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    4.  Speed - Pervitin - Crank - Glass - Crystal - Meth - Amphetamin - Heroin  

 

Sahihi-1990    //  Dokus-ARD/ZDF auf youtube 

 

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Die Homosexuellen, bei denen diese Droge überaus begehrt ist, nennen sie <Crystal>, die Biker nennen sie "Crank" und sich selbst auch "Cranksters". Traditionell wird sie auf dem Schwarzmarkt "Speed" genannt, obwohl der Name durch die "Speed kills"-Kampagne einen recht negativen Beigeschmack erhalten hat. 

Ihr eigentlicher, nämlich chemischer, Name ist <Methamphetamin>. Seit es diese Droge gibt, gehört sie zu den Marktführern: Speed ist, ganz nebenbei, Ersatz für die teureren und schwer zu besorgenden Drogen Heroin und Kokain, da es deren Entzugserscheinungen aufheben kann. Bei Engpässen auf dem Schwarzmarkt bei Heroin oder Kokain nehmen die Junkies gerne zu Speed Zuflucht.

Speed ist eine dem Kokain sehr eng verwandte Droge: Die euphorischen und exzitativen [erregenden; detopia] Effekte können sogar den Kokain-Kenner täuschen. Da es billiger und leichter zu besorgen ist und vor allem auch erheblich länger wirkt als Kokain, erfreut sich Speed auf dem Schwarzmarkt großer Beliebtheit.

Und seit es sich herumgesprochen hat, daß es selbst die Entzugs­erscheinungen von Heroin (und anderen Opiaten) aufhebt, ist die Herstellung und der Vertrieb von Speed zu einer Multi-Millionen-Dollar-Industrie geworden, die der internationalen Polizei immer wieder kaum knackbare Nüsse präsentiert.

Speed gehört zu der älteren Generation von Designer-Drogen. Seit die DD zu einem der Lieblingsthemen der (hauptsächlich amerikanischen) Medien geworden sind, ist eine neue, stärkere Sorte Speed entstanden: <Glass>. Es sieht tatsächlich wie winzige Glasscherben aus. Dieses Hyper-Speed verhält sich - was seine berauschende Potenz und auch seine Schädlichkeit und Suchterzeugung angeht - zum Speed wie Crack zum Kokain oder Fentanyl zum Heroin.

detopia-2023 -
Abkömmlinge der Amphetamine werden als Speed, Crystal oder Glass bezeichnet, wobei Speed eine Mischung aus Amphetamin, Metamphetamin, Ephedrin, Coffein und Verschnittstoffen ist. Bei Crystal, Crystal-Meth oder Glass handelt es sich um einen Abkömmling des Amphetamins, das Metamphetamin. Unter den Erstkonsumenten von Crystal-Meth sind mehr Jugendliche unter 16 Jahren als unter denjenigen von Amphetaminen. Auch Metamphetamin ist eine illegale Droge.
kinderaerzte-im-netz.de/altersgruppen/jugendliche/info-sucht/designerdrogen          wikipedia  Methamphetamin  

Glass ist noch nicht genau erforscht, da bislang kaum Proben beschlagnahmt werden konnten. Auch sind die Proben nicht so ohne weiteres analysierbar: Die traditionelle Chemie sieht sich vor großen Rätseln. Alles in allem nehmen die Toxikologen der internationalen Polizei an, daß Glass vom Speed auf ganz ähnliche Art deriviert wird wie Crack vom Kokain. Für diese Theorie spricht auch die Tatsache, daß Glass in Dealer- und User-Kreisen oft "Free-base Speed" genannt wird (als Analogie zu Crack, das eigentlich "Freebase Cocaine" ist und heißt).

Fest steht, daß Glass eine hohe Prozentzahl toxischer Abfallstoffe enthält, deren Entstehung bei der Herstellung allem Anschein nach unvermeidlich ist. Die Glass-Portionen, die bislang beschlagnahmt und analysiert worden sind, beinhalten allesamt die gleichen Mengen identischer Abfallprodukte.

 

Ja, sicher, ich hab' schon ein paar Mal Glass geraucht und ich kann nur sagen: Das ist verdammt potentes Zeug! Ich meine, ich bin jetzt seit Jahren auf Speed, inzwischen sechs bis sieben Schüsse am Tag. Auf gut deutsch: Ich vertrag' 'nen ganzen Stiefel! Aber dieses Glass knallt Dir zuerst fast die Schädeldecke weg. Allerdings normalisiert sich der Zustand sehr schnell und danach fühlst Du Dich, als wärst Du ganz normal auf Speed, nur daß die Wirkung schneller vorbei ist. - Ich hab' nicht vor, mich an Glass zu gewöhnen, obwohl man das im Moment fast nachgeschmissen kriegt. Ich stell' mir vor, aus irgendeinem Grund gibt's kein Glass mehr,... und dann muß ich wahrscheinlich hochgehen auf dreißig, vierzig Spritzen Speed am Tag, um meine Bedürfnisse zu befriedigen. Nee, wirklich nicht! Ich mein',... ehrlich gesagt, ist mir das Schießen sehr viel lieber als irgendeine andere Art, Dope einzufegen. - Weißt Du, wir Junkies haben alle eines gemeinsam: Wir sind nadelgeil. Es macht einfach Spaß, an sich rumzudoktern, egal, was Du reinballerst: Du piekst Dir in den Arm..... und Dein Befinden verbessert sich im Fluge. Das is' schon etwas sehr Geiles.

Ein deutscher Rocker, 37 Jahre

 

Die Amphetamine sind eine große Gruppe synthetischer Drogen. Methamphetamin wurde 1919 synthetisiert und wirkt ähnlich, doch stärker als Amphetamin: exzitative Stimulation des gesamten zentralen Nerven­systems.

Unter dem Markennamen "Desoxyn" ("Pervitin") ist Methamphetamin auf Rezept fast weltweit erhältlich; es wird allerdings einzig für fortgeschrittene Fälle von Narkolepsie, von krankhafter Schlafsucht, verabreicht. Die mehr als aufputschende Wirkung gilt als - zumindest auf Dauer - schädigend für Herz und Hirn. 

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Der Entzug von Amphetaminen dauert sehr lange: Der Körper braucht gut und gern ein Vierteljahr, bis er seinen normalen Rhythmus wiederfindet. In dieser Zeit ist der Entziehende dauermüde und schnell erschöpft, von allen möglichen körperlichen Dysfunktionen gebeutelt und entsprechend depressiv und suizidal. 

Nach durchgestandenen Entzugsqualen hat der Ex-Speed-Freak dann mit psychischen Problemen zu kämpfen: Er kommt sich langsam, lahmgelegt, träge und passiv vor und kann keinen rechten Sinn oder gar Befriedigung an Dingen finden, die ihm vor seiner Speedzeit oder auch, während er auf Speed war, wichtig waren. Dieser Zustand "nur" psychischer Abhängigkeit dauert, je nach Persönlichkeitsstruktur und Umwelt, ein bis drei Jahre an: Entsprechend sind die Rückfall­quoten therapierter Speed-Freaks ebenso hoch, manchmal noch höher als bei Heroin-Junkies.

 

Die Beatniks, die Vorläufer der Provos und der Hippies, waren begeisterte Anhänger von Amphetaminen. Im Werk des früh verstorbenen Jack Kerouac ist ständig die Rede von "Benzies", auch in manch einem Gedicht von Allen Ginsberg kommt dieses Wort vor, wenn auch Ginsberg bisweilen sehr kritisch damit umgeht.

Benzie ist eine Abkürzung für "Benzedrin". Unter diesem Namen war Amphetamin lange Zeit rezeptfrei erhältlich. Ärzte, Apotheker, Forscher und vor allem die Konsumenten hielten "Benzedrin" für eine Art Super-Coffein — erfrischend und belebend. Es herrschten falsche Vorstellungen über die sucht­erzeugende Potenz der Droge. 

Im Zweiten Weltkrieg verabreichten die Amerikaner, die Briten, die Japaner und die Deutschen ihren Soldaten (teilweise ohne deren Wissen in die Speisen gerührt) Benzedrin, um sie moralisch aufzubauen, sie zu motivieren und ihre Widerstandskraft zu stärken.

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Als 1945 Millionen von amerikanischen, britischen, deutschen und japanischen Soldaten heimkehrten, brauchten viele von ihnen Jahre, um sich ins normale Leben einzufinden. Man hielt diese Beschwerden damals für Gewissensbisse oder Depressionen, die auf die schrecklichen Kriegserlebnisse zurückgeführt werden müßten. Dies war in vielen Fällen auch die Ursache. Aber viele dieser Männer waren ganz einfach "auf Turkey" — brutaler­weise ohne es zu wissen.

 

Die Deutschen zumindest hätten gewarnt sein müssen, denn schon im Ersten Weltkrieg waren viele Soldaten in den Hospitäler süchtig geworden: In den deutschen Lazaretten wurde ein schmerzstillendes Mittel gereicht, das kurz vorher (1898) von drei deutschen Chemikern erfunden und ab 1900 von einem der größten deutschen Pharmakonzerne produziert worden war. Es erfüllte seine Funktionen wie Schmerzlinderung, Erlösung von Angst und Depressionen sowie Schlafförderung hervorragend und eignete sich zudem noch bei geringerer Dosierung sehr gut als Mittel gegen Husten und Bronchialerkrankungen. 

Die Erfinder hießen Hoffmann, Dreser und Duisberg, patentiert und produziert wurde das Mittel von BAYER. Der Name des Wundermittels war eigentlich "Diacetyl-Morphin"; als Markennamen aber hatte man sich den Namen "Heroin" (Heldin) einfallen lassen. 

Der Trost, den diese "Heldin" den Verwundeten an der Front leistete, war so wohltuend, daß sie sich nie wieder davon lösen konnten: Einige Zehntausend deutsche Männer kamen 1918 vollkommen süchtig zurück nach Hause. Bis vor einigen Jahren gab es noch den einen oder anderen alten Mann, der sich auf "Sonderrezept" in der Apotheke sein Heroin abholen ging; der Staat hatte seinen Fehler eingesehen. Heroin wurde erst dann illegalisiert, als der Schaden offensichtlich war; dann wurde es vom wohltuenden Medikament zum Rauschgift.

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Grotesker Schlenker am Ende: 

Bereits 1904, also zehn Jahre bevor der Krieg begann und Heroin in großen Dosierungen verabreicht wurde, hatte der französische Pharmakologe Marel-Lavallee ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das deutsche Hustenmittel Heroin süchtig mache. Doch hatte BAYER erstens einen zu guten Ruf und zweitens einen zu langen Arm: Der damalige <Papst der Pharmazie>, Sollier, ebenfalls Franzose, erstellte ein entsprechendes Gegengutachten — und es stand fest, daß Heroin nicht süchtig macht.

 

Amphetamin und Methamphetamin waren lange Zeit legal erhältlich. Erst als in den sechziger Jahren bekannt wurde, daß Heroinabhängige ihren Stoff gerne mit Amphetamin oder Methamphetamin erweiterten, um besondere Rauscheffekte zu erzielen, wurden Benzedrin und das injizierbare Methamphetamin (in Ampullen namens Methedrin) vom Markt gezogen. Im Nu, regelrecht nahtlos, waren ausreichend Waschküchenlabors aus dem Boden geschossen, um den Bedarf an Speed zu decken. Selbstverständlich war dieses Speed nicht so sauber wie das industriell hergestellte Amphetamin und Methamphetamin, aber es war genauso potent.

Zu jener Zeit liefen die Anti-Marihuana- und Anti-LSD-Kampagnen. Die teilweise überzogenen Warnungen vor LSD und Marihuana nahmen auch der Warnung vor Speed die Glaubwürdigkeit. Der Satz: "Speed kills!" löste bestenfalls Gelächter seitens der User aus. Und schlimmer noch: Manch ein Grass-Raucher oder LSD-Schlucker wurde durch die Illegalisierung erst auf Speed aufmerksam: Was Vater Staat verbietet, törnt immer ganz gut an!

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Die Kampagne mit dem peinlichen Namen <The Speed kills!-Campaign> behauptete überall in Pamphleten und Artikeln und Broschüren und Reden, daß Speed absolut tödlich sei: Einige wenige Injektionen — und irgendwann, vielleicht gar beim ersten Mal, breche der Organismus zusammen. Bessere Werbung hätten die Speed-Köche und -Dealer nicht machen und nie bezahlen können: Die Nachfrage nach Speed stieg. Alle möglichen User stiegen entweder auf Speed um oder aber sie machten es zu ihrer Ersatz- oder auch Zusatzdroge.

Etwa drei Jahrzehnte lang verdrängte Speed die zuvor recht verbreitete Droge Kokain vom Schwarzmarkt: Die Wirkungen sind sehr ähnlich, wobei Speed länger wirkt und zudem noch preiswerter und leichter zu beschaffen ist. Die Anti-Speed-Kampagne erreichte zweierlei: Zum einen wurde Speed erst richtig bekannt und fand auch bei Personen, die zuvor nur Marihuana und LSD gekannt hatten, große Verbreitung und Beliebtheit. Zum anderen bekamen es einige regelmäßig Speed konsumierende User doch mit der Angst und stiegen lieber um auf Kokain, denn "C" bzw. "Coke" galt jetzt als weniger schädlich, da natürlich gewonnen und nicht chemisch hergestellt. Zudem ist Kokain immer sehr viel teurer als Speed, was einige Zehntausend Personen zu dem (nur sehr bedingt richtigen) Schluß führte, es müsse deswegen auch sauberer, weniger schädlich und weniger suchterzeugend sein.

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Diese von Regierungsseiten unfreiwillig und unwissend aufgebaute Konkurrenz zwischen Amphetaminen / Methamphetaminen und Kokain HC ist ein weiteres bezeichnendes Stück Drogengeschichte: Jede Anti-Drogen-Kampagne steigerte die Nachfrage auf einem Sektor des Drogenmarktes. Die "Speed kills!"-Kampagne führte zu einem Kokain-Boom von ungeahnten Ausmaßen, da viele der ehemaligen Freaks, mittlerweile im Berufsleben etabliert, sich teurere Drogen leisten konnten. 

Als dann aufgeklärt wurde, wie schädlich und suchterzeugend Kokain sei, daß es die Nasenschleimhäute zerfresse und das Herz extrem schwäche, da war wieder Speed ganz groß in Mode und auf dem Markt: Die Drogen-Köche und -Dealer genießen den großen marktstrategischen Vorteil, nicht werben zu müssen - sie müssen nur die staatliche Drogenpolitik mitverfolgen und entsprechend handeln.

Die zahlreichen "Aufklärungskampagnen" in Sachen Speed und Kokain führten dazu, daß das Pendel immer schneller hin und her schlug, bis jener merkantil gesehen "ideale" Zustand erreicht wurde, daß heute beide Drogen in friedlicher Koexistenz marktbeherrschend sind. 

Die reichen User nehmen Kokain, die weniger wohlhabenden User schwören auf Speed. Der Konsumenten-Nachwuchs lernt in aller Regel - nach ersten Begegnungen mit Marihuana oder Haschisch - zuerst die eine und dann die andere dieser exzitativen Drogen kennen. 

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Speed und Coke sind wirklich ein Doppelproblem, bei dem die Zahnrädchen unglaublich präzis greifen: Kämpfst Du gegen das eine, kommt das andere wieder hoch und umgekehrt. Es ist wie ein negatives Yin und Yang des illegalen Marktes: Zwischen dem Angebot an Speed und Coke bestehen wirklich so viele augenscheinlich sich ergänzende Aspekte, das wir oft annehmen, daß die Verteiler der beiden Drogen entweder identisch sind oder aber zumindest kooperieren.

Zum einen ist Speed jetzt etwas teurer als früher und Koks etwas billiger, wodurch schon mal eine große Angleichung gegeben ist, dann verhält es sich so, daß Koks und Speed ähnlich sauber oder ähnlich verschnitten sind, dann kommt noch dazu, daß aufgrund von Gesetzmäßig­keiten, die wir (die Polizei) nicht immer durchblicken können, mal beide Drogen auf dem Markt sind, und zwar in Hülle und Fülle, mal etwas mehr von der einen und mal mehr von der anderen, aber immer mindestens eine von beiden. So werden unter anderem die Preise auf dem Schwarzmarkt kontrolliert, ohne daß es zu Lieferungs- und Beschaffungsschwierigkeiten käme.

Klarer Fall: Es kommt auch alle Monate mal wieder vor, daß es ein paar Tage lang weder Speed noch Coke auf dem Schwarzmarkt gibt. Das kommt aber nicht daher, daß etwa die Polizei alles geschnappt hätte. Es ist eine Strategie des Schwarzmarktes, die wir <making panic> nennen: Die Dealer selbst halten, nach Absprachen untereinander, ihre Waren ein paar Tage vom Markt zurück, um dann den Usern zu erzählen, es gäbe in der ganzen Gegend kaum etwas — um danach die Preise hochzuschrauben.

Chuck, Narcotic Detective in Los Angeles

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Für Speed und Kokain werden zunehmend dieselben Stoffe zum Verschneiden benutzt. Kokain selbst wird sehr oft mit Speed verschnitten, womit dem User durchaus erfolgreich vorgegaukelt wird, er habe es mit besonders feinem Kokain zu tun. Dies dient der Ausweitung des Marktes.

Die Stoffe, die benutzt werden, um Speed zu verschneiden, sind qualitativ (und gebietsmäßig auch quantitativ) identisch mit denen, die zum Verschnitt von Kokain verwendet werden: Das Kokain HC und die Methamphetamine, die die Straßen erreichen, die also auf ihrem Weg durch die Hände einer ganzen Hierarchie von Distributoren immer weiter verschnitten worden sind, bis sie jetzt vom Straßen-Dealer zum Käufer überwechseln, sind sich buchstäblich zum Verwechseln ähnlich! Leicht verallgemeinernd könnte man das so darstellen: Das Straßen-Kokain besteht aus etwa 10 Prozent Kokain, 15 Prozent Methamphet­amin, 15 Prozent Amphetamin, 15 Prozent Ephedrin und 15 Prozent Coffein, der Rest ist in aller Regel Milchpulver.

Das Straßen-Speed wiederum besteht aus etwa 25 Prozent Methamphetamin, 15 Prozent Amphetamin, 15 Prozent Ephedrin und 15 Prozent Coffein, der Rest ist auch hier Milchpulver. Wenn man dann noch berücksichtigt, daß auch Kenner die Wirkungen von Speed und Kokain kaum auseinander­halten können, bekommt man eine Vorstellung davon, wie quasi-identisch Straßen-Koks und Straßen-Speed sind. Dann kann man auch nachvollziehen, daß der Straßen-Dealer verschiedene Tütchen mit ein und demselben Stoff bei sich trägt, die er, je nach Nachfrage, sowohl als Speed als auch als Coke verkauft. 

Und die Absicht hinter all dem ist nicht nur diese oberflächlich schon zu durchschauende aktuelle Verkäuflichkeit, sondern vielmehr die auf Langzeitprofit gerichtete solcherart geschaffene potentielle Verkäuflichkeit beider Drogen.

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Am Anfang, als ich selber noch nicht so hoch dosiert habe, habe ich da noch einen Unterschied gemacht, da habe ich ziemlich gewissenhaft gearbeitet: Ich habe immer sowohl sauberes Coke als auch reines Meth (eine Abkürzung für Methamphetamin) im Hause gehabt, habe sie zwar exakt gleich verschnitten, aber unter­schiedlich abgepackt und auch unterschieden verkauft. 

Im Lauf der Zeit, als ich dann selbst immer mehr sauberes Coke gebraucht habe, was eine unerhört teure Sucht ist,... am Ende, vor meiner Verhaftung, war ich bei fünf bis sechs Gramm, also fast 1500 Mark am Tag angekommen,... da habe ich angefangen, meine Coke-Klientel auf Speed umzudosieren, zuerst ganz langsam, Prozentchen um Prozentchen, aber das war gar nicht nötig.

Keiner hat etwas bemerkt. Die haben brav mein verschnittenes Speed gekauft, haben für unverschnittenes Coke bezahlt - und als dann noch der eine oder andere meinte, das Koks sei besser geworden, da habe ich alle Hemmungen verloren: Etwa ein Dreiviertel Jahr habe ich einen Teil Speed, einen Teil Ephedrin, einen Teil Coffein und einen Teil Milchpulver für sehr gutes Geld als Coke verkauft — und genoß auch noch den Ruf, den besten Stoff in der Stadt zu haben.

Andere Dealer, die ich kenne, haben ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich bin überzeugt davon: 90 Prozent von den Leuten, die meinen, sie würden sich gut auskennen mit Koks, haben in ihrem Leben noch kein Koks gesehen. Und ich bin auch überzeugt davon, daß man den Leuten auch über Jahre reines Coffein als Coke verkaufen könnte; solange sie das Wirkliche nicht kennen, und die Wahrscheinlichkeit ist sehr, sehr niedrig, solange würden sie mit wachsender Begeisterung Coffein fixen und meinen, sie wären weiß Gott wie kokssüchtig. 

Und das Lustige ist: Letztlich wären sie's auch! Drogen funktionieren, noch mehr als alles andere, über die Einbildung. Die allerwenigsten Heroin­süchtigen zum Beispiel sind wirklich heroinsüchtig; das kann man auch daran erkennen, daß es sofort reihenweise Tote gibt, wenn echtes Heroin in die Stadt kommt. Sie gehen drauf, weil sie's nicht vertragen, weil sie's fast überhaupt nicht kennen. Was die vertragen, wovon die süchtig sind, das sind irgendwelche zerstampften Tabletten und Chemikalien, die untereinander irgendwelche trickreichen Verbindungen eingehen. Ist auch klar: Die harten Rauschgifte mußt Du erst einmal kaufen und schmuggeln, das macht sie sehr teuer, und deshalb kriegst Du sie auch kaum je in sauberer Form.

Was anderes sind diese neuen Designer-Drogen, die sind wohl ziemlich rein - und sehr potent. Ich hab' davon nichts mitgekriegt bisher, weil ich jetzt seit zweieinhalb Jahren einsitze, aber ich höre da wahre Wundergeschichten, was für Profite die alten Jungs gerade machen und was für wilde Räusche in den Köpfen abgehen."  

Hubert, ehemaliger Kokain-Abhängiger und inhaftierter Dealer, 32 Jahre

 

Auch bei der Synthese von Speed kommt es bei unsachgemäßer Lagerung, Behandlung und Vermengung der Stoffe immer wieder zu toxischen Neben­produkten. Diese sind zwar nicht annähernd so gefährlich wie die Neben­produkte, die bei der Herstellung von synthetischem Heroin, von Crack und von PCP entstehen können, doch können auch sie überaus unangenehmen Nebenwirkungen haben und auf Dauer ernsthaften gesund­heitlichen Schaden verursachen.

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Davon abgesehen, daß Speed-Freaks fast immer hochrote Köpfe haben, als hätten sie soeben eine größere Strecke rennend zurückgelegt (was in der Natur der Methamphetamine und in der Wirkungsweise der Droge begründet liegt), kommt es nach der Einnahme von unsauberem Speed sehr schnell zu einer derben Schwellung des ganzen Gesichtes: Irgendwelche dubiosen Salze, die beim Mischen und beim Aufkochen unkontrolliert entstehen können, binden das Wasser viel zu lange im Körper, was zu Schwellungen führt ("aufgedunsen sein"). Da Hände, Füße und Gesicht zuerst anschwellen, kann man - ohne viel Übung - dem Speed-Freak buchstäblich auf einen Blick ansehen, ob er gestern sauberes oder toxisch versetztes Speed genossen hat.

Bei Konsumenten, die Speed längere Zeit nehmen und in deren Körper zuviel von diesen toxischen Salzen deponiert ist, passiert es gar, daß bestimmte Stellen im Gesicht, meist Wangen und Kinn, nicht nur immens anschwellen, sondern dann auch aufplatzen. Diese Wunden heilen relativ schwer, produzieren große Mengen an Wundflüssigkeit und hinterlassen sogenannte "speed-scars" (Speed-Narben), die das Gesicht des Konsumenten als ebensolchen kennzeichnen. 

(Auch deshalb sehen Speed-Freaks meist noch schlimmer aus als Heroin- und Kokain-Junkies.)

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Hinzu kommen die Gefahren, die mit der Einnahme von Methamphetaminen automatisch einhergehen, auch ohne toxische Nebenprodukte. 

Die Droge schwächt das Abwehrsystem des Körpers. Krämpfe, Fieber, Durchfall, unkontrollierte, paranoide Halluzinationen und krankhafte Hyperaktivität gehören zum schon leicht überdosierten Speed-Rausch genauso wie zum "Turkey". Langzeitiger Gebrauch von Speed ist von fataler Auswirkung auf das Herz, das Hirn und das vegetative Nervensystem.

 

Die Nachfrage nach Methamphetaminen ist enorm. Dafür gibt es viele Gründe: Methamphetamine sind leicht zu besorgen, relativ sicher, preiswert und wirksam. Man kann Heroin und Kokain damit ergänzen oder auch ersetzen. Die ganz fortgeschrittenen Crack-Raucher, bei denen hohe Dosen des Giftes zu einem integrierten Teil ihres Stoffwechsels geworden sind, mischen Crack gern mit Speed ("Space Base"), um besondere Effekte zu erzielen. Speed ist auf dem Schwarzmarkt sehr präsent: Es wird kräftig gehandelt und in allen möglichen Formen vom Rauchen bis zum Injizieren genommen. 

In den Vereinigten Staaten schreiben die Zeitungen und Zeitschriften derzeit mehr über Speed als über Crack, und über Crack schreiben sie schon ziemlich viel. Die Zahl der Speed-Waschküchenlabors, die ausgehoben werden, ist extrem hoch. 1985 wurden allein in den USA 312 "Speed-Labs" dichtgemacht, davon 175 im Staate Kalifornien. (Kalifornien, vor allem Süd-Kalifornien, ist wahrscheinlich die Gegend mit dem höchsten und härtesten Drogenkonsum der Welt.) Und die Fachleute nehmen an, daß auf jedes hochgenommene "Lab" zwei bis drei neu in Betrieb genommene kommen.

Nun ist das auch nicht weiter verwunderlich, denn das Geschäft mit den Designer-Drogen gehört wohl zu den lukrativsten überhaupt: Ein Kilo Methamphet­amin läßt sich mit Chemikalien im Wert von etwa 450 Mark innerhalb von acht bis zehn Stunden herstellen; der Marktwert beträgt in dieser Form 120.000 bis 150.000 Mark.

Bis es die Straße erreicht hat und die verschiedenen Stufen des Handels hinter sich gebracht hat und entsprechend mit Amphetamin, Ephedrin, Coffein und Milchzucker reichlich verschnitten worden ist, hat sich die Menge wie auch der Erlös vervier- bis verfünffacht.

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Daß die Geschichte der Designer-Drogen über die Anfänge hinaus ist, zeigt sich daran, daß viele Labs auf die Herstellung gleich mehrerer Designer-Drogen spezialisiert sind. In den Anfängen war wahrscheinlich jeder Drogen-Koch mehr oder weniger auf eine einzige Droge spezialisiert. Die erste Generation der Waschküchenlabors fand meist Platz in einer kleinen Ecke in der Küche einer Privatwohnung. Heute beanspruchen die neuen Labs viel mehr Raum und nutzen streng im Sinne des kapitalistischen Grundgesetzes von Kostenminderung und Gewinnmaximierung ihre Gerätschaften und elementaren Chemikalien, um von vornherein gleich mehrere Drogen zu fabrizieren.

Die <DEA> nimmt an, daß Labs, die heutzutage aufgebaut und in Betrieb genommen werden, primär auf Designer-Opiate oder Crack spezialisiert sind und mehr oder weniger nebenbei noch Angel Dust und Speed herstellen. Zwar werden immer mal wieder regelrechte Methamphet­amin-Fabriken ausgehoben, die nichts als Speed herstellen, doch sind diese sozusagen die "Alteingesessenen", Vertreter der ersten Generation, die mit dem Markt und seiner Nachfrage gewachsen sind.

 

In den Gefängnissen wurden Designer-Drogen Mitte der Achtziger zur großen Leidenschaft, und ich spreche nicht von der Einnahme von Designer-Drogen. Im Knast wird ohnehin alles eingefahren, was irgendein Schwindelgefühl verursacht: gelobt sei, was die Warterei verkürzt. Was die Knackies, die vor ihrer Verhaftung wahrscheinlich nie irgendetwas von Designer-Drogen gehört hatten, auf einmal so brennend interessierte, war, unvorstellbar, aber wahr: tatsächlich die den Designer-Drogen zugrundeliegende Molekular-Chemie.

Es ist schon immer so gewesen, daß der Kriminelle im Gefängnis erst richtig anfängt zu lernen: Da sind geistesverwandte Menschen, und man hat sehr viel Zeit, also tauscht man sich aus. Es gilt, auch aus der toten Zeit im Knast Profit zu schlagen. Seit ein paar Jahren jedenfalls sind die Formeln von Designer-Drogen und Erfahrungen, die den Herstellungsprozeß betreffen, der große Renner. 

Da kommt man wirklich kaum aus dem Staunen heraus, wenn plötzlich Leute, die vorher für Chemie bestenfalls ein müdes Grinsen bereit hatten, die aussehen, als hätten sie jede einzelne Chemie-Stunde ihres Schülerdaseins geschwänzt, wirklich: der typische Ede und der typische Ossi, die Arme tätowiert bis zu den Schulterblättern, dicke Koteletten und Macho-Schnurrbart, wenn die dann dasitzen und mit von Konzentration angeschwollenen Stirnadern sich erklären lassen, was passiert, wenn sich eine Atom-Gruppe vom Ephedrin abspaltet. 

Es ist lustig, und es ist schaurig, wenn ich mir überlege, wofür die das lernen: Sobald die frei sind, backen sie in irgendeinem ungewaschenen Putzeimer irgendein Zeug auf, das wieder ein paar Hundert Leute in die Klapse oder gleich ins Grab bringt.

Ich meine,... o.k., ich sitze auch, weil ich XTC und Speed synthetisiert habe, um mich zu bereichern, wie man das so schön nennt, aber: Ich bin Chemiker und kein Zauberlehrling aus dem Knast. Ich habe hier im Gefängnis schon Dinge erlebt, da stellen sich einem die Nackenhaare auf: Da hat zum Beispiel einmal einer die Rezepte von PCP und Methamphetamin verkauft; das von PCP für 50 Zigaretten, das von Speed für 75, beide für 110. 

Einer der Käufer zeigte mir die Rezepte, weil er von mir wissen wollte, ob er betrogen worden war. Bei der PCP-Formel ging es noch, obwohl ich glaube, daß da schon viel Spielraum für gefährliche Kontaminationen gegeben war. Das allerdings, was er sich als Formel für Speed hatte andrehen lassen, war komplett Humbug: So eine Art Hyper-Coffein-Hit für einen Sechs-Stunden-Herz-Kasper! 

J. L., promovierter Chemiker und inhaftierter Drogen-Koch, 42 Jahre

 

Speed ist stimulierend: Es produziert - in kleinsten Dosierungen - Euphorie, erlöst von Müdigkeit, unterdrückt den Appetit und reduziert das Schlafbedürfnis auf fast Null. Der Konsument fühlt sich freudig aufgeregt, ein nachgerade überwältigendes Gefühl von Wohlergehen und geistiger Klarheit beherrscht ihn.

Wenn intravenös verabreicht, ergibt Speed einen "Kick" bzw. "Hit" bzw. "Rush", wie er sonst nur mit Kokain und Heroin erreicht wird. Es wird angenommen, daß die Unreinheiten des Straßen-Speed erheblich zu diesem "Kick" beitragen, da für den pharmazeutischen Gebrauch hergestellte Methamphet­amine keine auch nur annähernd vergleichbare Wirkung erzielen.

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Wie beim Kokain (und in noch extremerer Form: beim Crack) ist der Wunsch, diesen Kick zu wiederholen und das Nüchternwerden, das von Müdigkeit und Deprimiertheit gezeichnet ist, zu vermeiden, fast überwältigend stark. Genau das meint wohl die Pharmako-Psychologie, wenn sie von der "Willens­schwächung bis -lähmung durch harte Drogen" spricht. 

An sich dauert der Speed-Rausch vier bis sechs Stunden, andererseits gewöhnt sich das Bewußtsein des Users sehr schnell an diesen Zustand, läßt eigentlich nur die erste Stunde als Rausch gelten und meint entsprechend früher, den nächsten "Schuß" oder die nächste "Nase" zu brauchen. 

Speed gilt, sowohl was seine suchtbildende biochemischen Eigenschaften, als auch was seine suchterhaltenden (physischen und psychischen) Nach­wirkungen angeht, als stark bis sehr stark suchterzeugend.

Speed ist - wie zum Beispiel auch XTC - nur in kleinsten Dosen genießbar; schon leichte Überdosierungen können Kopf- und Muskelschmerzen, angstvolle Verwirrungs­zustände und heftige Übelkeit verursachen. Bei häufigem Gebrauch von Speed kommt es leicht zu paranoiden Schüben, überstarken Gefühls­aufwallungen, bizarrem Verhaltenswechsel und - typisch für Exzitativa dieser Potenz - ständigem Kratzen (anfangs der Hände, später des ganzen Körpers): Genauso wie beim Langzeitgebrauch von Kokain HC sieht der durch schleichende Vergiftung psychotisierte Konsument Würmer und anderes Getier unter seiner Haut umherkriechen.

Der Langzeitgebrauch von Speed und erst recht von Glass verschlechtert wie bei anderen Drogen den allgemeinen Gesundheitszustand. Die Kräfte­konstitution, die Selbstregulierung und -entgiftung des Organismus und seine Abwehrkräfte werden permanent und massiv geschwächt.

Die Muskeln sind völlig matt und kraftlos und scheinen nur noch als Empfänger für gelegentliche, umso schmerzhaftere Krämpfe zu existieren. 

Der Körper bildet bisweilen selbst schwer heilende Wunden, so als wolle er mit dem Wundwasser das Gift hinausspülen, er verträgt die Nahrungs­aufnahme immer schlechter und ist extrem anfällig für Infektionen aller Sorten und vor allem für Krankheiten des Herzens.

Der Langzeit-User verliert die Fähigkeit, ein- und vor allem durchzuschlafen, mit der Zeit völlig: Steht er unter dem Einfluß seiner Droge, ist er ohnehin so aufgekratzt, daß er nicht schlafen kann — und es auch gar nicht will: Es gilt das Leben zu genießen, solange man genug von seinem toxischen Lebenselexier im Körper hat. Ist er aber ohne Droge, so kann er nicht einschlafen, weil sein Lebensgift ihm eben fehlt. 

So wird das Schlafen, eine der drei wichtigsten selbstregulierenden Instanzen des Körpers, zu einer äußerst unregelmäßigen Abfolge von ein- bis zweistündigen Intervallen flachen Schlafs. 

Allein der angesammelte Schlafmangel, den der Speed-Freak mit sich durchs Leben trägt, reicht eigentlich schon für einen Hirnschlag aus. Diese Schlaf­störungen sind es auch, die manch einen Speed-Freak in die Arme der Polytoxikomanie führen: tagsüber Speed, um wach zu sein und sich wohl zu fühlen, abends dann starke Narkotika, oft genug: Heroin, um einschlafen zu können.

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