Ossip Kurt Flechtheim

Kommunismus- und Zukunftsforschung

 

Ist die Zukunft noch zu retten? 
Die Megakrise unserer Zeit
 und ihre sieben Herausforderungen
Weltföderation - Der Dritte Weg ins 21. Jahrhundert
 

 

Umweltsachbuch 1987

Wikipedia.Autor *1909 in Ukraine
(1910 Münster) bis 1998 (89)

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Verlagstext 1987

Unter dem Eindruck der sich ständig verschärfenden Krise analysiert der welt­bekannte Wissen­schaftler die möglichen, wahr­scheinlichen und wünsch­ens­werten "Zukünfte" des Menschen und der Gesell­schaft. Sieben Herausforderungen sind zu meistern. Je nachdem, wie der Mensch auf diese Heraus­forder­ungen reagiert, ergeben sich drei denkbare "Zukünfte": das Ende der Menschheit, eine Roboter­gesellschaft oder eine solidarische Welt­föderation.  

 

 


 

Biografie

Ossip K. Flechtheim - Politischer Wissenschaftler und Zukunftsdenker (1909-1998)

Autor: Mario Keßler    #   Verlag: Böhlau, Köln 2007 (Zeithistorische Studien)

Inhaltsverzeichnis:   Vorwort (7)

1. Eine Jugend in Deutschland (1909-1935) # Nikolajew-Münster-Düsseldorf: Stationen einer Kindheit und Jugend 13 # Freiburg-Heidelberg-Paris-Berlin: Studium in unruhiger Zeit 24 # Sowjetunion-Reise und Kölner Promotion 35 # Im Schatten des Terrors: Flechtheim im nazistischen Deutschland 42 

2. Exil und Politische Wissenschaft (1935-1952) # Genf und die Kommunismusforschung 49 # Auf dem Weg zur Politischen Wissenschaft: Flechtheim in den USA 60 # Lili Flechtheim, geborene Faktor 71 # Die Zukunft im Blick: Flechtheim zwischen Maine und Nachkriegsdeutschland 75 # Die KPD in Geschichte und Politik 82 # Die verweigerte Anstellung: Flechtheim und das Colby College 92 

3.  Politische Bildung zwischen Restauration und Aufbruch (1952-1970) # Wissenschaft und politische Bildung: Der Professor in Berlin 97 # Parteien und Parteipolitik 114 # Weltkommunismus zwischen Wandel und Erstarrung 125 # Mit Rebellen reden: Flechtheim und die Studentenrevolte 146 

 

4. Flechtheim 1970-1998: Futurologie, Ökologie und Sozialismus

(1) Futurologie - eine Wissenschaft von der Zukunft?  (158) 

(2) Sozialismus und Ökologie (174)  

(3) Ist die Zukunft noch zu retten? (194) 

(4) Einsichten und Aussichten: Letzte Jahre im Weltumbruch (210) 

(5) Ein Dritter Weg als humane Möglichkeit? (220-224)

 

Anhang: Summary (225-8) +  Zeittafel / Lebenslauf (229)  + Quellen / Literatur 233  +  Abkürzungen 285 + Personenregister 287

 

wikipedia  Mario_Keßler  +  DNB Buch von Keßler  +  Buch bei GoogBook  mit Lesestoff

zeitgeschichte-digital.de  keßler_flechtheim volltext pdf  +  zeitgeschichte-digital.de  Start  

 +  zzf-potsdam.de/.../mario-kessler  Personalseite


 

Rezension zur Biografie 

für hsozkult (Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften)

von Achim Eberspächer vom Institut für Theorie der Geschichte der Ruhr-Universität, Bochum.

hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-9124 

 

Wenn von Ossip K. Flechtheim heute überhaupt noch etwas bekannt ist, dann sind es seine Bücher zum Thema Zukunft.[1] Tatsächlich steht Flechtheim für weit mehr als die Beschäftigung mit der Zukunft, für die er selbst den Begriff „Futurologie“ geprägt hat. 

In seinem Leben und Wirken in vier Ländern spiegeln sich nicht nur die Brüche und Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Es ist auch beispielhaft für das Schicksal zahlreicher Wissenschaftler und Intellektueller, die das nationalsozialistische Deutschland verlassen mussten und später zurückkehrten. 

Mario Keßler, der nun die erste Flechtheim-Biographie vorgelegt hat, ist auf diesem Gebiet zweifellos ein ausgewiesener Experte. Von seiner langjährigen Beschäftigung mit emigrierten Intellektuellen – darunter mehreren aus Flechtheims Bekanntenkreis – zeugen zahlreiche biographische Studien.[2]

Bei der Gliederung der chronologisch angelegten Biographie orientiert Keßler sich an den Zäsuren in Flechtheims Lebenslauf, die durch Wechsel von Wohnsitzen und Arbeitsgebieten markiert werden. Betitelt sind Ober- und Unterkapitel oft mit modifizierten Flechtheim-Zitaten. Damit lässt schon ein Blick ins Inhaltsverzeichnis ahnen, wie der Autor seine Aufgabe als Biograph auffasst: Behutsam, zurückhaltend und objektiv bleibt er so weit wie möglich im Hintergrund.

Wo Analysen, Bewertungen oder Pointen vorkommen, übernimmt Keßler sie häufig von Flechtheim selbst oder von dessen Zeitgenossen. Im Kapitel über Flechtheims Jugend zeichnet er den Weg zum „doppelten Außenseiter“ nach: Ossip K. Flechtheim, der als Sohn eines deutschen Vaters und einer russischen Mutter jüdischen Glaubens im ukrainischen Nikolajew geboren wurde, musste aufgrund dieses Hintergrundes schon während seiner Jugend in Münster und Düsseldorf die Erfahrung machen, ein unfreiwilliger, ein existenzieller Außenseiter zu sein. 

Zum intentionellen Außenseiter wurde er durch sein politisches Engagement: Mit Beginn seines Jurastudiums in Freiburg trat er aus der Synagogengemeinde aus, dafür in die KPD ein. Die Kategorien des existenziellen (durch die Person begründeten) und intentionellen (durch Absichten und Handeln begründeten) Außenseitertums übernimmt Keßler vom ebenfalls jüdischen Emigranten Hans Mayer.[3]

Weitere Studiensemester verbrachte Flechtheim in Paris, Heidelberg und Berlin. 

Unmittelbar wirksam waren aber vor allem die Erfahrungen einer mehrmonatigen Reise in die Sowjetunion, nach der Flechtheim sich vom „Parteikommunisten und dogmatischen Marxisten zum undogmatischen Sozialisten wandelte“ (S. 37). 

Mit dieser pointierten Bewertung zitiert Keßler Flechtheims engsten Freund Hans (später John) Herz. Kein Wunder, dass bei solch einer Jugend „Kein Platz für Patriotismus“ blieb. Dieser überaus treffende Titel des ersten Hauptteils der Biographie stammt von Flechtheim selbst, es ist der Titel eines Interviews, das er 1989 für einen Sammelband gab.[4]

In den folgenden Kapiteln zeichnet Keßler die Stationen von Flechtheims Leben nach. Auf die Entlassung aus dem Staatsdienst und eine Verhaftung im Jahr 1935 folgte die Emigration nach Genf und später in die USA, die Arbeit an mehreren US-amerikanischen Colleges, die Heirat mit Lili Faktor 1942, die vorläufige Rückkehr nach Deutschland als Bürochef des Hauptanklägers der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse und später als Gastprofessor in Berlin. 

1952 kehrte Flechtheim endgültig nach Deutschland zurück, arbeitete als Dozent und Professor für Politische Wissenschaft in Berlin und weitete seine Autorentätigkeit aus. Die Veröffentlichung des Bestsellers „Futurologie – der Kampf um die Zukunft“ im Jahr 1970 markiert seine Wendung zur Beschäftigung mit der Zukunft, der im Jahr 1975 die Mitbegründung des „Institut für Zukunftspolitik“ folgte. Flechtheims letzte Lebensphase bis zu seinem Tod 1998 war davon geprägt, als Publizist und aktives Mitglied der neu gegründeten Partei „Die Grünen“ vor Wettrüsten, Kriegsgefahr und terroristischen Regimes zu warnen.

Über sein Leben hinaus stellt Keßler Flechtheims Werk vor, dabei ist sein Ziel „eine Kombination aus biographischer Darstellung und Werkanalyse“ (S. 9). Die Beschreibung von Flechtheims Leben wird daher immer wieder von Zusammenfassungen seiner wichtigeren Bücher unterbrochen, die zum Großteil aus Zitaten bestehen. 

Eine prosopographische Komponente kommt hinzu: An den Punkten, an denen Flechtheim mit ihnen zum ersten Mal zusammentraf, sind Biogramme eingeschoben, so etwa von Richard Löwenthal, Franz Borkenau, Ernst Engelberg, Hans Mayer und vielen anderen. Meist handelt es sich um Personen aus dem Kreis derjenigen oft jüdischen und tendenziell sozialistischen geistes- und sozialwissenschaftlichen Emigranten, mit denen Keßler sich schon seit langem beschäftigt – entsprechend fundiert fallen die Biogramme aus.

Überhaupt merkt man deutlich, wie souverän Keßler den Stoff beherrscht und wie akribisch er recherchiert hat. Außer Flechtheims Werk, das immerhin 18 Bücher und fast 500 Aufsätze und Artikel umfasst, wertete er dessen Nachlass in Frankfurt am Main und weitere Archivmaterialien in Deutschland und den USA aus. Zudem hat er alle noch lebenden unter den bedeutenderen Kollegen und Angehörigen Flechtheims befragt, vor allem seine Tochter Marion Thimm und seinen engen Freund John Herz.

Nicht nur die sorgfältig recherchierte Quellenbasis, auch Keßlers Objektivität und Neutralität lassen seine Biographie – etwa aus angelsächsischer Sicht – als ein „typisches“ Produkt deutscher Wissenschaft erscheinen. Dass Flechtheim beispielsweise die Festanstellung am Colby College in Maine verwehrt wurde, erklärt Keßler – anders als Flechtheim selbst – nicht mit dessen jüdischem und sozialistischem Hintergrund, sondern tendiert zu einer sowohl unspektakuläreren als auch plausibleren Erklärung: Der europäische Bildungsbürger Flechtheim habe einfach nicht zu seinen Kollegen gepasst, und indem er in seiner Freizeit nicht mit ihnen zum Angeln und Jagen gegangen sei, habe er die Akkumulation „sozialen Kapitals“ unterschätzt (S. 95).

Was erfreulicherweise nicht zum „deutschen Stil“ des Buches passt, ist seine Sprache. Keßler formuliert in kurzen und verständlichen Sätzen, die ohne überflüssige Fremdwörter auskommen. Allenfalls die zahlreichen Partizipialkonstruktionen bremsen den Lesefluss, Nebensätze wären hier häufig die bessere Alternative gewesen. 

Ein großes Minus ist die äußere Form. Sie lässt vermuten, dass der Verlag einfach die MS-Word-Vorlage reproduziert hat. Das Buch hätte wirklich ein professionelleres Erscheinungsbild verdient, als den äußeren Eindruck einer Seminararbeit zu hinterlassen!

Mit einem Darstellungsteil von 224 Seiten ist die Biographie aber angenehm überschaubar geblieben. Jedoch leidet unter den drei durchaus unterschiedlichen Gesichtspunkten der Biographie, des Werkes und des Netzwerks um Flechtheim bisweilen die Stringenz der Darstellung. Eine Zeittafel im Anhang vermag den Überblick nur teilweise zu retten. Als Nachschlagewerk eignet sich das Buch, schon aufgrund des detaillierten Personenregisters, aber durchaus.

Keßlers Flechtheim-Biographie ist sorgfältig recherchiert, verständlich geschrieben und entspricht allen Ansprüchen an wissenschaftliche Neutralität. Gleichzeitig analysiert und pointiert sie zu wenig, bleibt zu deskriptiv und zu trocken. Sicher aber bereitet Keßler mit ihr „den Boden für kommende und mehr theoretisch-analytische“ Studien, für die vor allem ein Blick auf die Rezeption des Flechtheimschen Werkes ergiebig sein dürfte.[5] Wahrscheinlich gilt aber in Zukunft noch mehr als heute: Vom „Futurologen“ Flechtheim werden wohl in erster Linie seine Bücher zum Thema „Zukunft“ bleiben. #

(Achim Eberspächer) 

 

Anmerkungen (zu Rezension): 

[1] Im Wikipedia-Eintrag beispielsweise wird Ossip K. Flechtheim zur näheren Bestimmung und zur Abgrenzung von seinem Onkel Alfred mit dem Prädikat „deutscher Futurologe“ versehen, vgl. <http://de.wikipedia.org/wiki/Flechtheim> (25.8.2007). 

[2] Zu nennen sind hier die Sammelbände von Keßler, Mario (Hrsg.), Exilerfahrung in Wissenschaft und Politik. Remigrierte Historiker in der frühen DDR, Köln/Weimar/Wien 2001; Ders., Exil und Nach-Exil. Vertriebene Intellektuelle im 20. Jahrhundert, Hamburg 2002; Ders., Arthur Rosenberg. Ein Historiker im Zeitalter der Katastrophen (1889-1943), Köln/Weimar/Wien 2003; Ders. (Hrsg.), Deutsche Historiker im Exil (1933-1945). Ausgewählte Studien, Berlin 2005 sowie eine Vorstudie zur hier besprochenen Biographie: Ders., Ein Dritter Weg als humane Möglichkeit? Zu Leben und Wirken von Ossip Kurt Flechtheim (1909-1998), Berlin 2004.

[3] Mayer, Hans, Außenseiter, Frankfurt am Main 1975. 

[4] Flechtheim, Ossip K., „In unserer Familie war kein Platz für Patriotismus“, in: Funke, Hajo, Die andere Erinnerung. Gespräche mit jüdischen Wissenschaftlern im Exil, Frankfurt am Main 1989, S. 422-439. 

[5] So die Einschätzung von Axel Fair-Schulz in einer Rezension von Keßlers Rosenberg-Biographie; http://library.fes.de 

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Ein Nachruf auf O. K. Flechtheim:

Von: idk-berlin.de  wikipedia  Internationale_der_Kriegsdienstgegner 

 

Am 4. März 1998, am Vorabend seines 89. Geburtstages, verstarb Ossip K. Flechtheim. Er war Mitglied der IDK. 

Prof. Ossip K. Flechtheim hat nach dem Krieg dazu beigetragen, die Politische Wissenschaft in Deutschland wiederzubegründen und ihr zu internationalem Ruf verholfen.

Trotz seiner etablierten Position im wissenschaftlichen Bereich war er stets ein "unbequemer Außenseiter"; wurde einmal in einem Rundfunkbeitrag festgestellt. Und weiter heißt es dort pointiert, daß Flechtheim Zeit seines Lebens auf den Listen staatlicher Sicherheitsorgane vermerkt war, 

"sei es als Opfer staatlich sanktioniertem Terrorismus im Dritten Reich, sei es als <Spion des Imperialismus> wie das Neue Deutschland einmal schrieb oder als <geistiger Wegbereiter des Terrorismus>, der vom Bundesgrenzschutz (BGS) schon manchmal aus dem Auto geholt wurde. 
Von abstrakter und deshalb falscher Loyalität ließ er sich nie vereinnahmen, weder vom Staat noch von Parteien oder Gruppen, deren Mitglied er einst war.  ....Diejenigen, die sich in Leitartikeln mokieren über die scheinbar zahllosen Aufrufe, unter denen auch sein Name zu finden ist, werden nie begreifen, daß ihre proklamierte Liberalität, ihr beschwörender Verweis auf die beste Verfassung, die die Deutschen je besaßen, Substanz erst gewinnt durch das Handeln solch unbequemer Außenseiter."[1]

 

Bereits Anfang der 60er Jahre war er beteiligt an Strategie­diskussionen der "Neuen Linken". Auf einer Konferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) verwies er auf die US-amerikanischen "Ein-Punkt-Bewegungen" und praktizierten "Direkten Aktionen". 

Es ging ihm um die "Unruhe im politischen Getriebe einer durchorganisierten und institutionalisierten Welt" mit dem Ziel der Organisation von Gegenmacht zu etablierter gesellschaftlicher Organisation.2

Seine von ihm später formulierten neuen Dimensionen des Sozialismus lassen sich als Globalsozialismus, Humansozialismus oder als Ökosozialismus skizzieren: dieser Sozialismus negiert vor allem die einfache Gleichsetzung von Sozialismus mit totaler Verstaatlichung und muß im Weltmaßstab oder zumindest in Großräumen wie etwa Europa operieren. Der Sozialismus ist ferner universalistisch-pazifistisch orientiert mit neuen Formen von Föderalismus und steht in der "humanen Tradition des Liberalismus, des Radikalismus (auch im englischen Sinne des Wortes), aber auch des gewaltfreien Anarchismus. Er betont die Autonomie des Individuums in der Gesellschaft..."[3]

Die Menschen zum eigenständigen Handeln, zum Beispiel durch Selbstabrüstung durch Kriegsdienstverweigerung zu verbinden, war das gemeinsame Anliegen der Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK).

In diesem Sinn vertrat Ossip K. Flechtheim aktiv die Ziele der IDK. Er war nicht nur ein "Förder"-Mitglied sondern auch interessiert und beteiligt an Mitglieder­versammlungen und ein Vortragsredner auf IDK-Veranstaltungen. 

Wir wollen an dieser Stelle auch Lili Flechtheim nicht unerwähnt lassen, die untrennbar mit Ossips Arbeit verbunden war. Im Nachbarschaftsheim Schöneberg diskutierten wir im Libertären Forum über die Perspektiven des Ökosozialismus und im Kreuzberger Mehringhof, dem IDK-Domizil, über die Abschaffung der Wehrpflicht und die totale Kriegsdienst­verweigerung (TKDV).

Als wir Ende der 80er Jahre das Buchprojekt "Gewaltfreie Revolution" planten, war Ossip K. Flechtheim sofort bereit das Vorwort zu übernehmen.[4]

Ein politischer Machtwechsel in Deutschland deutet sich an, jedoch sind die Konturen des gesellschaftspolitischen Wandels dürftig. Was uns unabhängig von irgendwelchen Wahlstrategien (zu tun) bleibt, ist - im Sinne Flechtheims - die Schaffung von "Unruhe im politischen Getriebe". #  (Nachruf der IDK)

 

Fußnoten zum Nachruf:

[1] Christian Fenner: Aus einem Beitrag, der vor 5 Jahren für den SFB geschrieben wurde, in: Mytze: Europäische Ideen, O.K. Flechtheim zum 80. Geburtstag, Heft 69/1989, S.37

[2] Vgl.: Hans Manfred Bock: Geschichte des >linken Radikalismus< in Deutschland. Ein Versuch, Frankfurt a.M. 1976, S.201 ff

[3] O.K. Flechtheim: Einführung in den Ökosozialismus, in: Scherer/ Vilmar (Hrsg.): Ein alternatives Sozialismuskonzept: Perspektiven des Ökosozialismus, Berlin 1984, S.18

[4] Vgl. Lakey / Randle: Gewaltfreie Revolution, Beiträge für eine herrschaftslose Gesellschaft, Vorwort: O.K. Flechtheim, OPPO Verlag Berlin 1988 # 

 


 

 

Oskar Lafontaine:


Flechtheim zum 80. Geburtstag

 

in "Europäische Ideen", Heft 69, 1989


und
als Vorwort zum Heyne-Sachbuch 1989.

 

Der Fortschrittsoptimismus früherer Jahre scheint weitgehend verflogen. Für viele prägen Resignation und Zukunftsangst das Bild. Die Globalisierung der Gefährdungen und die damit verbundene Unfähigkeit, mit den herkömmlichen Rezepten die Lage zu verändern, läßt für viele Menschen immer deutlicher das Schreckens­panorama einer Bedrohung allgemeiner Lebensinteressen aufscheinen.

Doch apokalyptische Ängste und eine hinter eilfertiger Beflissenheit kaschierte Ratlosigkeit sind noch lange kein Zeichen für einen besonders reflektierten Realismus. Ob eine bessere Welt Zukunft hat, läßt sich von heute aus besehen mit letzter Sicherheit weder bejahen noch verneinen. 

Die <Erschöpfung der utopischen Energien> (Jürgen Habermas) darf aber nicht zu einer allgemeinen kulturpessimistischen Grundstimmung führen. Sie erfordert gerade das Gegenteil. Sie macht die Reaktivierung des utopischen Denkens zur drängenden Aufgabe.

Wie nur wenig andere — Ernst Bloch mit seinem <Prinzip Hoffnung> wäre hier sicherlich zu nennen — hat Ossip K. Flechtheim immer wieder den Kampf um die Zukunft (ein Titel seines Werkes) in den Mittelpunkt seines Schaffens gestellt. Der von ihm geprägte Begriff Futurologie rückte erstmals die Behandlung von Zukunftsfragen aus dem Bereich der Philosophie und der Literatur in den Rang einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin.

Im Jahre 1943, als die Welt durch den von den Nazis entfesselten, verbrecherischen Krieg zu zerbrechen drohte und für viele der Begriff Zukunft mit nichts weiterem als einer unmittelbaren Todesangst verbunden war, hob Flechtheim die Grundlagen seiner Zukunfts­wissenschaft aus der Taufe. Er bewies damit in einer Zeit der Barbarei seinen unerschütterlichen Glauben an die Fähigkeit des Menschen zu Solidarität und Humanität.

Die mit seinem Unternehmen verbundene Botschaft, daß ein politisch wirksames Geschichts­bewußtsein auch in Phasen der größten Not und der bittersten Erfahrung auf eine utopische Perspektive verwiesen sein muß, wenn es vor den Heraus­forderungen seiner Zeit bestehen will, besitzt trotz der veränderten Bedingungen nach wie vor ungebrochene Aktualität.

Zwar ist unsere Welt im Vergleich zu den Entstehungs­jahren der Flechtheim'schen Futurologie durch ein relativ hohes Maß an Friedlichkeit gekennzeichnet, doch auch der Horizont unserer Zukunft scheint verstellt von der Spirale des Wettrüstens, der unkontrollierten Verbreitung atomarer, biologischer und chemischer Vernichtungswaffen, dem bittersten Elend in den Entwicklungs­ländern, einer drohenden Klimakatastrophe und der unabschätzbaren Gefahr großtechnologischer Katastrophen (Tschernobyl).

Unsere derzeitige Lage ist, um einen Begriff von Jürgen Habermas aufzugreifen, von einer neuen Unübersicht­lichkeit gekenn­zeichnet. Dies darf aber nicht dazu führen, daß die Unübersichtlichkeit der Zeitläufe zu einem Verlust der Sehfähigkeit führt. Wir brauchen den kritischen Blick auf Vergangenheit und Gegenwart, der immer zugleich ein Blick auf die Folgen unseres Handelns und damit ein Blick in die Zukunft sein muß.

Im Jahre 1970 hat Flechtheim auf die Konsequenzen eines orientierungs- und perspektivlosen Pragmatismus hingewiesen, als er schrieb, daß "eine der Dynamik von Technik und Naturwissenschaft ausgelieferte Menschheit es sich nur bei Strafe der Verkrüppelung oder gar des Unterganges leisten kann, blind in die Zukunft hineinzutorkeln". Die darin implizierte Forderung eines am menschlichen Maß ausgerichteten technischen Fortschritts läßt in ihrer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Doch Kritik allein ist nur der halbe Weg in die Zukunft. Für Ossip K. Flechtheim ist und bleibt der Kampf um eine menschen­gerechtere Gestaltung unserer Gesellschaft untrennbar damit verbunden, sich immer wieder über die Kritik am Bestehenden hinausgehend um das Neue zu bemühen, mit anderen Menschen in einem solidarischen Ringen um bessere Erkenntnis der Strategien der Veränderung, die Kriterien der Zielfindung und die Möglichkeit der Entwicklung auf den Prüfstand zu stellen.

Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet die Idee eines demokratischen Sozialismus, also ein auf Solidarität, Freiheit, soziale Gerechtigkeit und einem Höchstmaß an individueller Partizipation gegründetes Gesell­schaftsmodell. Die Verwirklichung dieser Rahmenbedingungen ist für ihn wie für uns Grundvor­aussetzung eines Wandels zum Besseren. Den Weg für diesen Wandel bestimmen die zur Lösung anstehenden konkreten Probleme unserer Zeit:

  • Da sich die Nationalstaaten zunehmend als ungeeignet erweisen, den Herausforderungen unseres Zeitalters gerecht zu werden, sieht Flechtheim die Notwendigkeit eines stetig anwachsenden, pazifist­ischen Universalismus. Das Ideal einer friedlichen, die kulturellen Identitäten der Einzelnen und der Regionen wahrenden Weltkonföderation sieht er am Ende einer Politik der Friedenssicherung und der Unschäd­lichmachung der von unserer Zivilisation ausgehenden, weltweiten Gefahren.

  • Da zentralistische Lösungen immer die Gefahr eines totalitären oder autoritären Kollektivismus in sich bergen, plädiert er für einen reformistisch-demokratischen Weg der Veränderung. Ein Höchstmaß an persönlicher Autonomie und die Beteiligung der Menschen an den gesellschaftlichen Entscheidungs­prozessen sind für ihn die Garanten einer freiheitlichen Zukunftsgestaltung.

  • Da die herkömmliche Form der Produktion zu nicht wiedergutzumachenden Schäden an unseren natür­lichen Lebens­grund­lagen führt, fordert er eine ressourcen- und umweltschonende Wirtschaftsform als unabdingbares Kriterium eines menschengerechten Fortschrittes.

Ossip K. Flechtheim hat uns gelehrt, daß es immer wieder notwendig ist, aus dem lähmenden Korsett einer "Mach­barkeits­ideologie" auszubrechen, Ziele anzusteuern, im demokratischen Dialog weiterzuentwickeln und neben weit voraus­greifenden Zukunftsentwürfen auch konkrete Vorstellungen für die aktuellen Prozesse der Veränderung zu entwickeln.

Am Ende seines Buches <Ist die Zukunft noch zu retten?> verweist er auf die wundersame Errettung des Fausts aus seiner Verstrickung im Pakt mit dem Teufel. Es ist ihm darin Recht zu geben, daß unserer faustischen Zivilisation neben eines Wunders, oder einer List der Vernunft, wie es Hegel genannt hat, vor allem das tätige Eingreifen der Menschen bedarf, um unsere Risikogesellschaft in einen Ort des gelungenen Lebens umzuwandeln. # (Seite 7-10) 

 


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