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Vorwort 1975 von Erhard Eppler

    1976    1981

 

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Dieses Buch will in Lücken treten, auch wenn es sie nicht füllen kann. Es sind die erschreckenden Lücken

Dabei fließen Erfahrungen von vierzehn Jahren parlamentarischer und beinahe sechs Jahren administrativer Tätigkeit ebenso ein wie das - sicher unzureichende - Bemühen, den Kontakt zur wissenschaftlichen Diskussion zu halten. Es ist kein geringes Unterfangen, in solche Lücken zu treten und zu fragen, was vom offenkundig Notwendigen machbar gemacht werden muß. Daß damit mehr als ein Wagnis verbunden ist, weiß der Autor sehr wohl.

Aber wenn wir menschenwürdig überleben wollen, werden wir noch ganz anderes wagen müssen.  Wer dieses Buch - genau wie der Autor - in vieler Hinsicht unvollkommen findet, ist aufgefordert, mehr und Besseres zur Schließung der Lücken zu tun, aus denen uns und unseren Kindern Gefahr droht.

Frühjahr 1975, Erhard Eppler

   


Vorwort 1976

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Eineinhalb Jahre nach Erscheinen dieses Buches besorgt nun der Deutsche Taschenbuchverlag eine Ausgabe, die auch solchen Lesern zugänglich ist, die auf teure Bücher verzichten müssen.

Für mich war dies Anlaß zu kritischer Überprüfung. Dabei stellte ich verwundert fest, wieviel ich seit dem Beginn des Jahres 1975 dazuzulernen hatte, von Freunden und Kritikern, aus anderen Publikationen, vor allem aber aus den immer neuen Aufgaben, die dem politisch Handelnden Antworten abverlangen. Manches war zu erläutern, zu präzisieren, gegen Mißverständnisse abzusichern; manches ist nun schärfer akzentuiert, einige Kapitel sind ergänzt, neue Anregungen sind eingefügt, etwa wo es um den Grundwert der Solidarität geht oder um die Gefahr struktureller Arbeitslosigkeit.

Trotzdem: Ansatz und Richtung des Buchs sind geblieben. Gerade nach einem Bundestagswahlkampf, der fast alles säuberlich auszuklammern versuchte, womit wir es in den nächsten Jahren zu tun bekommen dürften, könnte dieses Buch einen Dienst leisten. Es gibt kein Vakuum in der öffentlichen Diskussion.

Wo wir vor dem kneifen, was die Zukunft uns abfordert, müssen wir uns mit den Gespenstern der Vergangenheit herumschlagen. Wenn wir nicht über mittelfristige Krisenbewältigung in den späten siebziger Jahren nachdenken wollen, müssen wir die Parolen und Gegenparolen der fünfziger Jahre wiederkäuen.

Wen bei alledem das Gefühl beschlich, wir könnten so unsere Zukunft verspielen, ist auf die Lektüre dieses Buches eingestimmt. Niemand wird es aus der Hand legen in der Überzeugung, nun wisse er, was er wissen sollte. Aber vielleicht werden einige nach der Lektüre die Bretter leichter erkennen, an denen weiterzubohren sich lohnt.

August 1976, Erhard Eppler

 


   

Vorwort zur 5. [letzten] Auflage 1981

Politische Bücher, zumal wenn sie in eine aktuelle Situation hinein sprechen, [die] selbst Politik machen sollen, bleiben meist Eintagsfliegen. Das politische Buch vom letzten Jahr ist wie die Zeitung von gestern. Wenn dieses 1975 erschienene Buch sechseinhalb Jahre später neu aufgelegt wird, so hat dies seinen Grund: wir sind politisch auf der Stelle getreten. 

Was ich im Vorwort zur ersten Taschenbuchausgabe über den Wahlkampf 1976 schrieb, gilt - eher noch mehr - für den Wahlkampf 1980. Noch immer haben wir den Sprung vom konventionellen Krisenmanagement zu den Reformen der achtziger Jahre nicht gewagt.

Die öffentliche Diskussion, auch die in den Parlamenten, hat sich von den Aufgaben unserer Zeit noch weiter entfernt. Der Abstand zwischen dem, was nötig wäre und dem, was getan wird, wird immer weniger absehbar. Die Forderungen von 1975 sind noch nicht die Selbstverständlichkeiten von 1981 geworden.

Mancher, der jetzt dieses Büchlein zur Hand nimmt, hat inzwischen <Wege aus der Gefahr> gelesen. Er wird Verbindungslinien suchen und — ohne Anstrengung — finden. 

Was nach 1974/1975 in der deutschen Politik mit dem Pathos des Machens begann, läuft nun aus, konsequent, nicht ohne persönliche Tragik, sicher ohne geschichtlichen Glanz, in einer Atmosphäre taktischer Banalität.

Wenn ich an der Taschenbuchausgabe kein Wort geändert habe, so nicht, weil alles heute noch haltbar wäre, was damals gesagt wurde; wohl aber, weil so am ehesten klar wird, wie im Beginn einer Epoche schon ihr Ende aufleuchten kann.

Erhard Eppler, September 1981

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