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Der UNABOMBER oder Amerikas Gerechtigkeit  

Gabriele Yonan, 24.06.1996  ( Google Yonan )

 

 

Noch immer gilt Amerika für die Welt als das Traumland der Freiheit und Gerechtigkeit, obwohl die Statistik der Kapitalverbrechen dort erschreckend angestiegen ist. Jährlich werden 260 Amerikaner zum Tode verurteilt, seit 1976 wurden 290 Todesurteile vollstreckt, etwa 3.000 Verurteilte warten in den Todeszellen. An der Spitze liegt Kalifornien (407), gefolgt von Texas (398) und Florida (342). 

Nach amerikanischem Recht gilt ein Verdächtiger solange als unschuldig, bis seine Schuld vor Gericht bewiesen wird und das Urteil gesprochen ist. Bei Kapitalverbrechen wird nach amerikanischer Rechtstradition eine Geschworenen-Jury gebildet, die aus unbescholtenen Bürgern, Frauen und Männern, als Vertretern des amerikanischen Volkes besteht. Ihr wichtigstes Merkmal ist Unvoreingenommenheit, während des Prozesses werden die Geschworenen darum von jeder öffentlichen Einflußnahme isoliert. Die "grand jury" ist Bestandteil der Verfassung und dient als Schutzschild gegen willkürliche oder unbegründete Anklage eines einer Straftat Verdächtigen. Die Vertreter der Anklage müssen die Geschworenen unter Vorlage von Beweismitteln in einer Anhörung davon überzeugen, daß Anklage erhoben werden kann.

Im Herbst 1995 wurde der prominente schwarze Footballspieler O.J. Simpson, angeklagt des Mordes an seiner weißen Frau, nach einem spektakulären Prozeß freigesprochen. Er befand sich während der ganzen Gerichtsverhandlung gegen Kaution auf freiem Fuß. Die besten Anwälte führten seinen Prozeß. Die Medien behandelten den nationalen Sympathieträger vorsichtig und fair, so konnte der Vorwurf einer rassischen Diskriminierung nicht erhoben werden. Viele Unklarheiten und starke Verdachtsmomente tauchten während der Verhandlung auf, schließlich sprach die Jury ihr Verdikt: Unschuldig! Simpson verließ das Gerichtsgebäude als freier Mann.

Am 3. April 1996 wurde der ehemalige Mathematikprofessor Theodore J. Kaczynski (54) von FBI-Beamten im Bundesstaat Montana verhaftet. Seit 1971 lebte er dort einsam in einer einfachen Hütte in wilder Natur in der Nähe von Lincoln, einer unbedeutenden Kleinstadt. Er steht im Verdacht, der seit 18 Jahren gesuchte Bombenattentäter, der sogenannte UNABOBMER zu sein.

Zwischen 1978 und 1995 wurden insgesamt 16 Bombenanschläge verübt, die drei Tote und 23 Verletzte forderten. Die meist als Postsendungen getarnten Sprengsätze waren an Angehörige amerikanischer Universitäten, Computerspezialisten und in den ersten Jahren auch an Fluggesellschaften gerichtet gewesen. Die FBI-Fahnder bildeten deshalb das Computerkürzel UNABOM aus "Universities and Airline bombings", aus dem später der UNABOMBER wurde. Aufgrund von bestimmten Indizien, zu denen auch Bekennerbriefe gehören, geht das FBI davon aus, daß alle Anschläge von dem gleichen Täter ausgeführt wurden, dessen Motiv vor allem die Ablehnung moderner Technologie und durch sie bedingte Umweltzerstörung war.

Der UNABOMBER soll auch Verfasser der technologiefeindlichen Abhandlung "Die Industriegesellschaft und ihre Zukunft" sein. Das 35.000-Wörter- Manuskript wurde im Juni 1995 anonym unter Androhung neuer Terroranschläge an mehrere große amerikanische Zeitungen zum Abdruck geschickt. Im Gegenzug versprach er, seinen langjährigen Sprengstoffterror einzustellen.

Die wesentliche Aussage dieser Schrift, die von der Presse als "Manifest" bezeichnet wird, ist: die moderne Technologie unserer Zeit zerstört die Autonomie des einzelnen Menschen und macht ihn von einem nicht mehr durchschaubaren System abhängig. Das FBI ging immer von einem Einzeltäter aus, obwohl in den Briefen und im "Manifest", die mit den Initialien "FC" gezeichnet waren, der Plural "wir" gebraucht wurde.

Im "Manifest" ruft "FC" dazu auf, das bestehende System notfalls mit Gewalt zu zerstören und bekennt sich zu den vorangegangenen tödlichen Anschlägen als Protest gegen die Zerstörung der Natur und die technologische Versklavung der Menschen.

Die beiden bedeutenden Tageszeitungen New York Times und Washington Post entschlossen sich nach Beratungen mit dem FBI und dem Generalstaatsanwalt zu einer Veröffentlichung des vollen Textes, der am 19. September 1995 in einer achtseitigen Beilage der Washington Post erschien. Die Druckkosten wurden von beiden Zeitungen getragen. Der Abdruck führte schließlich zur Verhaftung des Verdächtigen.

Das UNABOMBER-Manifest

"Die industrielle Revolution ist eine Katastrophe für die Menschheit". Mit diesem Satz wird das 232 Paragraphen umfassende theoretische Traktat eingeleitet. Es ist eine Kritik an der westlichen Technologie-Gesellschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts und eine psychosoziale Analyse der "Linken". Die hier dargelegte Ideologie hat ihre Wurzeln nicht nur in der linken Studentenbewegung Amerikas Ende der 60er Jahre. 

Vielmehr kritisiert der anonyme Verfasser gerade die bürgerliche linke Bewegung ("Leftism") dieser Zeit und analysiert in negativer Bewertung auch die in der linken Ideologie zu suchende Motivation der heutigen Generation und ihren Einsatz für Menschenrechte und Naturschutz, da eine grundsätzliche Veränderung des Systems damit nicht zu erreichen wäre.

Im "Manifest" ist der radikale Aufruf zur Zerstörung des Systems Alternative und Utopie zugleich. Die hier dargelegte Auffassung von "Revolution als Prozeß" geht vor allem auf die Anarchismustheorie des russischen Anarchisten Fürst Peter Kropotkin (1842-1921) zurück, der in einem seiner Hauptwerke, "Die historische Rolle des Staates", diesen als ein "verwerfliches Institut der Unterdrückung" bezeichnet.

"Die Zertrümmerung der Staaten und das Aufkeimen neuen Lebens in tausend und abertausend Zentren, gegründet auf die lebendige Initiative des Einzelnen und der Gruppen und auf die freie Vereinbarung, oder aber immer wieder der Staat, der das individuelle und örtliche Leben zermalmt, alle Gebiete menschlicher Tätigkeit mit Beschlag belegt."

Auf seine Theorien beruft sich auch der amerikanische Soziologe und Gesellschaftskritiker Paul Goodman, der in den sechziger Jahren großen Einfluß auf die amerikanische Studentenbewegung hatte und in seinen "Politischen Essays" (bes. "Die schwarze Flagge des Anarchismus") das Modell einer dezentralisierten modernen Gesellschaft propagiert.

Dieselben Ideen finden sich aber schon bei Michail Bakunin (1814-1876), in dessen Hauptwerk "Staatlichkeit und Anarchie" (1873), das ähnlich wie das UNABOMBER-Manifest voller Wiederholungen und Polemik ist und nur sehr vage Vorstellungen von einer zukünftigen anarchistischen Gesellschafts­ordnung entwickelt. Auch eine radikale Kritik am Despotismus der Wissenschaft findet sich bereits bei Bakunin, wenn er schreibt: "Laßt ihnen (den Wissenschaftlern) die volle Freiheit und sie werden an der Menschheit dieselben Versuche unternehmen, die sie jetzt an Kaninchen, Katzen und Hunden machen."

Das Schreibmaschinen-Manuskript des UNABOMBER-Manifestes traf Anfang Juni 1995 mit einem Brief bei vier Zeitungsredaktionen ein. Zunächst ließ das FBI 75 Kopien gezielt an amerikanischen Universitäten verteilen, in der Hoffnung, daß der Stil des mutmaßlichen akademischen Drop-out-Anarchisten von Soziologie-Professoren vielleicht identifiziert werden könnte.

Vor Ablauf der dreimonatigen Frist, die der Verfasser den Zeitungen für einen Abdruck gestellt hatte, erschien am 2. August 1995 zuerst auszugsweise ein auf 3.000 Wörter gekürzter Vorabdruck des Textes in der Washington Post. Ob nun Menschenliebe, Spekulation auf den großen Mediencoup oder kriminalistisches Gespür und FBI-Strategie der Grund für die vollständige Publikation des 56seitigen Schreibmaschinenskripts (+ 11 Seiten Fußnoten) war, die Publikation hat sich schließlich für Medien und FBI, in gewisser Weise aber auch für den anonymen Verfasser gelohnt.

Denn in Amerika kam daraufhin zunächst eine öffentliche Diskussion über die teils als berechtigt empfundene Gesellschaftskritik des "Manifestes" in Gang, während die Spezialabteilung des FBI ein neues Täterprofil entwickeln mußte. Bisher hatte man als möglichen Täter einen geschickten Handwerker mit geringer Schulbildung, etwa 30 bis 40 Jahre alt, angenommen. Nun suchte man nach einem hochgebildeten Akademiker, der wahrscheinlich seine Ausbildung in den sechziger Jahren an einer amerikanischen Universität erhalten hatte. Die Suche hätte wahrscheinlich weiter wie bisher ins Leere geführt, aber im Januar 1996 trat plötzlich ein, was durch den Abdruck des Manifestes erhofft worden war.

Der Verdacht

David Kaczynski (46), der Bruder des später Verhafteten, glaubte beim Lesen des "Manifestes" die ideologische Gedankenwelt und Sprache seines acht Jahre älteren Bruders Theodore wiederzuerkennen. Vergleiche mit Briefen und private Nachforschungen verstärkten seinen Verdacht, als er Übereinstimmungen bei sprachlichen Formulierungen entdeckte. Schließlich schaltete er Anfang 1996 über einen Anwalt das FBI ein und identifizierte seinen Bruder.

Wie später auf einer Pressekonferenz bekannt wurde, versuchte David Kaczynski zunächst bis Ende 1995 auf eigene Faust seinen Verdacht zu klären. Über eine der Familie nahestehende Privatdetektivin, die Kontakt zu einem ehemaligen FBI-Beamten hatte, ließ er Sprachvergleiche und Analysen erstellen, die sich aber nur auf insgesamt fünf Seiten aus zwei Briefen des Bruders stützten. Seine eigene Identität und die seines Bruders hielt er zunächst geheim.

Das Gerücht von einer "heißen Spur" zum UNABOMBER war in FBI-Kreise gedrungen, David geriet Ende 1995 offenbar unter zunehmenden Druck. Er brach seine Nachforschungen ab, doch scheint es für ihn kein Zurück mehr gegeben zu haben. Die bis dahin eingeweihten Personen vertraten die Meinung, daß die wenigen Indizien der Sprach- und Schriftanalyse den Verdächtigen mit hoher Wahrscheinlichkeit (80%) als den gesuchten UNABOMBER identifizierten.

Besonders auffällig sei die idiomatische Parallelität einer Stelle im "Manifest" zu einem privaten Brief von Theordore Kaczynski: "You can't eat your cake and have it too." Eine fast gleiche Variante findet sich auch im weltbekannten Roman "Ulysses" von James Joyce (1922) und ist als Redewendung, wenn auch nicht sehr verbreitet, so doch nicht ungebräuchlich.

Die von David Kaczynski erhoffte und erbetene Anonymität, die ihm das FBI zugesagt hatte, wurde nicht eingehalten, die Presse konnte mit Hilfe "ungenannter offizieller Quellen" bereits am Tag nach der Verhaftung berichten, daß David Kaczynski mit der Auslieferung seines Bruders den bahnbrechenden Hinweis für die Verhaftung gegeben hatte.

Raskolnikov in Montana?

Der literarische Vergleich zwischen dem genialen Mathematiker Theodore Kaczynski und der Romanfigur Dostojewskis ist naheliegend, wenn man den Verdacht, er sei auch der Verfasser des UNABOMBER-Manuskriptes ernst nimmt. Erinnern wir uns, daß die Hauptfigur des Romans, Rodion Romanitsch Raskolnikov, zuerst seinen Aufsatz "Über das Verbrechen" verfaßt und veröffentlicht hat, um dann seine Theorie in die Praxis umzusetzen. Diese Theorie besagte, daß es in der Welt außergewöhnliche Menschen gäbe, die in der Lage wären, den Umsturz alles Bestehenden zu fordern, um Besseres an seine Stelle zu setzen. Um ein der Menschheit nützliches Ziel zu erreichen, dürften sie jede Art von Unrecht oder Verbrechen begehen, moralische Gesetze gelten für sie nicht.

Zwischen Dostojewskis Roman und dem UNABOMBER-Manifest liegen 130 Jahre. Vorausgesetzt, daß der terroristische UNABOMBER auch der Verfasser des "Manifestes" war, liegt hier eine umgekehrte Reihenfolge vor: eine sich über fast zwei Jahrzehnte hinziehende Serie von Bombenanschlägen, dann erst wird die "Theorie" wie eine späte Rechtfertigung des Verbrechens nachgeliefert: "Damit wir unsere Botschaft der Öffentlichkeit mitteilen konnten, und zwar so, daß sie einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen würde, - waren wir gezwungen zu töten."

Die nihilistische Botschaft ist: "Wir haben keinerlei Illusionen darüber, auf welche Weise eine neue, ideale Form der Gesellschaft geschaffen werden könnte. Unser Ziel ist einzig die jetzige Gesellschaft zu zerstören."

Theodore J. Kaczynski (54), Harvard-Absolvent (1962) und promovierter Mathematiker (1967), einer der jüngsten Professoren in Berkeley, gab mit 27 Jahren aus unbekannten Gründen seine wissenschaftliche Karriere auf und trat im Januar 1969 seinen Rückzug aus dem bürgerlichen Leben an. Mit einem kurzen Kündigungsschreiben an die Universitätsverwaltung beendete er seine wissenschaftliche Karriere. Es war kein panischer Entschluß, denn er lehrte noch bis zum Ende des laufenden Semesters. Er hinterließ eine preisgekrönte Dissertation und sechs in mathematischen Fachzeitschriften veröffentlichte wissenschaftliche Beiträge. In der wissenschaftlichen Welt hörte man danach nichts mehr von ihm.

Seit 25 Jahren lebte er - mit Unterbrechung um 1978/79 - in der Nähe der Kleinstadt Lincoln, Montana, in einem Waldgebiet nahe einer Paßstraße. Wie der Grundbucheintrag von 1971 ausweist, hatte er das Land, auf dem er seine Hütte baute, zusammen mit seinem Bruder erworben.

In dem an Kanada grenzenden Bundesstaat Montana, dessen Größe etwa dreimal der Bayerns entspricht, leben nur 800.000 Menschen. Hier befindet sich Amerikas größtes Naturgebiet mit den grandiosen bewaldeten Gebirgszügen der Rocky Mountains und der kontinentalen Wasserscheide im Westen, in deren unmittelbarer Nähe Kaczynskis Hütte stand.

Bundeshauptstadt und Sitz des Gouverneurs ist Helena mit kaum 25.000 Einwohnern. 1889 wurde Montana als 41. Bundesstaat in die Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen. Es gibt elf Tageszeitungen, die drei größten sind die Billings Gazette (Aufl. 58.000), Great Falls Tribune (Aufl. 35.000) und der Missoulian (Aufl. 28.000).

Zur Standardkleidung der Bewohner von Montana gehören bis heute noch der Cowboyhut und Westernstiefel. Es gilt als Rückzugsgebiet für Eigenbrötler, Naturburschen, Esoteriker und ist Hochburg der Umweltschützer, die sich für die Erhaltung der Natur einsetzen und kürzlich erst weit beachtete Protestaktionen gegen die vom Staat vorgesehene Vergabe von Konzessionen für den Goldabbau durchführten.

In der Kriminalstatistik steht der Bundesstaat an 29. Stelle und liegt damit beträchtlich unter dem nationalen Durchschnitt, im Strafgesetzbuch ist die Todesstrafe vorgesehen, die seit 1976 nur einmal vollstreckt wurde (am 10. Mai 1996). Dem Obersten Gericht von Montana (Supreme Court ) gehören sieben Richter an, es untersteht dem 9. Gerichtsbezirk, zu dem außer Montana auch Alaska, Arizona, Kalifornien, Hawaii, Idaho, Nevada, Oregon, Washington, Guam und Nord Mariana Islands gehören.

In seiner Hütte, etwa sechs Kilometer von der Ortschaft Lincoln entfernt, lebte Theodore Kaczynski völlig zurückgezogen unter primitiven Umständen und in größter Armut; seine jährlichen Ausgaben sollen etwa 300 US-Dollar betragen haben. Er lebte hauptsächlich vom Ertrag seines Gartenanbaus und jagte gelegentlich Hasen und anderes Kleinwild.

Regelmäßig tauchte er auf seinem alten Fahrrad in der Stadt auf, kaufte Lebensmittelvorräte, Kleidung und Werkzeug und besuchte die örtliche Bibliothek. Jeder im Ort kannte ihn, den zurückgezogenen, ungepflegten Einzelgänger, nannte ihn - gut amerikanisch - bei seinem abgekürzten Vornamen Ted, oder Ted vom Stemple-Pass, Ted, den Einsiedler. Er galt als höflich, still und unauffällig.

Er besaß einen 1986 für den Bundesstaat Montana zugelassenen Führerschein, obwohl er immer ein Fahrrad benutzte oder zu Fuß ging. Als er sich im Sommer 1994 um einen Job bewerben wollte, bat er eine Angestellte eines Sportgeschäftes, die aktiv in der Umweltbewegung war, ihm dabei zu helfen und übergab ihr ein handschriftliches Bewerbungsschreiben, das auch seinen akademischen Lebenslauf enthielt. In Lincoln hatte Theodore Kaczynski bis zum Tag seiner Verhaftung ein Postfach auf seinen Namen, gelegentlich erhielt er Briefe von seiner Familie und einem mexikanischen Landarbeiter, mit dem er seit 1989 korrespondierte.

Von der kleinen Ortsbibliothek machte er als Benutzer, Leser und Entleiher exzessiven Gebrauch. Er las dort Zeitungen, entlieh Bücher, gab Fernleih­bestellungen auf. Die Bibliotheksangestellten kannten ihn seit Jahren und versuchten, die mitunter seltenen Werke, die er bestellte, aus anderen Bibliotheken zu beschaffen.

Vielleicht war er ein "Raskolnikov in Montana", der auf einer der drei Schreibmaschinen, die bei der FBI- Durchsuchung in seiner Hütte gefunden worden sind, sein 35.000-Wörter-Traktat "Die Industriegesellschaft und ihre Zukunft" geschrieben hat. Die in 232 Paragraphen niedergeschriebene Gesellschafts­kritik richtet sich vor allem gegen die moderne Linke, deren psychologische Motivation er auf seltsame und manchmal abwegige Weise analysiert. 

Auffallend und ganz untypisch für selbsternannte Propheten sind seine Unsicherheit und Selbstzweifel, die immer wieder die im Text gemachten Aussagen in Frage stellen. In den letzten beiden Paragraphen, der Schlußbemerkung, faßt der unbekannte Verfasser noch einmal zusammen, daß alles Gesagte nur eine Annäherung an die Wahrheit sein könne und überläßt den künftigen Historikern die Klärung noch offener Fragen. Auch der Mathematiker Theodore Kaczynski fügte seiner Dissertation vor dreißig Jahren eine Liste mit noch ungelösten Problemen bei.

Vielleicht las Kaczynski nicht nur "Thackeray und Shakespeare", ein für alle Journalisten meldenswertes Detail, das den Verdacht eines Kapitalverbrechens offenbar noch erhöhte - , sondern bastelte tödliche Sprengsätze, die er auf geheimnisvollen Wegen durch den Kontinent transportierte, um sie in Kalifornien, New Jersey, Salt Lake City mit der Post an die unbekannten Opfer zu senden oder in Computerläden zu deponieren. Es wird schwer sein, dies nachzuweisen. Eines aber ist sicher:

Der Mann, dessen Gesicht in den ersten Aprilwochen als "meistgesuchter Verbrecher Amerikas" über die Bildschirme flimmerte, auf den Titelseiten aller amerikanischen Zeitungen abgebildet war, das anonyme, sehr unähnliche Internetz-Suchbild des FBI ablöste, lebte 25 Jahre unter eigener Identität in Montana, dem Zentrum der amerikanischen Umweltschützer. Er hat sich dort nicht versteckt und war jederzeit zu belangen, aber niemand hat dort nach ihm gesucht.

Innerhalb von wenigen Tagen haben Journalisten mit unglaublichem Jagdeifer auf dem ganzen Kontinent alle Menschen aufgespürt, die jemals irgendwie Kontakt zu Kaczynski hatten, Nachbarn, ehemalige Mitschüler und Mitstudenten, Lehrer, Professoren. Aus ihren Beschreibungen und Erinnerungen ergibt sich das Psychogramm eines von früher Jugend an mental schwer gestörten Menschen. Kaczynski hatte niemals Freunde, keine Beziehungen zu Frauen, seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie.

"Eine Frage bleibt nur: gebiert diese Krankheit das Verbrechen oder wird das Verbrechen nach seiner Art stets von etwas Krankheitsähnlichem begleitet?" (Raskolnikov. Verbrechen und Strafe)

FBI - Jagd auf den UNABOMBER

Mit der Verhaftung beendete das FBI seine langjährige "Jagd auf den UNABOMBER", nach wochenlanger hochgeheimer Belagerung und Beobachtung der Hütte von Theodore Kaczynski konnte der Verdächtige von FBI-Spezialeinheiten, etwa fünfzig Polizisten, unter größten Sicherheitsvorkehrungen verhaftet werden. Damit sei dem FBI gelungen, die längste Menschenjagd nach einem Serienmörder, die 18 Jahre dauerte, drei Tote und 23 Verletzte gekostet hat, erfolgreich zu beenden, hieß es in den ersten Verlautbarungen.

Die Aktion scheint ein Wettlauf zwischen FBI und der bekannten Fernsehgesellschaft CBS gewesen zu sein, die über die anlaufende Aktion offenbar frühzeitig Informationen erhalten hatte. Um die Durchführung der Verhaftungsaktion durch vorzeitige öffentliche Bekanntgabe nicht zu gefährden, hatte das FBI zwei Tage vorher ein Stillhalteabkommen mit der Fernsehgesellschaft geschlossen. Fast zeitgleich mit der Festnahme gingen die Berichterstatter am 3. April um 15 Uhr Ortszeit auf Sendung, möglicherweise hatte CBS die Nase vorn, denn das FBI hat den genauen Zeitpunkt der Verhaftung bisher nicht veröffentlicht. Intern hieß es, daß der Zeitpunkt durch den Medien-Druck verfrüht gewesen sei, was ein bezeichnendes Licht auf die Macht der Medien in Amerika wirft. Das "Timing" lag bei CBS, nicht beim FBI.

Die Festnahme des Verdächtigen hätte wahrscheinlich auch mit weniger Aufwand vorgenommen werden können. Die sechswöchige Polizei-Beobachtung hatte zu nichts geführt, da Kaczynski sein Grundstück nie verließ und kaum aus der Hütte kam. Die Hoffnung des FBI, ihn bei einer Strafhandlung verhaften zu können, war vergeblich. Er hatte seine Hütte auch nicht, wie man befürchtete, mit Tretminen umgeben.

Die aufwendige FBI-Aktion scheint vor allem als eine Rechtfertigungsstrategie für die Öffentlichkeit geplant gewesen zu sein, um den großen finanziellen und technologischen Aufwand der Regierung bei der Verbrechensbekämpfung zu legitimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, gab das FBI offenbar absichtlich Informationen an die Medien, die landesweit aus einem Verdächtigen einen bereits überführten Täter machten.

 

Das Urteil der Medien

Als der Anwalt von David Kaczynski, dem Bruder des Verhafteten, in der zweiten Januarwoche 1996 dem FBI im Auftrag seines Klienten die Identität von Theodore Kaczynski mitteilte, tat er es mit den Worten: "This is either a historic moment or the beginning of a wild goose chase".

Die "Wildentenjagd" begann im Februar und setze sich nach der Verhaftung mit einer beispiellosen Medienkampagne fort, die ganz Amerika wochenlang mit tausenden von Zeitungsartikeln sowie Sendungen in Rundfunk und Fernsehen überschwemmte. Der vom Gericht ernannte Pflichtverteidiger des Verhafteten, Michael Donahoe, nannte es einen "tödlichen Medienangriff" ("lethal media blitz"). In seinem Beschwerdeantrag an den Distrikts-Gerichtshof in Helena, Montana führt er dazu aus:

"Noch während der Festnahme und der Durchsuchung der Hütte von Theodore Kaczynski wurde ein Bericht im Rundfunk und Fernsehen (CBS) verbreitet, daß es sich bei dem Verhafteten um eine noch nicht identifizierte Person handelt, wahrscheinlich den langjährig gesuchten Unabomber. Diese ersten Berichterstattungen dauerten stundenlang an.

Als nächstes wurde die Identität des Verhafteten bekannt gegeben, der nun angeblich mit Sicherheit als der Unabomber vom FBI identifiziert worden war. Ununterbrochen reihten sich Berichte über belastende Beweisstücke aneinander, die von Polizeibeamten bei der ersten Durchsuchung der Hütte gefunden wurden.

Als nächstes wurde die Presse eingeschaltet und begann landesweit in allen Zeitungen mit einer Berichterstattung gleichen Inhalts, die bis zum jetzigen Zeitpunkt (15. April) anhält.

Seit dem 3. April haben Regierungsbeamte des FBI absichtlich Informationen über die Presse und elektronische Medien verbreitet, die in höchstem Maße belastend sind. Diese Artikel enthalten Informationen über schwerbelastende Beweisstücke, die bei weiteren Durchsuchungen angeblich gefunden wurden. Und in jedem Falle gingen die Informationen der Medien auf FBI-Beamte der Regierung zurück."

Mit Hilfe einer Computer-Nachrichtendatenbank ermittelte das Anwaltsbüro, daß die Wortkonfiguration "KACZYNSKI UNA-BOMB FEDERAL OFFICIAL ANONYMOUS SOURCE" in dieser Kombination in 2.204 Zeitungsartikeln vorkam, die zwischen dem 3. und 14. April in ganz Amerika erschienen waren.

Das Ende der FBI-Fahndung wurde öffentlich als Großereignis der Verbrechensbekämpfung gefeiert. Es stand auch für die Regierungsbeamten von vornherein fest, daß der Bombenattentäter, Verfasser des "Manifestes" und Theodore Kaczynski ein und dieselbe Person waren. "The government is trying to use the press to convince the public that this is their man", äußerte sich ein Rechtsprofessor der Harvard Law School öffentlich.

Die Journalisten der Medienwelt schwärmten aus und trugen alles zusammen, was sich irgendwie über das Privatleben des Verhafteten finden ließ, meistens waren sie schneller als die FBI-Beamten. Bereits in den ersten Artikeln wurde der UNABOMBER, identisch mit Theodore Kaczynski, überführt durch Beweise aus "offiziellen Quellen" zur mehrfachen Todesstrafe verurteilt. Obwohl man ihn in der Presse als krankhafte Persönlichkeit schildert und die Titelseiten namhafter Nachrichtenmagazine ihn einen "Mad Genius" nannten, wurde in keinem Medienbeitrag bisher seine Zurechnungs- und Schuldfähigkeit angezweifelt.

In der Rekordzeit von zwei Wochen erschienen Anfang Mai zwei Taschenbücher, sogenannte "instant paperbacks", auf dem amerikanischen Büchermarkt, die noch einmal alle Ergebnisse der UNABOBMER-Schnitzeljagd zusammenfassen. Das erste "Mad Genius: The Odyssey, Pursuit, and Capture of the Unabomber Suspect", eine erweiterte Fassung der gleichnamigen Titelgeschichte, zusammengeschrieben von Journalisten des Time Magazine. Nur wenige Tage später erschien das zweite unter dem Titel "Unabomber: On the Trail of America's Most-Wanted Serial Killer", dessen Verfasser John Douglas ein ehemaliger FBI-Beamter der UNABOMBER-Spezialabteilung war. Beide Bücher enthalten das UNABOMBER-Manifests und sie enthalten nichts, was über die Berichte der Medien in den vergangenen Wochen hinausgeht. Alle Vorurteile und Vorverurteilungen werden von Presse und FBI noch einmal festgeschrieben.

 

Bruders Hüter?

In der Geschichte der Kriminalistik ist es nicht selten, daß ein naher Familienangehöriger eines Straftäters der Polizei den entscheidenden Hinweis gibt. Man kann voraussetzen, daß der Entschluß dazu meistens mit inneren Loyalitätskonflikten einhergeht, die sich mit der Schwere des Verbrechens und seiner möglichen Strafe dramatisch verschärfen. In 38 von Amerikas 50 Bundesstaaten kann bei Kapitalverbrechen die Todesstrafe verhängt werden.

David Kaczynski war nach der Lektüre des UNABOMBER-Manifestes und Textvergleichen mit persönlichen Briefen davon überzeugt, daß sein Bruder der gesuchte UNABOMBER und damit dreifacher Mörder sei. Er hat, wie er später öffentlich mitteilte, nach schweren inneren Kämpfen keinen anderen Weg gesehen, als ihn der Polizei auszuliefern, um weitere Anschläge zu verhindern und Menschenleben zu retten, auch unter dem schweren Druck der für den Bruder drohenden Todesstrafe.

Nachdem er nicht verhindern konnte, daß seine Identität in der Öffentlichkeit als "Tipgeber" bekannt geworden war, ließ er sich durch einen Anwalt auf einer Pressekonferenz vertreten, die fünf Tage nach der Verhaftung seines Bruders stattfand. Er eröffnete sie mit den von der abwesenden Familie übermittelten Worten: "Unsere Herzen sind bei Ted. Unsere tiefe Anteilnahme gehört den Opfern und ihren Familien. Wir werden uns weder jetzt noch in Zukunft in den Medien äußern."

Damit war öffentlich ein Schuldurteil von den nächsten Familienangehörigen ausgesprochen worden, das schwerer wog als das der Medien.

Einige Wochen später ging David Kaczynski in Begleitung seines Anwalts selbst vor die Presse, um noch einmal persönlich seine unveränderte Überzeugung von der Schuld seines Bruders zu bekräftigen. In der mehrere Stunden dauernden Pressekonferenz, die in einem New Yorker Hotel stattfand, berichtete der Sozialarbeiter von dem überaus engen Verhältnis, das ihn mit dem älteren Bruder über Jahrzehnte verbunden hatte. Erst nach seiner Heirat vor sechs Jahren gab es keinen Kontakt mehr. Auch die extreme Naturverbundenheit und Zivilisationsfeindlichkeit bis hin zur Nachahmung des einsamen primitiven Lebens in einer Hütte am Rande der texanischen Wüste in den 80er Jahren führte David auf den Einfluß des Bruders zurück.

Sollte das Motiv seines öffentlichen Auftritts vor den Medien darin bestanden haben, den Bruder retten zu wollen, so war er umsonst. Unerklärlich bleibt, warum David Kaczynski nicht zuerst zu seinem Bruder nach Montana reiste, um ihn zu sprechen, seinen Verdacht zu äußern, sich einen persönlichen Eindruck von seinen Lebensumständen, seiner körperlichen und geistigen Gesundheit zu machen, bevor er das FBI einschaltete. Er schrieb ihm einen Brief und schlug einen Besuch vor, um den abgerissenen Kontakt wieder aufzunehmen. Darauf erhielt er einen abschlägigen Bescheid.

"Ich glaube, daß der Gerechtigkeit am besten mit der Wahrheit gedient werden kann, und aus meiner Sicht ist die Wahrheit, daß Ted seit langer Zeit eine gestörte Persönlichkeit ist. Es dient niemandem, ihn zum Tode zu verurteilen, und falls dies geschehen sollte, würde unserer Familie damit ein unglaublicher Schmerz zugefügt werden."

Wie immer der Prozeß gegen Theodore Kaczynski enden mag, mit einem Todesurteil, einer Einweisung in die Psychiatrie oder einem Freispruch - der wichtigste Belastungszeuge schon vor dem Prozeß war sein Bruder, den die Presse "seines Bruders Hüter" nannte.

 

Der Fall "Kaczynski"

Nach seiner Verhaftung wurde Theodore Kaczynski ins Lewis und Clark County Gefängnis in Helena, Montana eingeliefert und einen Tag später, wie es das amerikanische Recht vorsieht, dem zuständigen Haftrichter vorgeführt. Ihm wurde wegen Unbemitteltheit ein Pflichtverteidiger zugestanden. Seine Festnahme wurde in Montana nicht in Verbindung mit dem UNABOMBER-Verdacht, sondern mit dem Besitz von Sprengstoffmaterial begründet, das bei der ersten Durchsuchung seiner Hütte gefunden worden war.

Bei weiteren Durchsuchungen stellte das FBI über 700 Beweisstücke sicher, darunter Schußwaffen, Chemikalien, eine Rohrbombe, Zünder, Batterien, Werkzeuge, 232 Bücher, drei Schreibmaschinen, Aufzeichnungen, ein Führerschein und 32 US-Dollar. Schon vor der Veröffentlichung der Liste berichtete die Presse über angeblich gefundene Beweisstücke, die eindeutig die Identität von Kaczynski und dem UNABOMBER beweisen.

Am 15. April stellte Kaczynskis Anwalt Michael Donahoe einen Antrag beim Bezirksgericht Helena, die Anklage wegen Verbrechen in Verbindung mit dem UNABOMBER niederzuschlagen und jede weitere damit zusammenhängende Strafverfolgung einzustellen. Er begründete seine Eingabe damit, daß durch die Medien die öffentliche Meinung dermaßen vergiftet worden sei, daß ein faires Gerichtsverfahren mit einer unvoreingenommenen Jury nun an keinem Ort Amerikas mehr möglich sein könnte. 

Dies bedeute für seinen Mandanten eine absichtliche Zerstörung der verfassungsmäßig zugesicherten bürgerlichen Rechte, nachdem FBI-Beamte der Regierung die Medien mit einschlägigen, erst für einen Strafprozeß bestimmten belastenden Informationen im voraus versorgt hätten. Der Regierung dürfe nicht erlaubt sein, mit Hilfe der Medien das ganze Land zu informieren, daß angeblich absolut sichere Beweise gegen den Angeklagten gefunden worden seien, die ihn ohne jeden Zweifel als UNABOMBER identifizieren würden . Dies sei eine unzulässige Manipulation der öffentlichen Meinung.

Zum Beweis enthält der Antrag eine Zusammenstellung von Zitaten aus Zeitungsartikeln, in denen sich Journalisten auf anonyme Regierungsquellen als Informanten berufen. Als repräsentativer Querschnitt der gesamten amerikanischen Presse hat der Anwalt ein Dossier von 300 Seiten solcher Zitate zusammengestellt, von denen er einen Auszug von zehn Seiten dem Gericht vorlegte.

Der Antrag enthält schwere Vorwürfe gegen die Regierung und fordert das Gericht auf, auf der Grundlage der Verfassung und der Gesetze zu handeln.

"Es obliegt zweifellos der Regierung, eine gerechte und gründliche Strafverfolgung durchzuführen, daran soll hier nicht gerüttelt werden. Deshalb unterliegen die Anklagevertreter Zwängen und Verantwortlichkeit, die anderen Juristen nicht auferlegt sind. Während Rechtsanwälte als Vertreter privater Parteien alles ethisch Vertretbare tun müssen, um die Interessen ihrer Mandanten zu vertreten, sind Juristen und Untersuchungsbeamte, die in Straffällen die Regierung vertreten, an erster Stelle der Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet. Es darf dem Anklagevertreter nicht zuerst darum gehen, einfach einen Fall zu gewinnen, sondern unter Einhaltung der Gesetze in einem fairen Verfahren zu obsiegen.

Der U.S.-Generalstaatsanwalt ist nicht einfach Vertreter einer Gegenpartei, sondern vertritt die Staatshoheit, die verpflichtet ist, unparteiisch zu handeln, was eine besondere Herausforderung darstellt. In einer Strafverfolgung kann es ihm also nicht darum gehen, einen Fall zu gewinnen, sondern vor allem darum, daß Gerechtigkeit geschieht. Damit ist er in einem besonderen und entscheidenden Maße der Diener des Gesetzes. Somit muß es ihm um das zweifache Ziel gehen, daß weder Schuld ungesühnt bleibt, noch einem Unschuldigen Unrecht geschieht. Die Strafverfolgung soll gründlich und nachdrücklich vorgenommen werden. Dabei kann er in der gebotenen Härte vorgehen, jedoch steht ihm nicht zu, das Gesetz zu überschreiten. Es ist seine Pflicht, unlautere Methoden zu verhindern, die absichtlich eine ungerechte Verurteilung vorbereiten. Statt dessen muß er dafür Sorge tragen, daß jedes legitime Mittel angewendet wird, das zu einem gerechten Urteil führt."

Der Antragsteller wirft der Regierung vor, ihre Vollmacht zur Durchsuchung der Hütte gröblichst mißbraucht zu haben, indem absichtlich und ungesetzlich der Presse Informationen über die beschlagnahmten Beweisstücke zugespielt wurden, die Theodore Kaczynski schwer belastet haben. Das FBI habe mit Hilfe von Fernsehen, Rundfunk und Presse im Stil einer Wahlveranstaltung eine nicht zu überbietende Hetzkampagne veranstaltet, die an die Lynchmentalität vergangener Zeiten erinnert.

"Wenn die Regierung nun behauptet, sie sei dafür nicht verantwortlich, sollte Kaczynski dazu berechtigt sein, in einer Anhörung das Gegenteil zu beweisen. In diesem Zusammenhang sollten als Zeugen diejenigen Journalisten geladen werden, die die spektakulärsten Berichte geliefert haben und vor Gericht die Namen ihrer Regierungsquellen offen nennen. Außerdem schlagen wir vor, daß ein Vertreter des US-Generalstaatsanwalts aus der Kriminalabteilung des Justizministeriums als Zeuge vorgeladen wird, um darzulegen, welche Maßnahmen getroffen wurden, nachdem der Durchsuchungs­befehl ausgestellt war, um einen unzulässigen Informationsfluß an die Öffentlichkeit zu verhindern."

Die Eingabe macht folgendes geltend:

1. Theodore Kaczynski hat Anspruch auf angemessenen Schutz durch die Verfassung, welche auch das Recht auf ein unvoreingenommenes Geschworenengericht (grand jury) beinhaltet. Er hat außerdem Anspruch darauf, keine ungerechtfertigte Durchsuchung und Beschlagnahmung seines Eigentums hinnehmen zu müssen und darauf, einen gerechten Prozeß gemäß § 4 und § 6 der Verfassung zu erhalten.

2. Diese Rechte wurden in nicht wieder gutzumachender Weise verletzt durch absichtliche und ungesetzliche Enthüllungen von beschlagnahmten angeblichen Beweisstücken und angeblichen Informationen über Ergebnisse der Durchsuchung seiner Hütte.

3. Die Regierung soll für die absichtliche Verletzung der Rechte von Kaczynski zur Rechenschaft gezogen werden und folgende Auflagen erhalten: (1) Rückgabe des gesamten Eigentums, das aus der Hütte entfernt wurde, (2) Abweisung der schwebenden Klage und (3) Anordnung des Gerichtshofes, die der Regierung vorübergehend und dann auf Dauer untersagt, Kaczynski weiter gerichtlich zu verfolgen.

Der Antrag wurde am 19. April vom Bezirksgericht Helena abgelehnt. Richter Charles Lovell begründete die Zurückweisung damit, daß Kaczynski "keinen Anspruch auf perfekte Behandlung (hat) , weil wir nicht in einer perfekten Welt leben. Aber er wird anständig (fair) behandelt und das wird auch in Zukunft so sein."

Am 30. April rief Kaczynski den Höchsten Gerichtshof (Supreme Court) an, wo sein Antrag ebenfalls scheiterte.

Nach 76 Tagen Untersuchungshaft ist am 18 Juni 1996 Anklage wegen vier Sprengstoffanschlägen, zwei davon mit tödlichem Ausgang, von der Staats­anwaltschaft Gerichtshof in Sacramento, Kalifornien gegen Theodore Kaczynski erhoben worden. Einige Tage später wurde der Angeklagte an den Bundesstaat Kalifornien ausgeliefert, nachdem durch einen formalen Beschluß das Bezirksgericht Helena seine Anklage auf Sprengstoffbesitz zurückzog.

Wenn die belastenden Informationen der Presse in den ersten Aprilwochen nicht reine Erfindung waren, sondern auf der ungesetzlichen Zusammenarbeit mit dem FBI beruhten, ist nicht zu vermuten, daß der bevorstehende UNABOMBER-Prozeß noch irgendwelches Aufsehen erregen wird. Alles ist bereits gesagt und geschrieben worden. Den Geschworenen, den Anklägern und dem Pflichtverteidiger bleibt dann nur die Wiederholung des am ersten Tag nach der Verhaftung auf den Titelseiten der amerikanischen Presse verkündeten Urteils: Todesstrafe für den UNABOMBER!

Welch ein Unterschied zum Simpson-Prozeß! Die Diktatur der Medien hat gesiegt, sie hat ihr Urteil gesprochen - vor einer Anklage, vor einem Prozeß.

Der Grundsatz, auf dem angeblich Amerikas Gerechtigkeit beruht - ein Verdächtiger gilt solange als unschuldig, bis seine Schuld vor Gericht bewiesen und das Urteil gesprochen wird -, ist nur ein Mythos.   

 


 

Dr. Gabriele Yonan verwarnt

24. Februar 1998 

Frau Dr. Gabriele Yonan ist von zahlreichen Veranstaltungen der WTG bekannt, wo sie als “Religionswissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin” vorgestellt wurde. Eine Bezeichnung, mit der sich die Scientologin oder zumindest Scientology sehr nahe stehende Person offensichtlich gerne schmückt. Leider zu Unrecht.

So zumindest sieht das der Präsident der Universität, der sich am 24.2.1998 per Brief an Frau Yonan wandte und schrieb:

Allein aus der Tatsache, daß Sie vor längerer Zeit hier als studentische Hilfskraft tätig waren und ggf. an der FU Ihr Studium abgeschlossen haben, sind die Angaben… Dr. Yonan, Free University of Berlin, sowie alle weiteren Angaben, die auf eine Mitgliedschaft an der FU Berlin hinweisen, nicht gestattet.

Man fragt sich, warum sich eine Organisation wie die WTG, die aus Sicht ihrer Mitglieder nichts Geringeres als “die Wahrheit” verkörpert, derart zweifelhafter “Wissenschaftler” bedienen muß, um ihr Anliegen in der Öffentlichkeit vorzutragen.

http://www.sektenausstieg.net/read/2919 


Arne ist nicht Aristoteles Eine Frau flieht und lässt ihr Kind im Osten zurück. Der Junge wird zwangsadoptiert. Fast 20 Jahre später trifft er seine Mutter - und findet nicht zu ihr Renate Oschlies BERLIN, im August. An ihrem 25. Geburtstag, im September 1969, steht Gabriele Püschel auf der Westseite der Berliner Mauer und winkt. Sie winkt hinweg über Stacheldraht und Sperranlagen, winkt ihrer Freundin Gisela zu, die auf der Ostseite steht und einen Dreijährigen im Arm hält. Der Junge ist Gabriele Püschels Sohn. Erst neunzehn Jahre später wird sie ihn wiedersehen. Denn wenige Tage nach dem Gruß über die Mauer holen Polizei und Vertreter der DDR-Jugendhilfe das Kind der "republikflüchtigen" Gabriele Püschel aus der Wohnung der Ost-Berliner Freundin ab.

Da hat Gabriele Püschel bereits ein Jahr lang darum gekämpft, ihr Kind zu sich in den Westen zu holen. Tausendfach, das wusste sie, waren so genannte Familienzusammenführungen seit 1963 praktiziert worden. Im August 1968 war die junge Frau geflohen, nachdem ihr Freund, der Vater ihres Kindes, ein griechischer Student aus West-Berlin, wegen angeblicher Spionage in der DDR verhaftet worden war. Gabriele Püschel wurde gewarnt: Auch gegen sie laufe ein Haftbefehl.

Flucht nach Istanbul

Mit dem Ausweis einer Freundin gelingt ihr die Flucht über Polen, Tschechoslowakei, Sowjetunion und Bulgarien nach Istanbul. Auf der letzten Etappe versteckt sie ein Lastwagen-Fahrer zwischen den Achsen des Wagens. Ihren Sohn Aristoteles hat Gabriele Püschel angesichts der unvorbereiteten, gefährlichen Flucht bei ihren Eltern zurückgelassen. Die Behörden drohen dem Ehepaar, ihnen das Kind wegzunehmen, sie seien zu alt, es zu betreuen, das Kind müsse ins Heim. Gabriele Püschel plant, den Sohn von West-Berlin aus mit Hilfe eines Diplomaten aus der DDR zu holen. Da dies nicht mehr möglich wäre, wenn die Behörden den Großeltern das Kind wegnähmen und in ein Heim steckten, bringen ihre Eltern den Jungen bei Freundin Gisela unter. Doch bevor Gabriele Püschels Plan ausgeführt werden kann, wird das Kind abgeholt.

Aristoteles wird nur wenige Tage im Kinderheim verbringen. Ein Ost-Berliner Ehepaar, die Familie Grahm, bemüht sich sofort, das Kind in Pflege zu nehmen und zu adoptieren. Am 1. November 1969 notiert der Jugendfürsorger nach einem Hausbesuch bei den Grahms, dass "das Kind bereits jetzt Frau Grahm als Mutter anspricht". An die leibliche Mutter und den Vater habe das Kind jedoch noch "lebhafte Erinnerungen", heißt es weiter. Um "die Erinnerungen bei dem Kinde zu verdecken, wollen die Ehegatten den Vornamen ändern und das Kind bereits anders nennen".

Aus Aristoteles wird von einem Tag zum anderen Arne. Aus dem Sohn der "Staatsfeindin" und des angeblichen griechischen Spions wird das Kind eines Abteilungsleiters im Ost-Berliner Parteiverlag "Dietz-Verlag" und seiner Frau, einer Lehrerin. Wenn Aristoteles von seinen Eltern und Großeltern und von Tante Gisela erzählt, sagen ihm die neuen Eltern: "Arne, das hast du doch nur geträumt."

Gabriele Püschel weiß nicht, wo ihr Sohn in Ost-Berlin aufwächst. Die ehrgeizige junge Frau, der die DDR jede höhere Bildung versagte, beginnt zu studieren, Orientalis- tik und Religionswissenschaften. Gleichzeitig versucht sie, ihr Kind zurückzubekommen. Sie wiederholt ihre Anträge auf Familienzusammenführung. In einer Zeit der Entspannungspolitik, in der selbst der Bonner Minister für innerdeutsche Beziehungen, Egon Franke, leugnet, dass es Zwangsadoptionen in der DDR gibt.

Kurz vor Weihnachten 1971 bekommt Gabriele Püschel Post vom Jugendamt Berlin-Neukölln. Sie soll den Ost-Berliner Behörden ihre Einwilligung zum Entzug des Sorgerechts für Aristoteles geben. Sie lehnt empört ab. Was sie nicht ahnt, ist, dass sie den Kampf längst verloren hat. In Ost-Berlin bereitet man die Adoption ihres Kindes bereits vor. "Im Namen des Volkes" wird Aristoteles am 11. Mai 1972 gegen den erklärten Willen seiner Mutter zur Adoption freigegeben. Ihre Einwilligung wird durch Gerichtsentscheid des Stadtbezirksgerichts Berlin-Treptow ersetzt. Die Kosten für die Verhandlung mit dem "Streitwert: 500 Mark" werden Gabriele Püschel in Rechnung gestellt. Aus Aristoteles Püschel ist endgültig Arne Grahm geworden. Zur Übergabe der Adoptionsurkunde werden auch "Vertreter der Dienststellen der Ehegatten" eingeladen.

Gabriele Püschel weiß nicht, in was für eine Familie die DDR-Behörden ihr Kind gegeben haben. Sie wendet sich an die Presse. 1975 berichtet der "Spiegel" über den Fall, weitere Zwangsadoptionen werden bekannt. Schuldgefühle quälen die Mutter: Weil sie das Kind zurückgelassen hat auf der Flucht, konnte man es ihr fortnehmen. Gabriele Püschel lernt Eltern anderer zwangsadoptierter Kinder kennen. Einigen wurden ihre Kinder weggenommen, weil sie mit ihnen flüchteten. Sie hätten die Kinder Gefahren ausgesetzt und damit das Sorgerecht verwirkt, heißt es in den Begründungen der Gerichte.

Die Eltern schließen sich zusammen. Bei der KSZE-Tagung 1975 in Helsinki ketten sich Mütter an und fordern die Herausgabe ihrer Kinder. Aristoteles? Mutter, die inzwischen geheiratet hat, nun Gabriele Yonan heißt und noch einen Sohn geboren hat, wird zur Sprecherin der Gruppe. Der Kampf um Aristoteles wird zur politischen Mission. Sie schreibt an den amerikanischen Präsidenten Carter, reist nach Washington, verteilt im Bundestag Flugblätter. Sie erfährt nichts von ihrem Kind, aus dem inzwischen ein Jugendlicher geworden ist.

Arne wächst in Berlin-Treptow auf, wird "unter den Augen der Genossen sozialistisch erzogen", beschreibt der heute 34 Jahre alte Mann seine Kindheit. Er wird Pionier, Agitator, Wandzeitungsredakteur seiner Schulklasse, wird FDJ-Funktionär und fährt ins Militärlager. "Das waren tolle Sachen", erinnert er sich. Und auch daran: Am Fernseher darf er eine Taste nicht drücken, sonst explodiere das Gerät, schärfen ihm die Eltern ein. Einmal drückt er sie doch. Auf dem Schirm erscheint ein Westsender. Als Arne 14 ist, beschimpft ihn ein Junge auf dem Schulhof als "Heimkind". Seine Nachfrage zu Hause löst Verwirrung auf. Als er einen Personalausweis beantragt, steht auf der Geburtsurkunde ein griechischer Name. Arne erfährt von seinen Eltern, dass er adoptiert wurde, weil seine Mutter ihn als Kleinkind verließ.

Das Verhältnis zu den Eltern verschlechtert sich. Arne lernt Punks kennen, taucht ein in die Ost-Berliner Szene. Mit 17 zieht er zu Hause aus, er will nicht zur Armee. Er wird Baumaschinist, einer seiner Punk-Freunde wird beim Fluchtversuch erschossen. 1987 will Arne raus aus der DDR. Da bricht die Schwester seines Adoptivvaters im Westen ihr Schweigen, erzählt ihm von seiner Mutter in West-Berlin und vermittelt den Kontakt. Mutter und Sohn telefonieren, stundenlang.

"Ich brach nicht gerade in große Gefühle für meine Mutter aus", erinnert sich Arne. "Sie war schließlich von mir weggegangen. Ich versuchte mit nüchternem Kalkül, auf diese Weise in den Westen zu kommen." Das Stichwort heißt Familienzusammenführung. Arne beantragt die Ausreise. Überraschend schnell wird sie genehmigt, weil die DDR-Behörden kein Aufsehen wollen. Auch Arnes Freundin darf mit.

An einem Maitag 1988 erwartet Gabriele Yonan ihren Sohn in West-Berlin. Auf Wunsch der Mutter ziehen Arne und seine Freundin zu ihr und dem Halbruder David. Es geht nicht gut. "Ich platzte da in eine Welt, mit der ich nichts zu tun hatte", erzählt Arne. Der Alltag der promovierten Orientalistin ist "auf den Bruder David zugeschnitten". David, das musikalische Wunderkind. Mit zwölf tritt er bereits in der Philharmonie auf. David ist Waldorf-Schüler. Er wird Musik studieren und ein großer Geiger werden, das steht fest. Arne hat zuletzt in Ost-Berlin als Fensterputzer gearbeitet. Er geht in Discos und weiß noch nicht, was er im Westen machen will. Gabriele Yonan hat Angst, dass Arnes Lebenswandel den jüngeren Sohn beeinflussen könnte. "Ich bin nun einmal leistungsorientiert", sagt die Mutter. Sie kann mit Arnes Lebenseinstellung nichts anfangen. Nach zehn Tagen zieht Arne aus.

Gabriele Yonan drängt ihn, sich mit seiner - und ihrer - Geschichte auseinander zu setzen. Er soll sich von den Adoptiveltern lossagen. Seinen Geburtsnamen wieder annehmen. Doch dazu ist Arne nicht bereit. Er studiert die Unterlagen, die die Mutter über die Jahre gesammelt hat. "Es liest sich wie ein Krimi", stellt er fest. "Doch das ist ihre Geschichte, nicht meine. Ich war nach 20 Jahren Arne Grahm und nicht Aristoteles Püschel."

Als die Mauer fällt, nimmt er wieder Kontakt auf zu seinen Adoptiveltern. Die versichern ihm, erst 1975, als das Thema im Westen durch die Medien ging, von seiner wahren Identität erfahren zu haben. Arne glaubt ihnen. "Sie wollten mein Bestes, im Sinne des Staates. Dieses Rechtsempfinden meiner Eltern kann ich gut nachvollziehen", sagt der Sohn. "Wenn es so war, dann wären wir alle Opfer des Kalten Krieges", denkt Gabriele Yonan damals und sucht nach einem Modus Vivendi, mit dem alle leben können. Im Oktober 1991 feiern sie gemeinsam Arnes Geburtstag.

Wenige Wochen später werden die Stasi-Akten geöffnet. Gabriele Yonan ist eine der Ersten, die ihre Unterlagen einsehen darf. Die Adoptiveltern waren nach den Akten von Anfang an über die Identität des Kindes informiert. Arne soll nun, bitte, endlich zur Kenntnis nehmen, was geschehen ist, fordert die Mutter. "Ich wollte, dass er sich als Opfer fühlt, aber das tat er nicht", sagt Gabriele Yonan.

Sie malt sich aus, was aus dem Jungen alles hätte werden können, wenn er bei ihr aufgewachsen wäre. Sie sagt das auch in der Presse. Dort stellt sie ihren Sohn David als "gelungenen West-Sohn" vor und weist auf Arne, den Sohn, der in der DDR erzogen wurde, der "den Manipulationen dieses Systems ausgesetzt war und diesen Infekt bis heute mit sich herumschleppt". Heute empfindet sie ihr Verhalten als gemein. Arne hat es tief verletzt.

Eine Hoffnung

Mutter und Sohn sehen sich immer seltener, bis der Kontakt für mehrere Jahre abreißt. Arne beginnt ein Studium, bricht es ab, jobbt, studiert wieder. Mutter und Sohn wissen voneinander über David, den Geiger, der sich mit seinem Bruder sehr gut versteht. "Ich wollte diese Frau nicht in mein Leben lassen mit ihrem grenzenlosen Hass auf das DDR-System. Sie sollte ihren Hass nicht an mich weitergeben", begründet Arne seinen Rückzug.

Seit einigen Wochen haben Mutter und Sohn wieder Kontakt. Von einem Freund erfuhr Gabriele Yonan, dass sie Großmutter wird. Es ist das erste Mal, dass sie im Gespräch ihre Emotionen nicht beherrscht. Sie hat Tränen in den Augen, als sie davon erzählt. Inzwischen hat sie ihre Enkelin gesehen. "Vielleicht gibt das Baby unserer Geschichte einen versöhnlichen Abschluss", hofft Gabriele Yonan.

Großmutter wurde auch die Frau, die Arne adoptiert hat, die er als Mutter ansieht. "Das Gefühl, dass jetzt alles gut ist, nachdem ich meine leibliche Mutter wiedergefunden habe, das hat sich niemals eingestellt", sagt Arne. "Uns fehlen zwanzig Jahre Alltag, Geburtstage, Weihnachten feiern - alles, was Nähe ausmacht", sagt Gabriele Yonan. "In diesem Punkt hat Gabriele verloren", sagt Arne.

Samstag, 11. August 2001 www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/seite_3/.html/64621.html

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Betreff: Artikel auf Ihrer Homepage Datum: Thu, 6 Nov 2003 20:30:24 +0100 Von: Arne Grahm An: TSochart@vaeter-aktuell.de hallo herr sochart,

hier ist der von mir angesprochene link zu meiner gegendarstellung.

beim lesen wird ihnen sicher klar, warum ich sie um eine alternative darstellung auf ihrer page bitte. das interview mit der journalistin renate oschließ stand leider unter keinem guten stern, wie mir beim recherchieren ihrer früheren artikel aufging, hat frau oschließ scheinbar noch ein paar persönliche rechnungen mit dem staat ddr zu begleichen. dagegen habe ich auch überhaupt nichts einzuwenden, es sei denn sie betreibt ihre abrechnungen auf kosten meiner person. es macht sich offenbar besser, die vermeintlichen opfer eines politischen regimes, mit zusätzlichen schrammen zu versehen, um auch dem abgebrühtesten leser zu tränen zu rühren. da erfahrungsgemäß aber die meisten leser des artikels nur die politischen aspekte wahrgenommen haben und weniger die persönlichen, hätte ich nichts dagegen, wenn sie den text mit verweis auf meine gegendarstellung auf ihrer seite belassen. ich hoffe, sie finden eine für mich und auch für sich (die absicht ihrer hompage betreffend) befriedigende lösung und wünsche ihnen weiterhin viel erfolg.

mit freundlichen grüßen arne grahm

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Gegendarstellung

 In der Berliner Zeitung vom 11./12. 8. 2001 verbreiten Sie unter der Überschrift "Arne ist nicht Aristoteles" auf S. 3 über mich unzutreffende Darstellungen. 1. Sie schreiben: "Er wird . FDJ-Funktionär und fährt ins Militärlager." "Das waren tolle Sachen, erinnert er sich." Dazu stelle ich fest: Ich war nie FDJ-Funktionär, und fand auch die Militärlager nicht toll und habe so etwas auch nicht gesagt.

2. Sie schreiben: "Arne lernt Punks kennen, taucht ein in die Ost-Berliner Szene. .einer seiner Punk-Freunde wird beim Fluchtversuch erschossen." Dazu stelle ich fest: Ich weiß nichts von einem Punk-Freund, der erschossen wurde.

3. Sie schreiben im Zusammenhang mit meinem Lebenswandel nach meiner Übersiedlung nach West-Berlin: "Er geht in Discos und weiß noch nicht, was er im Westen machen will." Dazu stelle ich fest: Ich habe mir sofort eine Wohnung gesucht, die Anerkennung meiner Zeugnisse betrieben und mich umgehend für das Studium meiner Wahl beworben. Ich wusste, was ich machen wollte.

4. Sie schreiben: "Als die Mauer fällt, nimmt er wieder Kontakt zu den Adoptiv-Eltern auf." Das ist falsch: Ich hatte vor und nach meiner Aussiedlung ständigen Kontakt zu meinen Eltern.

5. Sie schreiben, meine Adoptiv-Eltern hätten mir versichert, erst 1975 von meiner Identität erfahren zu haben. Ich hätte ihnen geglaubt. Sie schreiben weiter, nach dem Inhalt der Stasi-Akten seien meine Adoptiv-Eltern von Anfang an über meine Identität informiert gewesen. Dazu stelle ich fest: Ich habe erklärt, dass meine Eltern erst 1975 über das Schicksal und die Gründe des "Verlustes" meiner leiblichen Mutter informiert wurden. Meine Identität, also meinen Namen kannten sie immer. Stasi-Akten über meine Adoptiv -Eltern oder deren Wissen über das Schicksal meiner Mutter gibt es nicht. Aus den beim Jugendamt und anderswo entstandenen behördlichen Aktenvorgängen ergibt sich nicht, dass die Adoptiv-Eltern vor 1975 vom Schicksal meiner Mutter wussten.

Berlin, den 16. August 2001

RA Johannes Eisenberg für Arne Grahm.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/grahm 

http://www.vaeter-aktuell.de/politik/politik-1949-1989-DDR/1969-DDR-Zwangsadoption.htm 


Berichte der Vorträge von Dr. Gabriele Yonan in Gütersloh

 

Am 16. und 18.05.2008 fand in der St. Mariakirche Gütersloh und im Sport- & Kulturverein Suryoye Verl die Vortragsreihe über die Suryoye statt. .

Am 16.05.08 fand innerhalb der St. Mariakirche Gütersloh der erste Teil der Vortragsreihe statt.Rund 200 Besucher nahmen an diesem Abend an der Veranstaltung teil. Davon bestand das Publikum überwiegend aus Jugendlichen. Darunter war auch die assyrische Tanzgruppe Ninveya aus Russland, die in Gütersloh zu Gast war. “

Referentin war die ehrenwerte Frau Dr. Gabriele Yonan aus Berlin. Sie ist eine Historikerin und Autorin auf dem Gebiet unseres Volkes. Ihre Bücher „Vergessener Holocaust“, „Assyrer heute“ und „Journalismus bei den Assyrern“ stoßen auf viel positiver Kritik innerhalb und außerhalb unserer Reihen. “

Die Organisatoren waren die Jugendabteilungen der jeweils beiden Vereine, Assyrischer Mesopotamienverein Gütersloh und Sport- & Kulturverein Suryoye Verl.

Das Thema an diesem Abend war der Seyfo. Dr. Yonan schilderte die Beweggründe und andere Einflüsse aus Europa zum Seyfo an unserem Volk durch die Türken im damaligen osmanischen Reich von 1915 bis 1923.

Nach dem Vortrag gab es dann ein großzügiges Abendessen, dass die Frauengruppe des Vereins Tur Abdin Gütersloh und die Föderation Suryoye Deutschland - HSA organisierten.

Am 18.05.08 fand der zweite und letzte Vortrag der Vortragsreihe in den Räumen des Sport- & Kulturvereins Suryoye Verl statt. Dr. Yonan ging hier auf die Geschichte, Kirche Namenssache und Gegenwart ein. An diesem Tag besuchten ca. 100 Leute den Vortrag. Die meisten dieser Besucher waren Jugendliche.

An beiden Tagen füllten also gut 300 Besucher die Räumlichkeiten der Vorträge! Dass die Anzahl der Jugendlichen unter diesen zahlreichen Besuchern so groß war, ist ein Zeichen, dass das Interesse an unserem Volk unter ihnen immer größer wird. Dies ist ein besonders positives Zeichen, denn unsere Jugend ist unsere Zukunft. Sie ist es, die hier in der Diaspora die Möglichkeiten hat, mit entsprechender Bildung auf die problematische Situation unseres Volkes aufmerksam zu machen und für unsere Rechte einzutreten. “

Jens Reich (Molekularbiologe, Arzt, Essayist und Bürgerrechtler) sagte einmal: „Bei der jungen Generation verstehe ich oft nicht diese Gelassenheit, mit der sie sich gefallen lässt, wie die eigene Zukunft vor ihr hergeschoben wird.“

Unsere Jugend, die eine größere Verantwortung als die Jugend der meisten anderen Völker trägt, nämlich die Verantwortung zum Erhalt und der Weiterentwicklung unserer momentan staatenlosen Kultur, zeigt durch ihr wachsendes Interesse, dass sie nun mehr und mehr dazu bereit ist sich dieser Verantwortung zu stellen.

http://www.bethnahrin.de/Startseite/VortraegeYonan2008/VortraegeYonan2008.html 


http://de.wikipedia.org/wiki/Assyrer_(Gegenwart)  


http://www.kultur-netz.de/archiv/leute/unabrief/kacz_mp.htm 


 

 

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