Rinderbestände niedrig und verhindert damit die Gefahr der Überweidung. Dies verkennend wird heute in groß angelegten Vernichtungsaktionen versucht, die Tsetsefliege auszurotten, um mehr Rinder halten zu können. Weite Teile Zentralafrikas werden dann bald überweidet sein und veröden.

Zu den Arten, die in Mitteleuropa einst heimisch waren gehören: Elch, Wisent, Auerochse, Wildpferd, Nerz, Braunbär, Schreiadler, Schlangenadler, Fischadler, Blauracke, Mornellregenpfeifer, Raubseeschwalbe, Habichtskauz, Stör, Sterlet, Wandermoräne. Besonders gefährdet sind die Endglieder von Nahrungsketten: Greifvögel, Raubfische, Fledermäuse und Spitzmäuse. Ebenso bedroht sind Kröten, Frösche und Eidechsen. Auf der Erde sind inzwischen nahezu ausgerottet: Wale, Walrosse, See-Elefanten, Seehunde, Seelöwen und Nashörner.

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Natürlich starben im Laufe der Erdgeschichte schon immer Arten aus, doch nie in solch kurzer Zeit in solcher Größenordnung. Doch gab es auch schon in der Erdgeschichte Katastrophen, wie zum Ende der Kreidezeit, als die Saurier untergingen. Damals änderten sich die Lebensbedingungen auf der Erde schlagartig, vermutlich durch den Aufprall eines riesigen Meteoriten. Die Natur brauchte anschließend Millionen von Jahren, um sich wieder zu erholen, allerdings nicht mehr zum vorhergehenden Zustand.

Vor allem die tropischen Urwälder beherbergen die artenreichste Flora und Fauna. Ihre Pflanzen stellen eine reichhaltige, noch unerforschte Quelle an Bau- und Brennstoffen, Nahrungs- und Heilmitteln dar. Auf einem ha sind etwa 250 verschiedene Baumarten vertreten. Durch ihre Rodung gehen viele Arten verloren, die uns noch einmal nützlich sein könnten.

Mit dem Verlust ökologischer Vielfalt geht auch ein Reservoir genetischer Ressourcen unwiderruflich verloren. Die Züchtung ertragreicherer, widerstandsfähigerer Varianten hängt vom Vorhandensein wilder Sorten, z.B. von Bananen, Kakao, Palmöl, Mango, Gummi, Schellack usw., wesentlich ab. Die Vernichtung ökologischer Vielfalt gehört somit zu den heimtückischsten Verlusten.

So entsteht eine wachsende genetische Anfälligkeit. Epidemien können sich immer leichter ausbreiten. Mißernten werden immer wahrscheinlicher, da sich Seuchen in Monokulturen leicht ausbreiten können. Die Vergangenheit kennt schon drastische Beispiele wie z.B. die Kartoffelfäule, die 1845, 1846 und 1848 zu Mißernten in Irland führte, so daß zwischen 1846 und 1849 etwa 800.000 Menschen verhungerten bzw. an Typhus starben. Die Folgen waren selbst noch in Frankreich und Südwestdeutschland zu spüren.

 

  Das Waldsterben  

Die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden schadet Pflanzen und Tieren. Insbesondere der Wald ist in Mitleidenschaft gezogen, an ihm sind die Auswirkungen am augenfälligsten: er stirbt. Der Wald filtert die Luft. In dem er die Luft reinigt, vergiftet er sich selbst. Die Schadstoffe greifen zuerst die Ränder der Wälder an. Wie Krebs frißt sich dann das Baumsterben in ihr Inneres. Die Schäden nehmen unvermindert zu, bei Laubbäumen schneller als bei Tanne und Fichte. Insgesamt war 1985 etwa die Hälfte des deutschen Waldes geschädigt.

Schadsymptome sind schüttere und durchsichtige Baumkronen. Die meisten Nadelbäume tragen heute viel zuwenig Nadeln. Normalerweise behalten die im Frühjahr neu austreibenden Zweige ihre Nadeln bis zu zehn Jahre. D.h., ein gesunder Baum trägt etwa zehn grüne Nadeljahrgänge hinterein­ander an einem Ast, dann wirft er den ältesten Jahrgang ab. 

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Kranke Bäume kommen meist nicht auf mehr als zwei oder drei Jahrgänge, und selbst da sind schon die jungen Nadeln am Vergilben. Sie wachsen zudem oft auffällig kurz und sind von winzigen Pilzkolonien befallen. Die kranken Bäume werden durchsichtig und die Seitentriebe der Äste beginnen schlaff nach unten zu hängen. An vielen Ästen fallen selbst bei jungen Bäumen Nottriebe auf. Die eigentlich anspruchslose Kiefer, die auch auf mageren Sand- und Moorböden gedeiht, ist heute nach der Tanne der am stärksten geschädigte Nadelbaum.

Obwohl Laubbäume jährlich ihre Blätter abwerfen und so nur begrenzt den Schadstoffen ausgesetzt sind, sterben inzwischen selbst erwachsene Bäume binnen Jahresfrist ab. Die Blätter der Laubbäume erreichen zum Teil nur einen Bruchteil ihrer früheren Große. Schon ab Juni fallen sie grün oder gelb zu Boden. Zur typischen, gleichmäßigen Herbstfärbung kommt es bei vielen oft gar nicht mehr. Die Blätter rollen sich im Spätherbst ein, verdorren vom Rand her oder sind von Löchern und Rissen zerfressen. Aus den Kronen von Buchen ragen seit einigen Jahren vermehrt tote Äste hervor.

Ozon, in Anwesenheit von Stickoxiden entstanden, macht Nadeln und Blätter porös, der Saure Regen kann eindringen und wäscht Spurenelemente aus, von denen die Pflanze lebt: der Baum verhungert. Die empfindlichen Buchenrinden sind von dem herablaufenden sauren Regenwasser regelrecht verätzt, platzen auf und hinterlassen dicke Narben.

Die in vielen Jahren niedergegangenen Schadstoffe haben den Boden so übersäuert und entmineralisiert, also vergiftet, daß im Laufe der Jahre die Baumwurzeln absterben. Wurzeln bilden ein feines Geflecht aus Haarwurzeln mit darin in Symbiose mit der Pflanze lebenden und für sie lebensnotwendigen Pilzen, über dieses System von Feinwurzeln und Pilzen nimmt die Pflanze den Großteil ihres Bedarfs an Wasser und Nährstoffen auf. Da die in die Erde gespülten Giftstoffe sich in tieferen Bodenschichten ansammeln, sind diese teilweise schon so stark vergiftet, daß die dort hinreichenden Baumwurzeln abgestorben sind. Nur noch die flachliegenden Wurzeln transportieren Wasser in Stamm, Äste, Blätter oder Nadeln. Der verminderte Wassertransport drückt sich in dünneren Jahresringen der kranken Bäume aus. Die nicht mehr tiefverwurzelten Bäume stürzen bei Stürmen leichter um.

Hat ein Baum erst einmal Blätter, Nadeln und Wurzeln verloren, schwindet seine Lebensfähigkeit. Bei Mangel an Blattgrün wird die Energieversorgung, die auf der Photosynthese beruht, gestört. Ohne ausreichende Energie aber wachsen weniger junge Blätter und Nadeln und treiben zuwenig neue Wurzeln. Ohne Wurzeln wiederum versiegt die Nährstoffzufuhr. Die Bäume verdursten und verhungern, sie werden anfällig für Schädlinge. Sie reagieren in dieser Situation verzweifelt. Um wenigstens den Fortbestand ihrer Art zu sichern, produzieren sie wie sonst nur z.B. nach Trockenzeiten ein Übermaß an Früchten. Tannen und Fichten hängen voller Zapfen, die Laubbäume voller Samen.

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Die Problematik des Waldsterbens besteht darin, daß zum einen der Wald eine wichtige Rolle im Haushalt der Natur spielt und klimabestimmend ist, daß zum anderen aber selbst bei sofortiger Abstellung aller gifterzeugender Prozesse, das im Boden angesammelte Gift noch über Jahre und Jahrzehnte weiter wirkt und weiter pflanzliche Schäden verursacht. Somit ist damit zu rechnen, daß alle unsere Wälder im Laufe der Zeit sterben. Ja, noch schlimmer, bei fortgesetzter Erzeugung von Giften und ihrer Ansammlung auch in den obersten Bodenschichten dürften schließlich alle Pflanzen betroffen werden. Der Saure Regen wirkt sich heute schon auf die Landwirtschaft aus. Das Wachstum von Wurzelwerk und Schößlingen bestimmter Pflanzen ist empfindlich reduziert. Saure Böden vermindern die Erträge.

Qualität, Quantität und Regulation der Gewässer hängen in hohem Maße von der Waldbedeckung ab. Wo die Walddecke noch erhalten ist, kann das Regenwasser in den Boden dringen, werden Flüsse von unterirdischen Zuflüssen mit klarem Grundwasser gespeist und Reservoire aufgefüllt. An nackten Hängen fließt der Regen auf der Oberfläche direkt ab und schwemmt Schlamm, Chemikalien, und andere Schadstoffe in die Flüsse. Je steiler die Hänge, desto größer die Erosion und umso unregelmäßiger der Wasserlauf der Flüsse. Ablagerungen in den Flußbetten erhöhen den Wasserspiegel und führen zu häufigen Überschwemmungen. Andererseits sinkt der Grundwasserspiegel ab, und spenden Quellen nur noch zeitweise Wasser.

Allgemein gelten Schwefeldioxid aus Kraftwerken und Hausbrand, sowie Stickoxide aus Auspuffgasen als die auswirkenden Schadstoffe, wovon jährlich mehr als 6 Mill. t aus bundesdeutschen Schloten und Auspuff­töpfen strömen.

Die Ursachen für das Waldsterben mögen noch nicht vollständig erkannt sein und die Vorgänge in den Lebewesen noch nicht in allen Einzelheiten verstanden werden. Womöglich sind auch Licht, Chlorkohlen­wasserstoff und das Blei im Benzin die Auslöser. Da jedoch die Schäden am deutlichsten an Autobahnen und Straßen zu erkennen sind, sind sie jedenfalls eindeutig durch die Auspuffgase der Kraftfahrzeuge mitverursacht.

Das von Autoabgasen verursachte Waldsterben wurde nach der Fertigstellung des Gotthardtunnels besonders deutlich. Der nun wesentlich erhöhte Straßenverkehr durch die Schweiz schädigt Bannwälder, ja die ganze Natur. Die Bannwälder vermögen ihre Schutzfunktion für Straßen und Siedlungen nicht mehr auszuüben. Kranke Bäume müssen beschleunigt beseitigt werden um dem Borkenkäfer Einhalt zu gebieten. Steinschlag, Bergstürze, Wildbäche, Überschwemmungen, Erosion, Schneerutschen, Lawinen sind die Folgen.

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Es mag auch mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen Radioaktivität und Waldschäden bestehen. Schadensfahnen hinter kerntechnischen Anlagen oder uranhaltigen Abraumhalden lassen darauf schließen, daß die durch Radioaktivität bewirkte Luftionisation Folgereaktionen in verschmutzter Luft auslöst, an deren Ende hochwirksame Pflanzenschadstoffe stehen.

Solange die wirklichen Ursachen nicht endgültig bekannt sind, darf dennoch nicht mit Maßnahmen gewartet werden. Vielmehr müssen alle möglichen Schadstoffe gebannt werden und sind der Einbau von Filteranlagen, Katalysatoren und die Verhängung von Geschwindigkeitsbeschränkungen, ja eine drastische Reduzierung des gesamten Straßenverkehrs gerechtfertigt. Strenge Beschränkungen der Geschwindigkeiten für Kraftfahrzeuge kann dabei helfen, diese Verkehrsart so unattraktiv wie nur möglich zu machen. Die Luft darf nicht weiter verpestet werden, weder von Kraftfahrzeugen, noch von Haushalten oder der Industrie.

 

  Mögliche Klimaauswirkungen  

 Dem Wald kommt eine wesentliche Rolle bei der Klimabestimmung zu. Er schwächt die Luftbewegung und ermöglicht die Speicherung großer Wasservorräte im Humusboden. Da er auf Wärmezufuhr mit Verdunsten von Wasser reagieren kann, verhindert, er extreme Temperaturen und sorgt für Luftfeuchtigkeit. Sind die Wälder gerodet, so steigen die Temperaturen, was sich negativ auf die Saatentwicklung, auf das überleben von Pflanzen und Tieren auswirkt. Durch verstärkende Rückkopplung resultiert schließlich Dürre.

Entsprechend wird sich das Waldsterben auswirken. Mit dem Schwinden des Waldes wird unser Land veröden, versteppen und verkarsten, teilweise wohl auch verwüsten. Damit wird sich das Klima ändern, das Wetter verschlechtern. Naturkatastrophen wie Stürme, Überschwemmungen und Dürren werden sich häufen, unsere Zivilisation, unsere Kultur, ja unser Leben sind bedroht.

Das Klima im Bereich einer Großstadt unterscheidet sich deutlich vom normalen Klima auf dem Lande. Es wird einmal bestimmt durch die erhöhte Erzeugung von Wärme und Abgasen durch Heizung und Verkehr. Weiterhin wird die Wärme in der großen Ansammlung von Steinbauten besser gespeichert und kann wegen der fehlenden Vegetationsdecke nicht als Verdunstungswärme verbraucht werden. Die erzeugte Wärme kann mengenmäßig mit der eingestrahlten Sonnenenergie vergleichbar werden oder sie sogar übertreffen. So erreicht sie in Manhattan etwa den vierfachen Wert. Erhöhte Lufttemperatur, geringere Windbewegung, stärkere Wolkenbildung, wesentlich mehr Staub führen zu Dunstglocken, die die Sonnenstrahlung schwächen, Nebel und erhöhte Niederschläge verursachen.

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Lokale Klimaveränderungen werden auch durch die Abwärme von Großkraftwerken hervorgerufen. Um die bereits überheizten Flüsse zu schonen geht man zu Kühltürmen über. Sie kühlen, indem sie Wasser verdampfen. Dabei werden bei einem 1000 MW-Kraftwerk etwa je sec knapp 1 t Wasserdampf freigesetzt und dadurch die Nebelwahrscheinlichkeit erhöht. Das zeigt sich als besonders ungünstig in Flußtälern bei Inversionswetterlagen.

Die Veränderung der Landnutzung — im Extremfall vom immergrünen Wald zur Wüste — ändert die Albedo, d.h. das Rückstrahlvermögen der Erdoberfläche für das Sonnenlicht. Haben Wälder eine Albedo von 5-20%, so beträgt sie für geschlossene Siedlungen 15-25%, für Wiesen und Felder 12-30% und Sandböden 15-40%, für hellen Dünensand sogar 30-60%. Hinzu kommt die durch vermehrte Partikel in der Luft als Keime verursachte erhöhte Bewölkung, die ebenfalls die Albedo erhöht, hat doch eine geschlossene Wolkendecke 60-90%. Rückstrahl vermögen. Der erhöhte Reflexeffekt sollte zu einer Klimaänderung im Sinne einer allgemeinen Abkühlung führen.

Im entgegengesetzten Sinn dürfte sich die Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre auswirken. Man kann annehmen, daß die dadurch erhöhte Wärmespeicherung der Erde zu einem verstärkten Treibhauseffekt führt. Der Wärmestau mag zwar die durchschnittlichen Temperaturen auf der Erde nur um wenige Grad erhöhen, sollte aber ganz allgemein zu einer Erwärmung führen.

Wenn man sich bewußt macht, daß während der Eiszeiten eine Temperaturabnahme von weniger als 10 grd zur Vereisung großer Teile der nördlichen Erdhalbkugel, insgesamt mehr als 35% der Landfläche der Erde, führte und sich dabei Eismassen von teilweise über 1000 m Mächtigkeit bildeten, so kann man sich die Folgen einer geringen Temperaturänderung vorstellen. Eine Erwärmung der Erdoberfläche um nur wenige Grad führt dann zum Abschmelzen der noch vereisten Polkappen, Ansteigen des Meeresspiegels um etwa 50 m, Überflutung von niedrig gelegenen Küstengebieten und damit Verringerung der landwirtschaftlichen Anbauflächen. Höhere Temperaturen hätten sicherlich auch meteorologische Veränderungen zur Folge. Es ist zu befürchten, daß sich durch höhere Verdunstung weniger Bodenwasser ergeben wird, was sich in Dürren, der Ausdehnung von Trockengebieten und Wüsten auswirken würde, was wiederum zu einer weiteren Verringerung der Anbauf1ächen sowie zu Trinkwasserverknappung führen würde.

Durch Abschmelzen von Eis und Schnee verringert sich auch die Albedo der Erde. Das führt zwangsläufig zu weiterer Erhitzung, erhöhter Wasser­verdunstung, mehr Wolken, allerdings dadurch auch wieder zur Erhöhung der Albedo. Welcher globale Effekt nun letzten Endes eintreten wird, ist schwer vorauszusagen. In jedem Fall wird eine Änderung um nur wenige Grad sich katastrophal auf unsere Welt auswirken.

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  Das Inferno eines Nuklearkrieges  

Bis zum 5. August 1945 wurden Kriege konventionell, d.h. mit herkömmlichen Waffen geführt. Durch die Entwicklung und den Einsatz von Kernwaffen wurde eine Kriegführung in anderen Maßstäben ermöglicht. Mit den seit dem Zweiten Weltkrieg in einem bisher nie dagewesenen Wettrüsten bereitgestellten, gewaltigen Vorräten hochtechnisierter Massenvernichtungsmitteln besitzt die Welt heute ein Zerstörungspotential, das die Wirkung der herkömmlichen Waffen weit in den Schatten stellt, und das für eine mehrfache totale Ausrottung jeglichen höheren Lebens auf der Erde ausreicht. Die Vernichtungs­maschinerie ist einsatzbereit und wartet, daß sie beim geringsten Anlaß entfesselt wird, um zum Untergang dieser Welt zu führen.

Heute birgt jeder Konflikt, auch wenn er von solchen Staaten geführt wird, die keine Kernwaffen besitzen, die Gefahr in sich, daß durch Eskalation die Großmächte in Auseinandersetzungen mit hineingezogen werden und es dann letztlich zum nuklearen Schlagabtausch, ja zum allgemeinen nuklearen Krieg mit katastrophalen Folgen als letzter Möglichkeit kommt.

Dazu kann es auch ohne wirklichen Anlaß kommen, da Politiker und Militärs ihre Kompetenz weitgehend an technische Systeme delegiert haben, die nicht vollkommen sein können. Die Kompliziertheit und der Automatismus heutiger, mit Kernwaffen operierender Angriffs- bzw. Verteidigungssysteme beinhalten das Risiko, daß sich auf Grund technischen oder menschlichen Versagens, eines technischen Fehlers oder auch nur eines Mißverständnisses die ganze Kriegsmaschinerie selbständig macht und das Inferno eines Nuklearkrieges ungewollt und unaufhaltsam auslöst.

Kernwaffen wirken durch Druckwellen, Hitzestrahlung, elektromagnetische Impulse und Radioaktivität. Bei der Zündung einer Uran-, Plutonium- oder Wasserstoffbombe entsteht ein riesiger Feuerball und ein Wolkenpilz in dessen Inneren ungeheuere Drücke und Temperaturen von bis zu 20 Mill. grd Celsius herrschen. Das Ausmaß der Wirkung einer Nuklearexplosion hängt von der Größe der Bombe ab. Bei der vollständigen Spaltung von 1 kg Uran wird eine Energiemenge frei, die dem Energieinhalt von 20.000 t des herkömmlichen Sprengstoffs Trinitrotoluol (TNT) entspricht.

Von der Gesamtwirkung einer Atombombe entfallen etwa 50% auf die Druckwelle, etwa 35% auf Wärme­wirkung und etwa 15% auf radioaktive Strahlung. Eine Megatonnenbombe tötet in einem Umkreis von rund 2 km, das entspricht einer Fläche von etwa 12 qkm, jegliches Lebewesen durch Gammastrahlung, fügt in einem Umkreis von 15 km, also auf einer Fläche von 700 qkm, durch die etwa 10 sec dauernde Hitzewelle Verbrennungen wenigstens 2. Grades zu und zerstört oder beschädigt durch die Druckwelle im Umkreis von 7 km, auf einer Fläche von 150 qkm, alle Gebäude und technischen Einrichtungen. Durch eine Explosion direkt am Boden entsteht ein riesiger Krater. 

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Der elektromagnetische Impuls legt in weitem Umkreis alle elektrischen Anlagen lahm. Durch die ungeheure Hitzeentwicklung kommt es zu Großbränden. Die radioaktive Strahlung tritt entweder sofort mit Lichtgeschwindigkeit aus oder entsteht erst mit der Zeit bei der Verstrahlung der Explosionsrückstände und wird dann vom Wind fortgetragen. Je nach der Dauer der Schwebezeit geht der Fallout mehr oder weniger stark über geringere oder weitere Entfernungen nieder, und tritt nach Monaten oder Jahren weltweit auf. Die Halbwertzeiten des radioaktiven Strahlungsmaterials liegen zwischen Sekunden und Millionen von Jahren.

Ein nuklearer Krieg mit der Explosion vieler Sprengsätze hätte verheerende, globale Folgen. Flammenmeere bzw. Feuerstürme würden das Land überziehen und Temperaturen entwickeln, die das Land sterilisieren würden. Technische Einrichtungen würden zerstört, Giftstoffe dabei freigesetzt werden. In den Städten würden die Häuser zusammenstürzen und alle Menschen unter sich begraben. Regen würde Schlammassen und Leckflüssigkeiten über das Land wälzen.

Aufgrund nuklearer Explosionen mit hoher Sprengkraft und Zündwirkung würden Staubmassen und riesige Rauchschwaden den Himmel verdunkeln. Dabei dürfte auch die Ozonschicht nicht unbeeinflußt bleiben, da in die Stratosphäre geschleuderte Stickoxide das Ozon teilweise zerstören würde. Die schützende Ozonschicht würde schwinden. Die klimatischen Auswirkungen sind unvorstellbar. Ein "nuklearer Winter" würde die Erde überziehen mit extrem niedrigen Temperaturen, verheerenden Stürmen, giftigem Smog und nicht nachlassenden radioaktiven Niederschlägen.

Die verheerendste Folge eines umfassenden Nuklearkrieges zwischen den Supermächten wäre die ungeheure Zahl Toter und Verletzter, hauptsächlich auf der nördlichen Erdhalbkugel. Die nicht gleich Getöteten würden an Erbrechen, Fieber und Durst leiden und langsam dahinsiechen.

Die Reproduktions­fähigkeit ihrer Zellen wäre angegriffen, dabei das Knochenmark, das die Blutbestandteile bildet, am stärksten betroffen. Das würde zum Rückgang der weißen Blutkörperchen und Blutplättchen führen. Damit wäre die Immunität und Blutgerinnung reduziert, die Menschen wären anfälliger gegen Infektionen und Blutungen. Später träten Haarausfall, Durchfall und Darmblutungen auf, vielfach führten die Leiden zum Tod. 

Die Überlebenden wären weitgehend zeugungsunfähig, bzw. ihre Nachkommen zeigten embryonale Schäden. Grauer Star, Leukämie, Krebs wären die häufigsten Leiden. Die vielen Leichen und Giftstoffe verursachten die Verschmutzung des Wassers. Insekten und andere Krankheits­überträger könnten sich stark vermehren. Die verringerte Wiederstandskraft sowie fehlende sanitäre und medizinische Einrichtungen führten dann zu Seuchen.

Daneben würden aber auch die wirtschaftlichen Strukturen global zusammenbrechen und die gesamte Erd­bevölkerung wäre betroffen. Der Ausfall von Energie- und Nahrungsversorgung würde die Menschen Unterkühlung, Hunger und anderen Schrecklichkeiten ausliefern. 

Die von Energie und Chemie total abhängige Landwirtschaft wäre nicht mehr in der Lage, ausreichend Nahrungsmittel zu produzieren. Wegen des ausfallenden Transportsystems könnte die Bevölkerung nicht mehr mit Nahrung versorgt werden, diese wäre sowieso vollkommen radioaktiv verseucht. Unsere Zivilisation wäre dem Untergang preisgegeben. 

Es erübrigt sich jede Spekulation, in wieweit sie in der heutigen Form wieder aufgebaut werden könnte. 

Die Ausgangs­bedingungen für einen Wieder­beginn wären nicht mehr gegeben, da die Welt nicht mehr wie beim Erscheinen des homosapiens intakt wäre und die nötigen Rohstoffe fehlten. 

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Zusammenfassung 9  

  1. Naturwissenschaft und Technik machen eine immer stürmischere Entwicklung durch. Angesichts seiner Auswirkungen wird technischer Fortschritt jedoch immer fragwürdiger. Dabei sind es jedoch weniger die neuen Techniken an sich als vielmehr ihre intensive Verbreitung in einer in Wachstums­ideologie befangenen Industrie­gesellschaft.

  2. Unsere Kultivierungsmaßnahmen verändern die Biosphäre. Sie zerstören ihre natürliche Funktions- und Regenerations­fähigkeit.

  3. Die Ausbreitung unnatürlicher Monokulturen und die Vernichtung allen "Ungeziefers" und "Unkrauts" sowie Verkehr und Jagdauswüchse dezimieren den irdischen Artenreichtum. Die ausgerotteten Hundert­tausenden von Pflanzen- und Tierarten werden uns noch einmal fehlen.

  4. Eine Auswirkung der Technik ist das Waldsterben. Der saure Regen läßt die Bäume dahinsiechen und vernichtet damit eine der wichtigsten irdischen Lebens­grundlagen.

  5. Änderungen in der Atmosphäre und der Landbedeckung werden zu Klimaänderungen führen. Schon geringe Erhöhungen oder Verringerungen der durch­schnitt­lichen Temperaturen sorgen für das Abschmelzen allen Eises und führen zu einem beträchtlichen Ansteigen des Meeresspiegels und damit zur Überschwemmung lebenswichtigen Flachlandes oder leiten eine neue Eiszeit ein.

  6. Die heutige Waffentechnik erlaubt kriegerische Auseinandersetzungen mit unvorstellbaren Auswirk­ungen. Die Zivilisation und Kultur der ganzen Welt kann im Inferno untergehen.

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Max Albert  1987  Kritik an der vermeintlichen Vernunft