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12.  Die Feier unserer Tage

Gesammelte Rituale für das Leben

 

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In unserer Familie war es Brauch, daß wir Kinder jedes Jahr unser Geld zusammenwarfen und der Mutter zum Geburtstag einen Pralinenkarton kauften. Nachdem sie pflichtschuldigst überrascht tat, durfte sich jeder eine Praline aussuchen. Zuerst gingen die leicht identifizierbaren, mit Goldfolie verpackten Likörkirschen weg. An den folgenden Tagen, als sich jeder ein Stück aussuchen durfte, konsultierten wir die Abbildung auf der Innenseite der Schachtel, um unsere Lieblinge zu finden — die mit Karamel, Pfefferminz oder Ahornzucker gefüllten Pralinen —, bis nichts mehr übrigblieb als die glasierten Mandeln.

Behandeln Sie diese Sammlung von Ritualen als Kollektion. Suchen Sie sich zunächst Ihr Lieblingsritual heraus, genießen Sie es und warten Sie eine Zeitlang, ehe Sie ein anderes probieren. Warnung: Wenn Sie sie in einem Rutsch lesen, bekommen Sie wahrscheinlich Magenschmerzen. Knabbern und stellen Sie sie langsam zusammen.

 

   Symbole, Rituale und Gesten  

Im schönsten wie im schlimmsten Leben wird es unvermeidlich außergewöhnliche Augenblicke geben. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, eine einzige Grenzerfahrung reicht nicht zur Schaffung eines inspirierten Lebens. Um ganz und gar lebendig zu sein, müssen wir Wege finden, die Sahne von unserer Erfahrung abzuschöpfen — die hohen und heiligen Augenblicke der Inspiration —, und sie mit den gewöhnlichen Minuten unserer durchschnittlichen Tage verbinden. Es ist leicht, in Hochstimmung zu geraten; es ist eine Herausforderung, seelenvoll zu bleiben.

Jede Religion in der Menschheitsgeschichte hat sich dem Problem gegenübergesehen, wie man die Vision des Heiligen in den Teig des alltäglichen Lebens kneten kann. Eine vergleichende religionswissenschaftliche Studie ergibt eine endlose Vielfalt symbolischer Akte und Objekte — Zeremonien, Sakramente, Initiationsriten, Rituale, Liturgien, Mantras, Mutras, Tänze, Gesänge und Amtstrachten; sie sind dazu geschaffen, den Gläubigen daran zu erinnern, den heiligen Möglichkeiten des Lebens treu zu bleiben.

Ein inspiriertes Leben wird von Gesten gerahmt, die den Fluß der profanen Zeit unterbrechen und unsere Tage mit kurzen Ausblicken einer transzendenten Realität durchsetzen. Morgengesänge, Gebetsfahnen, die im Wind flattern, und Gebetsmühlen, die sich in einem Bach drehen, machen eine Bauernfamilie in Bhutan darauf aufmerksam, das alles, was sie tagsüber erleben, eine Manifestation der Buddha-Natur sein wird. Chinesen und Chinesinnen üben Tai-chi im Park, um ihre Bewegungen mit dem Weg des Tao in Einklang zu bringen. Eine katholische Gemeinde feiert die Messe und erneuert so ihre Überzeugung, daß gewöhnliche Materie in göttliche Substanz verwandelt werden kann.

Rituale laden gewöhnliche Handlungen und Gegenstände mit symbolischer Bedeutung auf. (Die ursprüngliche Bedeutung des aus dem Griechischen abgeleiteten Wortes symbolisch ist »etwas zusammenzubringen«. Die Bedeutung des Gegensatzes, dämonisch, ist »etwas auseinanderreißen«). Ein gebeugter Kopf bedeutet Ehrerbietung; Brot und Wein stehen für das göttliche Sichverströmen in der Feuerprobe des menschlichen Lebens; der Blitz repräsentiert die Erleuchtung des Buddha.

Indem wir unsere Tage durch Rituale heiligen, spielen wir das Spiel der heiligen Poesie, bei der man der einen Sache erlaubt, eine andere zu bedeuten. Man könnte das inspirierte Leben als eine Art göttlichen Wahnsinn betrachten, der uns heilt, als symbolisches Bewußtsein, das die Oberfläche und die Tiefen zusammenführt. Ein inspirierter Geist ist ein metaphorischer Geist, in dem alles sowohl er selbst als auch ein Symbol ist, das über sich hinausweist. Mit Ritualen spielen und Disziplinen zur Erlangung einer größeren Bewußtheit erfinden heißt anerkennen, daß wir zwei Reichen angehören. Wir leben gleichzeitig in zwei Dimensionen, dem Profanen und dem Heiligen, in der Zeit und der Ewigkeit. Wir sind ganz besonders belebt, inspiriert und lebendig, wenn wir lernen, zwischen dem Hier und Jetzt und dem Jenseits hin und her zu wechseln.

Mancher empfindet die »fertigen«, traditionellen religiösen Rituale und Disziplinen als befriedigende Art und Weise, sein Leben zu heiligen. Andere Menschen müssen sich ihre eigenen schaffen.

Die folgenden Praktiken sind meine Mischung aus Tradition und Innovation. Mit ihnen möchte ich zeigen, wie ich an die Aufgabe herangegangen bin, mich daran zu erinnern, wer ich bin und wie ich leben soll.

Es sollte selbstverständlich sein, daß die Rituale und Disziplinen, die Ihren Geist kleiden können, maßangefertigt werden müssen, sonst passen sie nicht zur Form Ihres Lebens. Fühlen Sie sich frei, alles aus meiner Garderobe auszuleihen, was Ihnen paßt, und alles abzulegen, was Ihnen nicht ganz angemessen erscheint.

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   Köcheln und die Kunst des Träumens  

 

Mein Freund und ehemaliger Führer auf dem Pfad, Howard Thurman, riet mir einmal: »Wenn du morgens aufwachst, steige nie aus dem Bett —, sondern schlummere. Und wenn du abends ins Bett gehst, schlafe nie sofort ein — sondern schlummere.«

Im weiteren erklärte er, daß er jeden Abend vor dem Einschlafen die Ereignisse des Tages Revue passieren ließ und seine Pläne für den folgenden Tag durchmusterte. Erst dann fiel er langsam in den Schlaf, wobei er seinen Geist sanft aufforderte, im Traum an dem Dilemma, in dem er sich befand, weiterzuarbeiten. Wenn er morgens aufwachte, lag er still und kostete jeden Abschnitt aus, der ihm in Erinnerung geblieben war, und erst dann nahm er die Tätigkeiten des Tages auf.

 

Die Schamanen alter Kulturen und die Aborigines erinnern uns daran, nicht weniger als Sigmund Freud, daß der »Traum der Königsweg zum Unbewußten« ist. Sie wußten, daß wir die zerschlissenen Ränder unserer sichtbaren und unsichtbaren Realität nur zusammenweben können, wenn wir die Fähigkeit kultivieren, in die Traumzeit hinein und wieder hinaus zu reisen.

Wissenschaftler sagen uns, daß wir ungefähr alle neunzig Minuten, ob wir schlafen oder wachen, in einen REM-Zyklus eintreten (rapid eye movement), in der unser Geist mit Träumen, Tagträumen oder Phantasien erfüllt wird.

Die meisten modernen Menschen sind das Leben auf der Überholspur gewohnt; wir haben allmählich gelernt, den Zauber und den Wahnsinn der Traumzeit zu ignorieren, und richten unsere Aufmerksamkeit nur noch auf »praktische« Dinge. Insbesondere Männer haben vergessen, wie man träumt und das Schloß der Weisheit betritt, das hinter der fruchtbaren Finsternis, direkt hinter den Augenlidern liegt. Um die Fülle des Geistes wiederzuerlangen, müssen wir in einem beständigen Austausch mit unseren Träumen leben und eine tiefe Liebesbeziehung zwischen den radikal sich unterscheidenden Selbsten entwickeln, die wir im Schlaf und im Wachzustand sind.

In meinen Träumen sind eine Gemeinschaft von Heiligen und Libertins, von Narren und weisen Tieren, gütigen und grausamen Männern und Frauen enthalten. Ich bin der Held, den ich bewundere, und der Feind, den ich hasse. Für den, der für die Weisheit der Nacht empfänglich geworden ist, liegt es auf der Hand, daß Selbstliebe und Nächstenliebe Kopf und Zahl derselben Medaille sind. Ich bin diese anderen, die ich liebe und verachte. Wenn wir auf unsere Träume achten, entdecken wir, daß Gott uns »Lobgesänge gibt in der Nacht« (Hiob 35, 10).

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In den Monaten vor meinem sechzigsten Geburtstag dachte ich viel über den Tod nach. Ich war gerade von einem längeren Aufenthalt in einer buddhistischen Kultur zurückgekehrt und hatte mit den Glaubens­vorstellungen von Karma und Reinkarnation gespielt, wobei ich zu fühlen versuchte, wie es wäre, an irgendeine Art der Kontinuität über den Tod hinaus zu glauben. Aber ich konnte der Furcht vor dem Nichtsein nicht entkommen, dem Grauen, vollständig in der Leere zu verschwinden, die immer ein fester Bestandteil des Wettermusters meiner Seele gewesen war.

Eines Nachts hatte ich einen seltsamen Traum über einen silbernen Käfer, der einen Teil von sich abnehmen und sich wieder völlig zusammensetzen konnte. Zuerst krabbelte der Käfer in ein Stück Holz, verschwand und tauchte auf der anderen Seite wieder auf. Als nächstes verschwand er in einem Stein und erschien wieder. Schließlich krabbelte er, was am seltsamsten war, in eine völlig durchsichtige, edelsteinähnliche Substanz, geriet aber aus dem Blickfeld. Zwar konnte ich durch den Edelstein hindurchschauen, doch der Käfer war nicht zu sehen; aber irgendwie war mir klar, daß ich aus dieser Reise durch die durchsichtige Leere unversehrt wieder auftauchen würde.

Ich erwachte aus dem Traum mit einem tiefen Gefühl der Erleichterung und des Trostes, ohne aber seine Bedeutung zu verstehen. Was um alles in der Welt hatte ein verschwindender und wieder auftauchender Käfer mit meinem Leben zu tun? In den folgenden Tagen gärte es in mir, bis mir plötzlich aufging, daß in der Religion des alten Ägyptens der Skarabäus-Käfer das Symbol der Unsterblichkeit war.

Der Traum handelte von meiner Angst vor dem Tod. Der Käfer entsprach der buddhistischen Vorstellung der Desintegration des Selbst im Tod und der gleichzeitigen Weitergabe der Geist-Substanz (Karma) in ein anderes Leben; eben diese Fragen hatte ich in Bhutan untersucht. Der Käfer verschwindet und taucht doch wieder auf, als Käfer. Könnte auch ich im Tod verschwinden und wiedererscheinen? Ich weiß nicht. Doch vermittelte mir der Traum einen vorübergehenden Frieden, der mein Fassungsvermögen überstieg.

Wachen Sie auf und beenden Sie den Tag, indem Sie sich auf Ihre Eindrücke besinnen. Betreten und verlassen Sie das Königreich des Schlafes leise und gezielt. Laden Sie Ihre Seele ein, ehe Sie in den Schlaf gleiten, Ihnen einen Traum zu schicken. Wenn Sie aufwachen, versuchen Sie sanft herauszufinden, ob Sie ein Bild oder eine Bildfolge aus dem Traum behalten haben. Wenn ja, lassen Sie ihn Revue passieren, bis er Ihnen klar vor Augen steht. Sobald Sie aufstehen, schreiben Sie den Traum in ein Tagebuch oder sprechen ihn auf Band. Im Laufe des Tages nehmen Sie alle eineinhalb Stunden Urlaub vom Alltag und stellen sich auf die Zeit der »rapid eye movements« ein. Stellen Sie die Brennschärfe weicher und achten Sie auf die Tagträume und Phantasien, die sich unter der Oberfläche abspielen. Schlüpfen Sie ins Kaninchenloch, das in die Unterwelt des Unbewußten führt. Werden Sie zum Welt-Reisenden.

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Bei der Deutung von Träumen, wie auch im Umgang mit anderen Aspekten des Sinns Ihres Lebens, sind Sie die entscheidende Autorität. Es liegt an Ihnen, die diversen und paradoxen Themen zusammenzuweben, die Ihre Nächte und Tage durchziehen und zu einer einzigartigen spirituellen Autobiographie führen. Wenn Ihre Träume Sie verblüffen, sprechen Sie mit einem Freund/einer Freundin darüber.

Gehen Sie sanft in die gute Nacht. Erinnern Sie sich jeden Abend an den Tag. Versuchen Sie, ehe Sie schlafen gehen, sich an die Zeilen aus einem alten Glaubensbekenntnis zu erinnern: »Wir haben das unerledigt gelassen, was wir hätten tun sollen; und haben das getan, was wir nicht hätten tun sollen.« Während Sie die Ereignisse des Tages einsammeln, sich an sie erinnern, werden Sie entdecken, daß sich durch das Meditieren über das, was Sie getan und was gelassen haben, der Weg, den Sie am folgenden Tag gehen sollten, vor Ihnen öffnet. Während Sie sich in Erinnerung rufen, daß Sie so geistesabwesend waren, daß Sie nicht antworteten, als der Taxi-Fahrer sagte, seine Frau müsse sich später am Nachmittag einer Operation unterziehen, werden Sie verstehen, daß Ihre Seele in diesem Augenblick schrumpfte und daß Sie morgen nach einer Möglichkeit Ausschau halten müssen, Mitgefühl zu praktizieren und Ihr Selbst wieder so weit wie möglich zu dehnen. Wenn Sie sich erinnern, daß Sie im stillen die gottverdammten »Skinheads« oder mörderischen Serben verflucht haben, werden Sie daran erinnert, daß es auch in Ihnen ein Schlangennest voller giftiger Vorurteile gibt.

 

   Sich-Zeit-Lassen: Kairos und Chronos   

 

Leider beginnen die meisten Menschen den Tag, indem sie sich mit der Tyrannei der chronologischen Zeit verbünden. Hektisch, alarmiert erwachen wir und rüsten uns sofort zum Verhalten des Typs A. Die Uhr und unsere tägliche feste Ration Kaffee treiben uns voran, denn Zeit ist Geld, Geld regiert die Welt, und die Schnellen streichen den Gewinn ein. Die freie Zeit ist auf die Wochenenden beschränkt.

Die Griechen kannten zwei Begriffe für »Zeit«, chronos und kairos.

Die chronologische Zeit ist das, was wir mit Uhren und Kalendern messen; sie ist immer linear, geordnet, quantifizierbar und mechanisch. Die kairotische Zeit ist organisch, rhythmisch, körperlich, gemächlich und unperiodisch; sie ist die innere Kadenz, die die Frucht zur Reife bringt, eine Frau zur Geburt, einen Mann dazu, die Richtung in seinem Leben im genau richtigen Augenblick zu ändern.

Im Reich des Geistes herrscht eher die kairotische als die chronologische Zeit. Gnade kommt nicht pünktlich. Es mag gut sein, daß Züge nach einem festen Fahrplan verkehren; allerdings bin ich nicht sicher, ob das diktatorische Regiment des politischen und wirtschaftlichen Lebens, das dies erforderlich macht, lohnend ist.

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Es ist sicherlich ein Fehler zu erwarten, daß der Heilige Geist fahrplanmäßig eintrifft, entweder in Form der Versicherung, daß einem vergeben wird, im Gottesdienst um elf Uhr am Sonntagmorgen, oder als simultaner Orgasmus um 21 Uhr 41 am Samstagabend. Große und seelenvolle Ereignisse — Sich-verlieben, eine Öffnung zum Jenseits-im-Inneren, die Geburt von Ideen und Kindern — marschieren nicht nach dem Zeiger der Uhr, sondern erscheinen in der ihr eigenen Zeit, dann, wenn das Herz vorbereitet ist und der Augenblick reif.

Es gibt keine Möglichkeit, unsere Seele in aller Eile zu kultivieren. Die Krankheit des Eiligseins schadet unseren geistigen Gefäßen. Geschwindigkeit tötet. Die Gewohnheit, etwas zu überstürzen, zerstört die langen und sanften Rhythmen des Atmens, die notwendig sind für ein inspiriertes Denken und die Hingabe an überraschende Gelegenheiten, die auftauchen, sobald wir unser Leben nicht mehr in einen Plan zwängen. Wenn wir in die Falle der Streß-Zeit gehen, verlieren wir aus den Augen, welche Stunde in unserem Leben geschlagen hat. Ist es Zeit zu heiraten oder sich scheiden zu lassen ? Zu handeln oder zu warten ? An einer Sache festzuhalten oder von neuem zu beginnen?

Natürlich haben Sie Verpflichtungen, Bindungen, eine Arbeit, die gemacht werden muß, einen Lebensunterhalt, der verdient werden muß, Kinder, die zur Schule gebracht werden müssen, und tausend Dinge, die während und danach zu erledigen sind. Man muß nicht ins Kloster gehen, wenn man das Leben des Geistes pflegen will. Wir streben nach einer Vermählung von chronos und kairos, nicht nach der Enthaltsamkeit vom einen oder anderen. Die schnelle und die langsame Zeit sind die rechte und linke Hemisphäre des inkarnierten Geistes. Lassen Sie sich Zeit, und handeln Sie kraftvoll.

Reservieren Sie regelmäßige Zeiten für meditatives Denken, Sich-erinnern und Schweigen. In praktischer Hinsicht ist es gut, früh aufzustehen und die Stimmung des bevorstehenden Tages festzulegen. Genießen Sie einige behagliche Augenblicke — eine anmutige Liebkosung, eine rituelle Reinigungsdusche, ein geweihtes Frühstück, ein Gespräch über wesentliche Dinge mit Familienangehörigen oder einem/r Freund/in. Praktizieren Sie Rituale — Meditation, Gebete, Tai-chi, Singen, das Lesen bestimmter Texte —, die Sie daran erinnern, daß Sie den Tag im Geist der Dankbarkeit und der Hingabe beginnen sollen.

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    Feiern und persönliche Heilige Tage  

 

Wenn Sie eine spirituelle Praxis schaffen wollen, müssen Sie einen Kalender einrichten, der Ihre persönlichen heiligen Tage und Feiern verzeichnet und feiert.

Jedes Jahr ermahnen uns die offiziellen Kalender — so sicher wie der Sommer kommt —, Weihnachten mit dem Austausch von Geschenken zu feiern, zu Silvester auf Parties zu gehen, uns am 4. Juli ein Feuerwerk anzusehen und zum Thanksgiving den Opfer-Truthahn zu essen (und das Football-Spiel im Fernsehen zu verfolgen). Die Frommeren unter uns begehen Ostern oder das Passahfest, die Feiertage, die der jüdisch-christlichen Erinnerung heilig sind, oder auch heidnische Frühlingsriten. Mit einem kleinen Gruß an Hollywood verschenken wir zum Valentinstag Rosen und herzförmige Grußkarten als Zeichen der Liebe. Zu Halloween spielen wir »trick-or-treat«, legen — halb im Ernst, halb im Scherz — Masken und Verkleidungen an und betreten die Schattenwelt, um die Geister der Toten zu ehren. Weil es die Pflicht gegenüber unseren Vorfahren ist, kreuzen wir die Geburtstage von George Washington und Abraham Lincoln und seit einiger Zeit auch den von Martin Luther King an.

Die offiziellen Feiertage und Feiern unterbrechen die Zeit, stoppen den Fluß unserer Tage und erinnern uns daran, auf die Rhythmen und Jahreszeiten unseres Lebens zu achten. Weil sie ein Archiv gemeinsamer Erinnerungen und ein Gemeinschaftsritual darstellen, halten sie die Verbindung zu den gemeinsamen Erlebnissen, dem Mythos und der Geschichte aufrecht, die uns zu einem einzigen Volk zusammenbinden, einer Republik der Vielfalt.

Doch direkt unterhalb der Oberfläche unserer offiziellen Feiertage liegt eine Welt der privaten Feiern und rituellen Anlässe, der besonderen Ereignisse im Leben von Familien und Freunden. Stöbern Sie in einem Laden, der Grußkarten verkauft, und Sie werden die informellen Rituale des Alltagslebens entdecken. Grußkarten sind die Oblaten unserer täglichen Kommunion, sie verwandeln unsere Gewöhnlichkeit und markieren unsere Initiationsriten. Lauschen Sie der Liturgie: Alles Gute zum Geburtstag, Alles Gute zum Hochzeitstag. Wir teilen Ihren Kummer. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum. Du bist die beste Mutter (Vater) in der Welt. Herzlichen Glückwunsch zum: Neuen Baby, Neuen Zuhause, zur Pensionierung, zum Neuen Job, zum Neuen Abenteuer, zum Neuen Auto, daß du deine Diät durchhältst. Danke. Gute Reise. Gute Besserung. Kopf hoch!

Gegen diese fertigen, hausgemachten Feiertage und rituellen Anlässe ist überhaupt nichts einzuwenden. Aber wir können noch nicht gut feiern. Wir verfangen uns in Routine, die unser Gespür für das Wunder lähmt und dazu führt, daß wir vergessen, wer wir sind.

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Über meinem Schreibtisch hängt ein Zitat aus dem Film A Thousand Clowns; es erinnert mich daran, was wichtig ist: »Du mußt Deine Tage in Besitz nehmen und benennen, jeden einzelnen, sie alle, oder die Jahre gehen an dir vorbei und keines davon gehört Dir.« Wenn ich daran denke, mache ich mir meinen eigenen Kalender und trage besondere Feiertage darauf ein.

Hier eine Sammlung meiner Feiern:

Fliedertag. Anders als jene meinen, die uns befehlen, die Uhren nach der »Sommerzeit« zu stellen, wird der Frühling nicht mit der Uhr eingeläutet. Man weiß, daß er da ist, wenn wir mit dem Schmutz des Winters herumlaufen, der in der Seele sitzt, uns plötzlich ein Zephyr den ersten schwachen Duft nach Flieder in die Nase weht und wir uns der nostalgischen, längst vergangenen, weit entfernten Frühlinge erinnern. An einem solchen Tag ist es am besten, Verabredungen abzusagen und sich den Freuden der Nase und der Wiederentdeckung der Kindheit zu widmen. Entfalten Sie Ihre Sinne, wandern Sie mit der Brise, riechen Sie die Symphonie der Düfte auf den Straßen der Stadt oder der Wege im Wald.

Freundestag. Man kann nie wissen, wann man von einem Augenblick auf den anderen alle praktischen Prioritäten über den Haufen werfen sollte. Aber verlassen Sie sich darauf; es wird Tage geben, da ein alter Freund plötzlich in der Stadt aufkreuzt, und es gibt nichts Wichtigeres, als sich mit ihm darüber zu unterhalten, was in den vergangenen Jahren geschehen ist. Oder Tage, an denen Sie zuhören müssen und keine Ratschläge geben.

Geldtag. Manchmal, normalerweise um den 15. April herum, halte ich es für angebracht, meine Lebensziele den Geldmitteln gegenüberzustellen, die erforderlich sind, um diese Ziele zu verwirklichen. Wieviel Geld brauche ich, und was bin ich bereit zu tun, um es zu bekommen ? Geld ist so wichtig, daß man es nicht mit Verdienst verwechseln darf; es darf aber auch nicht unsere Tage unbewußt dominieren.

Trauertag. Jeden 4. November seit 1964 halte ich eine Weile inne, um mich an den Tag zu erinnern, als mein Vater starb, und mir die Trauer darüber gestatte, daß der Tod so viele meiner Familienangehörigen und meiner Freunde in sein Reich geholt hat. Der Herbst lädt uns ein, die Verluste zu betrauern, die uns die Vergänglichkeit unvermeidlich zufügt, die flüchtige Süße der Sterblichkeit auszukosten.

Familientag. In letzter Zeit bedeutet Thanksgiving für mich jeder Tag, an dem sich meine Kinder aus allen Herren Länder versammeln, an dem wir uns in Santa Fé oder Brasilien treffen und alte Geschichten über die Zeit erzählen, als ich Gif dazu brachte, das hartgekochte Ei zu essen, das eigentlich Lael zugedacht war. Vielleicht sind unsere Familienfeiern die wichtigsten noch verbliebenen Feiertage. Ohne Vertrautheit und ein Zuhause ist die Welt zu einsam, als daß man sie ertragen könnte — zuviel Fast-food und Fremde, die in der Nacht vorbeigehen.

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Ihr Kalender unterscheidet sich sicher von meinem, denn die Ereignisse, die dem Drama Ihres Lebens Würde, Tiefe und Freude geben, unterscheiden sich von meinen. Auch bei der besten Planung werden Sie nicht in der Lage sein, all die Anlässe vorherzusehen, denen Sie Beachtung schenken sollten. Um ein echter Feiernder des Lebens zu werden, müssen Sie im Handumdrehen bereit sein, sich ein dreitägiges Wochenende zu gönnen, einen Nachmittag freizunehmen, um sich die Chagall-Ausstellung anzusehen, am Dienstagmorgen aus keinem anderen Grund im Bett zu bleiben, als dem, daß Ihnen danach ist, einen besonderen Tag auszurufen, um die Götter, von denen aller Segen kommt, für einen unverhofften Glücksfall zu preisen.

 

   Der Zeit entkommen: Ewige Augenblicke  

 

Damit wir unser Leben mit Sorgfalt bewältigen, müssen wir uns ständig zwischen den Anforderungen der abstrakten Uhr-Zeit und den Rhythmen unseres persönlichen Gefühls der Zeitlosigkeit bewegen. Doch in jedem inspirierten Leben gibt es auch eine wilde Bewegung, bei der wir aus der Zeit hinausspringen und mitten in einem ewigen Augenblick landen.

Die großen Mystiker aller Traditionen berichten von ekstatischen Erfahrungen, die jedes Zeitgefühl transzendieren. Wie sehr dies für gewöhnliche Menschen möglich, ja überhaupt wünschenswert ist, die nicht bereit sind, ihre Familie, ihre Freunde und abendliche Fernsehkomödie aufzugeben, um ihr Leben der Kultivierung mystischer Bewußtseinszustände zu widmen, weiß ich nicht. Ich bin vertrauter mit und stärker interessiert an bescheideneren Augenblicken der Transzendenz.

Als C. G. Jung durchlitt, was wir heute als Identitätskrise der mittleren Jahre bezeichnen, erlangte er das Gefühl für die Richtung in seinem Leben wieder, indem er mit eigenen Händen ein Steinhaus baute, da er als Kind am glücklichsten an den zeitlosen Nachmittagen gewesen war, die er mit dem Bauen von Sandburgen verbracht hatte.

Die Pforte zwischen dem säkularen Reich und dem Reich des Geistes steht in jenen Erfahrungen weit offen, in denen wir die Zeit und uns selbst vergessen.

Als Kind verlor ich mich im Wald, als wir endlose Stunden damit verbrachten, im Bach Dämme zu bauen, Flußkrebse zu angeln und Bäume emporzuklettern. Viele ewig lange Momente beobachtete ich einen Rotkopfspecht, der sich um seine Jungen kümmerte. Wenn es nach mir ginge, könnte ich immer noch am Ufer des Baches liegen, wo ich mich eines Tages in den vorbeiziehenden Wolken auflöste, denen ich zugesehen hatte.

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Irgendwo in meiner Seele werden alle Uhren angehalten, es ist immer noch Sonnenuntergang an einem Sommer­abend, die Kinder aus der Nachbarschaft haben sich versammelt, um Verstecken zu spielen, und es ist nie so dunkel geworden, daß man nichts mehr sehen konnte, und wir spielten immer weiter und weiter.

Im Gegensatz dazu initiierten mich Schule und Kirche in den Zwischenzustand der Langeweile und der endlosen Zeit. Sonntagmorgen von elf bis zwölf war die längste Stunde der Woche, eine Form grausamer, ungewöhnlicher Bestrafung für jedes Kind. Gebet und Predigt des Pastors schleppten sich bleifüßig durch die Wüste der Zeit. Während die endlosen Worte meine Gedanken lähmten, studierte ich die Muster im Holz der Kirchenbank und stellte mir das Versteck vor, daß ich im Wald bauen wollte, falls der Gottesdienst jemals zu Ende gehen würde. Oder ich sah zu, wie das Licht durch die Kirchenfenster fiel, wo sich Jesus mit seinem Schäferstab weit über den Abgrund beugte, um das verirrte Lamm zu retten, Paulus geblendet vom Licht des wiederauferstandenen Christus neben seinem Esel auf dem Weg nach Damaskus lag und der Heilige Sebastian für alle Zeit das Martyrium ertrug, genau wie ich.

Heute, im reifen Erwachsenenalter, löst die Ewigkeit die Zeit am häufigsten auf, wenn ich still dasitze, nichts tue, nur dem Wind lausche, mich vom Spiel der Phantasie oder der Einbildungskraft unterhalten lasse, mit meiner Frau schlafe, mit meinen Kindern spreche, mit Freunden zu Abend esse und feiere, reite, einen Vortrag halte, schreibe, in fremden Städten umhergehe, im Gebirge wandere und wenn ich auf meiner Farm arbeite.

Gestern, am Nachmittag, lag ich erschöpft unter einem Baum. Vielleicht bin ich eingeschlummert. Jedenfalls wußte ich sofort, daß ich verschwunden war. Nur der Wind strich durch die Bäume, der Klang von zwitschernden Spatzen und die Wärme der Sonne. Kein Ich. Ich, der Beobachtende, war abwesend, völlig absorbiert von der Erfahrung. Mit dem Verschwinden der plappernden Gedanken und des Selbst-Bewußtseins war ich plötzlich Teil eines riesigen Horizonts, umgeben von ursprünglichem Schweigen. Einen Augenblick, der mir wie eine Ewigkeit vorkam, hörte die Arbeit meines Ichs auf, meine lebensgeschichtlich konditionierte Persönlichkeit verschwand — Sam Keen war nicht der Mittelpunkt der Welt. Glückseligkeit. Erfrischung. Dann kehrte ich allzu schnell (oder gerade rechtzeitig) zurück und fing an, die Erfahrung zu »schätzen«, darüber nachzudenken, Möglichkeiten zu ersinnen, um zu dem heiligen Augenblick zurückzufinden. Die Stille verschwand, mein Ich kehrte zurück; ich steckte wieder in meiner alten Haut. Wer war »ich« in diesen Augenblicken, als es nur den Wind in den Bäumen gab ?

In solchen Momenten sind die Grenzen des Selbst durchlässig. Ich werde bewohnt, bewegt, von etwas inspiriert, das Jenseits von mir ist.

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Die Praktik der Selbst-Bewußtheit, die systematischen Erinnerungen und die Formung unserer Erfahrung zu einer Autobiographie ist eine lebenslange, befriedigende Arbeit. Im Gegensatz dazu scheint die Inspiration durch Gnade einzutreffen. Die Freude, die der Fülle des Geistes entspringt, beschleicht uns, wenn wir nicht bewußt sind, wenn unser Selbst-Bewußtsein durch intensive Konzentration ersetzt wird.

Achten Sie genau auf die Vielfalt und Qualität jener Erfahrungen, in die Sie derart vollständig in den Augenblicken eintreten, da Sie jedes Selbst- und Zeitgefühl verlieren. Rufen Sie sich die Geschichte Ihrer Reisen über die Zeit und das Selbst-Bewußtsein hinaus in Erinnerung. Worin liegt der Unterschied zwischen der Art Selbstverlust, den Sie erleben, wenn Sie ins Kino gehen, sich auf die Arbeit konzentrieren, mit dem Computer spielen, windsurfen, staunen, schlafen, zuviel Alkohol trinken, mit jemandem schlafen, Musik hören, tanzen, beten, streiten, Drogen nehmen? Durch welchen Selbstverlust werden Sie gestreßt, verkleinert, süchtig, entmutigt? Durch welchen werden Sie erfrischt, erweitet, bewegt, inspiriert?

 

    Essen: Heilsamer Appetit  

 

Zu den immer wiederkehrenden mythischen Fragen, die jede Kultur auf unterschiedliche Weise beantwortet, zählt: »Was soll man essen und was nicht?« Steak ist in St. Louis ein Abendessen und in Bombay ein Sakrileg.

Essen ist selten eine rein pragmatische Handlung, die man nur vollzieht, um den Hunger zu stillen und Ernährungsbedürfnisse zu befriedigen. Es ist eine Art Rorschach-Test, der uns verrät, wer wir sind und was wir wertschätzen. Wir sind, was wir essen. Fast-food, das heilige Abendmahl, eine zur Magersucht führende Ernährungsweise oder ein Erdendankfest — in allen kommt eine Lebensphilosophie zum Ausdruck. Essen ist umgeben von konzentrischen Kreisen emotionaler, sozialer und mythischer Bedeutungen. Es kann ein Symbol der Fürsorge sein oder ein Medium der Feier. Es ist die Mutter, die an einem kalten Abend Kakao macht, oder ein Passah-Sakrament, mit gemeinsamen Erinnerungen und Hoffnungen, Meßwein und bitteren Kräutern. Für Amerikaner ist ein schnelles Frühstück mit Schinkenspeck und Eiern, Kaffee und Zucker oder ein Abendessen vor dem Fernseher ebenso natürlich wie ökonomische Konkurrenz und der Glaube an den Fortschritt. Für Pygmäen sind Maden, Nüsse und Beeren, die am offenen Feuer gegessen werden, die gegebene, großzügige Gabe des Geheiligten Waldes, und werden vom ganzen Volk gesammelt und gemeinsam verspeist.

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Es gibt eine und nur eine Kost, die uns ganz nährt — wir müssen bewußt essen, was sowohl Körper und Seele ernährt und erfreut. Der schwierigste Teil einer inspirierenden Ernährung besteht darin, die unbewußten Motive und unerfüllten Wünsche ans Licht zu holen, die sich als Hunger verkleiden. Der Bananensplit, auf den Sie einen Heißhunger haben, kann ein Ersatz für die Süße sein, die Sie von einem Elternteil oder einem geliebten Menschen nicht erhalten haben. Ich esse gewohnheitsmäßig zuviel Süßigkeiten, weil ich möchte, daß das Leben süßer sein soll, als es ist. Ich esse mehr, als ich will, weil ich mir keine Zeit nehme, das Essen zu schmecken. Irgendein Trugbild drängt mich, einen leeren Ort zu füllen, die Leere zu vermeiden. Wenn ich mir bewußt bin, was und wie ich esse, genieße ich mein Essen und esse die richtige Menge. Wie jeder Süchtige, der von seiner Sucht genesen ist, bestätigen kann, kann keine noch so große Menge an Essen, Alkohol, Sex oder Geld unsere existentielle Leere füllen. Wir können nie genug von dem bekommen, was wir eigentlich gar nicht haben wollen.

Die Menschen des Westens haben es sich angewöhnt, Diäten zu machen und zuviel zu essen - Selbstverleugnung und Sich-gehen-Lassen. Wir sind getrieben vom Trugbild, zu klein oder zu groß zu sein. Unsere Psyche, unsere spirituelle Neigung, besteht darin, zu leer und zu voll zu sein. Sie ist gefangen im verflochtenen Stoff koabhängiger, aber einander widersprechender Illusionen.

Es ist ein Grundsatz des spirituellen Lebens, daß wir unseren tiefsten Wünschen vertrauen sollen. Der zwanghafte Appetit und die blinde Lust kann uns ins weite Land führen und uns dazu bringen, daß wir uns mit den Schweinen niederlegen, doch unsere tiefste Sehnsucht weist den Weg nach Hause.

Befragen Sie sich hinsichtlich Ihrer Eßgewohnheiten: Was essen Sie? Warum? Wann? Mit wem? Ist Essen für sie bloßer »Brennstoff«, der Sie weiter in Bewegung hält? Essen oder trinken Sie zuviel, wenn sie gelangweilt oder bedrückt sind? Sind Sie ein sorg-loser oder ein sorgfältiger Esser? Mit welchen Nahrungsmitteln belohnen Sie sich für etwas? Essen Sie allein, oder speisen Sie mit der Familie und mit Freunden? Genießen Sie jedes Mahl, oder essen Sie im Stehen? Was ist der Unterschied zwischen Ihrem obsessiven und Ihrem inspirierten Appetit ? Stopfen Sie sich buchstäblich mit Essen voll, wenn Sie versuchen, Ihren spirituellen Hunger zu stillen?

Experiment: Fasten Sie einen Tag, zwei oder drei, nehmen Sie nur Wasser und Fruchtsäfte zu sich. Während Ihr Hunger wächst, beachten Sie, auf welche Speisen Sie Hunger haben und welche Gefühle jene Zeiten umgeben, zu denen Sie normalerweise essen. Enthalten Sie sich eine Zeitlang aller Stimulanzen und tröstenden Nahrungsmittel und studieren Sie, wie Ihre Stimmungen und Ihr Energieniveau schwanken.

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Nach einer Zeit des Fastens finden die meisten Menschen, daß sie auf leichtere oder einfachere Speisen Appetit haben. Abstinenz macht den Gaumen empfindlicher. Essen Sie ein, zwei Tage nichts, kosten Sie das Gefühl aus, leer zu sein, und Sie werden zu Tee und Toast zurückkehren wie zu einem Bankett.

Essen Sie einen Apfel, und genießen Sie die Textur, den Geruch und den Geschmack jeden Bissens. Achten Sie auf die unendlichen Prozesse und die Verknüpfungen zwischen organischer und anorganischer Materie, den menschlichen und nichtmenschlichen Welten, die notwendig sind, um Ihnen einen einzigen Apfel auf den Tisch zu bringen.

Bereiten Sie ein Essen vor, schmücken Sie den Tisch mit schönen Blumen und dinieren Sie allein beim Fest der Einsamkeit.

Bereiten Sie ein Festmahl vor, und essen Sie gemeinsam mit der Familie und Freunden, um so die Gemeinschaft zu feiern.

 

   Danksagung: Dankbarkeit und Großzügigkeit 

 

Jede religiöse Tradition erzeugt Rituale der Danksagung und des Gebets. Vielleicht ist die beständigste Perversion der Religion der unbewußte Impuls, Gebete und Rituale in schwarze Magie zu verwandeln, Gott zu zwingen, daß er uns Güter und Dienstleistungen liefert, oder mit Hilfe verschiedener spiritueller Praktiken die neurotische Behauptung der moralischen Überlegenheit über andere zu begründen. Der spirituelle Konsumerismus verwandelt Gott in eine Art Notfallnummer, die wir anrufen, damit wir in Krisenzeiten gerettet werden, oder in einen irrealen Einkaufsdienst, mit dem wir um unser Wohlergehen feilschen: »Wenn du mir ABC gibst, werde ich den Zehnten zahlen, keine Drogen mehr nehmen, in die Kirche gehen, mein Leben XYZ widmen.«

In Krisenzeiten können die meisten nicht anders, sie müssen Fürsprechgebete anstimmen. Ich weiß nicht, ob es in Fuchsbauten Atheisten gibt, doch in Gefahrenzeiten, in besonders agnostischen Augenblicken - einmal, als ich beinahe eine hundert Meter hohe Klippe hinabgestürzt wäre, mehr als einmal, als jemand, den ich liebte, in Gefahr oder dem Tode nahe war —, habe ich verzweifelt nach dem Unbekannten Gott gerufen, dem ich keine Hilfe zutraute und dessen Mittel und Wege ich mir nicht vorstellen konnte.

Ungeachtet dieser Rufe nach Hilfe und Hoffnung, die sich uns in dunklen Zeiten entringen, gehört die erste Priorität der Herausbildung der spirituellen Praxis zur Förderung eines Gefühls der Dankbarkeit und der Danksagung.

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Ray Bradbury fängt diese Erfahrung in dem Bericht über ein Gespräch mit einem alten Mann in einem irischen Pub auf: »Es ist eine ungeheure Verantwortung, wenn die Welt sich dreht, um einem etwas zu geben. Zum Beispiel: Sonnenuntergänge. Alles ist rosa und golden, es sieht aus wie jene Melonen, die sie uns aus Spanien hochschiffen. Das ist ein Geschenk, nicht wahr?... Na ja, wem dankt man für Sonnenuntergänge? Und zerren Sie ja nicht den Herrn in die Bar. Jede Bemerkung Ihm gegenüber ist zu leise. Ich meine, jemanden, der Sie packt und Ihnen auf den Rücken schlägt und sagt, Danke für das schöne Licht heute morgen, alter Junge, besser, Tausend Dank dafür, wie die kleinen Blumen heute am Straßenrand ausgesehen haben, und das Gras, über das der Wind strich. Auch das sind Geschenke, wer würde das bestreiten ? Was überkommt Jungs wie uns, frage ich mich, die ihre ganze Dankbarkeit ein Leben lang aufsparen und nichts davon ausgeben, Geizkragen, die wir sind ? Werden wir eines Tages nicht vom Blitz getroffen und zeigen, daß wir morsch sind... Aber weil man irgendwo irgendwie jemandem danken kann, wird man rund in den Schultern und kurzatmig. Tu was, Mann, ehe du zu den lebenden Toten zählst.«1)

Machen Sie es zum Ritual, häufig innezuhalten, um etwas zu würdigen und dankbar zu sein. Segnen Sie die Speisen, die Sie ernähren. Segnen Sie jeden, der Sie auf die eine oder andere Weise liebt. Segnen Sie die Gaben und Talente, die Sie schöpferisch sein lassen. Segnen Sie die Farben, eine nach der anderen — Blau, Grün, Gelb, Rot und alle Pastellfarben und malvenfarbenen Töne. Segnen Sie alte Freunde. Segnen Sie kleine Kinder und alte Eltern. Segnen Sie das Zueinanderpassen von Männern und Frauen, die Zunge und die Hochgestimmtheit und alle Säfte der Lust. Segnen Sie besonders Bach und wer immer Ihren Hintern und Ihr Herz in Schwung bringt. Segnen Sie jene Bücher, die Sie gesegnet haben. Segnen Sie den Schlaf und das Erwachen.

Achten Sie darauf: Je mehr Sie ein Kenner der Dankbarkeit werden, desto seltener werden Sie ein Opfer des Grolls, der Depression und der Verzweiflung. Die Dankbarkeit wird zum Elixier, das allmählich die harte Schale Ihres Ichs auflöst — Ihr Bedürfnis zu besitzen und zu kontrollieren - und Sie in einen großmütigen Menschen verwandelt. Das Gefühl der Dankbarkeit produziert tatsächlich eine spirituelle Alchimie, es macht uns großherzig — Menschen mit großer, weiter Seele.

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    Tischgespräche und seelenvolle Unterhaltungen   

 

Reden Sie am meisten über die Dinge, die am wichtigsten sind, und am wenigsten über die Dinge, die am unwichtigsten sind. Wir unterschätzen ungeheuer die Heiligkeit der tiefreichenden Gespräche und die Zerstörungskraft des fortdauernden Geplappers und des oberflächlichen Geredes über Pseudoereignisse des Sports, der Unterhaltung und des Lebensstils. Die Stunden, die wir dem Fernsehen widmen, haben die traditionelle gemeinschaftliche Hinwendung zum Gespräch, zum Geschichtenerzählen und zur Vergegenwärtigung der Abenteuer der mythischen Helden und Heldinnen verdrängt.

Viele Eltern, die sich von den offiziellen Kirchen losgesagt haben, quälen sich mit der Frage, wie sie ihren Kindern spirituelle Werte vermitteln können. »Ich wuchs in einer Familie auf, die Mitglied in einer Baptistengemeinde in den Südstaaten war«, erzählte mir kürzlich ein Freund. »Ich glaube nicht mehr ans Dogma der Kirche, ich hasse ihre geistige Enge und Kleinkariertheit, aber manchmal bin ich in Versuchung, meine Kinder zur Sonntagsschule zu schicken, damit sie eine formale religiöse Erziehung erhalten. Ich habe mir überlegt, ob ich sie zu den Unitariern schicken soll, aber die würden ihnen keine festen Glaubensüberzeugungen vermitteln, gegen die sie später rebellieren können.«

Spirituelle Werte und Visionen werden eher nebenbei aufgefangen statt gelehrt. Sie werden osmotisch von einer Person zur anderen weitergereicht. Der beste Weg, Kinder einzuweihen, besteht darin, sie in die täglichen Gespräche am Frühstückstisch und am Abendbrotstisch einzubeziehen. Wenn Eltern über die großen mythischen Fragen nachdenken, ihre moralischen Dilemmata mitteilen, sich kritisch über oberflächliche Werte und Lebensstile äußern und Fragen der rechten Lebensweise und Dinge größter Wichtigkeit erörtern, wachsen Kinder mit Ehrfurcht vor dem Leben auf.

Es bieten sich immer ungebetene, wunderbare und schreckliche Anlässe für seelenvolle Gespräche. Der Hund der Familie ist von einem Auto überfahren worden, und die Frage des Todes kommt zur Tür herein und nimmt am Tisch Platz. Auf dem Weg zum Supermarkt kommen Sie an einer Enklave von Obdachlosen vorbei, und das Rätsel der Ungleichheit fällt Ihnen in den Schoß. Ein kleines Kind sieht, daß der Bauch der Mutter groß geworden ist, und fragt, woher die Babys kommen, und das Mysterium der Schöpfung wird greifbar.

Vieles von dem, was meine Kinder über meine Seele wissen, überwand die Kluft zwischen Generationen in jenen wenigen Momenten der Zubettgehzeit, wenn ich sang: »Schlaf ein, mein Kind, und Friede begleite dich die ganze Nacht.« Und sie baten, um das Ins-Bett-gehen hinauszuschieben: »Daddy, erzähl uns eine Geschichte aus der Zeit, als du ein kleiner Junge warst.« 

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Dann erzählte ich aus der Zeit, als mein Collie Susy von einem Auto angefahren wurde und mein Vater dachte, wir müßten ihrem Leiden ein Ende setzen, und ich ihn bat, noch einen Tag zu warten; er tat es, Susy stand auf und ging, und wir stellten fest, daß Hoffnung in etwas Realerem und Mächtigerem wurzelt als in Erwartungen oder Vorhersagen.

Die Seele wächst im Zusammensein. Wort um Wort, Geschichte um Geschichte, was auch immer geschieht, bauen wir uns unsere Welt. Aus einem wirklichen Gespräch — Sprechen und Zuhören — erwächst gegenseitige Verständigung und wird Mitgefühl. So entsteht Gemeinschaft.

 

   Die täglichen Nachrichten und die Praktik der Sympathie   

 

Marshall McLuhan wurde einmal gefragt, warum die Berichte im Fernsehen immer nur Hiobsnachrichten sendeten. Angeblich hat er geantwortet, daß das Fernsehen voller guter Nachrichten sei, allerdings würden die von der Werbung gebracht.

Ganz gleich, über wie viele Massaker in den Tagesnachrichten berichtet wird, alle paar Minuten verspricht uns eine Werbesendung Glück und Erlösung, wenn wir die Marke X kaufen. In rascher Folge liefert uns das Fernsehen die schlechten Neuigkeiten und das Evangelium des Wohlstands und des Fortschritts, Bilder verhungernder Kinder im Sudan und Diätpläne, die die Übergewichtigen in schlanke Schönheiten verwandeln sollen.

Je mehr wir passive Betrachter des Leidens der anderen werden — Krieg, Völkermord, Gewalt, Obdachlosigkeit, Hungersnot, Überschwemmungen und Pest — und zugleich zu übermäßigem und Prestigekonsum angeregt werden, desto stärker fördern wir den Zustand der moralischen Verwirrung.

Joseph Campbell, dieser wahre Bürger im Reich des immer wiederkehrenden Mythos, lehnte es ab, sich die Nachrichten anzusehen; er sagte, die moderne Gewohnheit, sich zu den Mahlzeiten die Nachrichten anzusehen, sei ein erbärmlicher Ersatz für die klösterliche Praktik, sich in den Stunden des Essens die heiligen Texte vorlesen zu lassen.

Ich glaube eher, daß wir mit dem Medienungeheuer ringen müssen, es zähmen und dazu bringen, daß es inspirierteren Bedürfnissen dient. Nur so können wir am fortschreitenden historischen Drama teilnehmen.

Die moderne Technologie und die Revolution im Bereich der Telekommunikation verlangen, daß wir neue spirituelle Disziplinen entwickeln.

Schalten Sie ab, stimmen Sie sich ein, und ignorieren Sie systematisch den Kult der Gewalt zur besten Sendezeit. Kaufen Sie keine Waren von jenen, die die Verherrlichung der Gewalt unterstützen, unseren schlimmsten Impulsen Vorschub leisten und Grausamkeit und Töten als spaßige Angelegenheit und Machtspiele betrachten.

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Wirken Sie der natürlichen Tendenz der Erschöpfung des Mitgefühls entgegen, indem Sie die Nachrichten­sendungen gezielt ansehen und unter die Lupe nehmen. Wenden Sie sich dem Leiden der Welt zu. Lesen Sie die Berichte von Amnesty International als eine Art Meditation. Versuchen Sie, sich ein unschuldiges Auge und Herz zu bewahren. Als Kind habe ich mich mit jeder Figur in den Geschichten identifiziert, die ich in der Zeitung gelesen habe. Ich habe um die Opfer von Gewalt geweint, mich gefragt, wie Verbrecher und Soldaten so grausam sein konnten und erfreute mich am Glück der Gewinner bei einer Lotterie in Irland. Als Erwachsener muß ich an der Praktik des Einfühlungsvermögens und des Mitgefühls arbeiten, die ich früher ganz natürlich vollzog.

Wenn Sie eine Zeitschrift oder eine Zeitung aufschlagen oder den Fernseher anschalten, aktivieren Sie Ihren spirituellen Unfugs-Detektor. Strengen Sie Ihren Verstand ebenso wie Ihr Herz an. Denken Sie nach. Zögern Sie. Kultivieren Sie Zweifel. Seien Sie nicht gutgläubig. Bewerten Sie die Indizien. Drehen und wenden Sie sie. Welches Vorurteil oder welche Ideologie regiert die Wahl dessen, was als Nachricht gilt und was ignoriert wird? Fragen Sie immer: Wer ist für die Nachrichten verantwortlich? Versuchen Sie Propaganda von ehrlicher Berichterstattung zu unterscheiden. Als Grundregel kann dabei gelten: Alle Behauptungen der Werbeindustrie und der Medien, die Wahrheit, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, sollte man als unwahr betrachten, bis sie sich als wahr herausstellen. Überlegen Sie, welche Werte, Lebensstile, Bilder des Heroismus und Visionen des guten Lebens gefördert werden, und bewerten Sie sie im Licht Ihrer eigenen Vision des beherzten Lebens.

 

     Beruf und Berufung  

 

Viele Menschen, die einen Auftrieb ihres Geistes spüren, erfahren einen zunehmenden Konflikt zwischen ihrer Berufsarbeit und der Herausforderung, die ferneren Orte des Möglichen zu erforschen. Die Spaltung zwischen Arbeit und Berufung, wirtschaftlicher Notwendigkeit und dem Bedürfnis, etwas von bleibendem Wert beizutragen, empfinden die meisten Menschen zunehmend als tiefgreifendes Dilemma, während die Forderungen des Marktes zur bestimmenden Kraft in Ihrem Leben wird. Fast täglich sagt mir jemand: »Ich hätte gern Zeit zum Meditieren, meine Tiefen zu erkunden, zu denken und mir Fragen zu stellen. Ich hätte gern einen Beruf, der etwas bewirkt, Arbeit, die anderen Menschen dient. Aber ich bin gefangen in einem Bürojob, den ich hasse, und tue Dinge, die ich nicht respektiere.«

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Vorige Woche, als mich der zweite Telefonverkäufer beim Abendbrot unterbrach, reagierte ich ziemlich heftig und verärgert: »Ich betrachte die Kundenwerbung per Telefon als Eindringen in meine Privatsphäre, ich nehme diese Störung übel, und aus Prinzip kaufe ich weder bei einer Organisation, die diese Taktik anwendet, noch spende ich etwas auf diese Weise.« Zu meiner großen Überraschung antwortete der Vertreter: »Ich stimme Ihnen zu. Ich hasse diesen Job. Aber entweder ich mache ihn, oder ich muß auf der Straße betteln. Ich habe keine Wahl.«

Wir tun den Schritt aus der Gefangenschaft der Wirtschaftsordnung, wenn wir erkunden, was unsere Berufung sein könnte. Lassen Sie einen Augenblick die Frage außer acht, ob Sie mit Ihrer Berufung den Lebensunterhalt verdienen können.

Eine spirituelle Berufung beinhaltet vier Elemente: eine Begabung, eine Freude, ein Bedürfnis und Disziplin.

 

Damit Sie herausfinden, wozu Sie sich berufen fühlen, fragen Sie sich:

Was ist meine Begabung?

Aus Gründen, die ebenso geheimnisvoll wie die Quellen des Selbst sind, ist jedem von uns vorherbestimmt, in manchen Dingen gut und in anderen schlecht zu sein. Und manche Menschen bewohnt vom ersten Augenblick an eine einzigartige Form des Genius. Es ist schwer, sich vorzustellen, daß Georgia O'Keeffee etwas anderes gewählt hätte als den Beruf der Malerin, zu dem sie sich bereits in sehr jungen Jahren berufen fühlte. Dasselbe gilt für Bach. Oder James Joyce.

Woran habe ich Freude?

Sie können relativ sicher sein, daß, wenn Sie etwas hassen, es nicht Ihre Berufung ist. Joseph Campbell riet den Menschen, die ihren Weg verloren hatten, ständig dem zu folgen, wobei sie Glück empfanden. Augustinus sagte: »Liebe, und tue, was du willst.« Die Ausübung dieser Begabungen, die den Weg bestimmen, wird Ihnen Freude machen. Natürlich gibt es so viele verschiedene Talente, wie es verschiedene Menschen gibt. Ich kenne Menschen, für die es eine Berufung ist, einen Motor zu tunen, eine gute Suppe zu kochen, ein elegantes Haus zu entwerfen, ein Tagesheim zu leiten, todkranke Menschen zu pflegen, einen politischen Wahlkampf zu organisieren, organischen Knoblauch anzubauen. Ich kenne nur wenige Berufe oder Professionen, die keine spirituelle Berufung für manche darstellen, die ihnen nachgehen.

Wem dient meine Begabung?

Das Gefühl, zu etwas berufen zu sein, entsteht zu dem Zeitpunkt, da ein dringender Wunsch, ein Ruf, ein Appell an uns gerichtet wird, den wir nur dadurch beantworten können, daß wir die Begabungen, Talente und Fertigkeiten, die uns gegeben sind, mit anderen teilen. Zum Beispiel: Die Organisation »Ärzte ohne Grenzen« reagiert auf das Leid der Opfer in verschiedenen kleinen Kriegen; eine Organisation pensionierter Manager berät notleidende Firmen in Ländern der Dritten Welt. Nichts klärt die Vorstellung der Berufung so sehr wie der Vergleich mit seinem krankhaften Zwilling — dem Ehrgeiz.

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Ehrgeizige Menschen mögen eine Begabung haben, doch sie verwenden sie auf egoistische Weise. Diejenigen, die von einem starken Gefühl der Berufung bewegt werden, nutzen ihre Talente, um anderen zu dienen. Sehr oft ist die Begabung, die wir anzubieten haben, die Folge einer Wunde, die uns zugefügt wurde. Unser persönliches Leid kann uns empfindlich machen für andere, die auf ähnliche Weise leiden. Ein ehemaliger Alkoholiker ruft eine Gruppe der Anonymen Alkoholiker ins Leben, die anderen Menschen mit Alkoholproblemen helfen soll; eine Frau, die sich von einem sexuellen Mißbrauch erholt hat, läßt sich zur Beraterin ausbilden, um anderen Frauen zu helfen, die sexuell mißbraucht worden sind. Es ist häufig der verletzte Heiler, der heilt, der Therapeut, der als Kind vernachlässigt wurde und sich deshalb automatisch in die »erwachsenen Kinder« einfühlen kann.

Welchen Regeln bin ich bereit zu folgen? Eine Berufung ist mehr als ein unterschwelliges Talent. Um zu reifen, muß eine Begabung entwickelt und diszipliniert werden. Große Pianisten machen Fünf-Finger-Übungen; Picasso meisterte die elementaren Lektionen der Farbe, Form, Perspektive und der Skizze, ehe er zum kühnen Künstler wurde.

Wenn Sie Ihre Berufung entdeckt haben, ist es keineswegs sicher, daß sie etwas mit Ihrem Beruf zu tun haben wird. Viele Jahre lang fand mein Freund Charles Breslin, ein Straßenbauunternehmer, seine größte Freude im Studium philosophischer Schriften. Es wurde allgemein anerkannt, daß er während seiner Freizeit mehr philosophische Texte gelesen hatte als irgend jemand sonst in Kentucky. Viele Menschen sind glücklich in Berufen, die ihnen das wirtschaftliche Überleben sichert, und folgen ihrer Berufung in den Stunden außerhalb des Berufs. Während Einstein an seiner Relativitätstheorie arbeitete, verdiente er seinen Lebensunterhalt in einem Patentamt. Der Komponist Charles Ives und der Dichter Wallace Stevens arbeiteten beide tagsüber als Versicherungsangestellte. William Carlos Williams war Arzt. Viele Frauen haben, wie Tillie Olsen, die Arbeit als Hausfrau mit einer künstlerischen Berufung verbunden oder sich der Bedürfnisse der Gemeinschaft angenommen.

Gefährlich wird die Trennung von Berufung und Beruf dann, wenn Menschen weiter einer Tätigkeit nachgehen, die den spirituellen Werten widerspricht, die sie in ihrem Privatleben zu verwirklichen trachten. Ganz unterschiedliche Berufe lassen sich, wie die Buddhisten sagen, »als rechtes Auskommen« bezeichnen, aber manche eben nicht. Man kann mühelos erkennen, daß Verbrechen, der Handel mit Drogen oder zweifelhaften Wertpapieren, die Ausbeutung der Armen und Machtlosen und das profitable Geschäft durch die Befriedigung des lüsternen Hungers nach Gewalt unvereinbar sind mit der Entwicklung einer spirituellen Sensibilität. Die Erstellung einer differenzierten Liste ist jedoch eine Sache des individuellen Gewissens des einzelnen. Der eine kann seinem Gewissen nach als Aktmodell arbeiten, ein anderer nicht. Was dem einen schmeckt, kann einem anderen schaden.

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Hier einige Faustregeln:

Arbeiten Sie nicht für eine Firma, deren Produkte sie nicht schätzen, ganz egal, wie liberal deren Personalpolitik ist. Wählen Sie keinen Beruf, den sie nicht von ganzem Herzen unterstützen können. Ein seelenvoller Beruf verlangt, daß wir unsere Kreativität nicht auf gesellschaftlich schädliche Weise einsetzen.

Gehen Sie ab und zu Kompromisse ein, aber verraten Sie nicht Ihre Seele. Normalerweise wird immer eine gewisse Dissonanz zwischen Ihren persönlichen Werten und den Anforderungen bestehen, die eine Organisation an sie stellt. Seien Sie sich im klaren über die Grenzen der Kompromisse, die Sie machen können, ohne daß Ihre persönliche Integrität dabei verletzt wird.

Schützen Sie Ihr Privatleben. Seien Sie auf der Hut vor jeder allzu großen Investition an Zeit, Energie und Enthusiasmus - machen Sie also nicht die Arbeit zum Sinn Ihres Lebens. Entziehen Sie sich Organisationen, die von Ihnen fordern, daß Sie Ihre Familie, Ihre Freunde oder Ihre Gemeinschaft vernachlässigen.

Erlauben Sie keiner Organisation, ihre Definition von Glück oder vom guten Leben an die Stelle Ihrer inneren Vision zu setzen, und verwechseln Sie das Streben nach einer besseren gesellschaftlichen Stellung und die Belohnung des höheren Status nicht mit dem Rat, »folge dem, was dich glücklich macht«.

 

    Fremde: Engel und verkappte Lehrer   

 

Gehen Sie in jeden Tag mit der Erwartung, daß das, was tagsüber geschehen wird, eine verborgene Botschaft enthalten kann, die ganz persönlich an Sie adressiert ist. Rechnen Sie mit Vorzeichen, Epiphanien, unvermuteten Segnungen und Lehrern, die, ohne es zu wissen, Ihren Zustand ansprechen.

Kürzlich stand ich in einer Schlange und wartete darauf, mit einem Flug der United Airlines nach San Francisco zurückzukehren. Die Stewardeß machte viele Umstände mit einer Frau vor mir, und so riß ich ungeduldig den kleinen Abschnitt von der Bordkarte, warf ihn auf den Abfertigungsschalter und ging langen Schrittes ins Flugzeug. Zehn Minuten später kam die Stewardeß zu meinem Sitz. »Sind Sie Mr. Keen?« fragte sie. »Ja«, antwortete ich. »Mir hat nicht gefallen, daß Sie nicht gewartet haben, bis ich Ihr Ticket in Empfang genommen habe. Ich hätte Sie zurückrufen können.«

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Ich brachte eine schwächliche, unehrliche Entschuldigung vor, während ich die ganze Zeit dachte: »Was fällt dieser Angestellten eigentlich ein, mir gegenüber, einem Reisenden der Business Class, einen solchen Ton anzuschlagen?« Nachdem sie gegangen war und ich Zeit gehabt hatte, mich wieder zu beruhigen, dachte ich über den Vorfall nach und erkannte, daß die Stewardeß mir ein großes Geschenk gemacht hatte — ein wunderschönes Beispiel persönlicher Integrität.

Sie hatte sich gewehrt, ihre Würde in einer schwierigen Situation bewahrt, gegenüber einem Kunden deutliche Worte gebraucht, genau wie es jemand, wie ich hoffe, auch gegenüber seinem Vorgesetzten tut. Sie brachte mir auch einiges über den aufgeblähten Zustand meines Ichs bei, meinen verborgenen Anspruch, etwas Besonderes zu sein, und meine Neigung, die anerkannten Spielregeln abzulehnen. Die Stewardeß erwies sich als mein Engel für diesen Tag, als Botin aus der Welt der Seele. Ich danke meinem Guru — Miß X, Stewardeß der United Airlines, Rückflug 101.

Definieren Sie die Erfahrung, Fremden zu begegnen, um, indem Sie so tun, als ob jeder ein heiliges Wesen sei. In der hinduistischen und der buddhistischen Kultur ist es Brauch, bei einer Begegnung die Hände in der Geste eines Gebets zu falten und sich vor der Göttlichkeit dieser Person zu verbeugen. Dieselbe Grundeinstellung ist in Jesus' Maxime enthalten, die das Verhalten des Christen leiten soll: »Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.« Wenn es Ihnen ein bißchen geziert oder frömmelnd vorkommt, sich gegenüber dem Gemüsemann an der Ecke oder dem Polizisten auf der Fifth Avenue zu verneigen, machen Sie die Geste im stillen, nicken Sie mit dem Kopf und entbieten Sie Ihren Mitbürgern, diesen anderen inkarnierten Seelen, ein kurzes wissendes Lächeln.

 

   Metanoia: Wiederaneignung von Licht und Schatten  

 

Paranoia ist ein verbreiteter Geisteszustand bei Bürgern des Gottesreiches. Die Projektion des Schattens des Bösen wird besonders tief in die Herrschaft des politischen Lebens eingewebt. Metanoia - sich umwenden, um sich der Finsternis im eigenen Selbst zu stellen, unsere Projektionen zurückzunehmen und unsere Selbstgerechtigkeit zu bereuen — sollte eine unablässige Disziplin des spirituellen Lebens sein.

Es gibt eine sentimentale Illusion, die von einigen Denkern des New Age und der Religionswissenschaft genährt wird: nämlich, daß spirituell zu leben heißt, nur positive, liebevolle Gedanken zu haben und ständig ein hohes Maß an Selbstachtung zu wahren.

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Die gewohnheitsmäßige Selbstbeglückwünschung — jeden Tag werde ich in jeder Hinsicht besser und besser — gehört eher in Motivationstrainingsseminare für Handelsvertreter als zum moralischen Realismus des spirituellen Lebens.

Zur Metanoia gehört eine allmähliche Entwaffnung und Abrüstung der Persönlichkeit. Der beste Grund, unsere Feinde zu lieben, besteht darin, daß »sie« uns einen Spiegel vorhalten, in dem »wir« das Bild unseres geleugneten Selbst erkennen können. Unsere Feinde haben das Geheimnis, den fehlenden dunklen Schatz nämlich, daß wir ganz und wahrhaftig werden müssen.

Spielen Sie ein Spiel mit sich, bei dem Sie so tun, als ob das, was Sie über Menschen, die Sie als Feinde betrachten, sagen, falsch ist, und das, was diese Feinde sagen, zutrifft. Probieren Sie die Wahrheit Ihres Feindes aus. Stellen Sie Ihre Vorurteile in Frage. Notieren Sie im Laufe des Tages die ätzende Kritik und die barschen Urteile, die Sie über andere treffen, und überlegen Sie, ob das, was Sie über »sie« sagen, vielleicht mehr über Sie verrät als über die anderen; sammeln Sie Ihre Feinde um sich und hören Sie zu, was diese über Sie zu sagen haben.

Beichten Sie regelmäßig. Es war der Volksmund, nicht die kirchliche Autorität, der die Maxime prägte: »Beichten ist gut für die Seele.« Mit der Ausnahme des katholischen Beichtstuhls haben wir fast keine rituelle Möglichkeit, mit der wir unsere Gebrochenheit, unsere Entfremdung und Schuld, »das, was wir nicht hätten tun sollen, getan haben, und das ungetan haben lassen, was wir hätten tun sollen«, anerkennen können. Da wir kein formelles Ritual kennen, mit dem wir die Tugend der Metanoia praktizieren können, gehen viele von uns zum Psychotherapeuten statt zum Priester, um so ihre Schuld, Einsamkeit, Grausamkeit, Zwangsgedanken, Angst, ihren Haß und mangelnden Glauben zu erkunden. Wer seelenvoll leben will, muß nicht in irgendeinem traditionellen Sinn religiös sein oder eine Psychotherapie machen, aber er muß einen Weg finden, die Disziplinen der Beichte und der Reue zu praktizieren.

Bevölkern Sie das Schattenland von neuem, und holen Sie den Teil Ihres Geistes, den Sie geleugnet haben, zu sich zurück. Das ist eine schwierige Aufgabe. Offenbar können wir nicht erkennen, was wir ein Leben lang vor uns verborgen gehalten haben. Zum Glück ist Ihr Schatten, der Ihnen selbst unsichtbar ist, Ihrer Familie, Ihren Freunden und Nachbarn offensichtlich. Ihre Frau, Ihr Mann oder Ihr engster Freund kann Ihnen mehr über Ihre langweiligen Seiten, verborgenen Laster, geheimen Machtspiele, unbewußten Grausamkeiten und habituellen Abwehrmechanismen verraten als die meisten Priester oder Therapeuten -wenn Sie fragen und bereit sind, mit wachem Verstand und offenem Herzen zuzuhören.

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Und so beschrieb der christliche Mystiker Francois Fenelon (1651-1715), wie man sich Schatten und Licht wiederaneignet:

»Wenn das Licht stärker wird, sehen wir, daß wir schlechter sind, als wir dachten. Wir sind verblüfft über unsere ehemalige Blindheit, während wir sehen, wie aus den Tiefen unseres Herzens ein ganzer Schwärm schändlicher Gefühle hervorbricht wie schmutzige Reptilien, die aus einer verborgenen Höhle krabbeln. Nie hätten wir geglaubt, daß wir solche Gefühle hegen, und wir stehen entsetzt da und sehen zu, wie sie allmählich erscheinen. Aber wir dürfen weder verblüfft noch entmutigt sein. Wir sind nicht schlimmer, als wir waren; im Gegenteil, wir sind besser. Doch während unsere Fehler geringer werden, scheint das Licht heller, durch das wir sie sehen, und Grauen erfüllt uns. Bedenken Sie — zu Ihrem Trost —, daß wir unsere Krankheit nur erkennen können, wenn die Heilung beginnt.«

 

Erkunden Sie die wahren Extreme, die jenseits der falschen Alternativen der Arroganz oder Scham liegen - Schatten-Arbeit und Licht Arbeit.

Bei der Disziplin der Licht-Arbeit geht es nicht darum, ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl zu erlangen. Eine Zeile aus einem alten Glaubensbekenntnis kann als Ausgangspunkt dienen. »Wir alle haben gesündigt und sind aus der Gnade Gottes gefallen.« Wenn ich dies in die Sprache des Existentialismus übertrüge, würde ich sagen: »Ich bin so oft in mein niedergeschlagenes oder aufgeblasenes Selbstbild eingekapselt, daß ich vernachlässige, den Zauber des Lebens zu erforschen und zu genießen. Ich bin weiter und wilder, aufnahmebereiter und verheißungsvoller, als ich zu sein wage. Ich lebe abwechselnd in einer billigen Absteige und in einem Luxushotel, aber ich teile das Erbe des überfließenden Lebens, in dem ich lebe und mich bewege und in dem ich mein Sein habe.«

Ihre Aufgabe, wenn Sie sich entschließen sollten, diesen Auftrag anzunehmen, besteht darin, den Feind im Inneren, die dunkle Seite der Kraft, das Reich des Bösen, das unerkannt in der Festung Ihres Ichs wohnt, aufzuspüren — und die Höhen Ihres Geistes, Ihre Schönheit, Ihre Kraft, die Süchte, Gewohnheiten und Obsessionen, die Sie womöglich gefangenhalten, zu transzendieren und Ihren Schöpferinstinkt und Ihr Mitgefühl zu erforschen.

 

    Anbetung und Hingabe  

 

Experimentieren Sie mit der gedanklichen Neubestimmung der Art und Weise, wie Sie Menschen und Dinge betrachten. Wechseln Sie die Perspektive. Hören Sie auf, im Sinne von Gewinn und Verlust, nützlich und nutzlos, funktional und dysfunktional und wertvoll und wertlos zu denken, und spielen Sie mit der Vorstellung, daß wir die tiefe Freude am Leben nur dann erleben, wenn wir eine Haltung der Anbetung in unserem Verhältnis zu Dingen, anderen Lebewesen und Personen entwickeln.

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Ich vermute, daß der Niedergang von Anbetung und Hingabe und der Aufstieg der rein pragmatischen Denkweisen der tiefste Grund für die Zerstörung der modernen Welt ist. Wir benutzen Dinge und Menschen und werfen sie weg. Stellen Sie sich die Revolution vor, die sich vollziehen würde, wenn wir nur Produkte herstellten und kauften, die wir bewundern können und die wir deshalb mit Hingabe pflegen. Nur das, was wir wertschätzen, überschütten wir mit Fürsorge.

Es ist etwas zutiefst Spirituelles in der Hingabe, mit der sich die jungen Mädchen in unserem lokalen Gestüt um ihre Pferde kümmern. Jedes Pferd wird jeden Tag gestriegelt und gestreichelt; sein Name, sein Charakter und seine Geschichte ist Gegenstand liebevoller Klatschgeschichten und Gespräche; sein Sattelzeug wird gereinigt und poliert. Ich bin bereit, diesen Grundsatz noch auszudehnen, und folgende These aufzustellen: Die Art und Weise, wie ein Mann ein gutes Paar Wanderschuhe kauft, sie zwanzig Jahre lang benutzt und pflegt, während sie durch das lange Tragen weicher werden und sich der Kontur des Fußes anpassen, ist ebenfalls ein Modell für ein wahrhaftiges Gefühl der Hingabe.

Überdenken Sie einmal die Wirtschaftsordnung in Hinblick auf eine Produktion und Konsumption bewundernswerter Dinge statt als eine Herstellung von Gegenständen des geplanten Verschleißes. Probieren Sie die Disziplin aus, nur das zu kaufen, was sie auch zu schätzen und zu lieben bereit sind. Überdenken Sie auf ähnliche Weise zwischenmenschliche Beziehungen im Sinne von Anbetung statt den heute modischen Kategorien von funktional bzw. dysfunktional.

In einem Seminar, das ich kürzlich abhielt, sagte eine Frau, sie komme aus einer dysfunktionalen Familie. Ich hielt inne und fragte sie: »Sagen Sie mir in anderen Worten, ohne eine Maschinenmetapher zu benutzen, was Sie meinen.« Sie antwortete: »Weder mein Vater noch meine Mutter haben mich angebetet.« »Und möchten Sie angebetet werden ?« fragte ich sie. »Ja«, antwortete sie. Ich glaube, jeder Mensch hat das natürliche Recht, angebetet zu werden. Wenn man uns nicht wunderbar findet, verwelken wir, statt zu gedeihen. Eine ganz und gar lebendige Person ist eine, die anbetet und angebetet wird, liebt und schätzt und geliebt und geschätzt wird.

Anbetung ist nichts Geringeres als vollständiges Wissen. Jemanden kennen heißt ihn so lieben, wie der andere sich selbst kennt und liebt. Einen Rotluchs anbeten heißt, einen Augenblick lang in ihm zu verschwinden, aus seinen schrägen Augen zu blicken und Freude zu empfinden, wenn er sich auf eine arglose Maus stürzt.

Fabulieren Sie. Spielen Sie mit der Vorstellung, daß Gott ein Netzwerk der Anbetung ist, das einzelne Wesen wie Zellen in einem Körper verbindet:

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Gott ist in jedem Mann, jeder Frau, jedem Wacholderbusch und jeder streunenden Katze inkarniert, als Bewußtsein, daß das Sein von sich selbst hat. Gott ist das gestaltgebende Bewußtsein, das der Grashüpfer über sich hat, und das Bewußtsein, das der Eichelhäher von sich hat, während er den Grashüpfer frißt.

Gott ist die Gesamtsumme aller Formen selbst-bewußten Lebens und wird in jeder Nanosekunde in einer Milliarde von Formen wiedergeboren.

Gott ist der Leim, der das Viele zu Einem verbindet, eine Form des kosmischen Selbstbewußtseins, das die intimen Empfindungen jedes Wesens bewundert und genießt.

Vielleicht.

 

   Einen Zufluchtsort errichten 

 

Wir brauchen eine abgetrennte Zeit, einen abgetrennten Ort, in den wir uns zurückziehen können, damit wir in die Mitte von Zeit und Raum zurückkehren können.

Die Religion trennt die Welt in heilige und profane Räume und erschafft dauerhaft heilige Länder, Tempel und sakrosankte Orte. Heute gelten Delphi, Mekka, Jerusalem, Benares, Lhasa, Taksang, Lourdes, die San Francisco-Gipfel und die Akropolis als Orte, in denen besondere Epi-phanien des Heiligen stattfinden. Pilger nähern sich diesen Orten in ehrwürdigem Schweigen und in der Erwartung, eine religiöse Glaubenserfahrung zu machen. Je mehr Tradition ein Ort ausstrahlt, desto eher glauben die Gläubigen, daß etwas Einzigartiges, etwas innerlich und objektiv Magisches in dem heiligen Raum anwesend ist, das es in den anderen, profanen Räumen nicht gibt.

Bestimmte Landschaften und Orte sind ohne Frage ehrfurchtgebietend. Den meisten Menschen verschlägt es den Atem, wenn sie zum erstenmal einen Wald mit Redwoodbäumen, den Grand Canyon oder einen antiken Tempel erblicken; sie erleben einen Augenblick der Verzauberung. Aber die spirituelle Suche beruht, anders als eine religiöse Pilgerfahrt, auf der Annahme, daß kein Ort profan ist, sondern jeder Ort heilig. Wenn wir Augen hätten zu sehen, könnten wir die Ewigkeit in einem Körnchen Sand erkennen und die heilige Intention des Kosmos am geschlängelten Lauf des Snake River ablesen.

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Mitten auf dem Times Square oder in Cape Canaveral könnten wir die spürbare Sehnsucht nach himmlischer Herrlichkeit berühren, die die Evolution der Sterne auf ihren Bahnen leitet und Männer und Frauen bewegt, eine Stadt oder ein Raumschiff zu bauen. Das große Geheimnis ist: Das Anderswo ist hier und jetzt, der Schatz, den wir in einem fernen Land suchen, ist unter unserem Heim verborgen.

Viele Disziplinen, die unsere Fähigkeit entwickeln, das Leben aus einer spirituellen Perspektive zu sehen, haben mit Nichttun zu tun, die hektische Suche aufzugeben und zu lernen, die heiligen Geschehnisse des alltäglichen Lebens aufmerksam wahrzunehmen. Eine Zen-Maxime lautet: »Tue nicht etwas. Sitze einfach da.« Der Psalmist rät uns: »Sei still, und wisse, ich bin Gott.« Meister Eckhart, der christliche Mystiker des Mittelalters, empfiehlt uns, einen Zustand der Leere und des Desinteresses zu kultivieren.

Wir alle müssen uns ein Refugium schaffen, in das wir uns zurückziehen können, um den Ablenkungen unseres normalen Tagesablaufs zu entkommen. Alleinsein ist notwendig, damit wir zu jener köstlichen Stille und Ruhe kommen, die die Pforten der Wahrnehmung reinigt, unsere Fähigkeit zu staunen erneuert und unsere Werte und Prioritäten neu ordnet.

Es gibt viele Wege, wie Sie Ihr Refugium errichten können. Sie könnten damit anfangen, indem Sie Ihre persönliche heilige Geographie rekonstruieren. Erinnern Sie sich der besonderen Zeiten und Orte, an denen Sie eine wundersame Offenheit für das Mysterium des Normalen erlebt haben. Vielleicht lädt ein Ort — ein windgepeitschter Strand, eine Hütte im Wald, eine Kathedrale, ein kleiner Park — Sie dazu ein, sich an Ihr Selbst zu erinnern, beruhigt Sie und gibt Ihnen das Gefühl der Neuorientierung. Vielleicht wollen Sie dorthin zurückkehren, Sie können aber auch einen Raum für Meditation und Ruhe reservieren. Wenn Sie eine Familie haben, brauchen Sie ein »Bitte nicht stören«-Schild und die unmißverständliche Aussage, daß Sie nicht zur Verfügung stehen, wenn die Tür zum Refugium verschlossen ist.

Mein Studio, eine Hütte am Bachufer, dient mir sowohl als Arbeitsplatz als auch als Rückzugsort. Darin habe ich Gegenstände versammelt, die für mich eine besondere Bedeutung haben. Drei Fotoalben helfen mir, mich an verschiedene Kapitel meiner Autobiographie zu erinnern. Mehrere Halbedelsteine fangen das Licht ein und brechen es zu einem Kaleidoskop von Farben. Eine knorrige Baumwurzel, die etwas an einen alten Mann erinnert und die ich 1938 auf einer Wanderung mit meinem Vater fand, steht in der Ecke und hält Wache über heilige Erinnerungen. Mehrere an der Wand hängende Masken erinnern mich an bestimmte Dämonen, Spaßmacher, wilde Tiere und grünäugige alte Männer, die ich im Dickicht meiner Seele erspäht habe.

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Es gibt einen Ofen, der Wärme spendet, ein Bett zum Schlafen und Träumen, einen extra Stuhl für einen Freund, Teppiche und Decken, die ich von Reisen an Orte mitgebracht habe, an denen Frauen noch mit der Hand weben, sowie Kerzen, die weiches Licht spenden. Wenn ich allein sein möchte, schalte ich das Telefon und das Faxgerät ab und bleibe still sitzen, bis mein Atem langsam und sanft geht und ich in der Lage bin, ins Refugium einzutreten, das mich immer in der Mitte meines Wesens erwartet.

 

    Praktizierte Gemeinschaft und Gemeinsamkeit  

Die spirituelle Reise ist eine Fahrt, auf die wir uns allein begeben. Sie beginnt in der Gemeinschaft, führt uns hinaus in die Wildnis der Einsamkeit und kehrt zur Gemeinschaft zurück. Immer wieder. Stoppen wir den Rhythmus von Rückzug und äußerem Engagement, so werden wir früher oder später unter der Entfremdung von uns selbst und anderen leiden.

Um den Illusionen zu entkommen, die aus der Selbsteinkapselung stammen, und um sich etwas (auf kluge Weise) hinzugeben, das jenseits des Selbst liegt, das unser individuelles Leben mit Sinn füllt, müssen wir uns die folgenden, mythischen Fragen stellen: Wer ist mein Nachbar? Wer ist mein Volk? Zu welcher Gemeinschaft gehöre ich? Mit wem teile ich meine Abgeschiedenheit ?

Probieren Sie folgendes Gedankenexperiment aus; es ist eine Übung zur Weitung Ihres Geistes. Betrachten Sie die immer weiter werdenden Horizonte, die Ihre Einzigartigkeit umfassen können. Spielen Sie damit, daß Sie Ihr Selbstgefühl allmählich dehnen. Beginnen Sie mit Ihrer von der Haut umgebenen, zeitgebundenen, vom Tod begrenzten Individualität, und bewegen Sie sich nach und nach in einem der weiteren konzentrischen Kreise der Gemeinsamkeit.

Was geschieht, wenn Sie Ihr Selbstgefühl verbinden mit:

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Achten Sie darauf, daß sich Ihnen jedesmal, wenn Sie Ihre Identität erweitern, bestimmte moralische Forderungen stellen. Wenn Sie sich lediglich mit Ihrer Familie und Ihren Freunden identifizieren, sind Sie verpflichtet, nur die zu lieben, die Sie lieben. Wenn Sie Ihre Grenzen erweitern und Ihte Nachbarn einschließen, dann verpflichten Sie sich, höflich zu jenen zu sein, die Sie vielleicht nicht mögen. Wenn Sie mit allen Lebewesen verwandt sind, müssen Sie herausfinden, wie Sie sich um den Flek-kenkauz kümmern können. Wenn Sie in den Kreis allen Lebens, einst und morgen, gehören, müssen Sie herausfinden, welche Verantwortung Sie gegenüber der alten DNS haben, die Ihr Wesen prägt und beabsichtigt, irgendeine zukünftige Evolution jenseits Ihrer gegenwärtigen Form herbeizuführen.

Es ist gut, die Einbildungskraft zum Zerreißen anzuspannen, mit ihren Möglichkeiten zu spielen, die äußeren Grenzen des Selbst zu dehnen. Doch wenn wir zur Frage des alltäglichen Lebens zurückkehren, ist die wichtigste Einübung von Gemeinsamkeit die schlichte Freundlichkeit gegenüber Fremden, Höflichkeit gegenüber den Nachbarn und Gerechtigkeit gegenüber der größeren Gemeinschaft. Heute, wie zu Zeiten des Propheten Micha, wird von uns verlangt: »Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.«

Wählen Sie die Gemeinschaft, in der Sie leben und arbeiten wollen. Bleiben Sie an Ort und Stelle. Pflegen Sie die Freundschaft zu tugendhaften Freunden. Machen Sie sich mit Ihren Nachbarn bekannt. Treten Sie einer lebendigen Gemeinschaft bei. Engagieren Sie sich in der Gemeinschaft, und engagieren Sie sich politisch. In unserer Zeit stehen wir am Ende eines erstaunlichen Experiments in Individualismus. Doch durch die Befreiung des Individuums und durch die Möglichkeit, daß es die Fesseln der Tradition und Gemeinschaft transzendieren konnte, sind wir über das Ziel hinausgeschossen. Im nächsten Zeitalter müssen wir neue Formen der Gemeinschaft ausprobieren.

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  Hausgemachtes Credo  

Um die Verbindung von Geist und Seele herzustellen, sammeln Sie die Bruchstücke Ihrer Glaubens­überzeugungen, formen Sie sie zu einer kohärenten Weltsicht und fassen Sie sie in einem Credo zusammen. Die meisten Menschen gehen überwiegend dem Geschäft des Lebens nach, ohne sich die Mühe zu machen, ihre fundamentalen Glaubensüberzeugungen, Grundsätze und Werte zu artikulieren. Unser Glauben — unser Mangel an Glauben — ist blind und stumm; er hat weder Augen noch eine Stimme. Es zu wagen, vor sich selbst und anderen ein Glaubensbekenntnis abzugeben, ist ein Akt des intellektuellen und moralischen Mutes. Das Verständnis, das Sie für sich in Anspruch nehmen, ist der Boden, auf dem Sie stehen, und die Vision und die Werte, für die Sie einstehen wollen. Meißeln Sie Ihr Credo nicht in Stein, gießen Sie es auch nicht in Bronze. Im Gegensatz zu religiösen Glaubensbekenntnissen soll das persönliche Credo nicht die WAHRHEIT einfangen, die »den Heiligen ein für allemal anvertraut ist«. Alle paar Jahre ist es sinnvoll, innezuhalten und eine Inventur der Glaubensüberzeugungen zu machen, das alte Credo zu zerreißen und ein neues zu schreiben. Wenn Sie eine lange Zeit blind in einem dichten Wald umhergereist sind, erklimmen Sie einen Berggipfel oder einen hohen Baum, damit Sie sich einen Überblick über die Region verschaffen, aus der Sie kommen und worauf Sie zusteuern.

Vor einigen Jahren organisierte Stewart Barnd, der Initiator und Herausgeber des Whole EarthCatalogue, eine internationale Konferenz, auf der man einige Anwesende, die es gewohnt waren, längere Zeit im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, fünf Minuten Zeit gab, ein Statement abzugeben. Die Vorschrift, sich kurz zu fassen, wurde dadurch durchgesetzt, daß das Mikrophon zehn Sekunden nach der Zeitbegrenzung ausgeschaltet wurde. Das folgende, leicht revidierte Credo, stellt meine Bemühung dar, meine grundlegenden Überzeugungen in knapper Form zu formulieren.

 

   Unser Unbehagen und unsere Krankheit  

 

1. Zu unserem Unbehagen gehört unsere Gewohnheit, Symptome zu kurieren.

2. Die Technologie kann uns nicht von unserer Obsession heilen, Dinge technisch lösen zu wollen.

3. Die psychologische, spirituelle und wirtschaftliche Depression entspringt einer Ziel-Krise, keiner Energiekrise.

4. Die Energie folgt der Absicht.

5. Wir haben unseren Zweck, nicht unsere Mittel verloren.

6. Uns fehlt ein Lebenszweck.

7. Visionen findet man in Träumen, nicht am Tage.

8. Das erste, was wir tun müssen - nichts.

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Visionen der Heilung

9. Am Anfang ist das Ende — das telos.

10. Jeder Prozeß bewegt sich auf ein Ziel zu.

11. Alle Energie ist bereits gestaltet.

12. Der Zweck schafft die Mittel.

13. Die Frage des Wertes, des Zwecks rangiert vor der Frage der Technik.

14. Wir sind auf der Durchreise zu einem unbekannten Ziel.

15. Ein Mensch gehört zwei Königreichen an: dem Hier und Jetzt und dem Dort und Damals.

16. Wir werden dadurch geheilt, daß wir von einer Bestimmung träumen, die wir nicht kennen können.

17. Wir sind Geschöpfe von Licht und Dunkelheit, Erleuchtung und Verdunkelung.

18. Die verheißene, aber unbekannte Zukunft zieht uns in die Richtung, der zu werden, der wir sind.

19. Das menschliche Potential ist unerreichbar — Gott sei Dank.

20. Wir sind unvollendet; deshalb hoffen wir.

21. Wir werden bewegt von Sehnsucht, von dem, was wir noch nicht sind.

22. Es gibt einen Traum, der uns bewegt.

23. Wir gehören nicht uns selbst.

24. Alles, was sich in einem einzigen Leben erreichen läßt, ist ein zu geringer Traum, um einem ganzen Leben Sinn zu verleihen.

25. Jede Identität, die man finden kann, verdient, daß man sie verliert.

26. Wer bin ich, so zu tun, als könnte ich die Frage: Wer bin ich? beantworten.

27. Was ich bin, ist größer als das, was ich von mir weiß.

 

Der Pfad

28. Paranoia - Mißtrauen, Schuldzuweisung, Ausschluß - ist die normale conditio humana.

29. Metanoia - Reue, Vertrauen, Verantwortung übernehmen, Einschließung - schafft den Geist.

30. Die Zukunft des Menschen hängt davon ab, ob wir lernen können, daß wir Verwandte sind und gütig zueinander sein müssen.

31. Ein vollständiger Mensch ist kein Krieger.

32. Wir können das Leben nicht erobern.

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33. Es gab Fische, ehe es Fischer gab. Die Fische waren vor den Fischern da.

34. Wir haben die Welt nicht geschaffen.

35. Wir haben keine Macht.

36. Unsere erste wichtige Verantwortung: wertschätzen.

37. Die Philosophie und die Heilung beginnt mit Staunen.

38. Schweigen geht aufrichtigen Worten voran.

39. Männliches Handeln wurzelt in Kontemplation.

40. Gib dich dem hin, was ist, ehe du irgend etwas zu ändern suchst. 41 • Es ist nur sicher, das zu ändern, was du zu lieben gelernt hast.

42. Wir können nur lieben, was fehlerhaft ist.

43. Eine vollkommene, endgültige Welt hätte für mich keine Verwendung.

44. Tragödien, Ungerechtigkeit und Unvollkommenheit liefern die Aufgaben, die dem Leben einen Sinn geben.

45. Wir sind auf dieser Welt, um zu staunen und Verantwortung füreinander zu tragen.

 

   Und zum Schluß  

 

Man kann endlos viele Rituale erfinden. Ebenso kann es keinen endgültigen Schluß für die spirituelle Reise geben. In meinem Leben wie in Ihrem müssen endlos viele Tätigkeiten bewältigt werden, damit man über sie nachdenken und sie heiligen kann. Auf alle Fälle sollten Sie etwas anbauen, um sich der wahren Bedeutung der Demut erinnern zu können. Recyceln Sie, damit Sie sich daran erinnern, daß sich alles Heilige — einschließlich Ihr Geist — in einem Kreis bewegt. Lieben Sie irgendein wildes Tier, damit Sie den Anteil in sich lebendig halten, der nicht domestiziert ist. Jedesmal, wenn Sie einen anderen Menschen berühren, ehren Sie den Geist seines Fleisches. Halten Sie Ihr Rückgrat geschmeidig und Ihren Sinn für Humor gut geölt. Bleiben Sie agnostisch, aber vertrauensvoll. Bemühen Sie sich nicht, allzuweit in die Zukunft zu schauen. Der Weg wird sich vor Ihnen öffnen, Schritt für Schritt.

Gestern nachmittag sind Jan, Jessamyn und ich aufgebrochen und zehn Meilen auf einem schwierigen Trail geritten. Schließlich kamen wir zu dem Haus unserer Freunde. Sie luden uns zum Abendessen ein, und ehe wir uns auf den Nachhauseweg machten, war es dunkel. An den offenen Stellen erhellten ein Dreiviertelmond und ein klarer Himmel den Trail, doch als wir durch ein Wäldchen ritten, gerieten wir in einen dunklen Tunnel aus überhängenden Bäumen. Lichtsplitter drangen durch die Zweige, doch nicht genug, als daß wir den Weg sehen konnten.

Da ich nachts noch nie auf einem unbekannten Weg geritten war, wußte ich nicht, wie gut die Pferde sehen konnten. Die steilen Hänge mit unebenem Untergrund machten mir besonders große Sorgen. Angespannt spähte ich ins Dunkel, hielt die Zügel kurz und führte mein Pferd auf das, was ich sah. Einmal zog die Stute nach rechts, aber ich bestand darauf, das wir dem folgten, was ich für den Trail hielt, der nach links führte. Als wir in einem Gestrüpp in eine Sackgasse gerieten, fiel mir ein, daß sie die bessere Fährtenleserin war; ich entspannte mich allmählich und ließ mich durch den dunklen Wald führen.

Während sich meine Augen langsam auf die Dunkelheit einstellten, wurde es ein ganz bißchen heller. Mein enges Blickfeld warnte mich vor überhängenden Zweigen, und ich geriet in ein Kontinuum fließender Bewegungen. Pferd und Reiter wurden eins: Einmal ritt Jan heran und leuchtete mit der Taschenlampe auf den vor uns liegenden Weg. Sofort konnte ich nicht mehr sehen, was rechts und links von mir lag, sondern nur noch den schmalen, erhellten Korridor. Geblendet vom Licht übersah ich einen tiefhängenden Ast und spürte, wie etwas gegen mein Ohr schlug.

Wir beendeten unsere Reise ohne künstliches Licht. Als wir schon auf dem Berg ankamen, sahen wir die Lichter jeder Stadt in der Bay Area ausgebreitet vor uns liegen, und den hoch am Himmel stehenden Mond. 

Vertrauen Sie der leuchtenden Dunkelheit.

 ... und dem Pferd!  (detopia ;-)

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Ende

 

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 Leere unserer Zeit