Start    Weiter

11. Kreis:  Erneuter Bund mit der Mutter Erde?

Goethe — Nietzsche — Toynbee — Daly  —  Heisenberg 
— Mumford — Zink — Schweitzer — Schneider — Rilke

 

 

242-270

Kann es gelingen, das irdische Gleichgewicht auf unserem Planeten wieder herzustellen? Diese Schicksals­frage zu beantworten, ist unmöglich. Aber gerade damit bleibt die Hoffnung erhalten.

In dieser Grenzsituation stehen wir am Beginn einer neuen geistigen Auseinandersetzung, die sich nicht auf Teilbereiche der Welt beschränken darf; sie muß das ganze Weltgeschehen einbeziehen.

In diesem Kreis von Zeugnissen aus der Gegenwart, die sich auf die Zukunft beziehen, kommen zu Wort: ein Welthistoriker, ein Atomphysiker, ein Arzt, ein Ökonom, ein Soziologe, ein Theologe, ein Philosoph und drei Dichter.

Zentrale Bedeutung haben die Aussagen des amerikanischen Ökonomen Herman Daly. Er ist einer der Außenseiter, die im allgemeinen Froschkonzert der Wirtschafts­wissenschaftler nicht gehört werden. Er entzieht den Ökonomen ihren selbstherrlichen Anspruch und stellt die Ökonomie in den Dienst eines letztendlichen Zieles, das nur philosophisch oder theologisch gesetzt werden kann. Und er verweist uns andererseits auf die begrenzten materiellen Quellen alles irdischen Lebens zurück, auf die Erde und die Sonne. Dementsprechend weisen Lewis Mumford und Werner Heisenberg auch der Technik eine untergeordnete Funktion zu. Der »Mythos der Maschine« wird als bloßes Zwischenspiel entlarvt. 

Somit sind wir über einen jahrhundertelangen Umweg, auf dem wir mit wissenschaftlichen Erkenntnissen überflutet wurden, auch infolge dieser Erkenntnisse wieder dort angelangt, wo die vorchristlichen Kulturen bereits angekommen waren: bei des Menschen totaler Abhängigkeit von der Sonne und von den Naturmächten, die auf jeden Fall »übermenschlich« sind. Wir kehren zum Ursprung, zu den Quellen alles Lebens zurück und wenden uns mit Albert Schweitzer der »Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben« zu. #


 243

 

.....

Denn gelös't sind die Bande der Welt; wer knüpft sie wieder
Als allein nur die Not, die höchste, die uns bevorsteht! 
....

Nur ein Fremdling, sagt man mit Recht, ist der Mensch hier auf Erden;
Mehr ein Fremdling als jemals ist nun ein jeder geworden.

Uns gehört der Boden nicht mehr; es wandern die Schätze;
Gold und Silber schmilzt aus den alten heiligen Formen;
Alles regt sich, als wollte die Welt, die gestaltete, rückwärts
Lösen in Chaos und Nacht sich auf, und neu sich gestalten.

Du bewahrst mir dein Herz; und finden dereinst wir uns wieder
Über den Trümmern der Welt, so sind wir erneute Geschöpfe,
Umgebildet und frei und unabhängig vom Schicksal.

Denn was fesselte den, der solche Tage durchlebt hat!

Johann Wolfgang von Goethe 
Aus <Hermann und Dorothea>

*

 

Also sprach Zarathustra

Hier schwieg Zarathustra eine Weile und sah mit Liebe auf seine Jünger. 
Dann fuhr er also fort zu reden: — und seine Stimme hatte sich verwandelt.

Bleibt mir der Erde treu, meine Brüder, mit der Macht eurer Tugend! 
Eure schenkende Liebe und eure Erkenntniss diene dem Sinn der Erde! Also bitte und beschwöre ich euch.

Lasst sie nicht davon fliegen vom Irdischen und mit den Flügeln gegen ewige Wände schlagen! 
Ach, es gab immer so viel verflogene Tugend!

Führt, gleich mir, die verflogene Tugend zur Erde zurück — ja, zurück zu Leib und Leben: dass sie der Erde ihren Sinn gebe, einen Menschen-Sinn!

Hundertfältig verflog und vergriff sich bisher so Geist wie Tugend. 
Ach, in unserm Leibe wohnt jetzt noch all dieser Wahn und Fehlgriff: Leib und Wille ist er da geworden.

Hundertfältig versuchte und verirrte sich bisher so Geist wie Tugend. 
Ja, ein Versuch war der Mensch. 
Ach, viel Unwissen und Irrthum ist an uns Leib geworden! 

 


 

270


  ^^^^   

www.detopia.de

  Herbert Gruhl (Herausgeber) Glücklich werden die sein....  Zeugnisse ökologischer Weltsicht  aus vier Jahrtausenden