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5  Die Bestimmung des revolutionären Projekts 

 

 

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So verzerrt sie auch sein mögen, die Ideale der Freiheit sind doch immer noch unter uns lebendig. Aber selten ist das revolutionäre Projekt durch die "Bourgeoisierung", wie sie Bakunin gegen Ende seines Lebens befürchtete, stärker verwässert worden als heute. Auch waren die Schlüsselwörter dieses Projekts selten so uneindeutig. 

Wörter wie "Radikalismus" und "links" haben ihre klare Kontur verloren und werden - so steht zu befürchten - bald ernstlich kompromittiert sein. Was heute als Revolutionismus, Radikalismus und Linke durch­geht, wäre vor ein oder zwei Generationen als Reformismus und politischer Opportunismus abgelehnt worden. Das soziale Denken hat sich so tief in den Eingeweiden der heutigen Gesellschaft festgesetzt, daß selbsternannte "Linke" — seien es Sozialisten, Marxisten oder unabhängige Radikale unterschiedlicher Couleur — Gefahr laufen, verdaut zu werden, ohne es selbst zu merken. In vielen euro-amerikanischen Ländern gibt es einfach keine bewußte Linke von irgendeiner Bedeutung. Es gibt, abgesehen von ein paar Enklaven revolutionärer Theoretiker, noch nicht einmal einen kritischen unabhängigen Radikalismus.

Auf die Dauer noch ernster aber ist vielleicht die Gefahr, daß das revolutionäre Projekt seine Identität, seine Fähigkeit zur Selbstdefinition und seinen Orientierungssinn verlieren könnte. Wir sind heute nicht nur Zeugen eines Verlustes an revolutionärem Scharfblicks, sondern erleben auch eine Unfähigkeit zur Definition dessen, was mit dem Wort "revolutionäre Veränderung" und mit Begriffen wie "Kapitalismus" wirklich gemeint ist. 

Bakunins sorgenvolle Bemerkung über die "Bourgeoisierung" der Arbeiterklasse kann mit Marx' Befürchtung verglichen werden, eine zukünftige Generation von Arbeitern könne womöglich den Kapitalismus als dermaßen selbstverständlich hinnehmen, daß er als eine "natürliche" Form menschlicher Beziehungen erscheint und nicht als eine Gesellschaftsform, die auf eine spezifische historische Epoche beschränkt ist. 

Wenn man von der euro-amerikanischen Gesellschaft als einer "kapitalistischen" spricht, dann ruft man im besten Falle Verlegenheit hervor oder im schlimmsten Falle einen irreführenden Gegenverweis auf die sogenannten sozialistischen Gesellschaften in Ländern wie Rußland oder China. Daß erstere eine korporative Form des Kapitalismus war und letztere eine bürokratische, bleibt konventioneller Weisheit unverständlich.

Es kann natürlich gut sein, daß wir noch immer nicht wissen, was Kapitalismus wirklich ist. 

Vom Ausbruch des ersten Weltkriegs an haben Radikale jede Phase des Kapitalismus als seine "letzte Stufe" beschrieben, selbst wenn das System am Wachsen war, internationale Dimensionen annahm und Technologien erfand, die selbst von Science-Fiction-Autoren ein paar Generationen zuvor nicht vorhergesehen werden konnten. 

Der Kapitalismus hat auch einen Grad an Stabilität sowie eine Fähigkeit erwiesen, sich seine Opposition einzuverleiben, die die Altmeister des Sozialismus und Anarchismus des vergangenen Jahrhunderts schockiert hätten. Es kann sogar gut sein, daß sich der Kapitalismus noch gar nicht vollständig als die absolute Inkarnation sozialen Übels entfaltet hat, um Bakunins Worte zu gebrauchen — das heißt, als ein System erbitterter sozialer Rivalität zwischen Menschen auf allen Ebenen des Lebens und als ein auf Konkurrenz und Akkumulation gegründetes Wirtschaftssystem. 

Eines ist jedoch klar: dieses System muß unaufhörlich expandieren, solange bis alle Bindungen zerreißen, die noch zwischen Gesellschaft und Natur bestehen — wie die wachsenden Löcher in der Ozonschicht und der sich verstärkende Treibhauseffekt anzeigen. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes das Krebsgeschwür des sozialen Lebens an sich.

In diesem Falle wird sich die Natur "rächen". Diese "Rache" könnte zwar durchaus dazu führen, daß dieser Planet für komplexe Formen des Lebens, wie wir selbst und die artverwandten Säugetiere unbewohnbar wird. 

Zieht man jedoch die Geschwindigkeit technologischer Innovation und insbesondere die Möglichkeiten in Betracht, den Geheimnissen der Materie und des Lebens vermittels Nuklear­wissenschaft und Biotechnik auf die Spur zu kommen, dann kann es durchaus sein, daß man dem Zusammen­bruch natürlicher Zyklen durch ein vollständig synthetisches System riesiger industrieller Anlagen begegnet, welche die natürlichen Prozesse ersetzen. Wir wären blind, würden wir eine solche Möglichkeit nicht wahrnehmen — und ebenso die Möglichkeit, daß zukünftige Generationen gezwungen sein werden, eine alptraumhaft totalitäre Gesellschaft zu akzeptieren, die um eine weltumspannende technokratische Administration aller Angelegenheiten der Gesellschaft und Natur strukturiert ist. 

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In diesem Falle würde das sich selbst regulierende natürliche System von Kraft und Gegenkraft, für das man den Begriff der "Gaia-Hypothese" geprägt hat, durch ein teilweise oder vollständig technologisch gesteuertes System ersetzt, vielleicht durch eine Art "Daedalus-Hypothese", jedoch ohne den griechischen Unterton der Grenze und Selbstbeschränkung.

Bevor jedoch solche betrüblichen Aussichten zu einem eindeutigen Programmpunkt auf der historischen Tagesordnung werden, gilt es dringlichst, das revolutionäre Projekt und die neuen Erkenntnisse, die im Verlauf des letzten halben Jahrhunderts hinzukamen, wieder zum Leben zu erwecken. Es können uns auch nicht die Vorwürfe aufhalten, daß allein schon die Idee des revolutionären Projekts, Beweis für "Sektierertum" oder "radikalen Dogmatismus" sei. Was sich heute als "liberal" oder "links-von-der-Mitte" versteht, um die vorsichtige politischen Sprache unserer Zeit zu gebrauchen, ist intellektuell zu schwachbrüstig, um die Bedeutung von "Sektierertum" von einer forschenden Analyse moderner sozialer und ökologischer Probleme unterscheiden zu können.

Wir müssen deshalb im Gegensatz hierzu, unabhängig und entschlossen alle vergangenen und gegenwärtigen Phasen des revolutionären Projekts untersuchen, wie etwa den "proletarischen Sozialismus", die "Neue Linke" und das sogenannte ökologische Zeitalter. Wir müssen die Antworten aus der jüngsten Vergangenheit untersuchen, die auf die heutigen und die vor uns liegenden Probleme gegeben wurden. Solange wir nicht eine kritische Untersuchung früherer Lösungen beginnen, werden wir im Dunkel einer unbekannten Geschichte umherirren, die uns viel zu lehren hat. Wir werden unter einer Naivität und Ignoranz leiden, die uns völlig falsche Wege in bedeutungslose, vergebliche und sogar leichtsinnige Richtungen weist.

 

    Das Scheitern des proletarischen Sozialismus   

 

Es gehört zu den bittersten Tatsachen, denen wir uns derzeit gegenübersehen, daß eines der großen revolutionären Projekte der modernen Zeit nicht mehr lebensfähig oder auf unsere Probleme anwendbar ist. Ich denke dabei nicht nur an die marxistischen Gesellschafts­analysen, sondern — wie wir noch sehen werden — an den proletarischen Sozialismus insgesamt, der sich weit über den Marxismus hinaus in libertäre Formen des Sozialismus und sogar in bestimmte utopische Vorstellungen hinein erstreckte.


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Jenes "das Sein bestimmt das Bewußtsein", oder weniger philosophisch ausgedrückt, die Bestimmung kulturellen Lebens durch materielle Faktoren, erscheint inzwischen zu sehr vereinfacht, um weiterhin die enorme Überzeugungskraft wie in der zweiten Hälfte des vergangenen und der ersten des derzeitigen Jahrhunderts zu besitzen, als der Kapitalismus selbst die Mentalität Europas und Amerikas auf einer extrem ökonomistischen Grundlage formte.

Eine genauere Betrachtung der Geschichte zeigt, daß dieses weitgehend bourgeoise Bild der Realität, das der Marxismus in eine scheinbar "radikale" Ideologie verwandelte und das für die Gegenwart überzeugend scheint, auf spezifische Perioden der Geschichte beschränkt ist. Es wäre unverständlich, warum der Kapitalismus nicht eine herrschende soziale Ordnung in verschiedenen Phasen der antiken Welt wurde, wenn nicht überlieferte kulturelle Traditionen die kapitalistischen Interessen, die sehr wohl in den vergangenen Epochen am Werke waren, gezügelt und schließlich unterminiert hätten. Endlose Beispiele ließen sich aufzählen, um zu zeigen, wie das "Bewußtsein" das "Sein" zu bestimmen schien (wenn man sich schon auf eine solche "deterministische" Sprache einlassen will), richtete man den Blick auf die Geschichte Asiens, Afrikas und das Amerika der Ureinwohner, nicht zu vergessen viele europäische Länder in der frühen Neuzeit. 

Auf der ganzen Front des Verhältnisses vom Bewußtsein zum Sein — das immer noch ein beträchtliches Gewicht unter marxistischen Akademikern selbst zu einer Zeit hat, da die ganze übrige Theorie in Scherben liegt — weicht der Marxismus seinem eigenen Sachverhalt aus. Von seinem eingefleischten ökonomistischen und bourgeoisen Standpunkt aus, definiert er in bourgeoisen Begriffen eine Reihe von Problemen, die entschieden nichtbourgeoise und überraschend nichtökonomische Wurzeln haben. Noch die Tatsache beispielsweise, daß es den vorkapitalistischen Gesellschaften nicht gelang, sich zum Kapitalismus hin zu entwickeln, wird durch den "Mangel" an technisch-wissenschaftlichem Niveau erklärt, aber auch — wie so häufig bei Marx, in seinen weniger strengen Werken wie etwa den Grundrissen — durch eben jene kulturellen Faktoren, die doch angeblich von ökonomischen Faktoren bedingt sind.

Ganz abgesehen von den für den Marxismus so charakteristischen Zirkelschlüssen stellen bei dem Versuch, das revolutionäre Projekt für unsere Zeit zu definieren, die Idealisierung des proletarischen Sozialismus und die um ihn gewachsenen historischen Mythen das größere Problem dar. Revolutionäre Projekte wurzelten immer in den spezifischen Erscheinungen ihrer jeweiligen Periode, wie sehr sie auch versuchten, ihre Ideale zu universalisieren und für die Menschheit aller Zeiten zu sprechen.


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Bäuerliche Radikalität läßt sich fast bis auf die Anfänge eines geordneten Dorflebens zurückführen. Umhüllt von einer universellen religiösen Moralität, erhob sie stets den Anspruch, im Namen zeitloser Werte und Hoffnungen, die sich auf das Land und das Dorfleben bezogen, zu sprechen. Charaktere wie der ukrainische Anarchist Nestor Machno in den Jahren 1917-21 und etwa zur gleichen Zeit der mexikanische Populist Emiliano Zapata, verkündeten fast identische Ziele. Gleichermaßen tauchte bereits im Mittelalter wiederholt ein handwerklicher Radikalismus auf und erlebte seinen Höhepunkt in der Bewegung der Enragés während der Französischen Revolution und der Pariser Commune im Jahre 1871. Pierre-Joseph Proudhon war vielleicht ihr bewußtester Sprecher, obwohl seine munizipal­istischen und konföderalistischen Ideen in ihren rekonstruktiven Implikationen weitreichender waren als die irgendeiner bestimmten Klasse, für die er sprach.

 

Der proletarischer Sozialismus, der auch heute noch in den Idealen vieler unabhängiger Sozialisten und Syndikalisten fortdauert, hat einen komplexeren und verwickelteren Hintergrund. Zum einen stammt er aus der Transformation vieler weitgehend autonomer Handwerker zu industriellen Arbeitern durch den Kapitalismus während der explosiven Jahre der Industriellen Revolution. Zum anderen war er als Bewegung — unabhängig von allen Theorien — durch seine ländlichen und kleinstädtischen Ursprünge beeinflußt, insbesondere durch die Proletarisierung der Bauern, die ihre Dörfer und landwirtschaftlichen Kulturen verlassen mußten.

Daß sie diese vorkapitalistischen Kulturen, mit ihren naturverbundenen Rhythmen und Werten, in die industriellen Städte mitbrachten, ist zur Erklärung des Charakters ihrer Unzufriedenheit und Militanz von ausschlaggebender Bedeutung. Die Arbeiterklasse des traditionellen Industriekapitalismus, selbst noch in den zwanziger und dreißiger Jahren in Amerika und Europa, bestand nicht aus "althergebrachten" Proletariern. Amerikanische Automobilarbeiter beispielsweise wurden in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts im Appalachengebirge rekrutiert. Viele französische und vor allem viele spanische Arbeiter wurden aus Dörfern und kleinen Städten rekrutiert, wenn sie nicht einfach Handwerker in den großen Städten wie Paris waren. Dies gilt auch für die Arbeiterklasse, die in Rußland die Revolution von 1917 machte.

Es ist daran zu erinnern, daß Marx, in seiner anhaltenden Verwirrung, in diesen sich rasch verändernden Volksschichten nichts als "die alte Scheiße" erblickte und in keiner Weise darauf zählte, daß gerade sie jene Revolutionen herbeiführen würden, die seine Anhänger nach seinem Tode so feierten.


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Dieser ländliche Hintergrund ergab ein hochkomplexes Mosaik von Ansichten, Werten und Spannungen zwischen vorindustriellen und industriellen Kulturen, welches ein brennendes, nahezu endzeitliches Feuer in Männern und Frauen lodern ließ, die — obwohl an modernen Maschinen arbeitend und in Großstädten mit einer hochentwickelten Kulturszene lebend — von überwiegend handwerklichen und bäuerlichen Werten geleitet waren. Die großartigen anarchistischen Arbeiter, die das Geld verbrannten, das sie in den ausgeplünderten Waffengeschäften Barcelonas in den hektischen Tagen des Aufstandes im Juli 1936 fanden (wie Ronald Fräser berichtete), waren Menschen, die aus tiefen utopistischen und ethischen Impulsen heraus handelten und nicht bloß aus dem ökonomischen Interesse, das der Kapitalismus den Arbeitern im Laufe der Zeit einflößte.16) Das Proletariat des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts war ein ganz besonderes soziales Gewächs. Diese Menschen waren déclassé im Denken, spontan in der lebendigen Naturwüchsigkeit ihres Verhaltens, erbittert über den Verlust ihrer Autonomie und von den Werten eines verlorengegangenen Handwerkertums, einer Liebe zum Land und der Solidarität der Gemeinschaft geformt.

Von daher kam der starke revolutionäre Geist, der sich in der Arbeiterbewegung erhob - von den Junibarrikaden 1848 in Paris, wo eine weitgehend handwerkliche Arbeiterklasse die roten Fahnen einer "sozialen Republik" hißten, bis zu den Barrikaden des Mai 1937 in Barcelona, wo eine sozial noch bewußtere Arbeiterklasse die schwarz-roten Fahnen des Anarchosyndikalismus hochhielten.

Was sich so drastisch in den Jahrzehnten änderte, die auf diese ein Jahrhundert andauernde Tradition und das revolutionäre Projekt folgten, das aus ihr entstanden war, ist die soziale Zusammensetzung, die politische Kultur, die Überlieferung und das Ziel des heutigen Proletariats. Die bäuerliche Welt und das kulturelle Spannungsverhältnis zur industriellen Welt, aus dem sich ihre revolutionäre Leidenschaft nährte, sind in der Geschichte versunken - ebenso wie die Menschen, ja wie die Persönlichkeitsbilder, die diesen Hintergrund und dieses Spannungsverhältnis verkörpert haben.

Die Arbeiterklasse ist jetzt völlig industrialisiert und nicht etwa radikalisiert, wie es die Sozialisten und Anarchosyndikalisten so inbrünstig hofften. Sie hat kein Gespür mehr für das Mißverhältnis, für das Aufeinanderprallen der Traditionen, und sie teilt auch nicht die Erlösungshoffnungen ihrer Vorläufer.


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Nicht nur haben die Massenmedien das Kommando über sie übernommen und ihre Erwartungen neu geprägt (eine gute Erklärung, wenn man alle Schuld den modernen Massenmedien zuschreiben will), sondern das Proletariat als Klasse wandelte sich aus dem unnachgiebigen Todfeind der Bourgeoisie als Klasse zu deren Vertragspartner. In der Sprache, die der proletarische Sozialismus — entgegen seinen eigenen Mythen — entwickelt hat, wurde die Arbeiterklasse schlechterdings zu einem Organ innerhalb des kapitalistischen Systems und nicht etwa der "Embryo" einer zukünftigen Gesellschaft, also zu jenem Begriff, dem eine so zentrale Bedeutung innerhalb des revolutionären Projektes des proletarischen Sozialismus zukam.

Wir sind nicht nur Zeugen ihres Scheiterns als "historischer Mittler" einer revolutionären Veränderung, sondern wir müssen sogar mitansehen, wie sie vom Kapitalismus zu einem Gebilde umgeformt wird, das dieser im Zuge seiner Entwicklung selbst hervorbringt. In seiner "reinen" Form war das Proletariat als Klasse niemals eine Bedrohung für das kapitalistische System. Es waren vielmehr diese "Verunreinigungen" des Proletariats, die, so wie die Anteile von Kupfer und Zink die Härte von Bronze ausmachen, früher dem Proletariat seine Militanz und an bestimmten Höhepunkten eine endzeitliche Begeisterung verliehen.

 

Wir kommen hier zu dem erschreckend fehlerhaften Modell des sozialen Wandels, das Marx in das revolutionäre Projekt der letzten hundert Jahre einführte — ein Modell, das von nichtmarxistischen Radikalen ebenfalls implizit übernommen wurde. Es ist der Glaube, daß eine neue Gesellschaft im Schoße der alten heranwächst und schließlich wie ein robustes Kind auf die Welt kommt; das seine Eltern entweder herumkommandiert oder sie ganz vernichtet. Nichts in der Geschichte stützte diese "Embryo"-Theorie der Revolution, wenn man sie als solche bezeichnen kann. 

Der europäische Feudalismus ersetzte die antike Gesellschaft an den nördlichen Ufern des Mittelmeeres — und nur dort — weil feudale Beziehungen generell die Form waren, in die sich die stammesmäßigen Verhältnisse fast überall auflösten, soweit sie nicht, wie etwa im Osten, in absolute Monarchien umgewandelt wurden. Das nördlich der Alpen gelegene große europäische Hinterland verlor mit der Konfrontation durch die römische Gesellschaft sehr schnell seine stammesbezogenen Eigenschaften.


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Der Kapitalismus entstand nicht im Schoße des neuen europäischen Feudalismus, und es gab auch keine Notwendigkeit für seine Geburt, wie uns marxistische Historiker der Vergangenheit oder in jüngerer Zeit Ferdinand Braudel und Immanuel Wallerstein glauben machen wollen. 

Ich habe an anderer Stelle aufzuzeigen versucht, daß Europa zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert sozial und ökonomisch sehr gemischt war und viele Alternativen zum Kapitalismus und zum Nationalstaat eröffnete.17) Der Mythos von der "embryonischen" Entwicklung des Kapitalismus und der "Unvermeidbarkeit" seiner Vorherrschaft sollte sich verheerend auf das revolutionäre Projekt des proletarischen Sozialismus auswirken.

Erstens schuf er den Mythos, das Proletariat sei das moderne Analogen zur mittelalterlichen Bourgeoisie und entwickle sich angeblich wie diese auf einer revolutionären Bahn innerhalb des Kapitalismus selbst. Daß das Proletariat niemals die ökonomische Vorherrschaft hatte, die Marx der frühen Bourgeoisie zuweist, daß es demnach die ökonomische, wie auch die politische Macht ergreifen müßte — all dies brachte ein Knäuel theoretischer Widersprüche mit sich, aus dem hätte klarwerden müssen, wie absurd die "Embryo"-Theorie für das Proletariat war, selbst wenn die mittelalterliche Bourgeoisie tatsächlich die Macht genoß, die ihr hier zugeschrieben wurde. 

Wie nun genau sich die Arbeiterklasse über ihre eigenen engen Interessen erheben könnte, in einer Ökonomie, deren integraler Bestandteil sie durch ihre begrenzten Forderungen nach Arbeitsplätzen, höheren Löhnen, kürzerer Arbeitszeit und besseren Arbeitsbedingungen innerhalb des kapitalistischen Systems war, blieb ein undurchdringliches Mysterium.

Die Marx'sche Wirtschaftstheorie war, trotz der außergewöhnlichen Einsichten in die Warenbeziehungen und den Akku­mulationsprozeß, die sie vermittelte, eine weitgehend ausgedachte Ideologie, um nachzuweisen, daß der Kapitalismus das Proletariat durch Elend und chronische Krisen zur Revolte treiben würde. Es wurde von der Annahme ausgegangen, daß der Vorteil, den das Proletariat im Vergleich zu allen anderen unterdrückten Klassen der vorkapitalistischen Welt genoß, in der Kooperation als vorherrschender Form der Arbeit in den Fabriken bestand und daß im Laufe der Zeit, mit der Expansion des Kapitalismus dies für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gelten würde.


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Daß das Fabriksystem das Proletariat durch die tödliche Routine der Fabrik völlig zähmen würde; daß es die Aufsässigkeit des Proletariats durch Gewöhnung an ein hierarchisches Management und an rationalisierte Produktions­methoden dämpfen würde; daß das Proletariat nicht durch pure Verzweiflung zur Revolution getrieben, sondern in sich gespalten würde, in gutbezahlte und rassisch "überlegene" und schlechtbezahlte und rassisch "minderwertige" Schichten; daß die Hoffnungen auf eine chronische ökonomische Krise durch ausgefeilte Techniken des Krisenmanagements zerschlagen würden; daß Nationalismus und selbstpatriotischer Chauvinismus über die internationale Klassensolidarität siegen würde; daß überhaupt technische Innovationen das Proletariat rein zahlenmäßig reduzieren und japanische Managementmethoden es dazu bringen würden, bei seiner eigenen Ausbeutung mitzumachen — all das wurde nicht im geringsten als die Logik kapitalistischer Entwicklung verstanden.

 

Zweitens mystifizierte Marx' Mythos einer "embryonischen" Entwicklung die Geschichte und brachte sie um ihr wesentliches Element, die Spontaneität. In einer solchen Theorie konnte es grundsätzlich nur einen Verlauf der Entwicklung geben; Alter­nativen waren nicht zugelassen. Wahlmöglichkeiten spielten für die gesellschaftliche Entwicklung nur eine untergeordnete Rolle. Der Kapitalismus, der Nationalstaat, der technische Fortschritt, der Zusammenbruch aller traditionellen Bindungen, aus denen einst ein Gefühl sozialer Verantwortung erwuchs — all dies wurde nicht nur als unvermeidlich, sondern sogar als erstrebenswert angesehen. Im wesentlichen räumte die Geschichte dem Menschen nur ein Minimum an Autonomie ein.

"Die Menschen gestalten ihre eigene Geschichte ....." schrieb Marx — eine ziemlich offensichtliche Feststellung, die kulturorientierte Marxisten noch lange nach seinem Tode und inmitten zunehmender Widersprüche zwischen seiner Theorie und der objektiven Wirklichkeit betonten. Häufig übersahen sie dabei aber, daß Marx mit diesen Worten eigentlich nur den zweiten Teil des Satzes hervorheben wollte: "...dies geschieht jedoch nicht unter von ihnen selbst ausgesuchten Umständen, sondern unter den von ihnen vorgefundenen, gegebenen und aus der Vergangenheit überlieferten."18)

Dem Marx'schen revolutionären Projekt, aber nicht nur dem Marx'schen allein, wurden eine Unzahl von "Stufen", "Vorstufen" und immer weiteren "Vorstufen" auferlegt, die an technologische und politische "Voraussetzungen" geknüpft waren. Im Gegensatz zu der anarchistischen Politik des kontinuierlichen Drucks auf die Gesellschaft, der Suche nach Schwachpunkten und nach Feldern, auf denen eine revolutionäre Veränderung möglich sein würde, war die Marx'sche Theorie entlang einer Strategie der "historischen Grenzen" und der "Entwicklungsstufen" strukturiert.


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Die Industrielle Revolution wurde als technologische "Voraussetzung" für den Sozialismus begrüßt und luddistische Tendenzen wurden als "reaktionär" verurteilt; der Nationalstaat wurde als ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur "Diktatur des Proletariats" gefeiert, während konföderalistische Forderungen als atavistisch verdammt wurden. Auf der ganzen Linie wurde die Zentralisierung der Wirtschaft und des Staates als Schritt in die Richtung einer "Planwirtschaft", d.h., einer hoch rationalisierten Ökonomie, begrüßt. 

So stark waren die Marxisten, bis hin zu Engels persönlich, diesen unglückseligen Auffassungen verbunden, daß sich die marxistische deutsche Sozialdemokratie in den 20er Jahren sogar weigerte, Antimonopol-Gesetze zu verabschieden (zum dauerhaften Verdruß des Kleinbürgertums, das alsbald sein Heil bei den Nazis suchen sollte), da die Konzentration von Handel und Industrie in der Hand weniger Konzerne als "historisch fortschrittlich" — nämlich das Land einer Planwirtschaft näherbringend — angesehen wurde.

Drittens wurde das Proletariat selbst, das der Kapitalismus bereits zu einem ziemlich flexiblen Instrument der Produktion reduziert hatte, von der marxistischen Avantgarde ebenfalls als solches behandelt. Arbeiter wurden in erster Linie als ökonomische Wesen und als die Verkörperung ökonomischer Interessen betrachtet. Ansätze von Radikalen wie Wilhelm Reich, der auf ihre Sexualität zielte, oder revolutionären Künstlern wie Majakovski, die an ihre ästhetischen Empfindungen appellierten, wurden bei den marxistischen Parteien in Acht und Bann getan. Kunst und Kultur wurden weitgehend als Vehikel der Propaganda in den Dienst der Arbeiterorganisationen gestellt.

Bezeichnend für das marxistische revolutionäre Projekt war das fehlende Interesse an Urbanität und Gemeinschaftsleben. Diese Themen wurden dem "Überbau" zugerechnet; für die "grundlegenden" ökonomischen Fragen waren sie angeblich ohne Belang. Menschliche Wesen mit ihren weitreichenden Interessen als kreative Menschen, Eltern, Kinder und Nachbarn wurden künstlich als ökonomische Wesen rekonstituiert, so daß das Marx'sche revolutionäre Projekt die Degradierung, Entkulturalisierung und Entpersönlichung der Arbeiter, die das Fabriksystem mit sich brachte, noch verstärkt. Arbeiterinnen und Arbeiter erreichten ihre Erfüllung nicht als kulturell hochentwickelte Wesen mit weitgespannten moralischen und menschlichen Anliegen, sondern im Dienst der Gewerkschaft oder in Parteifunktionen aufgehend.

Die Denaturierung von menschlichen Wesen zu inhalts- und ausdruckslosen Klassenwesen führte schließlich auch zu einer Denaturierung der Natur selbst.


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Ökologische Themen waren dem Marx'schen revolutionären Projekt nicht nur fremd, sondern sie wurden sogar im wahrsten Sinne des Wortes als heimtückisch kontraproduktiv gesehen. Sie verhinderten das industrielle Wachstum und das Anzapfen der natürlichen Welt. Natur wurde als "dornig", "blind", als grausames "Reich der Notwendigkeit" und als Ansammlung "natürlicher Ressourcen" behandelt, die durch Arbeit und Technik unterworfen, beherrscht und neugestaltet werden mußte. Der durch den Kapitalismus hervorgebrachte und von Marx als "notwendig" begrüßte große historische Fortschritt war dessen brutale Fähigkeit, alle Schranken und Dämme gegen die Verwüstung der Natur niederzumachen. Wir finden deshalb bei Marx salbungsvolle Lobreden auf die durch das Kapital herbeigeführte neue industrielle Ordnung, die in seinen Augen, wegen der Reduzierung der Natur zum "einfachen Objekt" menschlicher Nutzung, "permanent revolutionär" war.19)

Marx' Sprache und seine Ansichten über den uneingeschränkten Gebrauch der Natur für gesellschaftliche Zwecke haben nichts zu tun mit dem sogenannten Humanismus oder Anthropozentrismus, der heutzutage von so vielen anglo-amerikanischen Umwelt­schützern verunglimpft wird. Marx' "Humanismus" baute vielmehr auf einer ausgesprochen hinterhältigen Reduzierung menschlicher Wesen zu objektiven Kräften der "Geschichte" auf; er unterwarf sie einer gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeit, über die sie keine Kontrolle hatten. Diese Mentalität ist beunruhigender als jede gefühllose Form des "Anthropozentrismus". Die Natur wird hier zur bloßen "natürlichen Ressource", weil Menschen nämlich als bloße "ökonomische Ressourcen" verstanden werden.

Wenn Marx die menschliche Arbeit als das Mittel betrachtet, durch das sich "der Mensch" in der Auseinandersetzung mit der Natur selbst entdeckt, so hat dies die gefährliche Implikation, Arbeit sei das "Wesen" der Menschheit, sei also ein Wesens­merkmal, das sich von allen anderen menschlichen Wesensmerkmalen grundsätzlich unterscheidet.

In diesem Sinne steht Marx im Widerspruch zur authentischen humanistischen Tradition der Vergangenheit, derzufolge der Mensch aufgrund seines Bewußtseins, seiner Moralität, seiner ästhetischen Sensibilitäten und seines Einfühlungsvermögens in alles andere Lebende eine Sonderstellung einnimmt. Schlimmer noch: wenn doch alle Menschen, der marxistischen Theorie nach, bloße "Instrumente der Geschichte" sind, kann das Glück und Wohlbefinden der gegenwärtigen Generation der Befreiung zukünftiger geopfert werden — eine Amoral  [im Original steht anstelle von "immorality": "immortality" (Unsterblichkeit), wahrscheinlich ein Druckfehler, Anm.d.Ü.], mittels derer die Bolschewiken allgemein, besonders aber Stalin, in erschreckendem Maße und mit todbringenden Folgen auf den Leichenhaufen der Gegenwart "die Zukunft errichten wollten".


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Der Beitrag, den der proletarische Sozialismus zum revolutionären Projekt leistete, war bestenfalls minimal und überwiegend von ökonomischem Charakter. Marx' Kritik der bürgerlichen Ökonomie war, obwohl weitgehend auf seine Zeit beschränkt, ein Meisterstück. Sie zeigte die latente Macht der Warenproduktion auf, eine alles zersetzende Kraft zu entwickeln, die den Verlauf der Geschichte ändern sollte, sowie die subversive Kraft des Marktes, alle traditionellen Formen gesellschaftlichen Lebens auszulöschen. Sie antizipierte die akkumulierende Macht des Kapitals bis zu einem Punkt, an dem die Monopolbildung als Folge und die Automation als Logik kapitalistischer technologischer Innovation verstanden werden konnte.

Marx sah ebenso, daß, sobald sich der Kapitalismus entwickelte, er im menschlichen Bewußtsein ein tiefgreifendes Gefühl des Mangels entstehen ließ, das vordem von keiner anderen Gesellschaftsform hervorgebracht wurde. Die entfremdeten Menschen lebten in Ehrfurcht und gleichzeitig in Schauder vor den Produkten ihrer eigenen Arbeit. Waren wurden zu Fetischen, die ihre Herrschaft über die Menschheit vermittels der Fluktuationen des Marktes und seiner geheimnisvollen Entscheidungsgewalt über Fragen des wirtschaftlichen Überlebens auszuüben schienen.

Eine freie Gesellschaft konnte erst dann hoffen, mit ihrer eigenen Angst, ihren materiellen Unsicherheiten und künstlich hervor­gerufenen Bedürfnissen zurecht zu kommen, wenn der technische Fortschritt einen derartigen Warenüberfluß ermöglicht hätte, daß der Mangel bedeutungslos würde — wonach man nur hoffen konnte, daß die Menschen in einer rationalen und ökologischen Gesellschaft sinnvollere Bedürfnisse entwickeln würden, die nicht durch die aus dem Kapitalismus erwachsene mystifizierte ökonomische Welt verzerrt sind.

Daß diese mystifizierte Welt personalisiert wurde, wie dies in jüngster Zeit durch verschiedene - christliche wie heidnische - wiedergeborene Religionen und durch die Hypostasierung von Mythen, Schamanismus, Hexerei und anderen egozentrischen Verlockungen des Mysteriösen geschah, verdeutlicht nur das Ausmaß, in dem der Kapitalismus nicht nur die Ökonomie, sondern auch das private Leben heimgesucht hat.

Es ist wichtig, die Entwicklung einer Technik, die die moderne Angst vor dem Mangel beseitigen kann, eine Nach-Knappheits-Technik sozusagen, zum Bestandteil des revolutionären Projektes zu machen.


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Eine solche Technologie muß jedoch in den Kontext einer sozialen Entwicklung gestellt werden und darf nicht als "Vorbedingung" menschlicher Emanzipation unter allen Bedingungen und für alle Zeiten aufgefaßt werden. Trotz aller Fehler und Unzuläng­lichkeiten waren die vorkapitalistischen Gesellschaften um bestimmte mächtige moralische Zwänge strukturiert. Ich habe bereits eine von Kropotkin herausgestellte mittelalterliche Ordnung zitiert, nach der "jedermann an seiner Arbeit Freude haben muß...", was keinesfalls selten war. 

Die Auffassung, daß die Arbeit Freude bereiten solle und daß weder Bedürfnisse noch Reichtum endlos expandieren sollten, formte ganz wesentlich die gängigen Vorstellungen über den Mangel an sich. Reichtum wurde sogar oft als dämonisch angesehen und die exzessive Befriedigung von Bedürfnissen als moralisch verderblich. Geschenke zu machen und sich nutzloser Dinge zu entledigen stand, wie wir gesehen haben, höher als die Anhäufung von Waren und die Vermehrung von Bedürfnissen. Nicht, daß der vorkapitalistischen Gesellschaft der Appetit auf Luxusgüter und die schönen Dingen des Lebens abging - im römischen Imperium jedenfalls nicht. Die Gesellschaft reagierte jedoch schnell auf als solche empfundene "Laster" mit Askese und Litaneien der Selbstverleugnung.

Ironischerweise waren es genau diese Traditionen, die Marx in den schärfsten Worten geißelte - lobte er doch den Kapitalismus dafür, "diese überkommene, selbstgenügsame Zufriedenheit mit den vorhandenen Bedürfnissen innerhalb klar gezogener Grenzen und diese Reproduktion der traditionellen Lebensweise" 20) untergraben zu haben. Die Produktion um ihrer selbst willen — die typisch kapitalistische Mißachtung aller Qualitätsprodukte und ihres Nutzens um der Quantitäten und des Profits willen — erhielt ihre Entsprechung durch den Konsum um des Konsums willen. Diese Einstellung ist zwar jüngeren Datums, aber gleichwohl bei der breiten Masse der westlichen Welt tief verwurzelt.

Angesichts der Fetischisierung der Waren und der Identifikation materieller Sicherheit mit Wohlstand, scheint es fast unmöglich, das moderne Konsumverhalten allein durch moralische Überzeugung zu verändern, so wichtig solche Bemühungen auch sein mögen. Das heutige Konsumverhalten muß als irrelevant, ja lächerlich dargestellt werden in Anbetracht der Tatsache, daß die Technik ein besseres Leben für alle ermöglicht und daß das bessere Leben auf einer rationalen und ökologischen Grundlage neubestimmt werden kann.

Der Marxismus erlebte jedenfalls seinen Einbruch als revolutionäres Projekt, als sich der Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg stabilisierte und keine jener eigentlich vorgesehenen "proletarischen Revolutionen" ausbrachen, von denen erwartet wurde, daß sie den Krieg beenden und die Gesellschaft vor der Alternative zur Barbarei retten würden.

Sein Niedergang beschleunigte sich noch dadurch, daß die Sowjetunion vor aller Augen zu einem gewöhnlichen, von nationalem Chauvinismus und imperialistischen Ambitionen gezeichneten Nationalstaat degenerierte. Daß sich marxistische Studien in akademische Enklaven zurückgezogen haben, bezeugt den Tod des Marxismus als revolutionärer Bewegung. Er wurde zahm und zahnlos, weil er im Grunde in seiner Gesamtorientierung so bourgeois ist.

Andererseits haben die kapitalistischen Länder einen Großteil ihrer Wirtschaft verstaatlicht In der einen oder anderen Form "planen" sie ihre Produktion und haben wirtschaftliche Schwankungen mit einer Vielfalt von Reformen abgefedert. Die Arbeiterklasse wurde ihrer Kraft beraubt, einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen - von einer Revolution ganz zu schweigen. Die rote Fahne des Marx'schen Sozialismus ist über einen Sarg von Mythen gebreitet, die um einen ökonomischen und politischen Zentralismus, industrielle Rationalisierung, eine simplistische Theorie des linearen Fortschritts und eine im Grunde anti-ökologische Haltung kreisen, und dies alles im Namen des Radikalismus. Aber rote Fahne hin oder her, es bleibt ein Sarg. Die Mythen, die darin eingeschlossen sind, haben auf tragische Weise die radikale Theorie und Praxis von den weit gespannten Idealen der Freiheit, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschten, abgelenkt.

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