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  Teil 1   Einleitung  

 

Es ist nicht genug zu wissen, man muß auch anwenden; 
es ist nicht genug zu wollen, man muß auch tun.
Johann Wolfgang von Goethe 

 

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Die Klimageschichte der Erde ist durch eine große Anzahl von natürlichen Klimaschwankungen gekennzeichnet. So wechselten allein über den geologischen Zeitraum der vergangenen 2 Millionen Jahre rund 20 Eis- und Warmzeiten miteinander ab. 

Wir haben aber auch eindeutige Befunde, z.B. durch jahres­zeit­liche Ablagerungen in Mooren, Seen oder Jahresringen von Bäumen, die, gemessen an den Maßstäben eines Menschenalters, auf ganz abrupte Klima­änderungen hinweisen (Flohn, 1978).

Ein bekanntes Beispiel einer abrupten Abkühlung stammt aus der Lüneburger Heide. Dort konnte Müller (1974) nachweisen, daß vor 300.000 Jahren ein Wald, der einem wärmeren Klima entsprach, innerhalb von nur 30 Jahren verschwand und durch einen arktischen Birkenwald ersetzt wurde.

Aber auch abrupte Erwärmungen sind bekannt. So wurde nach den Untersuchungen von Coope (1977) in Mittelengland am Ende der letzten Eiszeit in nur 50 Jahren eine subarktische Käferfauna durch eine warmgemäßigte Fauna verdrängt, was auf eine Zunahme der Juli-Temperatur um 8 bis 9 °C schließen läßt. 

Was in der Vergangenheit möglich war, kann sich auch in Zukunft wiederholen.

In jüngster Zeit ist noch ein zusätzlicher Einflußfaktor ins Spiel gekommen, der das delikate Gleichgewicht der Kräfte, die das globale Klima bestimmen, stören kann. Die Aktivitäten des Menschen haben Größenordnungen erreicht, die das Klima im lokalen, und z.T. auch im regionalen Bereich, beeinflussen können. Es besteht begründeter Verdacht, daß das "geophysikalische Experiment" (Revelle und Suess, 1957) auch schon globale Ausmaße angenommen hat, die in wenigen Jahrzehnten zu nachweisbaren Klimaänderungen führen, und es besteht die Befürchtung, daß diese Änderungen dann für menschliche Zeitmaßstäbe irreversibel sein können.

Hauptursache ist der rapide Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre durch die Verfeuerung fossiler Brennstoffe (Kohle, Öl, Gas), die Abholzung großer Waldgebiete und die dadurch ausgelöste Zunahme der Bodenoxidation. Dabei wird das CO2 schneller in die Atmosphäre eingegeben, als es von den natürlichen Senken aufgenommen werden kann. Die Kettenreaktion dieses Experiments führt dann über den CO2-Anstieg zu einer verstärkten Absorption der Wärmeenergie (Treibhaus-Effekt) und damit zur Aufheizung der unteren Atmosphäre. Das wiederum führt zu ganz unterschiedlichen regionalen und jahreszeitlichen Veränderungen des Klimageschehens, was schließlich bei der zunehmenden Weltbevölkerung zu ernstzunehmenden Engpässen in der Nahrungsmittel- und Energieversorgung führen kann. 

Darüberhinaus spielen noch andere Gase, Aerosole, Landnutzungsänderungen und z.T. auch Abwärme eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Klima­beeinflussung. Der Gesamteffekt aller dieser Faktoren kann das globale Klima ernsthaft gefährden. Die daraus resultierenden Folgen machen damit das CO2/Klima-Problem* zu einer zentralen Frage des Zusammenlebens der Menschen und des Überlebens der Menschheit.

* Diese Kurzform schließt von jetzt an immer die anderen Effekte mit ein.


Es ist wichtig, sich gleich zu Beginn dieses Buches darüber im klaren zu sein, daß die bisher gemachten Aussagen und auch die folgenden Darstellungen auf einem Kenntnisstand mit erheblichen Wissenslücken beruhen. So können wir zwar die Klimaänderungen der Vergangenheit nachweisen und recht gut datieren, aber die genauen Ursachen ihrer Entstehung kennen wir nicht. Wir wissen auch, daß Klimaänderungen in unterschiedlichen Zeitperioden recht abrupt und regional sehr differenziert auftreten können, aber auch hier können wir nicht exakt vorhersagen, wann und wo sie auftreten. Auch den Einfluß des Menschen auf das globale Klima, das "Signal", können wir z.Z. noch nicht nachweisen, weil es wegen der gegenwärtig noch geringen Größenordnung im "Rauschen" der natürlichen Klimaschwankungen liegt. Der dämpfende Effekt des Ozeans zögert ein Erkennen um Jahrzehnte hinaus.

Wir befürchten daher, daß zu dem Zeitpunkt, an dem wir eine anthropogene Wirkung auf das Klima einwandfrei nachweisen können, das von uns eingeleitete Experiment dann schon zu weit fortgeschritten ist, um es noch aufzuhalten. Und schließlich müssen wir immer wieder die Erfahrung machen, daß Klimavariabilitäten und Klimaanomalien drastisch und verhängnisvoll in das gesellschaftspolitische Geschehen einzelner Regionen eingreifen. Gegenwärtig sind wir aber noch nicht in der Lage, über die Auswirkungen zukünftiger Klimaänderungen auf die unterschiedlichsten Gesellschaftsbereiche gesicherte quantitative Aussagen zu machen.

Aus der Tatsache, daß diese vielen Wissenslücken gegenwärtig noch bestehen, darf aber nicht der falsche Schluß gezogen werden, daß kein Grund zur Besorgnis bestehe. Das Gegenteil ist richtig, denn ungesichertes Wissen schließt ja immer die Möglichkeit des Irrens in beide Richtungen ein. In einer solchen Lage ist eine differenzierte Vorgehensweise angebracht: Durch intensives Bemühen werden die Wissenslücken weiter verringert, aber das vorhandene Wissen muß schon zur gleichzeitigen Einleitung von Vorsorgemaßnahmen, quasi als Sicherheitsventil, eingesetzt werden.

 

Diese Vorgehensweise kommt auch in der feierlichen <Schlußerklärung der Weltklimakonferenz> zum Ausdruck, die 1979 in Genf von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO, 1979) in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Vereinigungen abgehalten wurde. Von den rd. 400 versammelten Fachleuten aus den unterschiedlichsten Wissensgebieten erging folgender <Aufruf an alle Nationen>:

Aufgrund des allgegenwärtigen Einflusses des Klimas auf die menschliche Gesellschaft und fast alle Bereiche menschlicher Betätigung hält es die Konferenz für dringend geboten, daß die Nationen dieser Welt 

  • vollen Nutzen aus den gegenwärtigen Kenntnissen des Menschen über das Klima ziehen;

  • Schritte unternehmen, diese Kenntnisse entscheidend zu verbessern; und

  • alles versuchen, um vom Menschen verursachte mögliche Klimaänderungen, die das Wohlergehen der Menschheit beeinträchtigen können, vorherzusehen und zu vermeiden.

Diktion und Struktur dieses Buches spiegeln diese Vorgehensweise wider. So werden zunächst in Kapitel II mit Hilfe der vorhandenen Kenntnisse die klimatischen und in Kapitel III die gesellschaftspolitischen Grundlagen zum besseren Verständnis der Ursachen des CO2/Klima-Problems gelegt. In Kapitel IV werden dann die relativen Größenordnungen der verschiedenen menschlichen Einflußfaktoren und die dadurch ausgelösten Klimaeffekte, unter Berücksichtigung aller durch das unsichere Wissen erforderlichen Vorbehalte, erfaßt. 

Da die Ergebnisse eine ernstzunehmende Klimabeeinflussung nicht ausschließen, folgt in Kapitel V als nächster logischer Schritt die Abschätzung der Größenordnung der möglichen Auswirkungen in den verschiedenen Sektoren unserer Gesellschaft. 

Die noch nicht im einzelnen überschaubaren aber wahrscheinlich doch schwerwiegenden Folgen für die Gesellschaft einerseits und Wirtschaftlichkeitserwägungen andererseits lassen es zweckmäßig erscheinen, schon jetzt die in Kapitel VI ausgewählten Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung eines CO2/Klima-Problems einzuleiten. 

Im abschließenden Kapitel VII wird aufgezeigt, daß die Verminderung des CO2/Klima-Risikos, bzw. die Vermeidung des CO2-Klima-Problems eine Neuorientierung erfordert, wobei vor allem in der Energie- und Wirtschaftspolitik neue Akzente gesetzt werden müssen. 

Dabei wird deutlich, daß das CO2-Klima-Problem kein unabwendbares Schicksal ist, sondern daß der Mensch die Steuerungsmöglichkeiten hat, die gewünschte zukünftige Richtung mitzubestimmen.

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