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2. Das Ausmaß der Gewalt

 

 

 

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Wenn wir an Gewalt denken, so verbinden wir damit meist brutale Handlungen, ausgeübt von Männern. Frauen befinden sich primär in der »Opferrolle«. Sie werden gedemütigt, verprügelt, bedroht, mißbraucht, mißhandelt, vergewaltigt, gemordet. Doch Gewalt besteht nicht nur in spektakulärer, körperlicher Brutalität, mit der der Stärkere dem Schwächeren seinen Willen aufzwingt.

Gewalt ist alltäglich: Sie zeigt sich in kleinen sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz oder gegen die Frauen gerichteten sexuellen Anspielungen. Männliche <Maulhuren> ergötzen sich an den Reaktionen von jungen Mädchen oder auch erwachsenen Frauen. Und obwohl alle Mitarbeiter davon wissen, bleibt das Verhalten des Täters ohne Konsequenzen.

Gewalt ist alltäglich: In Partnerschaft und Ehe findet sie sich in Form von Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Prügeln, Einsperren in der Wohnung, Nötigung durch Bedrohung der Kinder, Entzug des Haus­halts­geldes, Einschücht­erung durch Zertrümmerung des Wohnungsmobiliars. Sexuelle Gewalt, Ausbeutung und schwere Perversionen ziehen sich durch alle sozialen Schichten.

Diese Gewalt hat ihre Wurzeln in den Machtverhältnissen, die Menschen sich aufgebaut haben und die unsere gesellschaftlichen Strukturen durchziehen. Das sind Machtverhältnisse zwischen den Generationen, eine Situation, in der Kinder nicht nur der körperlichen Gewalt, sondern auch der Entscheidungsbefugnis von Erwachsenen ausgeliefert sind; und es handelt sich um Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern.

Daß soziale Strukturen, die durch Ungleichheit gekennzeichnet sind, gewaltsame Konflikte produzieren, erklärt uns Reinhart Wolff, Rektor der Fachhochschule für Sozialpädagogik in Berlin. Aus diesen Strukturen entstünden ein Unrechtsbewußtsein und Gefühle der Benachteiligung. Eine der Hauptursachen von sexueller Gewalt in Paarbeziehungen sieht Wolff im Ungleichheitsverhältnis zwischen den Geschlechtern, aus dem die Benachteiligung und Erniedrigung von Frauen in unserer Gesellschaft resultiere.

Als eine immer wieder zu beobachtende Ursache für den Kindesmißbrauch ließe sich eine Abwehr­haltung der Täter gegenüber der Sexualität nennen. Viele erwachsene Männer, die ihre Kinder miß­brauchten, seien sexuell gewissermaßen nicht erwachsen geworden, sondern in ihrer Entwicklung stehen­geblieben. Sie hielten aus Angst vor einer reifen, erfüllten Sexualität an einer kindlichen Form fest.

Die Verbindung von Gewaltausübung und sexueller Befriedigung ist für viele Männer — und zunehmend auch für Frauen — eine übliche Vorgehensweise gegenüber einem Schwächeren. Die Täter, ob Mann oder Frau, lass­en die eigenen Frustrationen über sexuelle Gewalt an dem jeweils Schwächeren, ob Junge oder Mädchen, aus.

 

Die Ursachen der Gewalt

Sexueller Mißbrauch ist eine Handlung, die so gegen die Menschenwürde und gegen die Liebe verstößt, daß sie nur vor dem Hintergrund einer tiefen inneren Zerrissenheit gesehen werden. kann.

Der Mensch, bei dem die Verbindung von Seele, Körper und Geist intakt ist, bildet eine Einheit. Hier kann es sexuellen Mißbrauch nicht geben. Ist die Verbindung von Seele, Körper und Geist aber gestört, so kommt es zur Spaltung. Die Abspaltung der Sexualität von den übrigen Empfindungen hat sehr viel mit Mangel an Liebe zu tun. Den betroffenen Menschen hat man »beigebracht«, daß Sexualität etwas Schlechtes ist. Die Psycho­therapeutin Renata Wolff-Erlemann erzählt uns, daß es spätestens ab dem Moment, in dem der Patient die Erfahrung macht, daß Sexualität ein ganzheitliches Erleben ist, nicht mehr möglich sei, etwas völlig Abnormes zu tun.

Anstatt dem Kind zu vermitteln, daß es für seine Gefühle selbst die Verantwortung trägt und daß es die Würde des anderen zu respektieren gilt, zerstören Mißbraucher das natürliche Verhältnis zur Sexualität, mit dem jedes Kind geboren wird. Doch wenn Erwachsene so wenig Selbstachtung besitzen, daß sie sogar das zugrunde richten, was sie selbst zur Welt gebracht haben, ist es schwer, ihnen zu vermitteln, was Verantwortung und Liebe bedeuten.

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Sexueller Mißbrauch gehört zum ganz normalen Alltag sehr vieler Familien. Wir sollten uns deshalb nicht an den Gedanken gewöhnen, daß es etwas Normales ist, auch wenn diese Form der Ausbeutung so alt ist wie das Patriarchat, so alt wie die Bibel. Je öfter sexuell mißbrauchte Erwachsene ihr Geheimnis preisgeben, um so erschreckender wird das Ausmaß an Gewalt deutlich, zu der Menschen innerhalb ihrer eigenen vier Wände fähig sind. Doch wo liegen die Ursachen für derartige Handlungsweisen, die gegen jede Menschenwürde, gegen jede Liebe verstoßen?

Es gibt einen einfachen Grund: Mit Kindern können Erwachsene all das tun, wozu andere Erwachsene nein sagen würden. Das bedeutet beispielsweise, wie uns Ursula Enders von der Selbsthilfeorganisation »Zartbitter« erzählte, einer Kölner Kontakt- und Informationsstelle für sexuell mißbrauchte Mädchen und Jungen, Mädchen die Vagina mit Brennesseln auszureiben oder Jungen Nadeln durch den Penis zu stecken.

Diese einfache Formel trifft zu: Sachverständige bescheinigten Peter F., der seine Tochter neun Jahre lang mißbrauchte, der sie zum Geschlechtsverkehr mit dem dafür abgerichteten Pudel zwang, daß er so seine »überlegene Stärke« zeigen wollte; ein Schwächling, der seine Genitalien als Waffe gebrauchte. Seine »Abartigkeit« sei auf seine Kindheit zurückzuführen, so die Gutachter im Gerichtsverfahren. Mit anderen Worten: Was man diesem Mann in seiner Kindheit angetan hat, gibt er an das eigene Kind weiter.

Täter erleben, »daß sexueller Mißbrauch während eines sehr kurzen Augenblicks zu einem Gefühl der <Ganzheit> führt: Ohnmacht wird transformiert in Macht, ohne daß sich Täter dessen bewußt sind«. (R. Bullens, »Die Behandlung von Inzesttätern«, S. 57)

Sie nehmen sich das Recht auf Sex. Sie sind nicht in der Lage, an die Gefühle des Opfers zu denken. »Es zählen nur die eigenen egozentrischen Bedürfnisse. Würde der Täter nachdenken, dann würde er sein Opfer nicht mißbrauchen.

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Nach dem Mißbrauch kommt es sofort zur Verleugnung der Tat. Verleugnung gehört zur Täterschaft. Verleugnung der eigenen Gefühle, der möglichen Gefühle des Opfers, Verleugnung auch des Nachdenkens über den Mißbrauch. Jeder Täter führt ein perfektes Doppelleben.« (R. Bullens, a.a.O., S. 58)

Die moralische Verkommenheit existiert nicht nur im asozialen Milieu, sondern sie reicht bis in die gutbürgerliche Gesellschaft, wo sie, allerdings geschickt »maskiert«, gepflegt und weiterentwickelt wird. Gerade Tätern aus oberen sozialen Schichten, die innerhalb und außerhalb der Familie Menschen mißbrauchen, gelingt es — aufgrund ihrer Position in der Gesellschaft —, den Mißbrauch besser zu vertuschen. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß wir einen »kultivierten, intelligenten« Menschen (als der er uns aufgrund seines Doppellebens erscheint) solcher Taten für unfähig halten. Wenn Täter aber nicht mehr leugnen, den »schönen Schein« nicht mehr wahren können — wie nach einer Fernsehsendung der ARD im letzten Sommer, in der eine Frau sich öffentlich über den Mißbrauch durch ihren Vater geäußert hatte —, was bleibt als Ausweg? Der Selbstmord »am Tatort« — um das mißbrauchte Kind noch einmal zu »mißbrauchen« — wie in diesem Fall? Nimmt man dem Täter die Fassade, was bleibt von ihm übrig? Ein moralisches Wrack, das sich zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse an Kindern vergeht.

Zu den Ursachen der Gewalt gehört auch das Schweigen über Gewalt. Obwohl sexueller Mißbrauch alljährlich hunderttausendfach stattfindet, haben die Betroffenen nicht den Mut, das Schweigen zu brechen. »Eine Anzeigenerstattung kann aber nur von Sexualopfern erwartet werden, die hundertprozentig (und nicht nur neunzigprozentig) sicher sind, daß sie sich nicht zu ihrem Schaden auswirkt.« (M.C. Baurmann, »Sexualität, Gewalt und psychische Folgen«, S. 463)

Bei fremden Sexualstraftätern fällt es den Betroffenen dagegen sehr viel leichter, das »Schweigegebot« zu übergehen. Es fragt sich also, welcher Macht und welchen Zwängen die Opfer innerhalb einer Familie ausgesetzt sind, daß es für sie anscheinend unmöglich ist. Dritte um Hilfe zu bitten. Zur Tabuisierung des Problems in der Öffentlichkeit kommen das Nichtwahrhabenwollen und die Rat- und Tatenlosigkeit der Umwelt.

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Die Hamburger Diplompsychologin Gisela Rust beschrieb bereits 1986 die Bedingungen für dieses Schweigen:

Wenn weiterhin niemand innerhalb der Familie bereit ist, Kinder vor sexuellem Mißbrauch zu schützen, und diese Art der Gewalt an die nächste Generation weitergegeben wird, kann sich jeder von uns ausrechnen, wann wir eine Gesellschaft von seelischen Krüppeln sein werden!

 

Die aktuelle Situation

 

»Sein Geheimnis mit Onkel Rolf macht ihn still«, »Papis Liebe tut ihr weh« oder »Vati war ihr erster Mann«, so lauten die Überschriften einer Anzeigenkampagne des Deutschen Kinderschutzbundes zum Thema sexuelle Gewalt. Es fehlt die Überschrift »Mutti war seine erste Frau«. Das Geheimnis, das Opfer und Täter miteinander verbindet, macht das Problem deutlich, vor dem wir in der Bundesrepublik stehen:

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die Offenlegung des enormen Ausmaßes an sexuellem Mißbrauch und an Gewalt gegen Kinder. Die Dunkelziffer liegt laut Kinderschutzbund bei achtzigtausend im Jahr. Daß diese Zahl erheblich unter der liegt, die sogar das Bundeskriminalamt bescheinigt, mag an der Verharmlosung des Themas liegen, die sich ja auch in der Anzeigenkampagne des Kinderschutzbundes zeigt.

Die »Gegen-Anzeigen« in der Zeitschrift »Emma« machen die Problematik deutlicher: »Vati war mein erster Vergewaltiger« oder »Vatis Schwanz tut ihr weh«. Schreien und Verklagen — statt Schweigen. So sollte das Motto des Kinder>schutz<bundes lauten, aber es scheint, daß diesem Bund, der sich zum »Schutz der Kinder« geschaffen hat, selbst nicht klar ist, was »sexueller Mißbrauch« bedeutet. Gewalt als Liebe darzustellen heißt, die Realität zu leugnen und Täter zu schützen.

Vor dreizehn Jahren konnte man zum erstenmal etwas in der Zeitschrift »Emma« zum Thema Inzest lesen. Allerdings wurde vorwiegend über den Mißbrauch an Mädchen und Frauen berichtet. Über den Mißbrauch, den Frauen an ihren Söhnen, Neffen, Brüdern begehen, schweigen wir Frauen gern. Auch diejenigen, die beruflich damit zu tun haben, sagen wenig oder gar nichts — das absolute Tabu also. Wo fängt der Mißbrauch an, den Frauen an männlichen Inzestopfern begehen? Und unter welchen Folgen leiden die männlichen Inzestopfer — oft ihr Leben lang?

Welche Folgen sexueller Mißbrauch bei den weiblichen Opfern hinterläßt, darüber wissen wir schon eher zu berichten. »Wahrscheinlich«, so schreibt »Emma« in der November-Ausgabe 1991, »ist die sexuelle Ausbeutung des weiblichen Kindes einer der Hauptgründe für die lebenslange, tiefe Verunsicherung und Verstörung vieler Frauen.« Das stimmt sicher, gilt aber ebenso für männliche Opfer.

 

Den wissenschaftlichen Untersuchungen in der Bundesrepublik zufolge macht heute jedes dritte Mädchen Erfahrungen mit sexueller Gewalt, bevor es erwachsen wird. Das deckt sich in etwa mit den Angaben des Bundeskriminalamtes. Dort wird befürchtet, daß bis zu fünfundzwanzig Prozent der erwachsenen Frauen in ihrer Kindheit sexuelle Gewalthandlungen erlitten haben.

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Das wären gut zehn Millionen bundesdeutsche Frauen. Drei von vier Frauen, die in der Psychiatrie behandelt werden, sind Opfer sexueller Gewalt, oft Inzestopfer. Das war das Ergebnis eines Kongresses »Frauen in der Psychiatrie«. Weitere Ergebnisse: Jede zweite Patientin, bei der die Diagnose auf Schizophrenie gestellt wird, ist ein Inzestopfer, also vom Vater, Großvater, Onkel oder Bruder sexuell mißbraucht worden. Drei von vier Frauen mit Eßstörungen, also fünfundsiebzig Prozent der an Bulimie erkrankten Patientinnen, und vier von fünf Drogensüchtigen, also achtzig Prozent aller Fixerinnen, sind Opfer sexueller Gewalt.

Wie groß die sexuelle Ausbeutung von Jungen ist, vermag niemand zu sagen. Schätzungen gehen von jedem siebten Jungen als Opfer aus. Frauen verdrängen diese Inzestvariante. »Die Mutter als Täterin zu verdächtigen wird als Ungeheuerlichkeit empfunden«, bestätigte Sigrid Richter-Unger, Leiterin des Vereins »Kinder im Zentrum«, einer Berliner Beratungsstelle für sexuell mißbrauchte Kinder, in einem Spiegel-Interview (Nr. 33/1991). Daß die Taten von Müttern an ihren Söhnen später zu Folgen wie Impotenz, Suchtverhalten und Selbstmord führen, darüber denken sie genausowenig nach wie die männlichen Täter. Ihr eigener Lustgewinn steht im Vordergrund. Es widerspricht dem herkömmlichen Rollenverständnis der Mutter, die weibliche Machtposition gegenüber den eigenen Kindern zu mißbrauchen. So reagiert die Öffentlichkeit mit Verdrängung. Doch Mütter holen sich die Liebe und Zuneigung, die Zärtlichkeit, die sie (von ihrem Partner) nicht bekommen können, von ihrem Kind. Das trifft auf die männlichen Täter gleichermaßen zu.

Durch das Fehlen einer klaren Definition, wann es sich um sexuellen Mißbrauch handelt (die Gewaltbegriffe im Bereich Kindesmißhandlung und im Bereich des sexuellen Mißbrauchs werden unterschiedlich weit gefaßt), und durch die hohe Dunkelziffer lassen sich keine verläßlichen Zahlen ermitteln, die den gesamten Umfang an Gewalt gegen Kinder in Deutschland. wiedergeben. Statistisches Material aus den neuen Bundesländern liegt noch nicht vor.

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In der Bundesrepublik werden zwar seit zwanzig Jahren strafrechtlich relevante Kindesmißhandlungen in der Statistik des Bundeskrimmalamtes registriert. Da es sich hier aber nur um Fälle handelt, die polizeiliche Ermittlungen und eine Anzeige zur Folge hatten, sind diese Daten insgesamt nur unzureichend, was das gesamte Geschehen im Bereich der sexuellen Gewalt angeht. Die Zahl der sexuell mißbrauchten Kinder (§176 Strafgesetzbuch) lag 1990 bei 12.741 registrierten Fällen (1989: 11.851 Fälle). Doch diese Angaben, so die Experten, haben nur einen geringen Aussagewert, da man von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgehen kann. Insgesamt läßt sich sagen, daß die vorliegenden Kriminalstatistiken in ihrer Aussagekraft sehr begrenzt sind. Es fehlen differenzierte Angaben zu Tätern und Opfern.

Kinder haben keine Lobby in Deutschland. Deswegen gibt es bis heute kein »Mißhandelsregister«, keine umfassende empirische Forschung auf diesem Gebiet. Und so wird die Dunkelziffer bei Kindesmißbrauch in Deutschland auch weiter im dunkeln bleiben.

 

Die Täter und die Opfer 

 

Früher versuchte man, das Problem aus den Familien herauszuhalten. Die Rede war vom »Fremdtäter« auf der Straße. Aber das ist ebenso falsch wie die Aussage, daß die Täter fast immer die Väter seien. In den Beratungsstellen für sexuell Mißbrauchte, wie zum Beispiel bei »Zartbitter« in Köln, hat man heraus­gefunden, daß zwei Drittel aller Mißbrauchsfälle außerhalb dei„ Familie, aber im Nahbereich stattfinden; durch Jugendgruppenleiter, durch Lehrer, Pfarrer, Sporttrainer, Erzieher. Allgemein läßt sich feststellen, daß es sich fast immer um dem Kind sehr vertraute Menschen handelt, die zu seinem Schutz da sind. Dazu kommt ein hoher Anteil der Stiefväter, das heißt, daß Täter sich oft ganz gezielt alleinerziehende Mütter suchen, zum Beispiel durch Kontaktanzeigen, nach dem Motto »Frau mit Kind angenehm«.

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Bei »Wildwasser« in Berlin, einem Verein gegen sexuelle Gewalt, der betroffenen Mädchen und Frauen Unterstützung bietet, startete im August 1988 ein achtzehn­monatiger Modellversuch, der vom Bundes­ministerium für Frauen und Jugend in Bonn gefördert wurde. Die wissenschaftliche Auswertung ergab, daß in den zweihunderteinundsechzig untersuchten Fällen vierzig Prozent der Täter Väter oder Ersatzväter waren; zehn Prozent nähere männliche Familienangehörige und dreiunddreißig Prozent Bekannte des Mädchens oder der Familie. Somit gehören über achtzig Prozent der Mißbraucher dem vertrauten Umfeld der Opfer an. Der Anteil der Fremdtäter lag bei zehn Prozent. Der Anteil der Täterinnen lag bei 1,7 Prozent.

Die Statistik des Bundeskriminalamtes (vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik 1990, Hrsg. Bundeskriminalamt, Wiesbaden 1991, S. 115) sagt aus, daß von den 5428 des sexuellen Mißbrauchs Verdächtigen im Jahr 1990 98,3 Prozent Männer und 1,7 Prozent Frauen waren. Davon waren siebenundsiebzig Prozent Erwachsene (vorwiegend im Alter von fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Jahren), sechs Prozent Heranwachsende im Alter von achtzehn bis einundzwanzig Jahren, zwölf Prozent vierzehn- bis achtzehnjährig und fünf Prozent unter vierzehn Jahre alt. Ein Blick auf die Ergebnisse des »Wildwasser«-Projektes in Berlin belegt die Unzulänglichkeit der offiziellen Statistiken. Danach stammen nur 4,8 Prozent der Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, aus der Verwandtschaft, 17,3 Prozent aus der näheren Bekanntschaft. (Bei »Wildwasser« waren 80 Prozent der Täter aus dem vertrauten Umfeld.) Auch hier verzerrt die hohe Dunkelziffer die amtlichen Zahlen. Insgesamt stammen die Gewalttäter aus allen gesellschaftlichen Schichten.

Die Opferstatistik des Bundeskriminalamtes (vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik, a.a.O., S. 117) weist für 1990 im Bereich des sexuellen Mißbrauchs insgesamt 15936 Fälle aus. 75,1 Prozent der Opfer sind Mädchen, 24,9 Prozent Jungen. 7,8 Prozent aller Opfer waren jünger als sechs, die übrigen im Alter von sechs bis vierzehn Jahren.

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Das »Wildwasser«-Projekt ergab, daß von den zweihunderteinundsechzig betroffenen Mädchen sechsund­vierzig (17,6 Prozent) bis fünf, hundertfünfundzwanzig (47,9 Prozent) sechs bis dreizehn, neunundsechzig (26,4 Prozent) vierzehn bis siebzehn und einundzwanzig (acht Prozent) achtzehn bis fünfundzwanzig Jahre alt waren. Gut die Hälfte der betroffenen Mädchen hatte Kontaktprobleme im Umgang mit anderen Menschen, reagierte mit Ängsten und Panik. Ebenso stark waren Schuld- und Schamgefühle, Depressionen und Schlaf­störungen. Etwa jedes dritte Mädchen leidet unter Nervosität, Sprach- und Konzentrations­störungen, und bei jeder vierten fanden die Wissenschaftler psychosomatische Krankheiten, Wahrnehmungs­störungen, das Abtöten von Gefühlen und — Selbstmordversuche.

Die Opfer, die sich mit anhaltenden sexuellen Übergriffen arrangieren müssen, entwickeln Überlebens­strategien. Josephine Rijnaans beschreibt es in ihrem Buch »Lots Töchter«. »Die meisten Inzestopfer machen sich, um das Leben ertragen zu können, ein bißchen tot. Sie machen sich, während der Mißbrauch vonstatten geht, gefühllos, um sich gegen das Geschehen abzuschirmen, um extreme emotionale Beschädigung abzuwehren, indem sie ihr inneres Ich gleichsam unverwundbar machen. Mit ihrer Haltung bringen sie zum Ausdruck: Er kann mit meinem Körper machen, was er will, ich bin nicht da, ich habe nichts damit zu tun.« (J. Rijnaarts, »Lots Töchter«, S. 300-301)

 

Die Kinderpornographie

 

Aber die sexuelle Ausbeutung von Kindern findet nicht nur in den Familien statt. Die »Ware Kind« läßt sich gut verkaufen heutzutage, nicht nur auf dem sogenannten Babystrich. Kinder werden von ihren eigenen Eltern für pornographische »Schaustücke« trainiert. Was sind das für Menschen, die ihren Kindern die Augen mit einem Tuch verbinden, sie stundenlang — ohne Unterbrechung (Videoaufnahmen beweisen es) — zu sexuellen Handlungen an Erwachsenen zwingen? Die kleinen Mädchen (unter zehn) die Arme nach oben ziehen und festbinden, die Beine auseinanderziehen und einzeln festbinden, um so an dem völlig hilflosen Kind sexuelle Handlungen vorzunehmen? Derartige Grausamkeiten zeigen die Hilflosigkeit dieser Menschen, mit ihrem eigenen und dem ihnen anver­trauten Leben umzugehen.

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Der Handel mit Kinderpornographie ist gut organisiert — international. Die geschätzte Zahl von weltweit einer Million sexuell mißbrauchter Kinder pro Jahr stellt nur »die Spitze eines Eisberges« dar, so die norwegische Justizministerin, die sich seit Jahren im Kampf gegen Kinderprostitution und Kinder­porno­graphie engagiert hat. Norwegen hat bereits 1988 im Europarat in Straßburg einen Bericht über die sexuelle Ausbeutung von Kindern vorgelegt. Daraus geht hervor, daß Kinder nicht nur in den armen Ländern, sondern auch in Europa mißbraucht werden. In dem Bericht heißt es, jährlich eine Million Kinder würden durch Entführung, Kauf oder andere Maßnahmen in den Sexmarkt gezwungen. Es existierten finanzkräftige Netzwerke für den Handel mit Kindern, unter anderem von Lateinamerika und Südostasien nach Europa und in den Nahen Osten.

Der Handel mit Kindern bringe den Drahtziehern des Gewerbes schätzungsweise fünf Milliarden Dollar jährlich ein, stellten die norwegischen Verfasser dieses Berichtes fest. Die in einigen europäischen Ländern herrschenden liberalen Ansichten über Pornographie mit Kindern hätten zu einer beachtlichen Produktion von Druckwerken und Videofilmen dieser Art geführt. Als größter Konsument von Kinderpornographie wurden jedoch die USA genannt. Der dortige Umsatz dieser Produkte wäre bereits für das Jahr 1980 auf etwa eine Milliarde Dollar geschätzt worden, heißt es in dem Bericht.

»Insgesamt einundsiebzig Jahre Haft für sechzehn Angeklagte wegen Kindersex«, diese Meldung ging vor zwei Jahren durch die Presse. In einem Prozeß um Kindersex und Kinderpornographie hatte ein Gericht in Brüssel sechzehn Angeklagte, darunter zwei Angestellte des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF, verurteilt. Die Täter nehmen oft genau die Stellen ein, an denen sie zum Schutz des Kindes sitzen sollten. Auch in Deutschland wird »unter der Decke« so manche Information gehandelt. Doch solange die Mitarbeiter der Drahtzieher, die Opfer und ihre Angehörigen schweigen, ist den Tätern nicht beizukommen.

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Bei der UNICEF in Brüssel war es der Leiter des »Forschung- und Informationszentrums für Kindheit und Sexualität«, der neun Jahre hinter Gitter mußte. Nach Feststellung des Gerichtes diente das Zentrum in Wirklichkeit dazu, sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern zu vermitteln. 

In Frankreich wurde im vergangenen Jahr ein siebenundsiebzigjähriger Priester festgenommen. Er hatte porno­graphische Aufnahmen von Jungen gemacht und verkauft. Der Priester war zweiundvierzig Jahre in seiner Gemeinde »tätig« gewesen. Es wurden Serien von Pornoaufnahmen mit Kindern aus seiner Gemeinde sicher­gestellt. Auf seine Spur kam die Pariser Polizei nach der Zerschlagung eines Ringes von Pornohändlern. Sogar die französische Geheimpolizei geriet in die Schlagzeilen. Der Pariser »Schwulenpastor« Joseph Douce war von Agenten des Renseignements Generaux (RG) beschattet, bedroht und offenbar entführt worden. Seine stark verweste, unbekleidete Leiche wurde erst einige Monate später in einem Wald bei Paris entdeckt. Ein RG-Agent packte aus. Er deutete an, eine RG-Truppe habe den Priester verschleppt und beiseite geschafft. Auf­trag­geber sei eine hohe Persönlichkeit, die die Aufdeckung eines von Douce organisierten Handels mit Kinder­porno­graphie befürchte. Der Mord sei ihm und seiner Einsatztruppe gezielt angehängt worden. Ein Priester, der Kinderpornos produziert und den dazugehörigen Handel organisiert! Wer würde so etwas vermuten?

 

Es scheint, daß die sexuelle Revolution der sechziger Jahre die sexuellen Bedürfnisse angeheizt und die perversen Lüste geschürt hat. Die Menschen sind nicht freier geworden, und sie haben auch nicht gelernt, mit Sexualität umzugehen, sondern verdrängen vielleicht mehr denn je. Eine der verheerenden Folgen dieser Verdrängung: Gerade auf dem Kinderpornographiemarkt erhält der Kunde alles, was er verlangt. Nach dem Motto »Drehen Sie Ihren Porno doch mal selbst« wurden durch die leicht zu bedienende Videotechnik in den vergangenen Jahren auch noch die letzten Hemmschwellen abgebaut. Um den Mißbrauch so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, sich den maximalen Profit zu sichern, muß das Opfer zum absoluten Gehorsam und zur Verschwiegenheit gezwungen werden.

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Weil das nicht immer gelingt, haben die Pornoproduzenten neuerdings das »behinderte, weiße Kind« entdeckt. Es tauchen wiederholt Gewaltpornos mit behinderten Kindern auf, zuvor war das »asiatische« Kind, danach das »weiße« Kind gefragt.

Kinderpornos führen bei potentiellen Tätern zur unmittelbaren Verstärkung der sexuellen Gewalt an Kindern. Häufig fangen, die Täter mit Softpornos an, steigen aber mit der Zeit auf immer härtere um. Aus den Berichten vieler Betroffener wissen wir, daß sie vom Täter gezwungen wurden, sich das Video anzusehen. Der Täter fand Befriedigung am Schrecken des Kindes. Was soll ein zehnjähriges Mädchen empfinden, wenn es sich ansehen muß, wie mehrere Jungen im Alter von zwölf bis dreizehn Jahren gezwungenermaßen ein kleines Mädchen auf brutalste Weise nacheinander vergewaltigen?

 

Kinderpornographie ist ein Verbrechen. Das Ausmaß dieser Art der sexuellen Gewalt ist unbekannt. Die Dunkelziffer ist extrem hoch. Nach Schätzungen gibt es in der Bundesrepublik ein Videoaustauschnetz von dreißigtausend Sammlern. Die Darstellungen reichen bis zu Vergewaltigungen von vier- bis fünfjährigen Mädchen. Ein großer Teil besteht aus Amateurfilmen, die häufig von Onkeln oder Vätern mit den eigenen Kindern gedreht wurden. Das Risiko, dafür bestraft zu werden, ist extrem gering. Bisher werden Täter, die Kinder als Darsteller in Pornos benutzen, mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. Überhaupt nicht strafbar ist bis heute der Konsum, das heißt der Erwerb und Besitz dieser widerwärtigen Machwerke. Um die Kinder zu schützen, brauchen wir dringend eine andere Gesetzgebung.

Ende November 1991 kam zu diesem Thema endlich eine »erfreuliche« Meldung: Bundesjustizminister Klaus Kinkel will Kinder besser vor sexuellem Mißbrauch schützen. Er kündigte zwei Gesetzesvorlagen zur Verschärfung des geltenden Strafrechts gegen Kinderpornographie und Kindersextourismus an. Danach sollen künftig die Herstellung und der Verleih von Kinderpornographie mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren geahndet und zur Eindämmung des Kinderpornokonsums der bloße Besitz mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr geahndet werden.

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Deutsche, die im Ausland Kinder sexuell mißbrauchen, sollen für ihre Handlungen in der Bundesrepublik bestraft werden können, und zwar auch dann, wenn sie im Ausland straffrei ausgingen. Den skrupellosen Geschäftemachern, die ihre Schriften und Videos meist über Postfächer in Holland anonym abwickeln, droht nach der holländischen Gesetzgebung eine maximale Höchststrafe von drei Monaten.

Von zentraler Bedeutung wäre es, gegen die Werbung für Kinderpornographie und Kindersextourismus einzuschreiten. Die derzeitige Praxis der Straf- und Bußgeldandrohungen reicht nicht aus, insbesondere nicht für die Werbung durch moderne Kommunikationsmedien wie Bildschirmtext. Daher muß rigoros die Sperrung solcher Benutzer durch die Bundespost/Telekom sichergestellt werden, die das Btx-System für Kinder­porno­werbung mißbrauchen.

Die Deutsche Bundespost wurde aufgefordert, dafür zu sorgen, daß keine Angebote für Kinder­porno­graphie mehr über ihr Bildschirmtextsystem verbreitet würden. Eine wirksame Überwachung hat es auf dieser Seite bisher nicht gegeben.

Kinderpornographie und Kindersextourismus nennt der Bundesjustizminister »verabscheuungswürdige Perversionen«, die mit allen verfügbaren Mitteln schärfstens bekämpft werden müßten. »Denn«, so fährt er fort, »Kinder gehören zu den Schwächsten in unserer Gesellschaft. Sie vertrauen uns und sind auf unseren Schutz und unsere Hilfe angewiesen. Wir müssen sie vor den Perversionen der Erwachsenen schützen.« Doch wo bleiben die Hilfsangebote für die Opfer und die Aufklärung an den Kindergärten und Schulen über sexuellen Mißbrauch? An den bundesdeutschen Hochschulen gehört dieses Thema weder für die Pädagogen noch die Polizisten noch die Juristen oder Arzte zum Lehrstoff.

Ein Jahr Haft für den Besitz von Kinderpornographie: Reicht das — im Vergleich zu einem zerstörten Leben des betroffenen Kindes, und zwar bis zum Ende dieses erbarmungswürdigen Lebens? Und was ist mit den Verjährungsfristen für die Taten? Kinder haben keine Lobby, noch nicht!

 

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Fazit

 

Es hat zu allen Zeiten und in allen Kulturen sexuellen Mißbrauch an Kindern gegeben, auch Inzest wurde selten verurteilt — es gab sogar einen Papst, Alexander VI. (1492 bis 1503), der mit der Tatsache prahlte, Vater der Kinder seiner Tochter Lucrezia Borgia zu sein. Ob das Ausmaß der sexuellen Gewalt heute schlimmer ist als in den vergangenen Jahrhunderten, ist schwer zu sagen. Die Opfer beginnen zu reden — die Dimension wird deutlicher, und es ist zu hoffen, daß immer mehr Frauen — wie Ursula, Pamela, Petra, Bärbel, Monika oder Susanne — den Mut finden, das Schweigen zu brechen und die Gesellschaft zu zwingen, das Elend wahrzunehmen und endlich zu helfen.

Die Familie darf nicht länger als gesellschaftlicher Schutzraum tabu sein; bei einem Verdacht muß der »Tatort Familie« angesprochen werden. Was wir in der Bundesrepublik brauchen, sind Zentren, in denen nicht nur sexuell Mißbrauchte, sondern auch die Täter Hilfe finden. Was wir brauchen, sind schärfere Gesetze im Bereich der Kinderpornographie. Die Vorschläge des Bundesjustizministers reichen bei weitem nicht aus, um Kinder in diesem Bereich zu schützen. Und: Wir benötigen neue rechtliche Regelungen über die Vernehmung von Kindern bei Gericht. Die Glaubwürdigkeit des Opfers steht zur Diskussion, schon seit Jahrzehnten. Die Täter verstehen es vortrefflich, die Aussagen als »Kinderphantasien« abzutun.

 

Was können wir tun? Wir sollten bei Jungen und Mädchen ein Verständnis dafür entwickeln, daß nur eine gleichberechtigte, sexuell erfüllte Partnerschaft das Ziel sein kann. Dem Elend von Paaren und dem Scheitern von Eltern-Kind-Beziehungen läßt sich zu einem Großteil dadurch vorbeugen, daß schon früh über sexuelle Fragen offen gesprochen wird.

Das ist einerseits eine Aufgabe der Schulen, aber auch der Eltern. Gleichzeitig müßten wir Menschen ermutigen, sich zusammenzutun, sich gegenseitig zu beraten, zu helfen, in Gruppen, Kinderzentren, Kinder­gärten. Auch viele Psychotherapeuten sind sexualwissenschaftlich viel zuwenig aufgeklärt.

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Wir brauchen ganz konkrete Beratungs- und Unterstützungsangebote, um im einzelnen Fall ganz konkret und unmittelbar Hilfe leisten zu können, sowohl für die Opfer als auch für die Täter. Und Mädchen und Jungen brauchen eine Verstärkung in ihrer Persönlichkeits­entwicklung. Mädchen müßten für die Wahrnehmung ihrer persönlichen Rechte sensibilisiert werden, lernen, sich als schützens­wert anzusehen und die Übergriffe anderer abzuwehren. Jungen sollten auf einen Weg in eine »Männlichkeit« geführt werden, welche die Grenzen und Rechte anderer respektiert.

 

Der Deutsche Bundestag stimmte Mitte November 1991 einem Gesetzentwurf zur Ratifizierung der Kinder­konvention der Vereinten Nationen zu. Das UN-Übereinkommen fordert unter anderem den Schutz der Kinder vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung. Mit der Anerkennung der UN-Kinderkonvention durch den Bundestag kann die Bundesrepublik nach Ansicht des Kinderschutz­bundes »ein gutes Stück kinderfreundlicher« werden. Voraussetzung dafür sei jedoch, daß Bonn die Konvention ernst nehme, so die Kinderschützer. Papier ist geduldig, aber Täter sitzen überall. Wir erinnern uns: Jedes dritte Mädchen, jeder siebte Junge werden sexuell mißbraucht.

Der Deutsche Kinder>schutz<bund änderte daran bisher auch nichts mit einer Werbung von fünf Millionen Mark. Wem nützt also eine solche Werbekampagne? Wen schützt man mehr mit dieser Anzeige — Opfer oder Täter? Jeder kann sich sein eigenes Urteil bilden: 

»Sabine ist Papis <ein und alles>. Sie wird von ihm geliebt. Aber mehr, als sie verkraften kann. Denn Papi vergeht sich sexuell an seiner Tochter. Dabei möchte er ihr nicht weh tun, er liebt sie doch. Und sie ist ja noch so klein. Er kann nur schwer Zuneigung und sexuelles Verlangen voneinander trennen. Papi weiß, daß er das nicht darf. Darum muß Sabine schweigen. Mit stummen Hilfeschreien will sie auf sich aufmerksam machen: Sie ist ängstlich, hat keinen Appetit, schläft schlecht. Und sie wirkt passiv — gar nicht wie sonst Kinder in ihrem Alter (...) Doch Sabines brauchen Hilfe. Sabines Väter brauchen Hilfe.«

Glaubt der Kinderschutzbund, so auch nur einen sexuellen Mißbrauch zu verhindern? Bei sexuellem Mißbrauch geht es um Gewalt und Ausbeutung. »Liebe«, wie die Kinderschützer behaupten, ist hier nicht im Spiel.

Mütter sehen zu, wie Männer ihre Kinder mißbrauchen, und Väter sehen zu, wie Mütter ihre Kinder mißbrauchen. Die, die im Moment noch zusehen, könnten sich aber auch dafür entscheiden, im Interesse ihrer Kinder nicht länger zu schweigen. Auch sollten Frauen damit anfangen, über ihre eigene Gewalt nachzu­denken. Sie haben es in der Hand, das zukünftige Ausmaß an Gewalt zu bestimmen. Wenn sie sich für die Liebe entscheiden, können sie Gewalt in ihrer Familie nicht mehr zulassen.

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