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I. Die Zerstörung der Erdatmosphäre und die Folgen 

Klimatische Veränderungen in Vergangenheit und Gegenwart

Von Bert Bolin

 

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Wir wissen, daß sich das Klima der Erde auch in der Vergangenheit immer wieder geändert hat. Dies wird auch in Zukunft so sein. Die letzte Eiszeit, die vor 8000 bis 10.000 Jahren geendet hat, bildete zusätzlich zu der heute noch existierenden Eisdecke über Grönland zwei weitere: Eine bedeckte das nördliche Europa bis hinunter nach Norddeutschland, eine andere lag über Kanada, und beide waren bis zu 3 Kilometer dick.

Wir wissen ebenfalls, daß diese Eiszeit, genauso wie verschiedene andere während der letzten 2 Millionen Jahre, von Veränderungen in der Menge der Sonnenstrahlen, die die Erde erreichen, ausgelöst wurde. Das wiederum beruht auf der wechselnden Charakteristik der Erdbahn um die Sonne.

Es erscheint sehr plausibel, daß wir uns einer neuen Eiszeit nähern. Wir wissen aber nicht, ob die Gletscher in 5000 oder 10.000 Jahren wieder zu wachsen beginnen. In geologischer Hinsicht sind diese Veränderungen bereits sehr schnell; sie erscheinen aber langsam im Vergleich zur Entwicklung der menschlichen Kultur auf der Erde. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, sich darüber klar zu werden, daß die gesamte Entwicklung der modernen Gesellschaft von den primitiven Kulturen der Steinzeit vor 5000 Jahren bis in die heutige Phase in der gegenwärtigen Zwischeneiszeit geschehen ist. 

Im natürlichen Klimazyklus würde es mindestens ebensolange dauern, bevor sich die nächste Eiszeit höchst wahrscheinlich in den nördlichen Breitengraden der Nordhemisphäre etablieren wird. Die Geschwindigkeit jedoch, mit der die Menschheit heutzutage die Zusammensetzung der Erdatmosphäre ändert, läßt befürchten, daß der Mensch damit eine weitaus schnellere Veränderung des Klimas erzeugt.

 

   

Abbildung 1: 

Die weltweite durchschnittliche
Oberflächentemperatur
während der letzten 100 Jahre
nach 
James Hansen und Mitarbeitern,
Goddard Institute for Space Studies, New York, N.Y.

 

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Seit dem letzten klimatischen Optimum vor ungefähr 6000 Jahren ist die durchschnittliche Erdtemperatur sehr langsam und unregelmäßig bis vor ein paar hundert Jahren gesunken. Im letzten Jahrhundert ist das Klima jedoch wieder wärmer geworden. Abbildung 1 zeigt, daß sich seit dieser Zeit die Durchschnitts­temperatur um ungefähr 0,7 Grad Celsius erhöht hat. Darüber hinaus wird deutlich, daß irreguläre, ungewöhnliche Variationen von einem Jahr sowie in Zeiträumen von einem oder mehreren Jahrzehnten in der Klimaentwicklung stattgefunden haben.

Ebenso wichtig ist es darauf hinzuweisen, daß die vier wärmsten der letzten hundert Jahre in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts liegen. Ein Teil dieser aufsteigenden Temperaturtendenz kann von natürlichen Variationen verursacht sein, aber es ist einsichtig, daß ein signifikanter Anteil dieser Veränderungen von der Menschheit verursacht wird. Diese Vermutung basiert auf Messungen, wonach die Konzentration einer bestimmten Anzahl von Spurengasen in der Atmosphäre angestiegen ist, sowie auf der Tatsache, daß diese Spurengase die Strahlungsbilanz zwischen der Erde und dem Weltraum beeinflussen.

 

   1. Die Strahlungsbilanz der Erde   

 

Die Temperatur um die Erdoberfläche wird durch ein Gleichgewicht zwischen der einfachen Strahlung einerseits und der Ausstrahlung an Infrarot, der Wärme­strahlung zurück in den Weltraum, andererseits aufrechterhalten. Auf ihrem Weg durch die Atmosphäre wird jedoch ein Teil der zurückgestrahlten Infrarotstrahlung durch natürliche Atmosphärenbestandteile wie Wasserdampf, Kohlendioxyd, Methan, Distickstoffoxyd und Ozon absorbiert und sowohl nach oben wie nach unten erneut ausgestrahlt. Dadurch wird ein Teil der Energie in der Atmosphäre zurückgehalten und eine höhere Temperatur erzeugt, ohne daß die Erde mehr Energie verliert, als sie durch Sonnenstrahlung erhält. 

Die Atmosphäre wirkt in einer ähnlichen Weise wie das Glas in einem Gewächshaus und dementsprechend wird dieser Effekt häufig auch als "Treibhaus­effekt" der Atmosphäre bezeichnet. Ohne die natürlich vorkommenden Treibhausgase wäre das Klima auf der Erde ungefähr 35 Grad Celsius kälter, als es jetzt der Fall ist. Falls jedoch die Konzentration der klimawirksamen Gase ansteigt, nimmt die Durchschnittstemperatur weiter zu.

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Abbildung 2: Die Kohlendioxydkonzentration der Atmosphäre während der Periode 1750 bis 1980. Dreiecke und Kreise zeigen Messungen aus Luftblasen im Gletschereis (H. Oeschger und Mitarbeiter, Universität Bern, Schweiz). Seit 1957 sind genaue Direktmessungen auf dem Mauna Loa in Hawaii durchgeführt worden, die ebenfalls angegeben sind (C.D. Keeling, Universität Kalifornien, La Jolla, Kalifornien).

 

  2. Steigende Konzentration atmosphärischer Treibhausgase  

 

Der Gehalt der Atmosphäre an Kohlendioxyd ist von ungefähr 280 ppm vor ca. 200 Jahren auf heute rund 350 ppm gestiegen (Abbildung 2). Dies liegt in erster Linie an dem ansteigenden Verbrauch fossiler Brennstoffe zur Energiebereitstellung, d.h. von Kohle, Öl und Gas. Es ist eine Tatsache, daß rund 85% der Energie, die von der Menschheit verbraucht wird, aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe stammt und daß rund 200 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in der Form von Kohlendioxyd seit Beginn der industriellen Revolution in die Atmosphäre freigesetzt worden sind. Gleichzeitig haben größere Veränderungen in der Landnutzung stattgefunden. 

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Die Landwirtschaft, die vor einigen Jahrhunderten nur rund 2% der Landoberfläche in Anspruch genommen hat, nutzt heute rund 10% der zur Verfügung stehenden Flächen. Bewaldete Gebiete und Grasland wurden und werden in Ackerboden umgewandelt, was zu einem erhöhten Abbau von organischem Material in den Böden und zur Verbrennung großer Mengen Holz geführt hat. Schätzungen beziffern die Nettomenge, die auf diesem Weg als Kohlendioxyd in die Atmosphäre freigesetzt worden ist, auf 100 bis 200 Milliarden Tonnen Kohlenstoff.

Nur zwischen 40 und 50% dieser CO2-Emissionen sind in der Atmosphäre geblieben, denn die Ozeane sind fähig, Kohlendioxyd zu lösen. Sie bilden ein sehr großes Reservoir an Kohlendioxyd, dennoch ist ihre Kapazität zur Absorption von Kohlendioxyd begrenzt. Zwar erreicht die Meeresoberfläche relativ schnell, d.h. innerhalb weniger Jahre, ein Gleichgewicht mit höheren atmosphärischen Konzentrationen, aber die schrittweise Erneuerung des Oberflächenwassers durch einen Austausch mit tieferen Wasserschichten braucht einige hundert Jahre im Atlantik, und sogar rund 1000 Jahre im Pazifik. Nur ein begrenzter Teil der Weltozeane ist deshalb bisher als Speicher für das zusätzliche, in die Atmosphäre freigesetzte Kohlendioxyd verfügbar gewesen.

Während des letzten Jahrzehnts wurde darüber hinaus erkannt, daß die Konzentration anderer Treibhausgase in der Atmosphäre ebenfalls in Folge menschlicher Aktivitäten ansteigt:

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  3. Vom Menschen verursachte Klimaveränderungen  

 

Diese genannten Fakten sind belegt und nicht mehr kontrovers. Schwieriger jedoch ist die Vorhersage, wie sich diese fortlaufenden Veränderungen in der atmosphärischen Konzentration auf das Klima der Erde auswirken. Dazu wurden komplexe Computermodelle des Klimasystems entwickelt, um die wahr­schein­lichen Veränderungen in der Gleichgewichtstemperatur der Erde abschätzen zu können. Dies gilt sowohl für die vergangenen Schwankungen als auch für die Resultate jener Emissionen, die nach verschiedenen Szenarien erwartet werden können. Die allgemeine Einschätzung ist die, daß eine Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre gegenüber dem vorindustriellen Wert (ca. 280 ppm) auf 560 ppm eine Erhöhung der Durchschnitts­temperatur auf der Erdoberfläche um 2 bis 5,5 Grad Celsius bedeuten würde mit einem wahrscheinlichen Wert von rund 4 Grad Celsius.

Die Unsicherheit dieser Vorhersage ist noch recht groß. Darüber hinaus ergeben sich weitere Komplikationen. Denn eine Veränderung des Klimas würde sich nicht gleichmäßig über die Erde verteilen. Es ist davon auszugehen, daß entsprechende Veränderungen in den polaren Breiten größer sein würden als in den Tropen und Subtropen, aber dennoch sind wir nicht in der Lage, mit sehr großer Sicherheit vorherzusagen, welche die wahrscheinlichste regionale Verteilung eines Klimawechsels sein könnte. Auch stellt sich das Klimasystem nur langsam auf ein neues Gleichgewicht ein, das durch eine veränderte Zusammensetzung der Atmosphäre hervorgerufen würde. Dies liegt an der großen thermischen Trägheit der Ozeane.

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Abbildung 3:  Berechnete Anstiege der Gleichgewichtstemperatur der Erde in Abhängigkeit von den steigenden Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre bis 1988. Die Zeichnung zeigt ebenfalls die möglichen Veränderungen bis zum Jahre 2030 in Abhängigkeit von den weiterhin ansteigenden Treibhausgaskonzentrationen, wie sie im Text beschrieben werden. Die alternativen Veränderungen im rechten Teil des Diagramms beruhen auf der Annahme von weniger stark steigenden oder sogar sinkenden Emissionen.

 

 

Auf der Grundlage des gemessenen Anstiegs der atmosphärischen Treibhausgase können wir errechnen, wie sich die Gleichgewichts­temperatur der Erde bis heute geändert hat. Dies wird in Abbildung 3 gezeigt. Dabei muß noch einmal betont werden, daß die Unsicherheit in der Kurve bei rund 50% liegt. Wahrscheinlich liegt die Veränderung der Gleichgewichtstemperatur bis 1988 bei plus 1,4 Grad Celsius. Diese Gesamtveränderung, verursacht durch die kombinierten Effekte aller Treibhausgase, ist gleichbedeutend mit einem Anstieg der atmosphärischen Kohlendioxyd-Konzentration auf ca. 380 ppm. Diese Abschätzung stimmt mit dem beobachteten Anstieg von 0,7 Grad Celsius überein, er entspricht den angenommenen Verzögerungen in Folge der Trägheit des Klimasystems insgesamt.

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Trotzdem kann bisher noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob auch nur der größte Teil der beobachteten Veränderungen durch den Menschen hervor­gerufen wurde. Vergleichbare Veränderungen haben nämlich auch in der Vergangenheit stattgefunden, als die Aktivitäten der Menschen nicht jene signifikante Größenordnung erreicht hatten, wie dies für das Industriezeitalter gilt. Falls sich jedoch die gegenwärtige Rate im Anstieg der mittleren Erdtemperatur und analog zu einer weiteren Zunahme der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre fortsetzt, werden wir vielleicht schon in wenigen Jahren nachweisen können, daß die Menschheit tatsächlich das Klima der Erde mit einer bemerkenswerten Geschwindigkeit verändert.

Abbildung 3 zeigt auch die relativen Beiträge der verschiedenen Treibhausgase zur Gesamtveränderung bis 1988. Dabei ist bemerkenswert, daß ca. 1/3 der Veränderung von anderen Gasen als Kohlendioxyd verursacht wird; aber auch, daß die gegenwärtigen Anstiegsraten besagen, daß die Freisetzung von CO2 nur rund 50% zum Klimawechsel beitragen und die FCKW ca. 25%.

In Abbildung 3 sind auch die wahrscheinlichsten Veränderungen bis zum Jahre 2030 aufgezeigt, wenn keine vorbeugenden Maßnahmen ergriffen werden, um die schädlichen Emissionen zu reduzieren. Anderenfalls wird eine Veränderung der Gleichgewichtstemperatur von ca. 3,5 Grad Celsius erwartet. Deutlich wird in diesem Szenarium auch die rasch ansteigende Bedeutung der FCKW. Die Auswirkungen des Montrealer Protokolls von 1987, mit dem die FCKW-Emissionen begrenzt werden sollen, sind in dieser Abbildung nicht berücksichtigt.

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  4. Auswirkungen des Klimawechsels  

 

Natürlich stellt sich die Frage, wie besorgniserregend eine Temperaturveränderung dieser Größenordnung ist? Zunächst ist daran zu erinnern, daß die Veränderungen nicht gleichmäßig über die gesamte Erde verteilt sein werden. Für die Land- und Forstwirtschaft in den polaren Regionen könnte ein wärmeres Klima durchaus vorteilhaft sein, eine ausreichende Wasserversorgung vorausgesetzt. Hier beginnen jedoch schon die Unsicherheiten: Über die wahrscheinlichen Veränderungen der Niederschläge läßt sich nur wenig voraussagen, außer, daß möglicherweise das Innere der Kontinente allgemein trockener wird. Die großen semiariden Gebiete in den subtropischen Breiten würden dagegen besonders empfindlich bei Veränderungen in der Niederschlagsverteilung reagieren.

Die generelle Bemerkung ist somit, daß wir nur allgemeine Grundzüge über mögliche zukünftige Klimaveränderungen voraussagen können und keine detaillierten Szenarien zur Verfügung stehen, die für präzise Abschätzungen der vielfältigen Konsequenzen genutzt werden könnten. Es ist darüber hinaus wenig wahrscheinlich, daß sich die Vorhersagekapazitäten sehr schnell verbessern lassen, da bisherige Modellberechnungen kaum zuverlässig sind, solange eine Überprüfung anhand gemessener Daten nicht möglich ist. Deswegen muß es notwendig sein, auch bei diesem gewissen Grad der Unsicherheit zu handeln.

Dabei muß jedoch immer wieder betont werden, daß bei den vorhergesagten Veränderungen die Erde in einer Größenordnung erwärmt würde, die über den Temperaturschwankungen mehrerer Jahrtausende der Vergangenheit liege. Dies hätte deutliche Verschiebungen der Klimazonen zur Folge und dies wiederum auf jeden Fall größere Veränderungen in der Landnutzung und bei der Verteilung von Landwirtschaft und Forstwirtschaft. Derartige Veränderungen würden wahrscheinlich nicht schrittweise geschehen, vielmehr müßten wachsende extreme Klimaschwankungen erwartet werden, mit weit wärmeren und trockeneren Bedingungen insgesamt.

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Aufgrund des heißen, trockenen Sommers im Jahre 1988 in vielen Teilen des Landes hat sich in den USA das Bewußtsein über die möglichen Folgen zukünftiger Klimaveränderungen merkbar geschärft. Konsequenzen würden sich mit Sicherheit für die Versorgung mit Nahrungsmitteln ergeben, wenn derartige Klimaverschiebungen signifikant häufiger in der Zukunft auftreten, möglicherweise sogar in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren.

Der mittlere Meeresspiegel der Weltozeane ist im 20. Jahrhundert um zirka 12 cm angestiegen. Dies kann durch ein wärmeres Klima verursacht sein. Die Eisdecke Grönlands hat sich wahrscheinlich verringert, aber bisher können noch keine direkten Messungen uns sagen, ob dies stimmt oder nicht. Weniger wahrscheinlich erscheint dagegen, daß sich die Menge an Wasser, die im antarktischen Eismantel gebunden ist, vermindert hat. Abschmelzprozesse laufen hier infolge der niedrigen Temperaturen, die über das ganze Jahr herrschen, nur in einem sehr geringen Umfang ab. Das Massengleichgewicht der Eisdecke wird eher durch den Eisfluß vom Inneren des Kontinents zum Meer aufrechterhalten, und es ist nicht wahrscheinlich, daß es hier signifikante Veränderungen gegeben hat. Ganz im Gegenteil könnte sogar die mildere Luft, die über den Kontinent bläst, mehr Feuchtigkeit mit sich führen und deswegen zu erhöhtem Schneefall führen.

Die höhere Oberflächentemperatur der Erde, die wir im 20. Jahrhundert beobachten, hat ebenfalls die Oberflächenschicht der Ozeane erwärmt. Wir wissen, daß sich Wasser mit der Erwärmung ausdehnt. Vorhersagen über den möglichen zukünftigen Anstieg des mittleren Meeresspiegels sind relativ unsicher und schwanken zwischen 20 und 160 cm bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts bei einem Temperaturanstieg von plus 1,5 bis 5,5 °C in dieser Zeit. Für die möglichen Auswirkungen derartiger Veränderungen ist die Tatsache wichtig, daß heute viele Millionen Menschen in einer Höhe von weniger als 1 bis 2 m über dem Meeresspiegel leben. Sehr große Schwierigkeiten sind in Entwicklungsländern wie Bangladesch und Sudan zu erwarten. Auch liegt keine Erhebung der Malediven-Inseln mehr als 2 m über dem gegenwärtigen Meeresspiegel. Allein dort leben zirka 180.000 Menschen.

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   5. Politische Strategien  

 

Es ist davon auszugehen, daß eine Klimaveränderung entsteht, unbekannt sind dagegen ihre Größenordnung und Entwicklungsgeschwindigkeit. Auch kann die Wissenschaft bisher noch nicht vorhersagen, welche Auswirkungen für die Länder der Welt zu erwarten sind, und bessere Möglichkeiten der Prognose werden nur langsam verfügbar sein. Falls sich jedoch die gegenwärtige Rate der Immissionssteigerungen fortsetzt, hat dies bei der Trägheit des Klimasystems die Folge, daß zukünftige Veränderungen mindestens doppelt so groß sein werden wie die zum jeweiligen Zeitpunkt bereits gemessene Veränderung. Die Länder der Welt sind zweifellos mit einem großen globalen Problem konfrontiert. Trotz aller noch vorhandenen Unsicherheiten darf diese Herausforderung nicht ignoriert werden. Notwendige Präventivmaßnahmen dürfen nicht länger hinausgezögert werden. In den nationalen Volkswirtschaften müssen Anpassungen zur Verhinderung eines Klimawechsels möglich werden.

Die Hauptfrage jedoch ist eine andere: Was ist die beste Strategie, die die Nationen insgesamt ergreifen könnten, um drastische Veränderungen des Klimas zu vermeiden und trotzdem die Kosten für Präventivmaßnahmen innerhalb vernünftiger Grenzen zu halten? Wie können mögliche Nord-Süd- oder Ost-West-Spannungen vermieden werden?

Heute gibt es noch keine Antworten auf diese Fragen. Gründliche Analysen des Problems sind deshalb wichtig, nicht zuletzt um dabei zu definieren, was unter "optimaler Strategie", "tolerablen Veränderungen" und "Kosten innerhalb vernünftiger Grenzen" zu verstehen ist. Dies ist die zentrale Aufgaben­stellung für die zwischenstaatliche Arbeitsgruppe über mögliche Klimagefahren, die kürzlich von den zwei UN-Umweltorganisationen "Meteorologische Weltorganisation" (WMO) und dem "Umweltprogramm der Vereinten Nationen" (UNEP) gegründet worden ist und von der UN-General­versammlung aufgefordert wurde, "so schnell wie möglich" einen Bericht vorzulegen.

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Von zentraler Bedeutung ist die Darlegung der verschiedenen Vorsorgemaßnahmen. Auf der Grundlage der Abbildung 3 kann ein möglicher Anstieg der Gleichgewichtstemperatur bis zum Jahre 2030 um zirka plus 3,5 °C mit folgenden Maßnahmen verringert werden:

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Diese wenigen Beispiele für Vorsorgeziele zeigen, daß große Anstrengungen notwendig sind, um das Ausmaß der Klimaveränderungen zu begrenzen. Große Anstrengungen, um Energie effektiv zu nutzen, müssen eine wichtige Rolle in einem entsprechenden Handlungsplan einnehmen. Aber angesichts der Tatsache, daß fossile Brennstoffe heute 85% des gesamten Energieverbrauchs abdecken, muß eine langfristige Perspektive für eine Veränderung der Energieversorgungssysteme entwickelt werden. 

Grundsätzlich haben wir zwei verschiedene Wege zur Auswahl:

Einer basiert auf erneuerbaren Energieformen, insbesondere der Solarenergie und Biomasse, und der andere setzt auf Kernenergie, einschließlich der Nutzung von Brutreaktoren und möglicherweise der Kernverschmelzung. Beide Energieformen tragen heute nur einen kleinen Bruchteil zum gegenwärtigen Verbrauch bei. Dabei spielt relativ gesehen die Verbrennung von Biomasse die wichtigste Rolle, sie trägt zirka 10% zur gesamten Weltenergieversorgung bei. Beim gegenwärtigen Entwicklungsstand ist noch nicht abzuschätzen, welche Strategie die vorteilhafteste für ein Energiesystem wäre, das auch noch nach Ende des nächsten Jahrhunderts Bestand hätte.

Bis heute sind vor allem und wesentlich mehr Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in den Bereich der Kernenergie gesteckt worden. Trotzdem bleiben große Probleme offen, z.B. in Bezug auf die Brutreaktoren. Es gibt keine allgemeine Übereinkunft darüber, wie eine adäquate Sicherheit der Kernenergie garantiert werden kann, nicht zuletzt ist die Handhabung des Atommülls ungelöst, der jedoch kontinuierlich produziert wird.

Die Anstrengungen zur Sonnenenergienutzung steigen gegenwärtig an. Sie haben das Ziel, ein Energieversorgungssystem zu entwickeln, das aus dem Gebrauch von Wasserstoff (oder bestimmter Kohlenwasserstoffe) als Energieträger basiert. In vielen Teilen der Welt könnte Biomasse eine bedeutende Energiequelle sein.

Es gibt also noch keine eindeutigen Lösungen, um mit den Problemen fertig zu werden, denen wir entgegengehen. Wir sollten uns nicht vormachen, daß der eine oder andere Ansatz die Lösung bringen wird. Die Probleme werden von den entwickelten Staaten und den Entwicklungsländern sehr unterschiedlich und aus verschiedenen Interessen betrachtet, also auch von "Gewinnern" und "Verlierern" wahrgenommen. Dabei sind angesichts der Globalität der Probleme solche Unterscheidungen höchstwahrscheinlich nicht sehr bedeutungsvoll. 

Sicherlich müssen sorgfältige Analysen für mögliche politische Maßnahmen gemacht werden, aber das vielleicht wichtigste ist die Entwicklung einer gemeinsamen Einsicht, daß langfristig nur internationale Übereinkünfte weiterhelfen, die auf dem Grundsatz der weltweiten Solidarität aufbauen. 

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