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10. Das sterbende Land — Afrika

 

 

 

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Vom Standpunkte des Menschen aus ist Afrika der ärmste Kontinent. Es besitzt die niedrigste Ertragsfähigkeit pro Quadratmeile. Es ist in schwierige Probleme verwickelt, die sich schon auf die ganze Welt ausgewirkt haben. Afrika ist länger als die meisten, vielleicht sogar länger als alle anderen Teile der Erde von Menschen bewohnt. Es hat den Aufprall der Zivilisation länger zu spüren gehabt als jeder andere Kontinent außer Asien. Die Geschichte seiner Landstriche kann uns vieles lehren.

Außer seinen äußersten nördlichen und südlichen Gebieten liegt ganz Afrika innerhalb der tropischen Zone. Seine Durchschnittshöhe von zweitausend Fuß ist nicht hoch genug, um ihm die heißesten Temperaturen zu ersparen. Seine besonders tropischen Gebiete bestehen hauptsächlich aus Wüste — der Sahara, Kalahari, Damaraland und Namaqualand. Die Wüstenbedingungen sind so absolut, daß es in manchen Landstrichen nur einmal in sieben Jahren einen nennenswerten Regen gibt. In der südwestlichen Landschaft beträgt der durchschnittliche Regenfall nicht ganz einen Zoll pro Jahr. Außerdem gibt es auch allerlei Merkmale dafür, daß Afrika gerade jetzt einen klimatischen Zyklus steigender Dürren durchläuft. Hier wird selbst das Zerstörungswerk des Menschen überboten — hier marschiert die Wüste.

An der Grenze der riesigen Wüsten und Halbwüsten liegt das Gebiet der buschigen Savanne und des Dorngestrüpps mit seinem unzuverlässigen und zu kargen Regenfall und der immer brennenden Sonne.

Außer diesen Gebieten von nicht nennenswerter Ertragsfähigkeit bleibt nur noch das Herzland Afrikas, das sich ungefähr vom 15. Grad nördlicher bis zum 18. Grad südlicher Breite erstreckt, westlich vom Viktoria Njassa-See. Nur in diesem sehr beschränkten Landstrich gibt es ausreichenden Regenfall für die Agrikultur. Und in den Urwäldern, die große Bodenflächen des zentralen Gürteis bedecken, sind die Niederschläge so heftig und überreichlich in der Intensität, daß auf die Zerstörung des Waldes (zu Agrikulturzwecken) unentrinnbar die Zerstörung des Bodens selbst folgt.

Fast ganz Afrika ist agrikulturell auf das niedrigste Maß seiner Leistungsfähigkeit gebracht. Trotzdem es 2,7 Milliarden Acker mehr als Südamerika besitzt, sind davon schätzungsweise nur 20 Millionen Acker zum Anbau geeignet.1. Seine Bevölkerung war 1946 um 70% größer!

Die einheimische Vegetation gibt, wie in den meisten Teilen der Welt, auch hier den besten Anhaltspunkt dafür, ob der Boden zur Nutzung durch den Menschen geeignet ist. Eine kurze Studie der afrikanischen Pflanzengeographie (S. 296) zeigt deutlich, weshalb Afrika keine große Bevölkerung ernähren kann. Das Gebiet der Urwälder untersteht den oben erwähnten Beschränkungen. Ringsum liegt der Gürtel des feuchten Waldlandes; hier sind die klimatischen Bedingungen für die Bearbeitung durch den Menschen sehr geeignet, abgesehen von den kleinen übervölkerten Gebieten, die durch mediterrane Vegetation und Klima gekennzeichnet sind. 

Die Übergangszone zwischen feuchtem Wald und halbtrockener Steppe ist die waldige Savanne, an ihren tropischen Bäumen erkennbar, deren Laub sich alljährlich erneuert. Das dünne Unterholz ist so weit offen, daß große Flächen parkartigen Rasens unter den Baumkronen gedeihen können. Man kann die Savanne mit gewissen Teilen der Llanos in Venezuela vergleichen. Diese Pflanzengemeinschaft bildet eine Vegetation, für die das natürliche Afrika die günstigsten Bedingungen bietet.

Zwischen der waldigen Savanne und der Wüste und Steppe liegt eine andere Übergangszone, die vielen von uns aus den Filmbildern von Martin Johnson bekannt ist. Es ist der breite Gürtel aus hartem Gras und Dorngebüsch — beispielsweise Mimosen — in dem die eindrucksvollen Herden afrikanischer Antilopen und der mit ihnen zusammen auftretenden Raubtiere wie Löwen usw. umherschweifen. Endlich kommen wir zu den Wüsten und zu den wüstenartigen Steppen, wo der durchschnittliche jährliche Regenfall niedriger als zwölf Zoll ist und die trockene Periode mindestens neun Monate dauert. 

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Die klimatischen Bedingungen, durchweiche diese Vegetationsgürtel entstanden sind, kann man in folgender Tabelle festlegen:

 

Formation

Zahl der Dürrezeiten

Monate derDürrezeiten

Zoll Regen pro Jahr

 

 

 

 

Immergrüner Regenwald 

0

0

65

Feuchtes Waldland 

2

3—4

44—65

Waldige Savanne 

2

5—8

24—44

Buschige Savanne und Dorngebüsch

1

8—9

12—24

Wüstenartige Steppe und Wüste

1

9—12

12

 

Obzwar die Forschungen über die Umgebungswelt des dunklen Erdteils kaum begonnen haben, ist durch die Untersuchungen der Briten, Franzosen, Belgier, Deutschen und Italiener mehr darüber bekannt, als über jedes andere Tropengebiet ähnlicher Größe. Hätte man Lateinamerika jemals so sorgfältig studiert, so hätte man viel von dem Elend vermeiden können, das seine zunehmende Bevölkerung bedroht.

Die afrikanischen Bodenarten sind sehr eingehend studiert worden, und sind ein deutlicher Hinweis auf die Ertragsfähigkeit dieses Kontinents. Unter den dünnen Grasflächen der Savanne — in den älteren Gebieten des Erdteils — ist der Boden meistens sandig, erschöpft und arm. Weder Überschwemmungen noch geologische Erosion haben neue Stoffe darauf abgelagert, und die Bodenarten sind sehr einheitlich.

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Ein großer Teil der waldigen Savanne — wie man sie im französischen und portugiesischen Afrika, im belgischen Kongo und Rhodesien findet — kann auf dem armen Boden nur durch die hohen Grundwasserspiegel bestehen; aber diese sinken beständig, was wir später ausführen werden. Hier bringt eine gerodete Lichtung vielleicht mehrere Jahre gute Ernten, aber der Kultivierung folgt bald die völlige Entartung des Bodens. Wahrscheinlich ist gerade diese Zone gegenwärtig durch das Vorgehen des Menschen am ernstesten bedroht.

Ein anderer weitverbreiteter Typ afrikanischen Bodens ist der große äquatoriale Wald. Die Böden der Tropenwälder sind oft innerlich arm; das dicke obenliegende vom Wald selbst aufgebaute Bett aus Humus und verrottenden Pflanzenstoffen, ermöglicht die Existenz einer der überquellend üppigsten Pflanzendecken der Welt. Der Urwald ist ein System in vollkommenem Gleichgewicht — gekennzeichnet durch eine feste Decke von Humus, reich an Nitrogen und Grundstoffen. Dieses Gleichgewicht entstand durch die Ausgewogenheit zwischen produzierenden und zerstörenden Kräften. Es liegt zum Teil an dem feuchten Klima (der Urwald hat praktisch keine trockene Jahreszeit), daß jedes Roden des Waldes diese Zusammensetzung desorganisiert, die zerstörenden Kräfte entfesselt, hauptsächlich die Auslaugung und Oxydation, und damit die Produktion unterbindet. Der Boden des äquatorialen Waldes in Afrika ist wie der Boden der waldigen Savanne besorgniserregend bedroht von der Ausdehnung der Agrikultur.

Das große afrikanische Hinterland südlich der Sahara ist fast überall durch eine Hochlandschranke vom Meer getrennt; diese Bergketten liegen nur wenig entfernt von der Küste und verhindern jedes fremde Eindringen in den Kontinent, und zwar nicht nur das Eindringen des Menschen, sondern auch der maritimen Luftmassen. In diesem Sinn ist das Gebiet mit Zentralasien vergleichbar. Auf der westlichen Seite des Festlandes südlich vom Wendekreis des Krebses erhebt sich der Bergwall, durch einige Breschen unterbrochen, zum Massiv von Fouta Djallon, läuft parallel mit dem Golf von Guinea, steigt in Kamerun bis 13000 Fuß,

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bildet die Westflanke der Kongowasserscheide und zieht sich weiter nach Süden bis hinein nach Angola, Damaraland und Namaqualand, in Höhenlagen von 3000-6000 Fuß. Nachdem die Massive zum großen Buschmannland hin abfallen, erhebt sich ihre Linie wieder in den Weidegebieten von Groß-Karu und bei Drakensberg, wendet sich dann nach Osten nach Matabeleland, Njassaland, Tanganjika und Kenya, wo der Kilimandscharo etwa 18000 Fuß aufragt. Die östliche Küstenkette tritt als Harkanberge wieder in Erscheinung und verlängert sich nach Norden längs des Roten Meeres. Afrika ist demnach ein abgeschlossener Kontinent; ein Drittel seiner Oberfläche liegt 1500-8000 Fuß hoch. Seine Küstengebirge bilden große Gebiete innerer Drainage. Charakteristisch für diesen Erdteil sind die vielen Stromschnellen und Wasserfälle, die immer darauf schließen lassen, daß sie durch ein Land mit viel Gefälle fließen, das daher sehr empfänglich für Erosion ist.

Durch seine kontinentale Struktur und die Isolierung riesiger Gebiete vom ausgleichenden Einfluß des Meeres unterliegt Afrika ungeheuren Temperaturschwankungen, die innerhalb von 24 Stunden bis zu 68 Grad Fahrenheit erreichen. Nirgends, nicht einmal im Amazonental, das bis zu einem gewissen Ausmaße die Segnungen der atlantischen Einflüsse genießt, ist die Bedeutung der Pflanzendecke größer. Wenn einmal die afrikanischen Wälder zerstört sind, steigt die Durchschnittstemperatur auf der Bodenoberfläche um ungefähr 60 Grad. Hohe Temperaturen regen die chemische wie biologische Aktivität des Bodens an.

Ein großer Teil der Bakterienaktivität, die so wichtig für den Boden ist, findet ihr Optimum bei ungefähr hundert Grad Fahrenheit. Sobald die Temperatur über einen gewissen Punkt steigt, fällt die Produktivität scharf ab. Direkte Besonnung hat in Afrika einen schädlichen Einfluß auf die Bakterien, beschleunigt die chemischen Vorgänge wie Oxydation und Lateritbildung und zerstört die für guten Boden so notwendige kolloidale Struktur. 

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Weiterhin zerbrechen die konzentrierten Regengüsse, die auf eine von Wald entblößte Bodenoberfläche kommen, die festen Partikel und zerstören die körnige Struktur. Und wie in fast allen Gebieten mit ausgedehnten Regenfällen ergibt sich auch hier natürlich durch das Fehlen der Pflanzen- und Humusdecke die rapide Bildung relativ undurchlässiger Schichten; die Einsickerung wird verringert und das Abrinnen beschleunigt.

Vor zweitausend Jahren spürte Afrika zum erstenmal den Aufprall des mechanischen Menschen, und die hageren Gebeine seiner Kultur sollten uns eine Warnung sein, die zu beachten wir immer noch nicht gelernt haben.

Dr. Walter C. Lowdermilk schreibt: "Etwa ein Jahrhundert nach der Zerstörung Karthagos durch Scipio 146 v. Chr. fing Rom an, Nordafrika zu kolonisieren, und gründete im Laufe der Zeit mehrere bedeutende und stattliche Städte . . . Man baute diese Städte an Straßenkreuzungen und längs des Randes der großen Landwirtschaftsgebiete, in denen hauptsächlich Weizen und Oliven angepflanzt wurden." Derartige Gebiete lagen selbstverständlich in der Zone des günstigsten afrikanischen Klimas — in der Mittelmeerzone.

"Die römische Stadt Thydrus", fährt Dr. Lowdermilk fort, "lag in der Mitte der großen Küstenebene von Tunis. Das am meisten ins Auge fallende Denkmal ist das riesige Kollosseum, das 60000 Zuschauer faßt — nur das Amphitheater von Rom war noch größer. Jetzt steht ein elendes Dorf auf dem Boden der großen römischen Stadt. Dieses Zentrum wurde durch die intensive Bewirtschaftung von Kornfeldern und Olivengärten ernährt; jetzt ist diese Ebene spärlich mit wilder Vegetation bedeckt — ab und zu liegt dazwischen ein Olivenhain, der von weidenden Herden überrannt wird.

Eins der berühmtesten Zentren in Algier war die römische Stadt Thamugadi, an der Küste Timgad genannt, ein Mittelpunkt römischer Macht und Kultur. Kaiser Trajan hatte sie um 100 n. Chr. erbaut; sie war nach einem symmetrischen Plan angelegt, hatte ein prächtiges Forum, das mit Statuen und schönen Säulenhallen geschmückt war, eine öffentliche Bibliothek, siebzehn römische Bäder mit wundervollen Mosaikfußböden, ein Theater mit etwa 2500 Plätzen und marmorne Latrinen mit fließendem Wasser. Timgad war eine ansehnliche Stadt mit einem Hinterlande von ausgedehnten Kornfeldern und Olivengärten auf den Hügeln.

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Nachdem die Macht Roms um 430 n. Chr. durch die Invasion der Vandalen geschwächt war, eroberten die Berber die Stadt, und nach der arabischen Invasion im 7. Jahrhundert versank sie in Vergessenheit; zwölfhundert Jahre lang begrub sie der Staub, den die Winderosion auf sie häufte. Nur ein paar Säulen und ein Teil von Trajans Triumpfbogen erhoben sich noch auf den welligen Schanzhügeln — Grabsteine, die daran erinnerten, daß hier einstmals eine große Stadt gestanden hatte. Heute ist nichts mehr von der Pracht der antiken Stadt vorhanden; ein ärmliches Dorf aus Lehmhütten, das ein paar hundert Bewohnern Obdach bietet, ist der einzige Nachkomme römischer Macht und Kultur. Wasser- und Winderosion haben die Landschaft umgebildet. Tiefe Furchen ziehen sich durch das Dorf und haben den Aquädukt freigelegt, der die alte Stadt aus einer drei Meilen weitergelegenen Quelle mit Wasser versorgte.

Ruinen des Bodens sind nicht weniger eindrucksvoll als die Ruinen der Städte. Die Berge sind kahlgefegt, sie starren nackt und ohne Erdboden — eine Geschichte, die man immer wieder aus dem ganzen Gebiet ablesen kann. Die ursprüngliche Bodendecke ist von den Hängen weggewaschen, und oft sieht man, daß die obere Kante der Erdhülle durch den beschleunigten Wasserablauf der kahlen oberen Hänge nach und nach heruntergetrieben worden ist. Die erosionalen Felsentrümmer haben sich auf den unteren Hängen und in der Talsohle abgelagert. Wolkenbruchartige Ungewitter schnitten tiefe Furchen in die alluvialen Niederungen. Die Wasserspiegel sind gesunken, und das Regenwasser fließt rasch ab und läßt das Land trocken und durstig. Die Wirkungen der Austrocknung des Bodens treten überall in Erscheinung, auch wenn der Regenfall sich nicht vermindert hat."

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Das dynamische Panorama, das M. Harroy beschreibt, ist das eines degenerierenden Kontinents. In riesigen Gebieten Afrikas fallen die Wasserspiegel, der Urwald wird verdrängt durch das feuchte Waldland, das feuchte Waldland durch die waldige Savanne, die waldige Savanne durch den Dornbusch, und der Dornbusch durch Steppe und Wüste. 

Einige Sachverständige teilen die Ansicht nicht, daß Afrika einer klimatischen Veränderung unterworfen ist. Lowdermilk sagt: 

"Der zwingendste Beweis des unveränderten Klimas — unverändert in den letzten zweitausend Jahren — ist die erfolgreiche Anpflanzung von Olivenhainen in der Gegend der Ruinen römischer Olivenpressen aus Stein. Ein solcher Versuchshain, den Direktor Godet in Timgad anlegte, beweist, daß die Olivengärten heute ebenso gedeihen wie damals, sofern noch Mutterboden auf den Hängen ist. Auch die riesigen Pflanzungen von mehr als 150000 Ackern in der Umgebung von Sfax, Tunis, welche die blühenden Unternehmen in Sfax beliefern, widerlegen die Theorie vom Klimawechsel. Überdies finden wir in der Nähe von Sousse, Tunis, einige römische Olivengärten, die den zerstörenden Invasionen des 7. Jahrhunderts entgangen sind, und sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Keine klimatischen Schwingungen waren so widrig, daß sie die Überreste der Agrikultur aus römischer Zeit zu töten vermochten."2

Ob Afrika jetzt einen klimatischen Wechsel durchmacht oder nicht, muß wahrscheinlich eine offene Frage bleiben, da uns die meteorologischen Anhaltspunkte fehlen. Harroy führt aus, daß nur die Vereinigten Staaten, Westeuropa, und einige kleine Gebiete wie Japan und Neu-Seeland ein Netz von meteorologischen Stationen eingerichtet haben (je eine Station auf tausend Quadratkilometern), das uns statistisch wichtige Befunde liefert. Während Südafrika auf je 5000 Quadratkilometern etwas mehr als einen Regenmesser besitzt, hat der übrige Kontinent (mit Ausnahme von Ägypten) erheblich weniger.

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Um 1890 war der Regenfall auf dem ganzen südlichen Teil des Kontinents bedeutend stärker als jetzt. Zur gleichen Zeit beobachtete man auf manchen Breitengraden Australiens dasselbe Phänomen. Eine Theorie bringt diese Naturerscheinung mit einer Verdrängung des tropischen Regengürtels nach Süden zu in Verbindung. Danach aber steigerten sich die Dürren derartig, daß im Jahre 1932-33 rund 750000 Stück Rindvieh und sieben Millionen Schafe umkamen.

Wie es aber um den klimatischen Wechsel auch bestellt sein mag — Tatsache bleibt, daß der Mensch der wirksamste Helfer zur Ausdörrung des Kontinents ist. H. M. Thompson nahm 1908 an der Goldküste eine Bewaldungskarte auf; vergleicht man sie mit dem heutigen Baumbestand, so hat man den unleugbaren Beweis, daß der Urwald beträchtlich reduziert ist. Seine Karte zeigt "nicht nur eine große Verringerung der Waldbestände, sondern auch einen schweren Verlust an Fruchtbarkeit, der überall in Erscheinung tritt — denn ein sehr großes Gebiet, das Thompson als Urwald bezeichnet, ist jetzt durch den trockeneren, gemischten Wald mit abfallenden Blättern ersetzt3".

Wie fast überall in Afrika ist auch hier die zerstörende Waffe das Feuer. Man brennt Lichtungen in den Wald, zu landwirtschaftlichen Zwecken, oder um sich Brenn- und Bauholz zu sichern. Unter dem primitiven System folgte nach dem Roden eine Ruhezeit, die lange genug dauerte, um die primitive Decke wiederherzustellen. Heute jedoch, unter dem wachsenden Bevölkerungsdruck, wird der Waldboden offengehalten, man läßt ihn austrocknen, häufig sogar abbrennen. Wiederholte Brände spielen in allen Teilen Afrikas eine wichtige Rolle, außer im Urwald selbst (der normalerweise zu naß ist um zu brennen) oder auf den halb wüstenartigen Steppen, wo es nicht genügend Vegetation gibt. In den mittleren Formationen droht das Feuer ständig, die Vegetation zu verringern, zu verschlechtern und auf den Subklimax herabzudrücken.

Ist die einem Gebiet eigentümliche Vegetation verschwunden, so trägt die darauffolgende immer alle Merkmale eines trockeneren Gebietes. Die reiche primitive Vegetation weicht einer zweiten ärmeren, die aus weniger Pflanzenarten von geringerem Wert zusammengesetzt ist.

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Der Herzog von Brabant führte in einer oft zitierten Rede vor der Afrikagesellschaft im Jahre 1933 aus, daß niemand die Verluste abschätzen kann, die der menschlichen Ökonomie hierdurch entstehen: "Vor der Entdeckung des wirtschaftlichen Schatzes <Gummi> hätte eine intensivere Bewirtschaftung und Nutzbarmachung der brasilianischen Wälder, die auch die Gummibäume ausgerottet hätte, unsere heutige Welt der Annehmlichkeit beraubt, auf Gummirädern behaglich durch die Gegend zu rollen! Ebenso konnte die übermäßige Entforstung des tropischen Afrika uns darum gebracht haben, die Freuden unseres Morgenkaffees auch nur zu kennen!" 

Viele Pflanzen der afrikanischen Flora sind einfach verschwunden. Die Zerstörung der Spezies ist endgültig und irreparabel. Es gibt keine Möglichkeit, sie wieder auf unsere Erde zurückzubringen.

Ein anderer wirksamer Faktor in der Degeneration der afrikanischen Flora war die Einführung exotischer Pflanzenarten. Wo man solche angebaut hat, findet man auf weiten Strecken bezeichnende Hinweise auf zerstörten Boden — wie giftige Farne dergleichen Art, die für den abgebrannten, erodierten Boden in Nord- und Südamerika charakteristisch sind. Die Entartung der Pflanzenwelt ist nicht nur die Ursache wachsender Trockenheit, und daher der Entwicklung einer viel ungünstigeren Ökologie; sie ist zugleich ein Resultat. Ist einmal die Klimaxvegetation zerstört, so ist ein Kreislauf der Entartung entfesselt, ein Kreislauf, den zu brechen man lange Zeit braucht, wie in den Halbwüsten des nordwestlichen Venezuela. Günstige Vorbedingungen für die Wiederherstellung der Vegetation sind in Afrika eine Seltenheit, und eine ständig wachsende Anzahl von Landstrecken ist andauernd von dieser ökologischen Entartung bedroht.

Vor der Ankunft der Europäer hatten die primitiven Völker offenbar ein gewisses empirisches Verständnis für die Gesetze, die die afrikanische Landschaft regieren. In Madagaskar beispielsweise wurde übermäßiges Abholzen mit der Enthauptung des Übeltäters auf dem Stumpf eines der von ihm gefällten Bäume bestraft.

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Das ist eine Sühne, die dem Verbrechen angemessen ist, und zugleich eine Rache. Es ist ein interessanter Kommentar der "Zivilisation", daß in den Vereinigten Staaten der Mann, der dieses Verbrechen begeht, einer unserer reichsten, mächtigsten und höchst geehrten Bürger wird! Um ihren Wäldern Perioden von dreißig Jahren zur Wiederherstellung zu geben, zwangen die eingeborenen Farmer des südwestlichen belgischen Kongo ihre Leute, neue Waldgebiete zu erschließen, trotz der enormen damit verbundenen Arbeit.

Die Pygmäen sind eifersüchtige Verteidiger des Waldes, und Randbewohner ihrer Gebiete, die sie als "Baumfresser" bezeichnen, werden von diesen stolzen kleinen Kriegern restlos eingeschüchtert. Die Belgier haben sich diese Haltung der Pygmäen zunutze gemacht, und sie als wirksame Hilfe zum Schutz ihrer Wälder eingesetzt. Der Bantu, ein nomadischer Waldzerstörer, wird sich nicht unterfangen, leichtsinnig in die Einflußsphäre der kleinen Pygmäen einzudringen.

Mit der Zerstörung der Vegetation ging natürlich die gleichlaufende Vernichtung einheimischer Tiere Hand in Hand. Elefanten, Nilpferde, Krokodile und verwandte Amphibien oder Halbamphibien und Vögel sind durch das Vorrücken der Sahara südwärts getrieben worden und haben dem eingeführten Kamel Raum gemacht. In vielen anderen Gebieten ist gleichfalls ein großer Teil der einheimischen Fauna verschwunden.

Wäre der Urwald auf der Grundlage selektiven Einschlags weise nutzbar gemacht worden, so könnte er wahrscheinlich großen Reichtum hervorbringen. Weniger durch die menschliche Zerstörung verletzbar als andere Waldgebiete, leidet er hauptsächlich durch die großen Lichtungen, die für landwirtschaftliche Zwecke angelegt werden; wo die Bodendecke verringert oder entfernt worden ist, öffnet sich der Boden dem zerreißenden Regen und den erschöpfenden Wirkungen der Sonne. Im ganzen aber neigt der Urwald durch die schweren Niederschläge dazu, sich selbst wiederherzustellen, wenn es auch außerordentlich lange dauert. Der größte Teil des Urwaldbodens muß vermutlich in die Klasse VII und VIII eingereiht werden.

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Das feuchte Waldland mit seinen drei bis vier trockenen Monaten im Jahr ist sehr viel empfindlicher. Das Feuer zerstört die Unterschicht und tötet die jungen Bäume. Unter der Mißhandlung des Menschen tendiert es zu einer langsamen Verwandlung in sogenannte "Baumsteppe", die der Savanne gleicht. Manche Baumarten sterben aus. (Ein ähnliches ökologisches Schema tritt im Hochland von Mittelamerika auf.) In dieser höchst unstabilen Umwelt entstanden durch die Höhenlage Lebensbedingungen, die für die Menschen außerordentlich günstig sind — unglücklicherweise, um Harroys Wort zu gebrauchen. Denn dadurch konzentrieren sie sich natürlich in diesen feuchten Gegenden, und die Resultate des Rodens und Brennens verschlimmern sich. Man behauptet, daß sich diese Waldart im nördlichen Ruanda längs der ganzen Nordgrenze stark verringert, und zwar mit einer Geschwindigkeit von mehr als einer halben Meile pro Jahr.

Die am ernstesten bedrohte Pflanzengemeinschaft auf dem ganzen Kontinent ist wahrscheinlich die Savanne. Sie gehört zu den gesündesten Wohngebieten für die menschliche Bevölkerung, sie ist am leichtesten nutzbar zu machen, ist fruchtbarer und reicher an Pflanzen und Tieren als die trockeneren Gebiete. Hier wird die intensivste Landwirtschaft getrieben, und die Degeneration der Savanne entspricht größtenteils der Bevölkerungsdichte. Unter geeigneter Bewirtschaftung wäre die Ertragsfähigkeit relativ hoch; die Übervölkerung aber setzt Kräfte in Bewegung, welche die gesunden Prinzipien der Bodennutzung verletzen, und dadurch eine rationale Erschließung unmöglich machen. Die lange Trockenheitsperiode von acht bis neun Monaten mit ihrem hohen Prozentsatz an Verdampfung steigert die Austrocknung und macht die Wiederherstellung einer schützenden Pflanzendecke nur noch schwieriger. In diesem Sinne ähnelt das Gebiet den degenerierenden Landstrichen von Guanacaste im Costa Rica der Neuen Welt.

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In den Steppen ist das Feuer etwas ganz Normales. Die Vegetation, die sich hier entwickelt hat, ist fähig weiterzubestehen — trotzdem alljährlich die Flammen darüber hingehen. Jahrtausendelang war hier ein ökologisches Gleichgewicht erreicht, das nur durch die Ankunft der Viehherden gebrochen wurde. In großen Teilen der Steppe — wenn nicht überhaupt in der ganzen Steppe, sind durch Überweidung die perennierenden Futterpflanzen zerstört; sie sind den einjährigen Pflanzenarten gewichen, die nicht viel Nährwert für das Vieh haben.

Jahrtausendelang haben hier, ebenso wie in der Savanne, die einheimischen großen Raubtiere millionenweise gelebt. Ihre Rudel gehörten zu einem vielfältig zusammengesetzten System der Beschränkung und des Gleichgewichts, das die einzelnen Arten davor bewahrte, überhandzunehmen. Wenn ihre Vermehrung die Ergiebigkeit der Wasserlöcher (die früher bestimmt viel reichlicher vorhanden waren) überschritt, so starben sie an Durst. Löwen und andere Fleischfresser hinderten die Steppenbewohner, unmäßig zuzunehmen, sonderten die Schwachen, die Alten, die Kranken aus. Die "Natur mit blutigem Fangzahn und blutiger Klaue" war eine gütigere Natur als die des modernen Menschen, der die unentbehrliche Umwelt so zerstört hat, daß keine Hoffnung auf Wiederherstellung besteht.

Das wenige Wasser, das auf diese dürftige Pflanzendecke fällt, geht in steigenden Mengen durch Abrinnen und Verdampfung verloren, und die Pflanzendecke verändert sich zugunsten dürreharter Arten, die für das Vieh kaum von Nutzen sind. In den schlimmsten Fällen ist die Pflanzendecke völlig verschwunden, und stellenweise liegt der nackte unfruchtbare Felsen bloß.

Auch im Gebiet der Vorwüste sind die Haustierherden hauptsächlich an der Degeneration der Pflanzendecke schuld. Nach dem Urteil vieler Wissenschaftler verdanken wir ihnen allein das Fortschreiten der Sahara mit seiner erschreckenden Halbmeilen­geschwindigkeit pro Jahr. Die wenigen Bäume, die überhaupt vorhanden sind, werden noch abgeschlagen, um in kalten Winternächten ein Lagerfeuer zu liefern. 

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Jedes bißchen Vegetation wird durch stampfende, grasende Tiere vernichtet, von denen die Ziegen am schlimmsten sind. Worthington sagt: "In derartig trockenen Gebieten werden häufig die Akazienbäume abgehauen, um die Kamele zu füttern." 

Die Südafrikanische Dürre-Forschungskommission erklärt: "Es ist ein Resultat der Bodenmißhandlung, daß nur kleine Mengen des niederfallenden Wassers von der Erde aufgesogen werden, während die größeren Wasservolumen durch Abrinnen verlorengehen; dieses Abrinnen hat den Punkt erreicht, wo die Fähigkeit des Bodens und der Pflanzendecke, der Dürre Widerstand zu leisten, scharf reduziert ist."

In Afrika hat ein Molekül Regenwasser, nachdem es heruntergefallen ist, mehr als 80% Möglichkeit durch Verdunstung oder Verdampfung in die Atmosphäre zurückzukehren. Die Zerstörung der Pflanzendecke ist unheilvoll für die Infiltration, und trägt natürlich in gleichem Maße zum Abrinnen bei.

Auf überweideten Gebieten kann (nach Jacks und Whyte) der Koeffizient des Abflusses von 0,5 auf 10-20% steigen. Das beschleunigt natürlich die Erosion. Unter dem tropischen Himmel Afrikas beträgt die Infiltration selten bis 10%. (In der nördlichen gemäßigten Zone sind 50% keine Seltenheit!) Ebenes Maisland in Pretoria verdunstet 66% seines Regens. Auf den Hängen verringert der Abfluß natürlich den Prozentsatz der Verdunstung. Je ärmer der Boden und je weniger schützender Humus vorhanden ist, um so intensiver ist die Verdampfung.

Fast auf dem ganzen afrikanischen Kontinent scheint der Wasserspiegel ständig zu sinken — ein Resultat des erhöhten Abflusses und der Verdunstung. In vormals bewaldeten Gebieten, wo ein Zoll Regen Bäche und Flüsse mehrere Wochen hindurch am Leben hielt, kann die gleiche Menge sie heute kaum vierundzwanzig Stunden speisen. Laws zählt zwanzig bedeutende Wasserläufe in einem einzigen Bezirk (Mombera in Njassaland), die seit Anfang dieses Jahrhunderts ihren permanenten Charakter verloren haben; sie sind entweder völlig verschwunden oder haben sich in unterbrochene Wasserläufe verwandelt. 

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Die Quellwasser des Nils, von denen die gesamte Landwirtschaft — ja die gesamte Wirtschaft Ägyptens abhängt, sind durch Entforstung und Verschlammung nahe den Quellen bedroht. Nach der Ansicht Lord Haileys fällt der Spiegel der Seen in Uganda beständig. Der Undursee im südlichen Lybien, der noch 1913 das ganze Jahr hindurch Wasser hatte, ist heute von März bis Juni vollkommen trocken — ein Resultat der Entforstung der Stromgebiete, die ihn speisen. Ähnliche Beispiele kann man für das ganze Gebiet längs der Südgrenze der Sahara anführen.

Durch die Störung des hydrologischen Systems sind natürlich weitgehend die Fische verschwunden, die ehemals in der Ernährung der primitiven Völker eine so bedeutende Rolle spielten.

Eine Begleiterscheinung der Degeneration der Pflanzendecke ist die zunehmende Beschleunigung der Erosion. Die vertikale Erosion schwemmt wesentliche Pflanzennährstoffe weg. Die Flächenerosion (in Afrika weit verbreitet) ist nur das Vorspiel zur Furchenerosion, der ,,Donga". Hornby schätzt, daß auf den Plateaus von Njassaland fünf bis zehn Millimeter Boden jährlich durch Flächenerosion verschwinden. In Kenya trug ein einziges Gewitter einen ganzen Zoll Mutterboden fort.

Große Teile von Afrika sind — was man nicht vergessen darf — trocken oder halbtrocken. Jacks führt aus: "Die Natur hat es so eingerichtet, daß dort, wo nicht das Wasser den Menschen für seine Unwissenheit und seine Missetaten bestrafen kann, der Wind die Rolle des Richters übernimmt." In Afrika tragen die trockenen Monate mit ihren berüchtigten heftigen Winden wahrscheinlich mehr Boden durch die Winderosion weg, als das Wasser in konzentrierten Regengüssen fortschwemmt. Stebbing berichtet aus Nigeria, daß die junge Saat der Mohrenhirse nachgesät werden muß, wenn der Regen nicht rechtzeitig einsetzt, um den Boden festzuhalten; der Wüstensand, der die junge Saat bedeckt, fliegt sonst fort. Aus diesem Grunde muß man in manchen Jahren bis zu zehnmal nachsäen!

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Aus der vorhandenen Literatur gewinnt man den Eindruck, daß Afrika einer der meist erodierten Erdteile ist. Der Belgische Kongo hat zu seinem Glück eine relativ geringe Bevölkerungsdichte, aber selbst hier finden wir beunruhigende Anzeichen, die seine Zerstörung verkünden. Der Schätzung nach wurden im Nordwesten über 500.000 Acker "brutal" entforstet. Im westlichen Belgisch-Kongo werden alljährlich 50.000 cbm Holz geschlagen — und es gibt keine Aufforstung! Auf vielen Wasserscheiden wird der Wald zurückgetrieben. Im ganzen nördlichen Belgisch-Kongo wird er abgeholzt und verbrannt, um Raum für mehr offenes — das heißt auch leichter verletzbares — Land zu schaffen. Auch im Kivubecken ist viel Wald vernichtet.

In Angola sind große Kaffeeplantagen tief in die Savanne eingedrungen; manche bestehen schon seit 1853. Jedes Jahr zerstört die einheimische Agrikultur mehr Gebiete des Übergangswaldes und der Savanne. In Oberbengo ist der Wald auf weiten Strecken verschwunden, und die Kulturen greifen immer tiefer ein in die Pflanzendecke eines von Natur aus armen, sandigen Bodens.

Im Gegensatz dazu hat in den nördlichen Provinzen von Nordrhodesien die einheimische Bevölkerung, die nur wenig Berührung mit den Europäern hat, ihre Lebensweise wenig verändert. Das Resultat davon ist, daß die bewaldeten Gebiete, in denen sie lebt, kaum Anzeichen von Entwertung aufweisen; dort findet man höchst selten eine Erosion, außer in einigen der westlichen Bezirke, wo sich die Eingeborenen durch weiterziehende Agrikultur ernähren. 

Im Süden ist diese Art der Landbestellung allgemein; der Wald wurde, besonders in der Nähe der Eisenbahn, vernichtet, um den Pflanzungen Raum zu geben; unter den örtlichen Klima- und Bodenbedingungen wäre eine lange Rastzeit erforderlich, um das Waldland dort wiederherzustellen, wo es zwei oder drei Jahre dem bodenerschöpfenden Ackerbau unterworfen war. Unglücklicherweise aber macht die Bevölkerungsdichte ein angemessenes Brachliegenlassen unmöglich; wenn das Land sich genügend erholen sollte, müßte jede Familie über hundert Acker besitzen. Auch hier finden wir wieder, daß die modernen Transportmittel — in diesem Falle die Eisenbahn — ein zweischneidiges Schwert sind, das hier wie in Lateinamerika mehr Schaden anrichtet als Nutzen schafft.

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Noch beunruhigender ist die Lage in Südrhodesien, wo die waldige Savanne durch die halbnomadische Kultur der Eingeborenen gefährlich zerstört ist. Um der Entartung der Vegetation Einhalt zu gebieten — (sie bedroht das ganze hydrologische System des Landes; in Maschonaland ist der Grundwasserspiegel erschreckend tief gesunken!) sind energische Maßnahmen ergriffen worden, und ein großer Teil der übriggebliebenen Wälder wurde unter Schutz gestellt. Das rechte Ufer des Sambesi ist verhältnismäßig nur kurze Zeit intensiv bebaut worden, aber die Erschöpfung des Bodens und die Flächenerosion haben Ausmaß und Wert der Landwirtschlaft immer zunehmend verringert. 

Das Fehlen der Tsetsefliege hat eine beträchtliche Entwicklung der Weidewirtschaft möglich gemacht, die meistens die normale Bodennutzung nach einer zerstörenden Agrikultur ist. Die Überzahl von Vieh aber hat die Degeneration der Pflanzenwelt fortgesetzt, so daß dieselbe jetzt der Erosion wenig Widerstand zu bieten vermag. Jahr für Jahr trägt in Maschonaland die Flächenerosion der Schätzung nach fünf bis sechs Zoll Mutterboden fort! In Matabeleland und den Eingeborenen-Reservaten ist die Furchenerosion bereits allgemein.

Außer Madagaskar und gewissen Teilen des französischen Äqiuatorialafrika ist Njassaland eines der Gebiete, wo die Vegetation in geradezu verblüffend kurzer Zeit beträchtlich gelitten hat. Um 1880 war der nördliche Teil des Njassa-landes reich bewaldet und bewässert; heute ist dieser ganze Wald von den eingeborenen Farmern zerstört — und der Busch, der ihm gefolgt ist, wird jedes Jahr niedergebrannt. Die intensive Erosion, die daraus entstand, hat die Pflanzendecke noch weiter entwertet, und stellenweise "soviel Mutterboden weggewaschen, daß Berge und Hügel jetzt nur nackte Felsmassen und ehemals bewaldete Ebenen vollkommen baumlos sind".4 

Wichtige Ströme, wie der Shire, sind jetzt mit Schlamm gefüllt.

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Die vielleicht wirksamste Aufforstungsarbeit auf dem dunklen Erdteil ist in der Südafrikanischen Union geleistet worden. Freilich war auch wohl in keinem anderen Gebiet die Notwendigkeit so kritisch geworden. 1923 faßte die Dürre-Forschungskommission in ihrem Bericht die Lage wie folgt zusammen:

  1. Diese Bodenerosion verbreitet sich rapide über viele Teile der Union.

  2. Außer der Rinnenerosion findet ein groß Teil Oberflächenerosion statt, sowohl durch Wasser wie durch Wind.

  3. Der Boden der Union, unser wertvollster Besitz, unersetzbar und im Umfang endgültig begrenzt, wird alljährlich in riesigen Quantitäten weggetragen.

  4. Ein großer Teil dieses Bodens und wertvolle Pflanzennährstoffe gehen auf immer verloren, und wenn die Überreste der erodierten Materie in Einzelfällen Nutzen bringen können, richten sie in anderen viel Schaden an.

  5. Erheblicher Schaden entsteht durch die erodierten Stoffe, wenn sie die Wasserreservoire mit Schlamm füllen; dadurch verursacht die Bodenerosion große Unregelmäßigkeiten in unseren Flußläufen, wodurch wieder die Kosten der Bewässerungsanlagen und der Nahrungsproduktion steigen.

  6. Die Bodenerosion verursacht eine merkliche Senkung im Grundwasserreichtum der Union, und damit steigende Schwierigkeiten beim Tränken der Herden.

  7. Die Bodenerosion ist durch die Reduktion der Pflanzendecke entstanden.

  8. Die Bodenerosion ist kumulativ und erhöht kraft der Gleichartigkeit von Ursache und Wirkung immer noch ihre eigene Zunahme, außer in wenigen begünstigten Teilen der Union.

  9. Sofortiges Handeln ist deshalb unerläßlich.

  10. Die Erosion ist hauptsächlich durch Entartung der Pflanzendecke entstanden, die eine Folge verkehrter Ackerbehandlung ist; jeder Versuch, die Ackerbewirtschaftung zu verbessern, wird einen wohltuenden Einfluß auf die Vegetation haben.5.

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Auch der Oranjefreistaat, der noch vor weniger als hundert Jahren als üppige Prärie geschildert wird, leidet heute an zunehmender Ausdörrung. Jedes Jahr suchen ihn Sandstürme heim, besonders in den westlichen Bezirken. Dieselbe Lage finden wir im westlichen Transvaal, wo die trockenen Steppen, die sich an die Vorwüste der Kalahari schließen, ein leichtes Opfer der Winderosion sind, sobald ihre Pflanzendecke einmal degeneriert. 

Dieser Punkt, den M. Harroy stark betont, ist von größter Wichtigkeit. Zu wenige Menschen — selbst unter denen, die auf der offenen Weide leben — erkennen heute, daß der Erosionsprozeß bereits begonnen hat, und zwar, wie Dr. Shantz ausführt, mit der ökologischen Degeneration der Pflanzendecke, selbst wenn die tatsächliche Zerstörung derselben noch um einige Jahre in der Zukunft liegt. Es ist eine allgemein unerkannte ökologische Passivität eingetreten, die schwer zu kontrollieren ist, wenn sie einmal ihren Anfang genommen hat.

Im östlichen Teil der Union, in den dicht bevölkerten Eingeborenen-Protektoraten, wo sich die Schafzucht und der Weizenanbau in den letzten vierzig Jahren beträchtlich entwickelt haben, ist die Flächenerosion und die Furchenerosion ganz allgemein. Dreiviertel des gesamten Zululandes sind angegriffen, während sich in Basutoland (einem Gebiet mit steilen Hängen und Quellen bedeutender Wasserläufe) die örtliche Verwaltung ungeheuer ernsten Schwierigkeiten gegenüber sieht.

Südafrika steht vor einem Problem, das dem unseres Navajoreservates vergleichbar ist, aber hier haben sich die Verwicklungen um das Hundertfache vergrößert.

Das Tanganjika-Territorium besitzt zwei Vorteile — seine niedrige Bevölkerungszahl und seine Schlafkrankheit. Erstere mit nicht einmal sechs Einwohnern pro Quadratkilometer hat natürlich den Druck auf den Boden hintangehalten. Es gibt zwar etwas Überweidung, aber die Kolonie scheint mit ungewöhnlicher Klugheit verwaltet zu werden. Diese kluge Verwaltung wird sehr unterstützt durch die Schlafkrankheit, welche Überweidung wie Übervölkerung verhindert.

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Ökologisch unwissende Sanitätsleute, Entomologen und Ärzte machen jetzt zweifellos mit DDT oder anderen Insektengiften einen Flankenangriff auf die Tsetsefliege. Die Umwelt von Tanganjika ist unstabil und wird — wenn man den Boden nicht umsichtiger behandelt als in den meisten Teilen der Welt — wahrscheinlich innerhalb verhältnismäßig weniger Jahrzehnte auf einen der Südafrikanischen Union vergleichbaren Zustand herabsinken. Verbände, die sich genötigt sahen, DPs wieder anzusiedeln, haben sehnsüchtige Blicke nach dem Territorium von Tanganjika geworfen. Es wäre zu hoffen, daß sie, ehe sie weitere Schritte unternehmen, sorgfältig seine begrenzte Ertragsfähigkeit prüfen.

Manche Verfasser meinen, daß Kenyas größtes Problem heute die Erosion ist. Während das Land früher großenteils mit Urwald bedeckt war, sind heute davon nur 2% übriggeblieben. Um 1910 haben die Kikujus Hunderte von Quadratmeilen Wald vernichtet, ehe es überhaupt möglich war, ihnen Einhalt zu gebieten. Die Wüste von Turkana, südöstlich des Rudolfsees, marschiert mit einer Geschwindigkeit von sechs Meilen pro Jahr. Im Jahre 1909 reiste A. M. Champion östlich von Nairobi durch ein üppig grünes Gebiet; einundzwanzig Jahre später fand er es ausgedörrt, von seinen Bewohnern verlassen und zum minderwertigen Busch degeneriert, dessen überwiegende Baumart die Akazie war — charakteristisch für die Halbwüstensteppe. 

Baumwolle, Mais und Kaffee, oft auf Hängen von 7% angebaut, haben so starke Erosion verursacht, daß viele Pflanzer infolge der gesunkenen Erträge gezwungen waren, ihr Land zu verlassen. Gute Erde aus dem Mount Kenjagebiet trübt die Wasser des Indischen Ozeans etwa dreißig Meilen um die Mündung des Tanaflusses. Der Boden der Eingeborenenreservate ist häufig höchst zerreibbar und bietet den Naturkräften wenig Widerstand. Das große Reservat Kamba im südöstlichen Kenya ist auf 37% seiner Fläche bis zum Unterboden erodiert. Die nördlichen Reservate von Turkana und Suk sind von Sandstürmen heimgesucht, die von Jahr zu Jahr heftiger werden; die Bewohner des Kamasiareservates wurden durch Hunger und Elend aus ihren Heimen vertrieben.

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Im französischen Äquatorialafrika haben die Eingeborenen mit ihrer Abholzung sogar im Urwalde große Lichtungen geöffnet; durch Feuer verhindern sie die Wiederherstellung der Vegetation. Die Degeneration dieser Pflanzendecke ist derartig, daß Lecointe sie wie folgt beschreibt: "Im äquatorialen Walde selbst — in Gabun und Mittelkongo — ist das Gebiet der Savanne stellenweise so ausgedehnt, daß man daraus schließen kann, unter dem Äquator besteht die Formation aus echten sandigen Kleinwüsten." 

In der bewaldeten Savanne, wo die französische Kolonialverwaltung kommerzielle Agrikultur (Plantagen) eingeführt hat, ist die Zerstörung einfach erschreckend. Jedes Jahr vernichtet das Feuer über Hunderttausende von Ackern der Savanne und des Waldlandes. Manche Bezirke von Ubangi-Shari gehören "ganz ohne Zweifel" zu den Teilen Afrikas, wo die Pflanzendecke am heftigsten angegriffen wurde. Diese Vernichtung der Vegetation hat natürlich großen Einfluß auf die Fruchtbarkeit des Bodens. Im Territorium von Chad haben Wind- und Wassererosion geradezu Katastrophen angerichtet.

Der südliche Teil des Territoriums hat ein ähnliches Schicksal erlitten wie Ubangi-Shari. Im Gebiet von Ere "verwandelt jedes Gewitter den Boden in eine schlammige Flüssigkeit, die auf die niedriger gelegenen Hügel herunterströmt ... solange die neue Vegetation weder dicht noch schwer genug ist, um ihre Rolle als Schützerin gegen die Wassererosion zu spielen".

Im südöstlichen Nigeria, einer relativ bergigen Gegend, ernährt und wärmt sich die dichte Bevölkerung auf Kosten des Hochlandwaldes. Als Resultat davon hat die Erosion in vielen Abschnitten eingesetzt, und ist jetzt eine ernste Bedrohung für die Agrikultur des Landes. Hundert Fuß tiefe Erdrisse sind heute nicht ungewöhnlich, und die Flächenerosion tritt ganz allgemein auf. Das Tal des unteren Niger und das Delta, ehemals von Wald bedeckt, sind schwer entwaldet worden.

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Und weiter westlich nach der Küste zu ist in der Provinz Ondo die Degeneration der Walddecke sogroß, daß es (nach W. MacGregor) geradezu schwierig ist, ein Stück Urwald zu finden, das noch groß genug ist, um darauf ein Forstschutzgebiet anzulegen. Im äußersten Westen, wo allgemein Kakaoplantagen angelegt sind, sieht man die Folgen der Entwaldung am fortschreitenden Austrocknen sowohl des örtlichen Klimas wie des Unterbodens. In der Mitte des Landes ist die Vegetation fast überall entartet und hat die Form des "gemischten laubabwerfenden Waldes" angenommen. Man rechnet damit, daß die nördlichen und östlichen Ränder dieses großen zentralen Waldgebietes unter dem Druck der Bevölkerung alljährlich um mehr als eine halbe Million Acker zurückgeschoben werden.

Im Norden, wo ein überraschend schmaler Gürtel den Wald von der Halbwüste trennt, wird die Landwirtschaft extensiv betrieben, und wiederholtes Abbrennen ist an der Tagesordnung. Wie zu erwarten ist, degeneriert die Vegetation rapid, und die Wüste marschiert.

In Französisch-Ostafrika, nahe dem Meer, wo die europäische Besiedlung schon auf eine lange Geschichte zurückblickt, ist der Wald (gleichviel ob trockener oder Regenwald) nur wenig gegen das Eindringen des Ackerbaus geschützt. An der Elfenbeinküste benötigt (nach Schätzung von A. Chevalier) ein Dorf von zweihundert Einwohnern siebentausend Acker Wald, wenn es ausreichendes Gebiet I haben soll, um die erforderlichen Brachen durchzuführen. Die Bevölkerungsdichte macht das mehr und mehr unmöglich, und die Wälder werden fortschreitend zerstört wie im südlichen Nigeria. Noch dazu haben sich während eines Vierteljahrhunderts die Plantagen für Kakao, Kaffee, Gummi und Bananen beständig vergrößert; jetzt unterliegen sie einer weitgehenden Verarmung ihres Bodens, auf dem die Flächen- und Erdrißerosion schon ganz allgemein geworden ist.

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Eine innere Dynamik treibt die Geschichte Afrikas seit dem Einbruch der europäischen Welt unentrinnbar wie in der griechischen Tragödie einem furchtbaren Schicksal entgegen. Einer höchst ungünstigen Umwelt mit geringer Ertragsfähigkeit wurde eine zunehmende Degeneration der Pflanzenwelt aufgezwungen; hinzu kamen steigende Verluste an dem so verzweifelt notwendigen Wasser, und ständig schwerer werdende Bodenerosion, woraus sich wieder eine weitere Verschlechterung der Umwelt ergab. 

Mit dem Verständnis des Ökologen versteht man leicht, warum man den schwarzen Erdteil <Das sterbende Land> nennt.

Der Europäer hat in Afrika zeitweilig die malthusianischen Hemmungen aufgehoben. Er hat die Fehden der einzelnen Stämme unterdrückt, die Raubtiere vernichtet, genug Nahrung ins Land gebracht, um die Hungersnöte unwirksam zu machen — aber er hat keine konstruktiven Maßnahmen eingeführt, um die Zerstörung der alten Ordnung auszugleichen.

Von der Sahara bis zur Südafrikanischen Union waren die Bewohner Afrikas viele Jahrhunderte lang Farmer und Landwirte. Sie lebten im Gleichgewicht mit ihrer Umwelt, nicht anders als der tropische Wald. Die Verbindung mit der modernen Welt jedoch hat dieses Gleichgewicht zerstört, und nur ein eigensinniger und absichtlich blinder Optimist könnte versuchen vorauszusagen, wann es wiederhergestellt werden kann.

Die Agrikultur in Afrika hat überwiegend einen wandernden Charakter. Wie Lord Hailey sehr klug ausführt, ist das "weniger eine barbarische Maßnahme, als eine Konzession an den Charakter des Bodens, der lange Perioden zu seiner Erholung und Wiederherstellung braucht". Diese Perioden, die dazu erforderlich sind, das Land wieder fruchtbar zu machen, dehnen sich in manchen Gegenden bis zu fünfzig Jahren aus; aber die Politik der europäischen Kolonisatoren neigte dazu, solche Rastperioden immer mehr zu verkürzen, wenn nicht überhaupt aufzuheben. Nicht endende Propagandafeldzüge haben das ihre dazu beigetragen, die landwirtschaftliche Produktion zu steigern.

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Im belgischen Kongo sieht man eine der darauf erfolgten Reaktionen: Im Jahre 1927 mußte das Land 10.000 Tonnen Mais und Maismehl importieren, um seine Arbeiter zu ernähren. 1938 importierte es fast 24.000 Tonnen. Mais ist bekanntermaßen die Feldfrucht, die der Erosion am meisten Vorschub leistet. Und nun ist dieser <Tyrann von Mexiko> auch in Afrika eingeführt, wo er, wie in der Neuen Welt, in immer wachsendem Maße das Land herunterreißt. Die sich im Ertrag gleichbleibende Agrikultur ist durch die kommerzielle Agrikultur ersetzt. Millionen von Nichterzeugern, die heute in Afrika leben, haben einen Markt für die Produktion des eingeborenen Farmers geschaffen. Noch zerstörender wirkte das Anwachsen der europäischen Märkte, die zugleich mit Kakao und Kaffee nicht nur die Fruchtbarkeit, sondern sogar die Substanz des Bodens gekauft haben.

Nicht selten waren harte Zwangsmaßnahmen der Ansporn dazu, gutverkäufliche Feldfrüchte anzubauen. Man verlangte von den Eingeborenen, ihre Steuern in Farmprodukten zu zahlen, und erlegte in vielen Gebieten den Farmern sozusagen Zwangsarbeit auf ihrem eigenen Boden auf. Man darf nicht vergessen, daß dieses gesamte Wirtschaftssystem einem primitiven Volke aufgezwungen wurde, das sorglos und fatalistisch war und an den Methoden seiner Voreltern klebte. Weiterwandernde Bewirtschaftung bringt niedrige Ertragsfähigkeit, da der Boden den größten Teil der Zeit ruhen muß. Läßt man ihn nicht genügend brach liegen, so zerstört man ihn, wie das mit Millionen Ackern afrikanischen Landes geschehen ist, und die Ertragsfähigkeit wird noch tiefer heruntergedrückt.

Derselbe Mechanismus, der das bestehende System der afrikanischen Agrikultur gebrochen hat, war bei den Weidemethoden der Eingeborenen am Werk. Das Land wurde knapper; man legte dem Nomaden scharfe Beschränkungen auf, als weniger Land verfügbar wurde; dennoch vermehrten sie ihre Herden unmäßig. Die Kolonisation hat den Eingeborenen ein Gefühl der Sicherheit gegen den Viehraub gegeben, und ihre Gewohnheiten der normalen Weidebewirt­schaftung grundlegend verändert.

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Die Zunahme der Bevölkerung hat, besonders in manchen Gegenden, auch die Zahl der Viehzüchter vermehrt. In Basotuland waren zum Beispiel 1898 nur 256.000 Viehzüchter; 1931 gab es 570.000! Die natürlichen Hilfsquellen an Protein und Fetten — die sich die Eingeborenen früher durch Jagen und Fischen verschafften — haben erheblich nachgelassen, und zwar gerade in der Zeit, als die Lebensbräuche der Schwarzen eine wachsende Tendenz nach diesen Stoffen annahmen.

Und schließlich hat der Eingeborene mit seinem vergrößerten Reichtum, der von seinem Kontakt mit dem weißen Mann herrührte, fast immer versucht, diesen Reichtum auch zur Schau zu stellen, und zwar auf die Art, die ihm am vertrautesten war: im Besitz von Vieh. 

Harroy berichtet, daß man in Kenya versuchte, die Viehzüchter dahin zu bringen, ihre Herden in Bargelddepots in den Postsparkassen zu verwandeln, wo dieses Geld ihnen 2% bringen würde; die Eingeborenen antworteten ganz logisch, daß sie es bei weitem vorzögen, ihre Ersparnisse in Kühe und Ziegen umzuwandeln, deren Vermehrung ihnen einen weit höheren Prozentsatz als den der Sparkasse bringen würde. Der Schwarze fragt nicht danach, ob diese Wahl eine parallele Zerstörung seines Kapitals mit sich bringt, das nicht nur aus Vieh, sondern auch aus Weideland, Wasserlöchern und Fruchtbarkeit besteht. 

Wenn schon der amerikanische Viehzüchterverband diese Haltung einnimmt, so dürfen wir den afrikanischen Eingeborenen kaum dafür tadeln, zumal wir ihn für den Unwissenderen halten. Der eingeborene Viehzüchter ist natürlich in bezug auf die Biologie seines Viehs ebenso unwissend wie in bezug auf die Umwelt. Wie der peruanische Indianer, der seine größten Kartoffeln und Ähren verkauft und nur die schlechteste Ware zur Saat behält, bringt auch der eingeborene Viehzüchter häufig seine besten Stücke Vieh zum Schlachthaus. 1937 ist dieser Brauch im Kongo so gefährlich geworden, daß die belgischen Behörden gezwungen waren, sich einzumischen, um wenigstens die besten Zuchttiere zu retten.

Neben diesem ziemlich makabern Bild steht noch die nichts weniger als befriedigende Skizze der demographischen Lage. In Afrika sind, wie in vielen Teilen der Welt, keine wirklich vollkommen zuverlässigen Daten und Zahlen zugänglich. Lord Hailey ist der Ansicht, daß die Bevölkerung sich nur langsam vermehrt, wenn sie sich überhaupt vermehrt. Das US-Staats-Departement jedoch, das vielleicht bessere Möglichkeiten hat, sich in Besitz bestimmterer Zahlen zu bringen, konstatiert, daß die Bevölkerung Afrikas zwischen 1936 und 1946 von 151 auf 173 Millionen gestiegen sei. Nach bestem Wissen und Gewissen schätzt es die zukünftige Bevölkerung um 1955 auf 191 Millionen.

Bei der kolonialen Landbewirtschaftung, die für Exportprodukte ausgewertet wird, darf man nicht nur mit der bloßen Einwohnerzahl eines Gebietes rechnen. Frankreich, Belgien und England werden bestimmt fortfahren, aus dem afrikanischen Boden Nutzen zu ziehen. Angesichts der schwierigen ökonomischen Lage, in der sich mindestens zwei dieser Länder befinden, werden sich die Anforderungen, die sie stellen, noch steigern. 

Wenn also nicht ein welterschütternder ökonomischer Zusammenbruch erfolgt, der die Anforderungen an die Ertragsfähigkeit vermindert, wird Afrika 1955 weit mehr als 191 Millionen Menschen zu ernähren haben. Die Nachfrage steigt im gleichen Maße, wie die Mittel, sie zu befriedigen, sich verringern.

 Es ist sonnenklar, daß Afrika sich aus dem Trauerzuge Asiens, Australiens und Lateinamerikas nicht ausschließen kann. 

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 William Vogt   Road to Survival   Die Erde rächt sich   1948

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