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Wenn die Besten ungeboren bleiben 

 

 

275-291

Bisher wurde nur von der Quantität der Menschen gesprochen. Wohl beherrscht diese Frage den Augenblick. Über die Zukunft aber entscheidet auch die Qualität.

Gesundsein heißt bei einem Volk: die Qualitäten der Erbmasse steigern und die Quantität erhalten. Und doch: Gesundsein genügt, wie die Geschichte lehrt, nur so lange, als der Nachbar nicht noch gesünder ist.

Der Mensch konnte von jeher Einfluß nehmen auf die Qualität; er konnte die Besten vernichten oder ihnen in erhöhtem Maße die Möglichkeit zur Fortpflanzung geben. Aber im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende wechselte das Bild, das dem Menschen als besonders erstrebenswerte, höchste Qualität galt. Früher mußte der Führer einer Horde vor allem körperliche Qualitäten besitzen und dazu wohl meist noch etwas Gerissenheit; bei manchen Völkern mochte auch schon ein respektgebietender Gerechtigkeitssinn Bedeutung gewinnen. Erste Voraussetzung aber blieben die körperlichen Qualitäten. Ein Goethe wäre vor 100.000 Jahren vielleicht erschlagen worden, weil er nicht muskelkräftig genug war. Häufig durften sich die Führer von Horden viele Frauen halten, so daß ihr Erbgut in ihrem Stamm besonders stark vertreten wurde. Der Idealtypus war also ehedem der Muskelstarke.

Auch Klugheit konnte durch manche Volkssitten — ius primae noctis, das den Hohenpriestern zustand — in erhöhtem Maße sich vererben. 

Meist aber wurde eine solche positive Auslese durch eine negative überschattet. In den Kriegen fielen im allgemeinen die Tüchtigeren, bei Verfolgung religiöser Art wurden die Aufrechten verbrannt, und das Zölibat läßt wertvolles Erbgut ohne Nachfolgeschaft.

Wer aber wurde durch die verschiedenen Lockungen zu intensiver Fortpflanzung vor allem erfaßt? Immer die niedersten Schichten. Nur Konfuzius hatte es vermocht, das ganze Volk gleichmäßig anzutreiben. Alle anderen Methoden, die der Römer ebenso wie die in neuerer Zeit, wendeten sich an die Masse. Hitlers Menschengestüte haben nachweislich geistig Minderwertiges produziert. 

Wir müssen daher der Frage nachgehen, ob diese Teile des Volkes nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geistig unter den anderen stehen. Ist es wirklich die Intelligenz, die die Einreihung in eine soziale Stufe bestimmt? Ist der Sohn des ungelernten Arbeiters im Durchschnitt weniger befähigt als der Sohn des Vorarbeiters, des Großkaufmannes, des Künstlers oder Akademikers? 

»Untersuchungen über die Begabung der einzelnen sozialen Schichten sind von den verschiedensten Forschern, mit den verschiedensten Methoden und zum Teil an geradezu riesigem Material vorgenommen worden. Sie alle haben die ungleiche Verteilung der Bildungsfähigkeit unter den verschiedenen sozialen Schichten bewiesen, und sie haben einheitlich zu dem Ergebnis geführt, daß die durchschnittliche Begabung mit der Höhe der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung zunimmt.« (H.W. Siemens.)

Selbst der Hutfabrikant kommt zu gleichem Resultat. Für die »besseren Kreise«, mithin von den besseren Hutsorten müssen größere Kopfnummern hergestellt werden als von den billigen. Der ungelernte Arbeiter hat nicht nur den billigsten, sondern auch den kleinsten Hut.

Preise des Hutes 
etwa vor 30 Jahren

3 RM

6 RM

7 RM

12 RM

24 RM 

höchste vorhandene
 
Hutnummer 

56

57

59

60

61

 mittlere 
Hutnummer

54

55

56

57

58

Je größer der Geldbeutel also, um so größer der Schädel. Der größere Hirnkasten birgt aber ein größeres Gehirn als der kleine. Unter dem teueren 24-Mark-Hut steckt somit ein schwereres Gehirn als unter dem zu 3 RM. Nun läßt sich freilich die Höhe der Intelligenz nicht einfach dadurch messen, daß man das Gehirn auf die Waage legt. Aber eine gewisse Abhängigkeit zwischen Gehirnleistung und Gehirngewicht besteht innerhalb derselben Rasse zumeist wohl doch.

Damit die Erbmasse eines Volkes sich nicht verschlechtert und nicht stehenbleibt, sondern sich nach dem Guten hin entwickelt, ist es somit vor allem nötig, daß die Kinderzahl der Befähigten nicht unter die der anderen Gruppen fallt, das heißt, daß man ihnen die Möglichkeit gibt, hemmende Bedenken gegen Kinderreichtum zurückzustellen und sich so viele Kinder zu gönnen, wie sie sich frei von diesen Bedenken wünschen.


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Oder sollten sie sich gar nicht mehr Kinder wünschen? Das zweite ist, die notorisch schlechte Erbmasse weitgehend von der Fortpflanzung fernzuhalten.

Das Fernhalten des Unbrauchbaren von ungehemmter Fortpflanzung geschieht heute schon vielfach in vielen Staaten bei notorischen Verbrechern, Minderwertigen und Geisteskranken. Was soll man aber mit denen anfangen, die mit granitener Dummheit behaftet sind? Die Schwierigkeit ist: Dummheit läßt sich nicht messen. Es läßt sich nicht sagen: Die Grenze des Erlaubten liegt bei der Dummheit, die imstande ist, eine Maschine von soundso viel Pferdekräften zu treiben. Also bleibt eine auch noch so exemplarische Dummheit unbehelligt. 

Es kommt noch hinzu, daß es drei Sorten von solchen ausgesprochen Unterbelichteten gibt, deren Bedenklichkeit jedoch verschieden ist. Gehören beide Eltern eines Dummkopfes dieser Kategorie an, dann, aber nur dann, hat man es zumeist mit einem hoffnungslosen Fall, mit einem Vollblutdummkopf zu tun. Ist aber nur einer der Eltern die Quelle der Dummheit, und das Kind hat unseligerweise nur aus diesem Born ergiebig getrunken, so besteht immer noch die Hoffnung, daß ein Teil seiner Nachkommen wieder vernünftig wird. 

Man darf aber annehmen, daß noch eine dritte Möglichkeit besteht: Beide Eltern sind normal, und ihre Erbmasse ist gemäß ihrer Ahnenreihe als durchaus einwandfrei anzusprechen. Nun sind sie eines Tages erstaunt, einen Herkules von Dummheit produziert zu haben. Hier handelt es sich darum, daß die beiden an sich recht brauchbaren Keimmassen in ihrer Gesamtheit nicht zusammenpaßten. Statt sich harmonisch zu ergänzen, stören sie sich; so ungefähr darf man es sich vorstellen. Die hieraus entstehenden Kinder — sofern sich der Rhesusfaktor für die Neugeborenen nicht direkt tödlich auswirkt — können dann die besten Erbanlagen wieder später ihren Nachkommen weitergeben, ohne daß dies natürlich ihren eigenen Mängeln den geringsten Abbruch tut. 

Das menschliche Gehirn ist nun einmal von so ungeheuerer Feinheit und auch Abhängigkeit von dem harmonischen Funktionieren des Organismus, im besonderen der hormonalen Drüsen, daß nicht nur gute Erbanlagen, sondern auch ein gutes Sichvertragen der zwei Keime, des Samens vom Vater und des Eies der Mutter, nötig ist, um Leistungen zu ermöglichen, die des homo sapiens würdig sind. 

Wie sehr auch das Zusammenstimmen von Mutter und Embryo für die Gesundheit des Neugeborenen eine Rolle spielen kann, zeigen diese zu einem Zwanzigstel tödlich verlaufenden Erkrankungen, die auf erblich bedingte Blutunterschiede zwischen Mutter und Kind zurückzuführen sind (Mutter ohne, Kind mit Rhesusfaktor) und die dann zum Ausbruch kommen, wenn der Mutterkuchen Antigene und Antikörper durchpassieren läßt.


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Blutarmut, vor allem aber allgemeine Wassersucht oder schwere Gelbsucht führen dann in wenigen Stunden zum Tode des Neugeborenen. Der kindliche Organismus verträgt sich in diesen Fällen nicht mit dem der Mutter, und die trennende Wand des Mutterkuchens bietet nicht genügend Schutz. Wie segensreich wäre es, wenn vor der Ehe die Blutgruppen festgestellt und (wegen Blutspende) in den Paß eingetragen würden.

Es ist somit kaum möglich, das Recht auf Dummheit einzuschränken. Sie bleibt privilegiert.

Dummheit hat mit Schwachsinn nichts zu tun. Schwachsinn ist eine Geisteskrankheit, bedingt durch Defekte im Gehirn (angeboren oder erworben), auch durch Störung der Hormonbildung.

Aber wie weit hat es doch Europa in den letzten Jahrhunderten gebracht, ohne daß der Staat jedem seine Kinder nachzählte, ohne daß er die einen von der Fortpflanzung abhielt und die anderen dazu animierte! Wozu also die Aufregung und das pessimistische Unken?

Gewiß ist dieser Einwand richtig, aber das war zu einer Zeit, da die Zivilisation sich noch nicht bis in das Ehegemach eingeschlichen hatte. Erst seit etwa zwei Generationen ist die Kinderzahl bei uns rapid gefallen; nur nicht bei den Untauglichsten. Von hier droht die Gefahr.

Hier erhebt sich eindringlich die Frage: Was ist Anteil der Erbmasse und was ist Anteil der Außenwelt und der Erziehung in dem Auf und Nieder der Völker? Ist bei den Kriminellen die Erbmasse wirklich so entscheidend? Die eineiigen Zwillinge geben Aufschluß darüber, daß hier nicht das Milieu ausschlaggebend ist, sondern daß eine erbliche Belastung vorliegt. Dies läßt die starke Fortpflanzung dieser Kategorie besonders bedrohlich erscheinen.

Werden eineiige Zwillinge schlechter Herkunft unter verschiedensten Bedingungen aufgezogen, das eine Kind in günstigem, das andere in ungünstigem Milieu, so bleiben sie doch in ihrem Wesen einander gleich. Nur dem Grade nach bestehen Unterschiede etwa derart, daß der eine ein Gewaltverbrecher wird, während der andere weniger zu Gewaltanwendung neigt. Der größere Teil solcher Nachkommenschaft ist somit gemäß seiner Erbanlage minderwertig.

Allerdings, bei den normal veranlagten Menschen tut es die gute Erbmasse allein auch noch nicht. Auch hinter dem Erbgut muß die Peitsche stehen; sonst versinkt ein Volk im Nichtstun und Genießen.

Sicher ist, daß der Mensch im Geistigen eine geradezu gefährlich große Variationsbreite aufweist. Die großen Experimentatoren, die Tyrannen, haben eine erschreckend weit gespannte Reaktionsnorm der Menschen nachgewiesen. Bei gleicher Erbanlage kann der harmlose, mit einigen spärlichen Idealen versehene Europäer zur Bestie umerzogen, umbefohlen werden, vor allem dann, wenn er Schrittmacher hat.


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Wohl ist es also richtig: Neue Ideen, große Geister, sie können ein Volk aufrütteln, so wie Diktatoren die niedersten Instinkte zu wecken vermögen. Aber nie können sie Eigenschaften aus der Materie herausschlagen, die nicht schon drinnen sind, die nicht erbbiologisch vorliegen. 

Innerhalb seiner Erbmasse kann der Mensch sich als tüchtiger oder als schlechter Nutznießer derselben erweisen. Ob er wuchert mit seinen Pfunden, oder ob er seine Fähigkeiten schlecht nutzt, hängt allerdings meist nicht allein von ihm selbst ab. Hier vermag stärker oder schwächer all das mitzureden, was wir als Außenwelt, als Milieufaktor zusammenfassen können. Aber, ob dieser Spielraum, innerhalb dessen das Milieu sich auszuwirken vermag, ob diese Akkordbreite auf der Fähigkeitsskala tief unten, ob sie in der Mitte oder ob sie hoch oben liegt, das ist durch die Erbmasse unabänderlich festgelegt. Verschlechtert sich also das Erbgut, sinkt die Akkordbreite tiefer, so hilft keine Peitsche mehr. Immer stumpfer, immer weniger empfänglich wird jetzt das Volk für große Ideen und für die Idee, sich hinaufzuentwickeln. So wird es mehr und mehr verkommen, weil das Verkommen seinem Wesen, seiner Erbmasse nun entspricht.

Es genügt daher keineswegs, wenn augenblicklich das Beste aus einem Volk herausgeholt wird. Das sehr viel Wichtigere ist, dafür zu sorgen, daß das Erbgut ständig an Qualitäten gewinnt, so daß der Akkord, innerhalb dessen sich das Geistesleben abspielt, immer höher steigt.

Diese Hebung der Qualität geht allerdings auf lange, sehr lange Sicht und gestattet nicht, mit schnellen 'Erfolgen zu triumphieren. Und darin liegt die Gefahr, daß diese Aufgabe nicht ernst genug genommen wird, ja daß man sie völlig aus dem Auge verliert. Was nützt aber schon alles Aufpeitschen, wenn die Güte der Erbmasse langsam absinkt, was nützt es schon, die Passagiere auf den Topp hinaufzujagen, wenn das Schiff unter ihnen hinwegsinkt?

Hier traten nun die Wunderdoktoren auf mit einer höchst einfachen Formel, die alles heilen sollte. Sie verkündeten: Schafft nur ein doppelt so großes Volk, und die Zahl der Tüchtigen und der Genies wird entsprechend gewachsen sein. Eure Erbmasse wird sich bessern durch die Quantität. Unter 1000 Kindern sind zehnmal soviel Tüchtige wie unter 100 Kindern. Heben wir die Geburtenzahl, so heben wir damit auch die Auswahlmöglichkeit; ein einfaches Rechenexempel!


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Einfach, aber falsch! Setzen wir den Fall, daß in einem Volk die 20 Prozent Überdurchschnittlichen am Zweikindersystem festhalten, die übrigen aber eine Vermehrung aufweisen, die ausreicht, um den Bestand des Volkes zu wahren (2,5 bis 3,0), so werden diese 20 Prozent Überdurchschnittliche bereits nach 50 Jahren nahezu ausgestorben sein. Nahezu, denn sie sind dann auf zwei Prozent zurückgegangen. Ebenso aber würde eine erhöhte Fruchtbarkeit der 20 Prozent Untauglichen zu einem lawinenartigen Anwachsen dieser Gruppe und zu einer schnellen Überlagerung aller anderen durch sie führen.

Nehmen wir ein noch krasseres Beispiel: Statt 100 Geburten mögen 110 anfallen. Die Steigerung aber soll nur durch die stärkere Vermehrung der Ungeeignetsten zustande kommen; dann werden schon in ganz wenig Generationen 99 Prozent aller Nachkommen diesen Ungeeignetsten entstammen. Lassen außerdem zugleich die Tüchtigsten in der Fortpflanzung nach, so wird man das Absinken des geistigen Niveaus und das Ersticken des Volkes in der Minderwertigkeit von Generation zu Generation verfolgen können, und dies, obwohl die Geburtenzahl steigt.

Man vergesse nicht, vor hundert Jahren, bevor die Zivilisation in die Blüte kam, gab es dieses Problem gar nicht. Das Zwei- und Einkindersystem ist eine Erfindung der modernen Zivilisation.

Die negative Auslese, die Herabminderung der Qualität wird — kurz zusammengefaßt — vor allem dadurch erwirkt, daß die Niederstehendsten sich am stärksten, die Hochstehenden am schwächsten fortpflanzen. Dazu kommt, daß die Frauen, die höhere Berufsstufen erreichen, besonders wenig Kinder zur Welt bringen. Unter den Ärztinnen bleiben bis zu 75 Prozent unverheiratet, unter den Verheirateten bleiben 40 Prozent kinderlos. Der Erfolg dieser negativen Auswahl beginnt sich bereits abzuzeichnen.

Und schließlich wirkt sich noch der Wegfall der Selektion sehr ungünstig aus. Das Lebensunfähige, Unbrauchbare wird nicht mehr ausgemerzt, wie dies früher der Fall war.

Ungünstige Neuerungen erhalten aber um so größere Bedeutung dann, wenn die Vernichtungsziffer sinkt oder wenn die Zahl der Nachkommen sehr gering ist. Beim Menschen wird unter den bereits vor der Geschlechtsreife ausgeschiedenen Individuen sicher schon ein namhafter Prozentsatz Minusvarianten sein. Jedes weitere Sinken der Fortpflanzungsziffer würde daher hier nach zwei Richtungen hin verhängnisvoll: Einmal reicht in Europa die Quantität nicht mehr aus, um den Bestand zu erhalten. 


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Dann aber auch sinkt die Qualität, weil jetzt die Minusvarianten durch ärztliche Bemühungen am Leben erhalten und so fortpflanzungsfähig werden und ihre Mindereigenschaften einem immer größeren Teil der Bevölkerung übermitteln können. Die rassehygienischen Ehebeschränkungen gegenüber Geisteskranken, Idiotischen und Schwachsinnigen (zusammen über drei Prozent) nützen nichts, da diese sich durchaus nicht nur ehelich fortzupflanzen pflegen.

Nach Angaben aus der Vorkriegszeit beträgt die Zahl der Schwachsinnigen bis zu 3,5% der Bevölkerung. Auch niederere Zahlen (1,5 und 2%) werden angegeben. In Schweden sind zur Zeit 23.000 Betten von 110.000 ständig von Schizophrenen belegt.

Testergebnisse bestätigen ferner, daß die Geistesschwachen zugenommen haben. Die Schwachsinnigen zeigen auch heute noch die höchste Fortpflanzungsziffer, wenn diese auch absolut gegenüber dem Anfang des Jahrhunderts erheblich gefallen ist.

 

Kinderzahl der Eltern von Normalbegabten und von Erbschwachsinnigen

Durchschnittliche

(reduzierte) Kinderzahl pro Ehe bei Eltern von

Geburtsjahr des ersten Kindes der Ehe

Gymnasiasten

Volksschülern

normalbegabte
Schüler
zusammen

erblich
schwachsinnigen
Hilfsschülern

vor 1911

von 1911 bis 1920

von 1921 bis 1925

3,2 

2,1

1,7

3,4 

2,2

1,7

3,3 

2,2

1,7

5,7 

3,2

2,3

Warum sollte es dem Staat nicht möglich sein, das Augenmerk mit gleicher Intensität auf die Qualität zu richten, wie sie auch heute noch vornehmlich der Quantität gewidmet ist?

Es gibt nur einen Indikator für die Lebensfähigkeit und Lebenswilligkeit eines Volkes und eines Staates: Kann er die gute und beste Erbanlage dazu bringen, sich ebenso stark oder stärker fortzupflanzen wie die Schwachsinnigen, die Indolenten, die notorisch Verantwortungslosen, die Säufer und Verbrecher?

Oder aber, kann der Staat erreichen, daß diese Kategorien, vor allem die Schwachsinnigen, nicht mehr Kinder erzeugen als die übrigen?

Man übersehe nicht: Vor dreißig Jahren hatte dieses Problem noch nicht diesen gefährlichen Aspekt, weil sich damals der Arbeiter noch genügend stark fortpflanzte und so ein Gegengewicht bot; und vor 100 Jahren pflanzten sich alle Schichten so stark fort wie die Untauglichsten. Da es aber damals noch keine so weit getriebene Hygiene und keine Fürsorge gab, lag infolge der höheren Sterblichkeit gerade bei der Gruppe der Schwachsinnigen, der Säufer, der notorisch Verkommenen und der Gewohnheitsverbrecher die Fortpflanzungsziffer letzten Endes niederer als bei den anderen.


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Heute aber dürfen wir nicht mehr der Frage der Sterilisation ausweichen. Denn Schwachsinn ist zu 85% vererbt. Zumindestens müßte alles getan werden, um schwachsinnige Mädchen darüber aufzuklären, daß es in ihrem eigensten Interesse liegt, wenn sie ihre Einwilligung zur Sterilisierung geben. (In USA wurden allein im Jahre 1933 über 1600 Sterilisierungen durchgeführt.)

Das Amt für Berufserziehung in Berlin konnte nicht in den Verdacht kommen, mit Absicht in düsteren Farben zu malen, als es im Jahre 1941 ausführen ließ:

»daß gerade in den höheren Schichten die Geburtenbeschränkung der letzten Jahrzehnte einen besonders fühlbaren Ausfall an Begabtenmaterial verursacht hat. Dieser Ausfall hat das allgemeine Begabtenniveau beträchtlich gesenkt, so daß außergewöhnliche Begabungen heute seltener sind als früher und der mittlere Begabtenstand niederer liegt als etwa vor 50 Jahren. An dieser Entwicklung ist nichts zu ändern.«

Hier ist also der Abstieg der Intelligenz bereits offen zugegeben. Es wird gar nicht mehr versucht, den Marsch zur Verdummung zu leugnen. Und es ist ein Eilmarsch. Schon nach 50 Jahren ist das Ziel deutlich sichtbar geworden. England hat dieselbe Sorge. Auch dort bröckelt die Intelligenz stetig weiter ab.

Neuere Untersuchungen bestätigen, daß ein echter Begabungsrückgang neben einer Begabungsverschiebung eingetreten ist, also ein Substanzverlust, nicht etwa nur eine durch äußere Faktoren bedingte Minderung. Sehr stark zurückgegangen ist die Auffassungsgabe.

Besonders alarmierend aber ist die Feststellung, daß die begabungsreicheren Schichten am wenigsten Kinder haben. Zwei Untersuchungsreihen seien erwähnt. Es fanden sich Unterdurchschnittliche.....

 

im Kreis B

im Kreis W

 

bei Einzelkindern

21%

26%

bei Kindern mit 1 Geschwister

31%

37%

bei Kindern mit 2 Geschwistern

34%

37%

bei Kindern mit 3 Geschwistern

33%

36%

bei Kindern mit 4 Geschwistern und mehr

43%

48%


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Ein Begabtenmangel tritt also bei Ein-Kind-Ehen nur bei rund ein Viertel zutage (21 und 26%). Dagegen stellt man bei Kindern aus Ehen mit 5 Kindern und mehr einen Begabtenmangel von 43 und von 48% fest; also nahezu die Hälfte der Kinder ist bei den sich am stärksten Vermehrenden minderbegabt. Neuere, von Saller veranlaßte, noch nicht veröffentlichte Untersuchungen kommen zu noch ungünstigeren Ergebnissen.

Errreicht der Staat hinsichtlich der Steigerung der Qualität nichts, so bleiben alle anderen Rettungsmaßnahmen jämmerliches Flickwerk. Schnell wird dann die intelligente Oberschicht zusammenschmelzen. Damit stürzt die Kultur ein. Denn Kultur wird immer auf Spitzen getragen. Brechen diese ab, dann sinkt sie in sich zusammen. Übrigbleibt dann nur das Brauchtum des Volkes als Erinnerung an eine dahingegangene Kultur. Aber auch dieses wird langsam verrohen und schließlich an Auszehrung sterben, wenn ihm eine lebendige Kultur nicht immer wieder Atem einflößt. Steigerung der Qualität! Reklame kann allerdings eine Regierung damit nicht machen. Denn der Prozeß verläuft so langsam, daß nicht schon bei den nächsten Wahlen Erfolge vorgezeigt werden können.

Der Glaube war die eiserne Faust, mit der Konfuzius sein Volk führte. Eine neue positive Einstellung zu den metaphysischen Dingen ist es heute bei uns, die plötzlich die stark absinkende Geburtenkurve in dem »alten« Europa — und nur von diesem ist hier die Rede — wieder nach oben verlaufen läßt, wobei die gehobenen Stände in gleicher Stärke beteiligt sind wie die anderen. Hier und dort ein eindrucksvoller Sieg des Glaubens gegenüber allen anderen Mächten. Dies zeigt uns, wo man beginnen muß, will man die Menschen auf irgendeinem Gebiet aufrufen. 

 

       Der Übermensch Ante Portas       

Einerseits geschieht recht wenig, um die Erbmasse des Menschen vor einem Absinken zu retten. Auf der anderen Seite spielt man mit Gedanken, den Übermenschen herzustellen. Jede Art von höheren Organismen, auch der Homo sapiens, hat eine bestimmte Menge Erbmasse, die sich in den Zellen bei deren Teilung zu Marschkolonnen (Chromosomen) formiert. Es ist schon gelungen, durch Colchicin oder durch Gloriosin oder auch durch Temperaturschock bei Pflanzen und Tieren eine Verdoppelung der Erbmasse (dieser Chromosomen) zu erreichen: Statt di-ploid (= mit je einem Sortiment vom Vater und von der Mutter) waren nun diese Organismen tetra-ploid (= je zwei väterliche und mütterliche Sortimente) geworden. Meist äußerte sich dies in einer Intensivierung der Lebensprozesse; vor allem wurden die Pflanzen größer und boten ein reiches Material für Auslese.


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Sollte man nicht auch beim Menschen mit solchen gezielten Mutationen arbeiten? So kam es dazu: der Mensch begann den Übermenschen zu entwerfen. Er denkt daran, Tetraploide zu erzeugen, mit verbessertem Denkapparat, ganz genial, ganz intelligent, ganz groß! Auch besser, gütiger und glücklicher? Oder werden sich diese Menschen dann mit noch fürchterlicheren Mitteln und mit einem von uns nie gefühlten »tetraploiden« Haß aufeinanderstürzen?

Die Eugenik hat verschiedene Wege. Manche davon mögen in die Hölle führen.

Man erreichte bei Kaulquappen eine Vermehrung der Gehirnzellen um etwa 20% durch das Hormon des unteren Gehirnanhangs, der Hypophyse. Ist das nicht der Weg über das Genie zum Übergenie? Wir wollen uns aber erinnern, daß bisher das Gehirn, dieser die Lebensmelodien produzierende Flügel, noch gar nicht seinen Meister gefunden hat, der alle Register zu gebrauchen verstand. Wozu also zu dem vorhandenen Luxus noch mehr Luxus?

Warum aber sollte das Genie nicht auch chemisch erzeugt werden können? Man kann durch Chemikalien und durch Bestrahlung das Gefüge der Erbmasse festigen und auch lockern. Im ersten Fall werden Mutationen nur noch selten, im zweiten Falle werden sie vermehrt auftreten. Zumeist aber sind die Mutationen für den Organismus nicht förderlich, oft sogar recht schädlich. Die durch Antikrebsmittel hervorgerufenen Mutationen sind meist sehr unerwünscht. Versuche mit Bakterien lassen aber hoffen, daß es mit der Zeit gelingen könnte, auch bei höheren Tieren und beim Menschen bestimmte Mutationen zu er»zielen«.

Man mag daraus erkennen: Der Gedanke der Eugenik umfaßt heute nicht nur, so wie es früher war, das Fernhalten ungeeigneter Erbmasse. In der Retorte soll ein höherer Typus Mensch entstehen, sorgfältig vorher projektiert, errechnet und konstruiert. Man denkt fatalerweise an Olympia in Hoffmanns Erzählung.

Die Eugenik des modern denkenden Menschen fordert höchste Sachlichkeit. Die Liebe aber kann nur Liebe sein, wenn sie im Reich des Unsachlichen wirkt. Also fort damit, wo es darum geht, höchste Menschentypen zu kreieren. Im ungarischen Unterrichtsministerium konnte man erfahren, wie die wissen­schaftliche Menschenzucht gedacht ist. Die Referentin Martha Ligitt erklärt in ihrer programmatischen Rede: 

»Der Sowjetstaat wird in Zukunft nicht mehr alles der Natur überlassen. Er wird auch im weiblichen Schoß Ordnung schaffen. Wir erstreben die wissenschaftliche Menschenzucht mit auserlesenen männlichen Exemplaren. Die natürliche Fortpflanzung ist eine nicht mehr zu verantwortende Material­verschwendung. Auch die Frauen werden sich mit dieser neuen Ordnung der Dinge abfinden — ja, es wird ihnen manche peinliche Überraschung erspart bleiben. Sie werden ausschließlich mit ärztlich-wissenschaftlich garantiertem Samen befruchtet werden. Jede Ampulle wird alle nötigen Kennzeichen des Vaters tragen: Blutmerkmale, geographische Lage seiner Heimat, Körpergröße, Temperament, Haarfarbe — kurz alles, was ein Mensch wissen muß.«


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»Kurz alles, was ein Mensch wissen muß!« Danach besteht ein Mensch aus Blutmerkmalen, aus der geographischen Lage seiner Heimat, aus Körpergröße, Temperament und Haarfarbe. Sollte Frau Martha Ligitt dabei nicht doch etwas vergessen haben?

In der Tierzucht spielt die künstliche Besamung, d.h. künstliche Einführung des Samens, schon lange eine bedeutsame Rolle. Sie ermöglicht es, mit dem von besten Zuchttieren gewonnenen Sperma eine große Zahl weiblicher Tiere zu befruchten. Über weite Strecken kann das Ejakulat verschickt werden. Deckkrankheiten können durch diese Methode vermieden werden.

Bald darauf versuchte man die künstliche Besamung beim Menschen; zunächst bei Frauen, deren Männer zwar lebensfähigen Samen lieferten, aber aus irgendwelchem Grunde unfähig waren, eine normale Begattung auszuführen. Durch den Krieg hat sich die Zahl der in solcher Hinsicht unfähigen Männer gewaltig erhöht. Bis zu 25% sollen durch seelische Erschütterung oder durch falsche und nicht ausreichende Ernährung impotent geworden sein. In USA ist die Kinderlosigkeit von Ehen zu 60% auf physisches Unvermögen der Männer zurückzuführen.

Nachdem nun hier immer mehr Erfahrungen mit künstlicher Besamung gemacht werden konnten, meldeten sich auch frigide Frauen. Und schließlich trat ein, was vorauszusehen war, und was Frau Ligitt als hohes Ziel der Menschenzucht preist: Die Frau kauft sich Samen an der »Samenbörse« und brüstet sich mit ihrer Unnatur, in der sie glaubt, Vorurteilslosigkeit sehen zu dürfen. Heute rechnet man, daß bereits 200.000 solcher Reagenzglasmenschen unseren Planeten bevölkern. Durchschnittlich muß 12mal Samen eingespritzt werden, um eine Empfängnis zu erzielen. Nur 15% der Befruchtungen gelingen. Bei 10 bis 15% aller bisher Erzeugten stammt der Samen vom Ehemann.

Frigidität der Frau braucht nicht angeboren sein, ist es aber doch häufig. Die künstliche Befruchtung wird dazu führen, daß der Prozentsatz dieser meist asexuell Veranlagten stetig zunimmt, da sie sich in Zukunft trotz ihrer Abneigung gegen den Geschlechtsverkehr stärker als bisher vermehren werden.

Soll man die Entwicklung der Frau zum psychisch-geschlechtslosen Weibchen begrüßen? Oder muß man nicht viel eher fürchten, daß diese Weibchen eben doch Defektmenschen sind?


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Man muß jeder Frau das Recht zusprechen, ein Kind anzustreben. Bei Verheirateten tritt das Recht des Ehemanns hinzu. Ist ein solcher nicht vorhanden, wird dann nicht gerade hier ein Weg eröffnet zu ideal betriebener Eugenik? Man denke, wie ein wertvoller Stier seine guten Eigenschaften über die Rinder der nächsten Generation weithin in der ganzen Gegend verbreitet. So könnte auch ein Genie Tausende von Nachkommen hinterlassen. 

Aber wird es denn in einer solchen Sperma-Apotheke auch »feinste Auslese« von Menschen geben? Was werden das für Spender (= Donoren, auch Spermatoren; oder noch passender würde man sie »geheime Spermatoren« nennen) sein, die in amtlichen Listen geführt werden, die pro Ejakulat j bis 10 Dollar erhalten? Wer bestimmt den höheren Preis an der Börse, ob 5 oder ob 10 Dollar? Wohl die stärkere Nachfrage. Namen dürfen nicht genannt werden. Aber Eigenschaften. Wer wird am stärksten gefragt sein? Ein recht interessantes Feld für das Institut für Meinungserforschung. Wer steht höher im Kurs, der Geistesheros oder der Meisterboxer? Und vor allem: Wird ein sittlich hochstehender Mann bereit sein zu einem so degoutanten Geschäft, bereit, sein Eigenstes, seine Kinder, an eine beliebige Frau zu verkaufen, die ihn, wenn er sie kennen würde, vielleicht mit Abscheu erfüllte? Man darf annehmen, daß sich vor allem bedenkliche Elemente zu diesem Geschäfte drängen.

Dieser Weg zur Eugenik wird sicher keine gute Richtung einschlagen, vor allem, weil die Lieferanten nicht eine gute Auswahl der Männer darstellen werden. Und die Frauen!?

Die künstliche Besamung vermehrt die genotypisch frigiden Frauen; sie führt zur stärksten Vermehrung der weniger wertvollen Männer, sie führt somit zu einer Herabminderung der Qualität der Erbmasse des Volkes. Sie stellt eine perverse, anwidernde Verstümmelung des Schöpfungsaktes dar, eine Absage an die seelischen Qualitäten des Partners und somit auch des erhofften Kindes, ein Bekenntnis zum grobschlächtigsten Materialismus. Das Abstoßende liegt weniger in dem Gedanken, daß der Mensch wie ein Rassehund im Einzelzwinger behandelt wird, sondern darin, daß ein Teil der Menschheit bereit ist, selbst beim Zeugungsakt die Natur zu überhören und durch eine vom Intellekt ersonnene Farce zu verdrängen. 

Die Liebe, die die Welt zusammenhält, soll ersetzt werden durch die Spritze. Das Unnatürliche wird zur Natur, das Anwidernde zur Übung. Der Mensch wird dann nicht mehr in Liebe gezeugt, er wird fabriziert. Die Fabrik herrscht auch hier. Des Menschen Wert wird bereits vor seiner Geburt an der Börse reguliert.


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Und doch wird immer wieder der Hoffnung Ausdruck gegeben, hier sei der Weg zum Übermenschen gewiesen, es werde sich mit der Zeit bei der Frau »das Pflichtgefühl« durchsetzen, auf solche Weise mitzuhelfen in Massen Genies zu erzeugen. Der Gedanke, die Qualität der Erbmasse des Volkes dadurch zu steigern, werde den »sittlichen Imperativ«, der sich gegen die künstliche Befruchtung wendet, besiegen; die Gefühlswiderstände der Frau würden mit der Zeit beseitigt werden.

So spricht der Mann — und das Mannweib — »mit der Zeit beseitigt«. Diese Zeit läßt sich sogar genau festlegen. Sie ist gegeben, sobald die Frau den letzten Rest von Mutterinstinkt verloren hat. Bis dahin wird die wertvolle Frau unbedingt wissen wollen, welcher Mann Anteil an ihrem Kind hat. Dies wird bei künstlicher Besamung weiterhin zu schwersten Konflikten führen können (Depression, Scheidung, Einbruch beim Arzt, um Einsicht in die Kartothek zu erreichen).

Es wird somit hier — etwas überspitzt formuliert — gefordert: Um ein edleres Menschengeschlecht heranzuzüchten, muß man zunächst die edelsten Regungen der Frau und der Mutter vernichten.

Heute geht man schon daran, die neue Rechtslage, die durch die künstliche Befruchtungsmöglichkeit gegeben ist, zu paragraphieren. Und zwar a) das Recht der Frau; b) das Recht des Ehegatten; c) das Recht des Samenspenders; und d)? — nichts mehr. Vom Recht der solcher Art erzeugten Menschen hört man nichts; nur über ihre Erbberechtigung. Die meisten von ihnen werden beim Eintritt in die Gemeinschaft der Familie mit einer Lüge begrüßt. Ein falscher Vater wird ihnen vorgestellt. Man warte ab und lasse nach 30 Jahren solche Retortenmenschen über dieses Vorgehen urteilen. Mit Recht würden sie es als eine mehr oder weniger starke, lebenslängliche Belastung ansprechen, daß sie nie etwas von ihrem wirklichen Vater wußten und nichts wissen durften. Der pater incertus erhält einen ganz neuen Aspekt.

Aber es sind ja, wenn sich dieses Verfahren ausbreitet, nicht nur diese Kreaturen der Injektionsspritze betroffen, sondern mehr und mehr alle zivilisierten Menschen. Wer weiß denn dann noch, ob sein Vater wirklich sein Vater ist? Und wie leicht wird ein gespanntes Verhältnis zwischen Vater und Kind durch den Zweifel des Kindes verschärft, ob es seine Existenz nicht vielleicht einem ganz anderen Manne verdankt, mit dem es besser auskäme. Und die Zuneigung zum Vater kann bei Mißtrauischen in Haß umschlagen durch den Gedanken, auch Mitglied der Liga der Apothekenkinder zu sein.

Das Kind wurde bisher nicht gehört. Wie wird es sich entscheiden: Für Zeugung in Liebe oder Bezug aus der Apotheke?


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Das Ergebnis ist in vielen Fällen:

  1. Die Frauen leiden schwer darunter, den Vater ihres Kindes nicht erfahren zu dürfen. Auch die in USA propagierte Anwendung von Samengemischen wird die Seelennöte der Mütter nicht herabmindern.

  2. Die Ehemänner leiden häufig unter Depression. Denn das ursprünglich auch vom Ehemann erwünschte Kind wird ihm bald zum Dokument seiner Impotenz und so zum verhaßten Ankläger.

  3. Das Kind wird angelogen oder es fühlt zeitlebens eine starke Belastung.

  4. Die Spermatoren? Sie leiden nicht. Sie kassieren.

Wird sich diese Verirrung weiterverbreiten, so daß man schließlich mit Fingern auf die zeigt, die noch in normaler Weise »nach altväterlicher Sitte«, nach klassischer Art erzeugt wurden?

Aber schon zeichnet sich eine andere Möglichkeit in nicht zu weiter Ferne ab: die Jungfernzeugung oder Parthenogenese. Sie macht den Mann völlig überflüssig. Der Herr der Schöpfung wird nicht mehr gebraucht. Man darf erwarten, daß es bald gelingen wird, ohne chirurgischen Eingriff das Ei des Menschen ohne Besamung zur Entwicklung zu bringen; man darf erwarten, daß auch das menschliche Ei so wie die Eier der Versuchstiere die Möglichkeit der Regulation der Chromosomenzahl hat, die hierbei Voraussetzung ist. 

Frauen, die dieser Methode den Vorzug geben, weil sie den Mann grundsätzlich ablehnen, haben dann die Genugtuung, daß ihre Kinder in hohem Maße gleiche Prachtexemplare sind wie sie selbst; und ferner, daß das unerwünschte männliche Geschlecht unter ihren Kindern nicht vertreten sein wird. Sollten aber doch mal Knaben »gefragt« werden, dann wird man Mädchen in frühester Entwicklung hormonal umspritzen. Solche umgearbeitete Individuen sind allerdings nicht ganz echt. Die Etikette auf der Weinflasche lügt. Denn diese Pseudomänner können ihrerseits nur Mädchen, niemals Knaben erzeugen. Also auch unter den Nachkommen der Umgespritzten muß wiederum die Hormonspritze Ordnung schaffen, damit die Welt nicht aus zu vielen Mädchen besteht.

Normale Frauen aber, das heißt solche, die keinen Wert auf ihre jung-fernzeugerische Fähigkeiten legen und die es daher vorziehen, einen Mann zu heiraten, sind nun aber interessiert zu wissen, ob sie auch einen »echten« Mann (keinen Pseudomann) wählen, so daß sie mit ihm auch Knaben zu erzeugen vermögen. Man wird den Staat zu Hilfe rufen und verlangen, daß auf der Etikette aller »Verschnittenen« ihr Wesen zu erkennen ist, man wird eine »Brandmarke« im Geburtsschein fordern. Auf Heiratsannoncen ist dann zu lesen: Nur staatlich anerkannte echte Männer wollen sich melden.


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Dies alles wird wohl noch die heute lebende Generation beschäftigen, ebenso auch die Frage, ob dadurch die Qualität des Erbgutes im ganzen gesehen verändert wird. Sicher ist, daß der größte Teil der Frauen, die heute die künstliche Befruchtung wünschen, später die Parthenogenese vorziehen werden. Man weist ferner darauf hin, daß damit auch häßliche Mädchen, die keinen Mann finden, zum Kind kommen können. Und dies wäre doch — so wird gesagt — diesen an sich benachteiligten Geschöpfen zu gönnen. Aber ich muß gestehen, ich glaube nicht an die abstoßende Kraft der Häßlichkeit in sexuellen Dingen. Ist das uneheliche Kind erst legitimiert, dann wird sich zeigen, daß auch die Häßlichste, sofern sie nur will, auch temporär einen Mann finden kann.

So wie bei der künstlichen Besamung, so wird auch hier der Hauptteil der Parthenogenetigerinnen von asexuellen und perversen Frauen gestellt werden. Diese werden ihre Abnormität um so sicherer vererben, als ihre Töchter nur aus dem Erbgut der Mutter hervorgehen. Kommt dann noch hinzu, daß manche der weiblichen Keime umgespritzt werden, so darf man wohl von solchem Eingriff eine weitere Störung des Sexuallebens erwarten.

Also, auch die Kommandogewalt über das unbefruchtete Ei wird sich auf die Erbmasse ungünstig auswirken.

Vermehrung der Quantität um jeden Preis und auf der anderen Seite Minderung der Qualität der Erbmasse um jeden Preis — dies sieht wirklich nach Selbstmord der Kulturmenschen aus. Aber das Heil kann nicht darin liegen, daß man versucht, den Fortschritt — mag er auch ein Fortschreiten ins Verderben sein — aufzuhalten. Nur das eine vermag am Abgrund vorbeizuführen: eine Wandlung des Menschen.

Dann wird der Mensch Ekel empfinden auch vor wissenschaftlichen Methoden, wenn diese sich gegen die Natur und gegen das Göttliche im Menschen wenden. Hoffen wir, daß der Mann auch weiterhin »gefragt« bleibt.

Der Mensch ist verdammt zum Fortschritt. Ob der Fortschritt zur Selbstvernichtung führt, das liegt bei ihm.

Die Frau als Brutofen, in den ein fremdes Ei eingelegt wird — auch diese Möglichkeit wächst schnell heran. Bei Haustieren (Schafen) macht es keine Schwierigkeiten mehr, der Mutter ihre noch minutiösen Embryonen zu nehmen, ohne daß sie geschädigt wird, und diese einem anderen Schaf in den Uterus einzupflanzen. Dieses zweite Schaf bringt dann Lämmer zur Welt, die keinerlei genetische Beziehung zu ihm haben. Sie ist nicht Mutter, sie liefert nur die Nährboullion.


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Bei Menschen kann eine solche Möglichkeit von praktischer Bedeutung werden. Eine Frau wünscht sich ein eigenes Kind. Irgendwelche Umstände (schwache Konstitution, Nierenkrankheit, Tuberkulose, Fehlen des Rhesusfaktors usw.) lassen aber eine Schwangerschaft als sehr bedenklich, geradezu als lebenbedrohend oder erfolglos erscheinen. Hier kann die Überführung des ganz jungen Keimes in eine andere, gesunde Frau helfen. Ihr wird nach hormonaler Vorbehandlung der wenige Tage alte Embryo »in Pflege« gegeben und erst wieder von der Mutter abgeholt, wenn er ein Leben außerhalb des Uterus zu führen vermag, d.h. nach der Geburt. 

Mit welchen Gefühlen in diesem Falle die wahre Mutter die Geburt ihres Kindes miterlebt, werden uns erst die Frauen erzählen können, die zum erstenmal um die Geburt ihres in Pension gegebenen Embryos bangen. Wird aber die Pflegemutter so leicht auf ihr unter Schmerzen geborenes Kind verzichten? Man wird die Juristen auf den Plan rufen, und diese werden hier den untauglichen Versuch unternehmen, gerecht zu entscheiden. Das Urteil Salomons: »Jeder die Hälfte« würde auch nicht weiterhelfen. Denn hier würden dann wohl beide verzichten.

Der Übermensch ante portas! — Was sagt der Techniker zu diesem Wesen? Was sagt er zum heute lebenden Menschen? Sein Urteil ist vernichtend: eine »Fehlkonstruktion«, eine völlig verpfuschte Angelegenheit. Flugapparate werden von ihm erfunden, die dann von dieser mangelhaften Kreatur dank ihrer körperlichen Untauglichkeit gar nicht recht bedient werden können.

Er wird fortfahren: Man komme uns Technikern nicht mit den begrenzten Möglichkeiten, die für alle aus Eiweiß aufgebauten Organismen Geltung haben. Wenn wenigstens all diese begrenzten Möglichkeiten ausgeschöpft wären; wenn der Mensch hitzebeständig wäre wie viele Bakterien, die über 100° C aushalten, obwohl sie auch aus Eiweiß bestehen; wenn er kältefest wäre wie ausgetrockneter Pflanzensamen, der noch lebensfähig bleibt, wenn er bis nahe an den absoluten Nullpunkt abgekühlt wird; wenn der Mensch unabhängig wäre vom Wassergehalt der Gewebe wie das Bärentierchen, das in ausgetrocknetem Zustand einem Scheintod verfällt; wenn er unabhängig wäre von Nahrungsaufnahme wie die Wanzen, die jahrelang in den Mauerritzen persischer Ruinen warten, bis mal zufällig wieder ein Mensch sich in ihrer Nähe zum Schlafen legt. 

Eine Sekunde braucht der Mensch, um etwas klar zu erkennen. (Ein Insekt und ein kleiner Vogel brauchen einen Bruchteil davon.) Fliegt er 300 m in der Sekunde, so sieht er nur Dinge aus der Ferne. Was näher als 300 m ist, könnte von ihm erst erkannt werden, wenn es bereits vorbei ist. So fliegt er dank seiner »trägen« Nervenfunktionen immer in einer »blinden Zone«. Für die Stubenfliege, die an der Scheibe des Führersitzes sitzt, gibt es bei 300 m/s noch lange keine blinde Zone. Eine Hauptforderung aber ist, daß sich der Mensch wie die Bakterien in der Ultrazentrifuge 2000mal in der Sekunde im Kreise herumschleudern lassen kann, ohne an Virulenz und Gesundheit einzubüßen, daß weder sein Herz noch sein Gehirn und alle seine Eingeweide aus dem Konzept und aus der Lage kommen.

Die Flugapparate beginnen die Leistungsfähigkeit des Menschen zu überfordern, und die Raketen haben es bereits getan. Der Halbgott Mensch hat bei der Konstruktion der Rakete vergessen, für wen er sie gebaut hat — für einen hochdifferenzierten, aber auch sehr empfindlichen und doch mit träg funktionierendem Gehirn ausgestatteten Organismus, und nicht für primitive Wesen, die widerstandsfähig sind wie Bakterien und Wanzen. 

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Bändigt den Menschen: Ketten für Prometheus - Gegen die Natur oder mit ihr?  (1957) Professor Reinhard Demoll