III. Ökofaschismus und Esoterik: Wege in die Ökodiktatur
Die ökologische Modernisierung des Faschismus
»Antje
Vollmer ... warb dafür, daß <es unsere Sache ist>, den <Bruch> mit
den Wertkonservativen aus der ÖDP,
die sich Anfang der 80er Jahre von den Grünen abgespalten hatten, <wieder zu
kitten>.« (323)
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Die ökologische Modernisierung des Faschismus kommt auf vielen leisen Sohlen. Auf ihrer Spur finden wir an zahlreichen Orten in der Gesellschaft menschenverachtende, rassistische Positionen, die sich ökologisch verkleiden. Die CSU etwa hat auf Drängen ihres Umweltministers Gauweiler in ihrem neuen Programm verankert: »Wer unser ohnehin dichtbesiedeltes Land zum Einwanderungsland machen will, gibt das umweltpolitische Ziel, den Flächenverbrauch zu begrenzen, auf.« Für Gauweiler und die CSU ist »Umweltpolitik [...] Ordnungspolitik«.324)
Rassismus und Neofaschismus mit Hilfe ökologischer Begründungen neu zu legitimieren und zu popularisieren, ist inzwischen ein relativ erfolgreiches Unternehmen. Einzelne ökofaschistische Argumentationsmuster sickern selbst in linke und linksliberale Kreise ein. Ohne bislang auf großen Widerstand zu treffen, konnten sie sich in der Ökologiebewegung und sogar in linken Bündnissen ausbreiten. Bis zum Frühsommer 1992 arbeiteten beispielsweise in einem Bonner Bündnis gegen den Weltwirtschaftsgipfel 1992, dem Clearing-House, Vertreterinnen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der Sozialistischen Deutschen Arbeitsjugend (SDAJ), der Grünen, der Netzwerk Friedenskooperative, dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und dem Deutschen Naturschutzring (DNR) mit der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) zusammen.
Die Kölner Anti-EG-Gruppe kritisiert diese Zusammenarbeit in einem längeren Text ausführlich und schreibt im Frühjahr 1992: »Eine Auseinandersetzung mit der gesamten in der Kampagne '92 vertretenen Ökoszene scheint uns überfällig. Bei den Recherchen über die ÖDP stießen wir immer wieder auf Hinweise, die auf eine sehr viel engere Verzahnung der rechten bis rechtsextremen Szene mit bislang von vielen als akzeptabel angesehenen Ökologie-Gruppen schließen lassen, als dies bislang wahrgenommen wurde. So fand die ÖDP nicht nur Aufnahme im Clearing-House, sondern viele ihrer Vorstandsmitglieder (allen voran [...] ihr Vorsitzender Hans-Joachim Ritter) sind auch Mitglieder beim BUND.«325)
Es ist dem Engagement linker Strömungen in der Gründungsphase der Grünen zu danken, daß die damals drohende politische Besetzung der Ökologie durch die rechtsextreme und neofaschistische Szene vorläufig verhindert wurde. Nach einer langen politischen Auseinandersetzung mit der rechten grünen Fraktion um Baidur Springmann und Herbert Gruhl trat der größte Teil dieser Gruppierung (mehrheitlich ehemalige Mitglieder der Grünen Aktion Zukunft, GAZ) nach der Saarbrücker Bundesversammlung 1981 aus der Partei aus. Mit ihrer zunehmenden Anpassung an die gesellschaftliche Mehrheit und ihrem abnehmenden Interesse für antifaschistische Positionen haben die Grünen jedoch zur Schwächung der linken Opposition beigetragen, der sie selbst nicht mehr angehören.
Antje Vollmer, frühere grüne Bundestagsabgeordnete, arbeitet an der für das Frühjahr 1993 geplanten Vereinigung der westdeutschen Grünen mit dem ostdeutschen Bündnis 90. Sie will in diesem Rahmen auch die Wiedergutmachung an den früheren grünen Rechten und deren Rehabilitation betreiben. Antje Vollmer macht das Bündnis mit den Ökofaschistlnnen zu ihrer politischen Angelegenheit. Auf einer Versammlung des Bündnis 90 sagte sie im Zusammenhang mit der Vereinigung mit den Grünen, es ist »unsere Sache«, den »Bruch« mit den »Wertkonservativen« aus der ÖDP, die sich Anfang der 80er Jahre von den Grünen abgespalten hatten, »wieder zu kitten«.326) Abgespalten hatten sich jedoch Ökofaschisten wie Gruhl und Springmann.
Wer sind die neuen alten Freunde grüner FunktionärInnen und die neuen BündnispartnerInnen der Ökologiebewegung? Noch vor wenigen Jahren war es unter Linken selbstverständlich: Mit einer rechtsextremistischen bis ökofaschistischen Partei wie der ÖDP gibt es keine Gemeinsamkeiten. Linke Organisationen, die
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noch bei der Bundestagswahl 1990 antifaschistische Aufkleber »Wehret den Anfängen! Keine Stimme für Reps, DVU, NPD und ÖDP!«327 verbreiteten, schweigen heute über ihre neuen Bundesgenossinnen. Werden Bündnisse zum Schutz der Natur völlig beliebig? Was hat sich geändert?
Vor allem wohl die PR-Arbeit der ÖDP. Seit Herbert Gruhl im Februar 1989 als Bundesvorsitzender der ÖDP zurück- und anschließend mit einer Reihe von Gefolgsleuten austrat, gilt die ÖDP nur noch als »links-katholisch«, wie dies ein »Noch-ÖDP-Mitglied« in der Republikaner-nahen Zeitschrift Europa vorn von rechts kritisiert.328 Voraussetzung für diese Fehleinschätzung, die viele Linke teilen, sind mangelnde Information, unterentwickelte Kritik und Ignoranz gegenüber menschenfeindlichen Positionen im ökologischen Gewand.
Über den Anlaß von Gruhls Austritt aus der ÖDP schreibt der derzeitige Vorsitzende Hans-Joachim Ritter in seiner kurzen Geschichte der ÖDP329): »Innerparteiliche Irritationen [...] Auseinandersetzungen um die politische Positionsbestimmung, vermengt mit persönlichen Unverträglichkeiten im Bundesvorstand, führten zum Rücktritt des langjährigen Bundesvorsitzenden Dr. Herbert Gruhl [...] Auf dem Bundesparteitag im Februar 1989 in Saarbrücken, wo es um Formulierungsprobleme [Hervorhebung d. d. A.] in einem Abgrenzungstext gegen die Rechtsparteien ging, fanden die Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt. [...] In Saarbrücken wurde erneut eine Abgrenzung zu den Rechtsparteien beschlossen [...] Anlaß [...] waren Diffamierungen aus der linksextremen Szene, die gelegentlich von diesem oder jenem Redakteur unkritisch übernommen wurden.«330 Damit ist sowohl das taktische Motiv für den Beschluß als auch die geringe inhaltliche Distanz zwischen Gruhl und der ÖDP angesprochen.
Herbert Gruhl kann Widerspruch nicht ertragen und reagiert gern autoritär. Er reagierte auf den Parteitagsbeschluß so drastisch — obwohl er sich in der ÖDP der inhaltlichen Zustimmung zu rechtsextremistischen bis ökofaschistischen Positionen sicher sein konnte und kann —, weil er selbst den formalen, einer kritischen Öffentlichkeit geschuldeten Beschluß rechtsextremistischer und neofaschistischer Kooperation verhindern wollte. Der Konflikt zwischen Gruhl und der ÖDP war nachweislich nicht grundsätzlicher Natur. Es bestand eine taktische Differenz zwischen Gruhl und der ÖDP, mehr nicht.
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Bis heute nämlich liefert Herbert Gruhl die ideologischen Grundlagen für die ÖDP. Das ist nicht nur daran zu erkennen, daß sich der bereits erwähnte ÖDP-Vorsitzende Hans-Joachim Ritter in seiner offiziellen Geschichte der ÖDP unter vier Büchern auf zwei allein vom Autor Herbert Gruhl stützt. Noch immer beruhen auch die Programme der 1982 gegründeten Partei auf Gruhls Ideologie. Nach wie vor werden Gruhls Texte und Richtlinien für die Politik der ÖDP vertrieben und innerparteilich befolgt. Und er hat im Vorsitzenden Ritter unverändert einen großen Bewunderer. Noch 1990, ein Jahr nach seinem Austritt, bot die ÖDP Herbert Gruhl den Ehrenvorsitz an.331 Im Oktober 1991, zweieinhalb Jahre nach seinem Austritt, erschien in ÖkologiePolitik, der Mitgliederzeitung der ÖDP, eine Hymne auf Gruhl anläßlich seines 70. Geburtstages. Autor Franz Alt lobt darin in einer Sprache reaktionären Kitsches die Gruhlsche Welt des »väterlichen Hofes in der Oberlausitz«, »die Frömmigkeit der Mutter« und die »Naturverbundenheit des Vaters« im »heimeligen Dorf«.332)
Für Gruhl und die ÖDP ist Ökologie »die Erhaltung des Naturhaushaltes«.333 Diese ist leicht ohne den Menschen möglich. Gruhl bezieht sich — in Kontinuität zu den Faschismus vorbereitenden Autoren wie Ernst Haeckel334 und Oswald Spengler3^ -ideologisch auf eine Ökologie, die zugleich politischer Kampfbegriff wie mystisch und spirituell ist. Gruhls Sprache ist vollgepfropft mit »Transzendenz«, »unergründliche biologische Prinzipien«, »geheimnisvolle Schöpfungsordnung«. Er überträgt biologische Abläufe, oberflächliche Beobachtungen aus der Natur außerhalb des Menschen auf die sozialen Beziehungen der Menschen untereinander. Gruhls Begriff von Ganzheitlichkeit, der in der antihumanen Tradition des »Holismus« (eine die Ganzheit mehr oder weniger verabsolutierende Ideologie) steht, verlangt vom Menschen die vollständige Unterordnung unter die ehernen Gesetze der Natur. Das Überleben der menschlichen Art ist Gruhls Anliegen, allerdings nicht aller Menschen, sondern derjenigen mit höherer Kulturentwicklung, und die findet er nur in Europa.
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Gruhl: »Vor etwa 10.000 Jahren kamen die menschlichen Kulturen, die alle untergegangen sind. Die europäische, die letzte Kultur ist etwas völlig Neues.«336 Wie nahe diese Äußerung beim Wurzelrassen-Rassismus der AnthroposophInnen, bei neofaschistischen und esoterischen Vorstellungen liegt, werden wir noch untersuchen.
Gruhl interessiert sich an keiner Stelle für den Raubbau an der Arbeitskraft und der Kreativität des Menschen. Wer die höherwertige, europäische, »arische Rasse« retten will, dem liegt nichts am Leben und Wohlergehen der einzelnen Menschen. In Gruhls ökofaschistischer Ideologie ist der Mensch kein soziales Wesen, sondern eines, das auf seine biologischen Fähigkeiten reduziert ist und das sich mit den Verhältnissen abzufinden hat, wie sie sind: »Der Schwan ist weiß, ohne daß ihn jemand künstlich reinigt. Der Rabe ist schwarz, alles ist von selbst an seinem natürlichen Platz. Das ist gut. All dieses Streben der Menschen nach gutem Ruf und organisierter Gerechtigkeit ist hoffnungslos.«337
In dieser biologistischen Vorstellung vom Menschen existiert kein Platz für Schwache: »In der Natur herrscht ständiger Anpassungsdruck wie auch angestrengte Wachsamkeit; die fortwährende Leistungsbereitschaft ist dort zwingend; denn das Leben steht immer unter hautnaher Todesdrohung. Die Natur kennt bei Verstößen keine Gnade.«338 Es ist absurd, der Natur außerhalb des Menschen, also Pflanzen und Tieren, Eigenschaften wie »Gnadenlosigkeit« anzudichten. Gnadenlos sind allerdings die Regeln und ökologischen Dogmen, die Gruhl aus einer so beschriebenen Natur für gesellschaftliches Leben ableitet: »Das Geflecht der karitativen menschlichen Einrichtungen hingegen, die man heute als »soziales Netz< bezeichnet, fängt auch noch den auf, der seine Lage selbst verschuldet hat. Darin liegt die große Verführung: Alle wiegen sich in einer Sicherheit, die ganz und gar unnatürlich ist.«339
Für Gruhl sind das Recht des Stärkeren, die unbedingte Leistung, Unterordnung und Eliten, Herrschaft und Ausbeutung, Tod und Vernichtung Naturgesetze, die sich eine ökologische Gesellschaft zu eigen machen muß. Gruhl schätzt Oswald Spengler, der vom natürlichen Rangunterschied zwischen Menschen, von der Höherwertigkeit der einen menschlichen »Rasse« (die es nicht gibt) über die anderen sprach und der für den Imperialismus als einem Sieg höherwertiger über alte und starr gewordene minderwertige Völker warb.
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Auf die Unzulässigkeit, Menschen nach Rassen zu unterscheiden, habe ich schon hingewiesen. In welcher geistigen Verwandtschaft sich Gruhl mit diesem Weltbild befindet, werden wir am Beispiel des Weltbundes zum Schutz des Lebens und der Anthroposophen später feststellen.
Was versteht einer wie Gruhl, mit dem Antje Vollmer die Grünen versöhnen möchte, unter Umweltschutz? Gruhl fordert einen »Einwanderungsstopp aus ökologischen Gründen«, denn da sie hier frören und folglich viel heizten, belasteten Ausländer die deutsche Umwelt mehr als die Deutschen.340 Auch bei der Frage der Abtreibung treffen sich Gruhl und die ÖDP. Der gesamten rechtsextremistischen und neofaschistischen Szene ist die zentrale Frage des sogenannten Lebensschutzes gemeinsam. Lebensschutz bedeutet stets mehr oder weniger rigide Strafen für Frauen, die abtreiben, sofern sie deutsche oder mindestens weiße Frauen sind. Die Bevölkerungsentwicklung im Trikont ist für Gruhl wie für die ÖDP jedoch die Ursache der Umweltzerstörung und nicht etwa die Folge kolonialer, imperialistischer und kapitalistischer Vernichtungsfeldzüge seit Hunderten von Jahren.
Rassistische Gewalt kündigt sich in der Sprache an. Gruhl spricht in nationalsozialistischen Bildern von »Menschenflut« und »Menschenlawinen«, malt als Bedrohung nicht Hunger, Ausbeutung und Verschuldung, sondern die »zunehmenden Milliarden von Menschen« an die Wand. Menschen werden in seiner und der ÖDP-Sprache zu Heuschrecken, die mit Gewalt dezimiert werden müssen. Die Drohung gegen das »minderwertige Menschenmaterial« ist eindeutig, die bestialische Grundregel wieder einmal der Natur abgeschaut: »Die einzige Währung aber, die hier gilt und in der Verstöße gegen die Naturgesetze beglichen werden können, ist der Tod. Der Tod bringt den Ausgleich, er schneidet alles Leben, das auf diesem Planet auswuchert, wieder zurück, damit der Planet wieder ins Gleichgewicht kommt.«341 Zum Schutz des Planeten und der Natur, aber nicht aller Menschen, müssen die notwendigen Maßnahmen mit Gewalt durchgesetzt werden, von den einen (höherwertigen) Menschen gegen die anderen, die Heuschrecken, denen kein vergleichbares Existenz- und Selbstbestimmungsrecht zusteht.
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Weil nur die »Menschen des Abendlandes zur Geburtenkontrolle fähig«342 sind, droht Gruhl: »Es bleibt nur die Alternative: Untergang oder vorsorgliche Reduktion mit allen Mitteln.«343 Wem das nicht deutlich genug ist, für den zitiert Gruhl zustimmend Rene Dubos: »Für einige überfüllte Populationen mag dann Gewalt oder sogar die Atombombe eines Tages keine Drohung mehr sein, sondern Befreiung.«344 Das macht den Menschen im Trikont nicht so viel aus, ist Gruhl überzeugt: »Das rührt auch von ihrer völlig anderen Grundeinstellung zum Leben her; der eigene Tod wird wie der der Kinder als Schicksal hingenommen.«345
»Bevölkerungswachstum« wird bereits im Bericht des Club of Rome von 1972 als ein Hauptproblem bezeichnet. Hunger wird nicht analysiert als eine Frage der Verfügbarkeit über Boden oder Einkommen, sondern als das Ergebnis einer mathematischen Beziehung von Kopfzahl zu bebaubarem Land. Dem Unternehmer-Club stellte sich noch nie die Frage, was Landraub und Großgrundbesitz mit Hunger zu tun haben und warum multinationale Konzerne in Kenia Blumen oder im Sahel Erdbeeren in Monokulturen anbauen. Die Konzerne zerschlagen eine gemischte, für die Ernährung der Menschen im Trikont notwendige Landwirtschaft, um vom Luxusgenuß der Menschen in den kapitalistischen Zentren zu profitieren.
Auch im Bericht des Clubs von 1991 finden wir den militanten, antihumanen Begriff der »Bevölkerungsexplosion«, wie wir ihn aus einer Vielzahl von Zeitungen und Zeitschriften in der Bundesrepublik, allen voran Zeit und Stern, kennen. Die feinen Club-Herren drohen nicht wie Gruhl mit der befreienden Wirkung der Atombombe, sie haben einen anderen grandiosen Vorschlag: »Alle Menschen werden Opfer bringen müssen [...] in den Industrieländern werden sich deshalb Lebensstil und Konsumverhalten ändern müssen, während in den Entwicklungsländern eine grundlegende Umstellung stattfinden muß, die zu Eigeninitiative, Disziplin und in jeder Hinsicht höheren Standards führen muß.«346 Hat der Club jemals dagegen protestiert, daß Bauern und Bäuerinnen im Trikont von ihrem Land verjagt, daß Gewerkschafterinnen trotz ihrer »Eigeninitiative, Disziplin und [ihres] in jeder Hinsicht höheren Standards« von Todesschwadronen ermordet werden, möglicherweise auch im Auftrag jener Konzerne, von denen der eine oder andere Club-Herr sein Gehalt bezieht?
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Auch die ÖDP glaubt, »die Bevölkerungsexplosion bedroht das Leben auf der Erde«.347 »Störungen des ökologischen Gleichgewichts [...] gehen mit der Bevölkerungsdichte Hand in Hand.«348 Während sie deshalb den »Kinderreichtum der Armen«349 durch Kontrollmaßnahmen in den Griff bekommen möchte, vertritt die Partei für weiße deutsche Frauen eine andere Position: Als »wertkonservative« Partei ist sie »gegen die Tötung ungeborenen Lebens«350, Abtreibung dürfte nicht »öffentlich gefördert werden«, indem die Krankenkassen die Kosten übernehmen.351)
»Die europäische Kultur, die in unserem Jahrhundert in der triumphalen, weltbeherrschenden und naturvernichtenden Technik kumulierte, [wird] nicht an der Degeneration ihrer Menschen untergehen wie frühere Hochkulturen, sondern aufgrund physikalischer Gesetze: an der alles überflutenden Masse Mensch auf gleichbleibender Erdoberfläche.« In der Dritten Welt »wird auch ohne Atomkrieg das große Sterben grassieren«. Von den »Ballungs-gebiete[n] der Trikont-Staaten, den »Hunger- und Seuchenge-biete[n] der kommenden Jahre« gehen wahnsinnige Gefahren für die wertvollen Menschen aus, »wenn [...] 500 Millionen Menschen aus der Dritten Welt nach Westeuropa kommen, dann bricht auch hier jegliche Ordnung zusammen. Dort allerdings schaffen selbst 500 Millionen Abgewanderter keine Entlastung, denn in nur sieben Jahren ist diese Lücke von 500 Millionen schon wieder ausgefüllt.« Es geht Gruhl um die Erde, die Natur, die europäische Kultur, die Ordnung. Gruhls Mitgefühl gilt in keinem einzigen Satz den Menschen. Mit dem in bürgerlichen Kreisen so beliebten Alterspessimismus, der so schön-schaurig Gänsehaut hervorruft, ist es für ihn »zur Umkehr zu spät«.352 Oder doch nicht?
Gegen die Bedrohung des Planeten durch die falschen Menschenmassen braucht der Ökofaschist die Aufrüstung aus ökologischen Gründen. Gruhl plädiert für einen »starken Staat«, notfalls mit »diktatorischen Vollmachten« und bewaffnet. Er sagt sehr offenherzig, wessen Verteidigung seine diktatorischen und imperialistischen Konzepte gelten: »Für die Zukunft werden die Völker einen riesigen Vorsprung erreichen, denen es gelingt, ihren Rüstungsstandard auf der höchsten Spitze, ihren Lebens-
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Standard jedoch niedrig zu halten«, denn »die Kriege der Zukunft werden um die Teilhabe an der Lebensgrundlage überhaupt geführt werden, das heißt um die Ernährungsgrundlage und um die immer wertvoller werdenden Bodenschätze. Sie werden darum an Furchtbarkeit unter Umständen alles bisher Dagewe-
Gruhl scheint von der Vorstellung des Furchtbaren kaum erschüttert, vielmehr so fasziniert wie Ernst Jünger bei der Betrachtung seiner Käfersammlung, die der Kriegeverherrlicher, Antisemit und Wegbereiter des Faschismus stets mehr zu lieben schien als die Menschen.354 »Kulturgesellschaften«, sagt Gruhl, »sind stets von außen bedroht, weil ihr Wohlstand den Neid anderer Völker weckt. Also brauchen sie eine Streitmacht zu ihrer Verteidigung viel dringender als arme Völkerstämme.«355
Den Widerspruch, warum die europäische Kultur die letzte sei, da doch alle anderen Kulturen angeblich untergegangen sind, obwohl unverkennbar eine Reihe von Menschen in den nichteuropäischen Teilen der Erde lebt, klärt er nicht auf. Die letzte, ganz neue, höherwertige Kultur, die Spitze der menschlichen Zivilisation gewissermaßen, steht unter andauernder Bedrohung: »Wenn dagegen viele Kulturen in einem Raum zusammengemixt werden, so ergibt das entweder ein Neben- und Gegeneinander oder [...] Entropie, also ein Gemisch, dessen Wert mit zunehmender Durchmischung sinkt, bis es letzten Endes keinen Wert mehr hat.«356 Auf die Frage, ob das nicht die These vom »unwerten Leben« sei, antwortete Gruhl ganz ökologisch: »Das ist ein Gesetz der Entropie, das wir besonders in der Ökologie haben, und dieses Gesetz gilt auch für menschliche Kulturen.«357
Wie weit ökofaschistische Positionen etwa die Kulturdiskussion beeinflussen, zeigt die Sicht von Bazon Brock, Ästhetikprofessor an der Universität Wuppertal. Seiner Ansicht nach schreitet die »Slumbildung [...] voran, wenn Kulturgemeinschaften zerfallen. Jeder vierte Frankfurter kommt schon aus dem Ausland [...] Ich sehe nicht, wie jemand aus einem Dritte-Welt-Land Interesse an unseren Häuserfassaden entwickeln soll. [...] Sie können [...] einem persischen Maler hier nicht beibringen, wie wir unsere Bilder sehen. Unsere Bildsprache ist ihm nicht eingängig.«
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Es gebe eine »europäische« Art der Bildbetrachtung, aber keinen Sinn, Künstlern aus anderen Ländern »unsere Fassaden nahe-[zu]bringen«. Es gibt nicht die europäische Kultur, sondern die Kultur der Herrschenden, proletarische Kultur, Alltagskultur, Kultur von Frauen in bestimmten historischen und sozialen Situationen usw. Sich mit einem Menschen aus dem Senegal oder dem Iran über Hinterhofkommunikation verständigen zu müssen, wäre für Brock »die Aufhebung seiner Kultur«358), was nur noch von seinem Schmerz übertroffen wird, daß es in der Bundesrepublik keine richtigen Eliten mehr gibt.
Zur Verteidigung der faschistischen Ideologie von der unbedingten Reinhaltung der hochwertigen »arischen Rasse« muß die Geschichte Europas und Deutschlands gefälscht werden. Deutsche Kultur? Herrschende Kreise hatten im 19. Jahrhundert ein dringendes Interesse an der Herausbildung eines deutschen Nationalbewußtseins. Es sollte den Kriegen gegen den »deutschen Erzfeind« Frankreich und dem ökonomischen Ziel einer effizienten Weiterentwicklung des Kapitalismus in einer zentralisierten politischen Struktur dienen. Auch die berüchtigten »deutschen Dichter und Denker« halfen bei der Konstruktion deutscher Identität in einem Gebiet, dessen Binnen- und Außengrenzen sich ständig änderten und dessen Menschen Produkte vielfacher Völkerwanderungen in alle Himmelsrichtungen waren.
Furchtbares ist offenbar immer besonders furchtbar, wenn es Deutschen zustößt. Das utopische Prinzip der Gleichheit aller Menschen ist ein sozialer Wert, den wir in ökofaschistischen Kreisen nie finden werden. Die besondere Sorge für das deutsche Volk teilt die ÖDP mit Gruhl. Ganz besonders dem deutschen Volk drohen Waffen, existentielle Ernährungsprobleme und »Störung des ökologischen Gleichgewichtes und die Zerstörung der natürlichen Lebensräume«, die mit »der Bevölkerungsdichte Hand in Hand« gehen.359) Aber den Kampf des Stärkeren gegen den Schwächeren gibt es auch innerhalb einer Gesellschaft. Gruhls Vorbild Haeckel propagierte ein sozialdarwinistisches »Recht des Stärkeren«, war für »Rassenhygiene« und »Zuchtauswahl«. Und Gruhl sieht im »sozialen Netz« ein Hindernis für gesellschaftliche Selektion.360)
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Da »Deutschland [...] auch nicht Zufluchtstätte für die Flüchtlinge der ganzen Welt sein«, kann, will die ÖDP »Anreize für die Heimkehr ausländischer Arbeitnehmer« schaffen. So schützt die ÖDP Flüchtlinge und Immigrantinnen vor Ausländerfeindlichkeit durch Abschiebung, denn »schon jetzt wächst in unserem [!] Land die Fremdenfeindlichkeit«361, Abschiebung wird ökologisch begründet. Sie nützt dem in seiner »Rassereinheit« bedrohten deutschen Volk und der Natur. Es werden zwar dann in den Ländern, aus denen sie flohen und in die sie nun zurückkehren müssen, noch mehr Menschen gefoltert, dafür wird in Deutschland weniger geheizt.
Neben Mordanschlägen auf Flüchtlinge und Immigrantinnen als Teil der politischen Praxis der neuen alten Rechten (der Begriff »Neue Rechte« ist falsch, weil es praktisch kaum eine rechtsextremistische oder neofaschistische Organisation gibt, die ohne programmatische und personelle Rückgriffe auf den deutschen Faschismus [Nationalsozialismus] auskommt. Er kennzeichnet den Versuch, einen Neuanfang vorzutäuschen.) finden wir in den Programmaussagen vieler Organisationen den Rassismus als angebliche Toleranz gegenüber fremden Kulturen verschleiert.362 Auch die ÖDP schiebt vor die Gleichheit aller Menschen, mit gleichen Rechten und gleichen Entwicklungsmöglichkeiten, den Erhalt der »Andersartigkeit und Vielgestaltigkeit der Völker«.363 Die Abschiebung von Flüchtlingen dient scheinbar menschenfreundlich dem Erhalt fremder Kulturen, vor allem aber der »rassischen Reinhaltung« des deutschen Volkes und der Verhütung der »Bastardisierung« (Abtreibungsgegner Siegfried Ernst, Europäische Ärzteaktion).
Die ÖDP sagt dies in ihren Programmen nicht ganz so deutlich. Die offen militante Formulierung rassistischer Positionen überläßt sie offen neofaschistischen Organisationen. Die ÖDP hat objektiv eine besondere Rolle: die ökologische Frage für die he-gemoniale Besetzung durch Rechte und Neofaschistlnnen zuzurichten und Rassismus, Militarisierung und Bevölkerungspolitik eine neue ökologische Legitimation zu verschaffen.
Wir finden moderate, aber verwandte Positionen bei Exlinken wie Antje Vollmer, die politisch — und Häufung und Ähnlichkeit vergleichbarer biographischer Wandlungen machen stutzig — aus der dogmatischen KPD/AO kommt. In meinen undogmatischen linken Zusammenhängen der siebziger Jahre trugen die Mitglie-
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der der »KPD-A-Null« den Spitznamen »Vaterlandsverteidiger«, und ihre vermeintlich proletarischem Verhalten künstlich angepaßte kleinbürgerliche Lebensführung war Ziel unseres Spotts.
Es wäre Gegenstand einer anderweitig zu führenden Untersuchung, weshalb so viele ehemalige Mitglieder der KPD/AO und des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) heute völlig unpolitisch und bürgerlich leben. Viele gehören zu den leitenden Funktionärinnen der rechtesten Strömungen bei den Grünen und bekämpfen Linke oft haßerfüllter als Liberale oder Wertkonservative. Neben Antje Vollmer war Erhard Müller bei der KPD/AO; er managt heute auf Seiten des Bündnis 90 als ehemaliger Westgrüner die Vereinigung mit den Grünen. Ralf Fücks, von dem wir in dessen Ägide als Funktionär des KBW in den siebziger Jahren als kleinbürgerliche Fortschrittsfeinde hart angegriffen wurden, weil wir gegen Atomkraftwerke demonstrierten, ist heute Umweltsenator in Bremen und hilft in der Ampelkoalition den Sozialabbau durchzusetzen. Seine Fraktion wollte es der DVU »ersparen«, wie die Grünen früher »an den Rand gedrängt zu werden«, und stimmte für ein Zählverfahren in den Ausschüssen der Bremer Bürgerschaft, das den DVU-Abgeordneten und NPD-Mitglied Karl-Heinz Vorsatz zum Sprecher der Kulturdeputation machte, zuständig unter anderem für die Arbeit mit ausländischen Jugendlichen.364 Winfried Kretschmanns Weg vom dogmatischen Funktionär des KBW führte die Grünen in Baden-Württemberg in Koalitionsgespräche mit der CDU.
Ihre ideologischen Berührungspunkte mit rechtsextremistischen Positionen beschreibt Antje Vollmer selbst: »Vielleicht liegt dem Mißtrauen breiter Teile der Bevölkerung gegen das multikulturelle Konzept die vage Völkererinnerung zugrunde, daß - historisch gesehen — die einheimischen Kulturen den Einwandernden in der Regel unterlagen.« Was ist eine »Völkererinnerung«? Handelt es sich dabei um einen frisch entdeckten genetischen Defekt? Vollmer wohnt in Bielefeld. Stehen die Hunnen vor den Toren der Stadt? »Afrika ist«, schreibt Vollmer weiter, »nicht mehr in der Lage, sie [die Menschen] kulturell oder identitätsbildend an sich zu binden [...] Ob Osteuropa in dieser Hinsicht zu einem zweiten Afrika wird, ist die entscheidende Frage, über die die Politik Westeuropas in den nächsten fünf Jahren entscheiden wird [...] Von daher ist der
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Stolz auf eine nationale und politisch kulturelle Identität trotz aller historischen Lasten zu fördern. Dieser vorsichtige Umgang mit Elementen der nationalen Identität als Möglichkeit, Menschen an ihr Land zu binden, sollte versucht werden.«365
Wenn das deutsche Volk eine volksgemeinschaftliche Vereinigung von Höherwertigen ist, sind diese mit einer »abwehrbereiten Demokratie« (ÖDP)366 und mit aller Kraft vor ihren Feinden zu schützen. Wo die ÖDP sonst angeblich für Dezentralisierung und sogenannten Lebensschutz kämpft, hält sie in ihren Programmen den zentralistischen Herrschaftskomplex EG für eine »große Errungenschaft«, befürwortet den Erhalt der NATO und unterstützt Rüstungsexporte. Allerdings dürfen diese Waffen nicht überall hingeschickt werden. Wer — wie die ÖDP — das wertvolle deutsche Volk verteidigen will, darf Waffen nur an deutsche Freunde exportieren. Alles andere wäre wirklich töricht. So dient »Lebensschutz« der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung zum Schutz der deutschen Völksgemeinschaft.367
Das »ethische Gebot der Ehrfurcht vor der Schöpfung«, das die ÖDP für sich als »wertkonservative« Partei in Anspruch nimmt, gilt vor allem für den weißen, hochwertigen Nachwuchs deutscher Frauen. Wie fast alle sogenannten Lebensschützerinnen meint die ÖDP mit dem Schutz des Lebens nicht den Schutz der Asylsuchenden, die aus vermeintlichem Respekt vor ihrer Kultur längst abgeschoben wurden, schon gar nicht vor deutschen Waffen. Aus dem »Lebensschutz« der Abtreibungsgegnerinnen wird ein Gebärzwang für deutsche Frauen und ein völkischer Kampfbegriff gegen ein selbstbestimmtes Leben einschließlich einer selbstbestimmten Sexualität.
Frauen, die Sexualität nicht an Fortpflanzung binden, die selbst bestimmen wollen, ob und wie viele Kinder sie bekommen, werden in dieser persönlichen Entscheidung im Programm der ÖDP den Moralvorstellungen einer politischen Partei und staatlicher Strafandrohung unterworfen: Abtreibung ist als »Tötung ungeborenen Lebens«368 unbedingt zu verhindern. Abtreibende Frauen vergleicht die ÖDP mit den größten Verbrechern: »Wenn Leben unwiderruflich zerstört wird, muß der Staat auch durch Gesetze handeln, ob es sich nun um Atomrüstung, Atomenergie, allgemeine Umweltzerstörung oder Abtreibung handelt.«369
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Die sogenannte Lebensschutzfrage, also die militante Abtreibungsgegnerschaft und Feindschaft gegenüber jedweder reproduktiven Selbstbestimmung von »arischen« Frauen, und der Rassismus sind die traditionellen Scharniere zwischen den verschiedenen Fraktionen der Rechtsextremistinnen und Neofaschi-stlnnen. Die Ökologie oder vielmehr der Umweltschutz wurde zum neuen Scharnier der meisten rechtsextremistischen und neofaschistischen Organisationen in neue gesellschaftliche Milieus.
Diese Scharnierstelle bleibt nicht abstrakt. Sie wird auch durch Personen repräsentiert. Wir treffen auf Hans-Joachim Ritter, den gegenwärtigen Vorsitzenden der ÖDP, mit dem einige Repräsentantinnen linker Organisationen über Monate so harmonisch in Sachen Weltwirtschaftsgipfel zusammenarbeiteten. Ritter, der sich in Schriften der geschickten Bündnispolitik der ÖDP zwischen Kirchen, BUND und Grünen rühmt, ist auch in einer der zentralen Lebensschützerlnnenorganisationen aktiv, der »Aktion Lebensrecht für alle« (ALfa). Bei ALfa (etwa 11 000 Mitglieder) sammeln sich auch Mitglieder und Vertreterinnen rechtsextremistischer Organisationen wie der »Aktion Leben« oder der »Europäischen Ärzteaktion« (EÄA).
Gruhl, dem Ritter so freundschaftlich verbunden geblieben ist, hat seit seinem Austritt aus der ÖDP viel zu tun. Neben Gastreden — wie schon während seiner ÖDP-Zeit — auf Schweizer Nazi-Veranstaltungen (Nationale Aktion)370 gründete er zuerst den »Arbeitskreis ökologische Politik«, den er im April 1991 schließlich mit der »Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Ökologen Deutschlands« vereinigte, ein Pakt auch mit ehemaligen Mitgliedern der NPD. In seiner Gründungsrede im April 1991 kritisierte er, daß »die Mitteldeutschen« nach der Wiedervereinigung nicht bereit seien, »auf marxistische Emanzipationsideale wie die Beschäftigung der Frau zu verzichten«.371 ÖDP-Mitglieder finden wir als Autorinnen in fast allen Zeitungen und Zeitschriften der Rechten wieder. Wenn Gruhls Unabhängige Ökologen sich bei nationalistischen Heimatveranstaltungen treffen, wenn Vertriebe-nenfahnen wehen, ist oft auch die ÖDP vertreten, die 1992, zur gleichen Zeit, im Bonner Anti-WWG-Bündnis von Grünen, BUND und DGB mitarbeiten durfte.
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Eine selbstbestimmte Entwicklung des Trikont, die nicht zerstörerisch ist, aber ein Menschenrecht auf eine soziale und ökologische Entwicklung verwirklichen hilft, will sich der wohlsituierte Europäer Gruhl nicht vorstellen. Auf die Tagesordnung soll »die tödliche Vermehrung der Menschen«, und: »Die Völker müßten danach streben, sich klug einzuschränken und weisen Verzicht zu üben; sie müßten ein asketisches Leben führen. Beginnen müßte die Enthaltsamkeit bei der Fortpflanzung. Dazu sind 80 Prozent der Menschen gar nicht fähig [...] das teuflischste Problem [...] ist also die Vermehrung der Menschen«, die »Zeugungslust der Dritten Welt«, die »tagtäglich etwa 200 000 Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt« werfe. Vor denen fürchtet sich der deutsche Herrenmensch: »Menschenmassen ohne Arbeit sind zu unberechenbaren revolutionären Aktionen bereit, und die Demagogen bedienen sich ihrer.«372 — Welche eigenen, gar nichtfremd-bestimmten Gründe zum Aufstand gegen Gruhls »Hochkultur«-Europa, gegen die Plünderung durch die kapitalistischen Metropolen, könnten die Menschen schon haben?
In einer vorgeblich radikalen Kritik am Kapitalismus trifft er sich mit Bahro: »Das ganze Wesen der Industriegesellschaft besteht doch gerade darin, daß sie nur anti-ökologisch sein kann [...] Retten könnte uns nur der Ausstieg aus der Industriegesellschaft. Dafür befinden sich aber schon fünfmal zuviel Menschen auf diesem Planeten — und 30 Jahre weiter werden es bereits achtmal zuviel sein.«373 Der Begriff »Kapitalismus« kommt im umfangreichen Stichwortverzeichnis von Herbert Gruhls 1992 erschienenen Buch Himmelfahrt ins Nichts kein einziges Mal vor. Wir finden dort fünfmal den »Teufel«, 13mal »Bevölkerungsexplosion«, und 22 Zitatstellen »Katastrophen« werden nur noch von »Deutschland« (23mal) und »Gott« (26mal) übertroffen.
Der Punkt, der Militaristinnen, Bevölkerungspolitikerinnen, reaktionäre Ökologinnen und Ökofaschistlnnen, New-Agerln-nen, Spiritualistlnnen und Rassistinnen verbindet, heißt: Ein besseres Leben für eine elitäre, »arische«, weiße Minderheit ist auf diesem Planeten nur dann zu haben, wenn die Anzahl der Menschen im Trikont dezimiert wird und wenn die Ausplünderung weitergeht bis ins Innerste der Zelle, die menschlichen Gene. Die Vorstellungen, mit welchen Mitteln dieses bessere Leben für die »Hochwertigen« zu bewerkstelligen sei, triefen vor Gewalt: vom
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planvollen Hungertod und Völkermord durch unterlassene Hilfeleistung (zum Beispiel bei Aids in Afrika) über Zwangssterilisierung und Krieg bis zum Völkermord durch die Atombombe.
Rund zweieinhalb Jahre nach seinem Wutausbruch über die formale Abgrenzung der ÖDP gegen Republikaner und NPD empfing Herbert Gruhl am 7. Oktober 1991 aus der Hand von Monika Griefahn, der ehemaligen Greenpeace-Funktionärin und gegenwärtigen Umweltministerin der Landesregierung von Niedersachsen — deren steile Karriere von der Atomkritikerin zur Förderin der Interessen des Atomkapitals wir schon kennengelernt haben —, das Bundesverdienstkreuz. Die rosagrüne Landesregierung war gewarnt. Im SPD-Pressedienst Blick nach rechts vom Januar 1991 hätte sie lesen können: »Das damals erschienene Buch >Ein Planet wird geplündert< wurde eher irrtümlich zum Bestseller [...] Wer es las, fand darin knallharten Darwinismus mit einem fragwürdigen Demokratieverständnis, was den Vorwurf nach sich zog, Gruhl sei ein >Ökofaschist<.«374
Ritter, Vorsitzender der angeblich linkskatholischen bis wertkonservativen ÖDP, hatte jahrelang für Gruhls Bundesverdienstkreuz gekämpft und hielt bei den niedersächsischen Feierlichkeiten eine Laudatio auf den Geehrten.
Gruhl sei doch nicht für seine Verdienste in irgendwelchen Parteien ausgezeichnet worden, sondern für seine Verdienste für den Umweltschutz, verteidigte eine Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums die Ordensverleihung. Als wäre »Umweltschutz« eine unpolitische, über allen Wolken schwebende Kategorie. Die Ideologie einer unpolitischen, sich nur um Tiere und Pflanzen kümmernden, von allen sozialen und ökonomischen Gewaltverhältnissen unbeeinträchtigten Naturschutzpolitik hat dazu beigetragen, Ökologie zur Okkupation durch ökofaschistische Positionen vorzubereiten. Der Mensch ist ein Teil der Natur und zugleich als ein besonderer Teil mit Fähigkeiten ausgestattet, wie wir sie weder bei Tieren noch bei Pflanzen finden: nachzudenken, zu planen, zu träumen, sein Leben kreativ zu gestalten, für Selbstbestimmung zu kämpfen, zu lernen, sich in Auseinandersetzung mit seiner sozialen Umwelt zu entwickeln — wobei wir an dieser Stelle nicht über die politischen Verhältnisse reden, die diese Fähigkeiten einschränken, unterdrücken, ersticken.
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Wenn also dieses soziale Wesen Mensch ein Teil der Natur ist, dann muß ökologische Politik die sozialen Verhältnisse des Menschen berücksichtigen, sonst wird sie biologistisch und reaktionär.
Weder die rosagrüne niedersächsische Landesregierung noch das dazugehörige Umweltministerium unter Monika Griefahn stießen sich daran, mit Herbert Gruhl einen Autor der rechtsextremistischen Zeitschriften Mut, Nation Europa (der NPD nahestehend), Wir selbst (den Nationalrevolutionären nahestehend) und Junge Freiheit geehrt zu haben. Die neofaschistische Nationalzeitung zollte Gruhl Hochachtung, nur er könne eine Umweltschutzpartei seriöser Prägung aufbauen.375
Vor seinem Eintritt in die Grünen gründete Gruhl die Grüne Aktion Zukunft (GAZ, in der auch Mitglieder des rechtsextremistischen Weltbundes zum Schutz des Lebens (WSL) Aufnahme fanden. Zeitweise konnte die GAZ auch den inzwischen verstorbenen Zoologen^Öernhard Grzimek) ehemaliges NSDAP-Mitglied und Vertreter der Förderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe, als Aushängeschild gewinnen. Eine enge Zusammenarbeit gab es außerdem mit dem Lieblingsnaturwissenschaftler der rechtsextremistischen Szene, dem Nobelpreisträger Konrad Lorenz. Lorenz beantragte am 28. Juni 1938, gleich nach der An-nektion Österreichs durch Hitler, die Mitgliedschaft in der NSDAP (Mitgliedsnummer 6170554). In seinem 1973 erschienenen Buch Die sieben Todsünden beschreibt er das »verderbliche Wachstum bösartiger Tumore« aufgrund des Versagens von »Abwehrmaßnahmen«, die gegen die »asozialen« Zellen schützen könnten. Er zieht eine »Analogie« zum Menschen: »Ein Mensch, der durch das Ausbleiben der Reifung sozialer Verhaltensnormen in einem infantilen Zustand verbleibt, wird notwendigerweise zum Parasit der Gesellschaft [...] Es ist nicht auszuschließen, daß viele Infantilismen, die große Anteile der heutigen >rebellie-renden< Jugend zu sozialen Parasiten machen, möglicherweise genetisch bedingt sind.«376
Es ist kennzeichnend für BiologistInnen aller Schattierungen, daß sie mit einer von ihren sozialen Interessen und ihrer ideologischen Position getrübten Sicht oberflächliche Beobachtungen äußerer Erscheinungsformen biologischer Abläufe anstellen.
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Sie belegen ihre »Beobachtungen« hochwissenschaftlich mit Begriffen aus der menschlichen Gesellschaft: Abwehrmaßnahmen, asozial, Parasit, Ordnung, Raubzüge, Hackordnungen, Hierarchie, Mutterinstinkt usw. und nehmen die so kategorisierten Verhaltensweisen als Beleg für nun »natürlich« begründete, angeblich festgelegte menschliche Verhaltensweisen und für gesellschaftliche Ordnung. Diese Rückübertragung von wissenschaftlich übertünchten biologistischen Ansichten dient nur der »ökologischen« Legitimation rechter gesellschaftspolitischer Konzepte.
Eine der Autorinnen des GAZ-Manifests war Christa Meves. Sie ist eine der einflußreichsten Abtreibungsgegnerinnen und Biologistlnnen der rechtsextremistischen und neofaschistischen Szene. Sie referiert auf Seminaren der rechtsextremen »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung« gemeinsam mit Mitgliedern der NPD, wie zum Beispiel 1976 mit Adolf von Thadden und Rolf Kosiek beim Stettenfels-Seminar. In ihren Büchern im katholischen Herder Verlag verbreitet sie ihren biologistischen Mist in millionenfacher Auflage. Wir finden ihre Bücher als offizielles Lehrmaterial auch an einigen Fachhochschulen für Sozialwesen.377
Meves wütet »gegen dieses Wahnsinnszerstörungswerk [...] dieses Ausliefern der jüngeren Frauen an die Sexualität des Mannes, diese verderbliche Abkapselung des Triebes von der Liebe, diese Knospenverstümmelung bei gleichzeitiger Überbewertung qualvoll intellektualisierter Bildungsgänge«. Ausgeliefert an den »Dämon [...] autonome Sexualität«378, die nicht Teil der weiblichen Natur sei, sei hingegen »das Besitzstreben des Menschen [...] Teil seiner Natur.«379 Und: »[...] die Frau hat von ihrer biologischen Aufgabe her ein natürliches Bedürfnis nach Unterwerfung, der Mann nach Eroberung und Beherrschung.« Eine »Mütterausbildung« soll den Mädchen, die biologisch bedingt, wegen der anderen »Hirnstruktur«, vielmehr »praktisch« als theoretisch lernfähig seien, bei der Identitätsfindung und dem deutschen Volk bei dessen Vermehrung helfen.380 Diese deutsche Vermehrung macht Frau Meves große Sorge. Sexuelle Lust, nach Meves Zeichen für eine »infantile« Sexualität, lenkt ab vom Kinderkriegen. Der »Orgasmus der Frau« ist »in seiner nackten Form [...] eine
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höchst künstliche Anpassung an das männliche sexuelle Erleben«. Nur Geduld, Geschlechtsgenossinnen, am »Ende der männlichen Erregung« kommt der Anfang der »Hoffnung« für die Frau, »ein Kind empfangen zu haben«.38Ia Katholisch ist sie geworden, weil dieser Papst eine »Gnadengabe« sei und Maria »uns [Frauen] [...] vor unserer immer lauernden Hexenhaftigkeit befreien« kann.38lb Für ihre »wissenschaftliche« Arbeit für Familie, Keuschheit, Patriarchat und deutsches Vaterland wurde Christa Meves reich belohnt: mit dem niedersächsischen Verdienstorden (1978), dem Konrad-Adenauer-Preis der Deutschlandstiftung (1979) und dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse (1984). In einem solchen Land leben wir.
Weinzierls Heimat
Zu viele Linke überlassen es gelangweilt wenigen, sich politisch mit dem Thema Ökologie zu befassen. Wer sich mit Ökologie nicht auseinandersetzt, übersieht die massenhafte Verbreitung biologistischen bis neofaschistischen Gedankengutes in allen Bereichen der Gesellschaft, was sich auch in Positionen der Parteien CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne/Bündnis 90 in unterschiedlicher Dosierung widerspiegelt und von dort auf die Gesellschaft zurückwirkt.
Es erforderte zum Beispiel eine heftige Auseinandersetzung, angefacht von Karin Döpke und Peter Bierl von der Ökologischen Linken im lokalen Münchner Bündnis gegen den Weltwirtschaftsgipfel 1992, die ÖDP dort wenigstens als »unerwünscht« bezeichnen zu lassen. Zuvor hatte diese an einer Reihe von Sitzungen, unbeanstandet von linken Organisationen wie den Autonomen, der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) oder der DKP, teilnehmen können. Am Ende stimmten nur noch die Grünen für den Verbleib der ÖDP.
Auch im bundesweiten Trägerinnenkreis für den Anti-WWG-Kongreß, der schließlich trotz der Spaltungsversuche der Grünen und des BUND erfolgreich vonstatten ging, mußten in wochenlan-
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gen heftigen Diskussionen einige linke Organisationen davon überzeugt werden, daß Hubert Weinzierl, der Bundesvorsitzende des BUND, als einziger Referent für das Forum »Ökoimperialis-mus«382 (das zuerst »Umwelt und Entwicklung«, dann »Ökologie« heißen sollte) fehl am Platz war. In einem offenen Brief vom 13. April 1992 begründeten Karin Döpke und Henning Kühn (Ökologische Linke), weswegen sie sich strikt weigerten, Weinzierl als Referenten zu akzeptieren. Die ökologische Frage sei nur im Zusammenhang mit der sozialen zu lösen. Weinzierl verwende eine rassistische Sprache gegen Asylsuchende und habe geäußert: »Nur wenn die Hauptsorge der Menschheit, die Eindämmung des Überbevölkerungsstromes, gewährleistet ist, wird es einen Sinn haben und wird eine Aussicht bestehen, an einer durchaus verbesserungsfähigen Umwelt zu bauen, unsere Zivilisationslandschaft zu gestalten, daß sie wert bleibt, Heimat genannt zu werden.«383 Im Oktober 1991 habe Weinzierl Peter Gauweiler zu einem Seminar des BUND über »die Folgen des Bevölkerungswachstums für die Umwelt« (nicht etwa der kapitalistischen Weltwirtschaft für Menschen und Natur) eingeladen und dort erklärt: »Jeder Naturschutz ende dort, wo die Menschenlawine alles überrollt.«384
Als Reaktion auf diese Kritik zog sich der BUND beleidigt aus dem Trägerkreis zurück, anstatt sich endlich mit der Ideologie seines Vorsitzenden zu befassen. Weinzierls ökofaschistisches Gedankengut ist keine Neuentdeckung. Auch Manfred Bissinger, der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift Natur, war entsetzt und entfachte eine wichtige Diskussion, nachdem Bernd Lötsch und Hubert Weinzierl Konrad Lorenz 1988 in einem Natur-Interview unbeanstandet hatten durchgehen lassen, daß er, Lorenz, wegen der Überbevölkerung eine gewisse Sympathie für Aids habe und daß die ethisch wertvollen Menschen nicht so viele Kinder bekämen wie die Gangster in der Dritten Welt, die sich hemmungslos vermehrten.385
Möglicherweise sieht der BUND deshalb keinen Anlaß, sich mit besagten Äußerungen auseinanderzusetzen, weil bio-logistische Ideologie bereits zum Standardinventar der Gesamtorganisation gehört. Der Bund Naturschutz Starnberg (BN) hatte Sorgen, nein, nicht wegen der vielen Wohnungssuchenden oder
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der Vernichtung der Alpenvegetation. Man schrieb an den Starn-berger Stadtrat, der solle Asylsuchende auffordern, bei einer »Ramadama«-Aktion mitzuwirken. Das bayrische »Ramadama« meint so viel wie »Laßt uns aufräumen!« und appelliert an die Einwohnerinnen, in einer Gemeinschaftsaktion ihren Wohlstandsmüll zu beseitigen. Im Brief des Naturschutzbundes steht: »Nach unserer Meinung ist der Bevölkerung schwer zu vermitteln, daß arbeitende Bürger dieser Stadt als Freiwillige am Ramadama teilnehmen, während von Sozialhilfe bzw. Arbeitslosenhilfe lebende Asylbewerber spazierengehend zuschauen, wie andere ohne Honorar den >Wohlstandsmüll< wegräumen.«
Durch den Brief der Starnberger Naturschützer wabert der Neid der unter Schweiß Müll sammelnden Deutschen auf die schlendernden Flüchtlinge. Wer selbst nicht am Wohlstand teilhaben darf, soll wenigstens den Müll wegräumen. Was interessiert solche Naturschützer die Angst von Menschen vor rassistischer Gewalt und Abschiebung, wenn es um Höheres wie saubere Straßen, getrennte Müllsammlung und den deutschen Wald geht? Ein menschenverachtendes Umweltschutzverständnis haben viele potentielle Bündnispartner des Naturschutzbundes. Auch nach Ansicht der Republikanerinnen sind Verfolgte und Arme nur faul: »Empfänger von Sozial- und Arbeitslosenhilfe sollten gemeinnützige Arbeiten leisten, insbesondere bei der Alten- und Behinder-tenpflege sowie beim Umweltschutz.«386
Der ökologische Wert der Armut
Die ÖDP ist am einflußreichsten im süddeutschen Raum, und sie entfaltet heftige Aktivitäten in der ehemaligen DDR. In Sachsen half sie der Zeitschrift Ökostroika mit Geld und Anzeigen. Die Ökostroika druckte, was als Mißverständnis entschuldigt wurde, nämlich eine Anzeige des Jahresweiserverlages, der auch neofaschistische Texte publiziert. In einem Interview in Ökostroika wurde die Frage aufgeworfen, ob »die Auseinandersetzungen innerhalb der schwarzen Bevölkerungsmehrheit nicht eigentlich
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eine späte Rechtfertigung für die Apartheidspolitik« seien. Aus Ökostroika und Bündnis 2000 wurde die Monatszeitschrift Quer, die seit Januar 1992 monatlich in Berlin erscheint. Hier schreiben, neben dem Exchefredakteur von Ökostroika auch Leute von der ÖDP, der AL (dem Berliner Landesverband der Grünen), dem Bündnis 90 und dem Neuen Forum387, ein Bündnis, das über die laufende Vereinigung der Grünen mit dem Bündnis 90 auch organisatorische Gestalt annimmt.
Müll und Armut spielen im Menschenbild von »Bürgerbewegten« eine besondere Rolle. Möglicherweise haben wir in unserer linken Blindheit bis heute eine wesentliche Seite an der »Marktwirtschaft« übersehen, wie die Bürgerbewegten den Kapitalismus neckisch nennen. Über den ökologischen Nutzen der Armut klärt uns Quer unter der Überschrift »Ökologisch nützlich — sozial geächtet« in einem ungewöhnlich zynischen Artikel auf. In Jakarta sammeln jeden Tag 37 000 Menschen auf Müllhalden Papier, Glas, Metall und Holz. »Sie verkaufen es an Händler und erhalten so ein Recyclingsystem, das jährlich mehrere Millionen Tonnen dieser Wertstoffe in die Produktion zurückfuhrt. Ihr wirtschaftlicher Nutzen ist groß für die Stadt.« Quer bedauert nicht die elende Existenz, sondern die gesellschaftliche Ächtung, die die Menschen im Müll erfahren, wo sie arbeiten, um überleben zu können. Den indonesischen Slumbewohnerlnnen fehlt nach Ansicht der deutschen Bürgerbewegten der echte Unternehmergeist: Die »Müllsammler« (Frauen kommen in der Sprache nicht vor), heißt es bedauernd, »geben [...] ihr Geld aber zumeist nicht zukunftssichernd aus, sondern unterstützen Angehörige in den Heimatdörfern oder erwerben Konsumgüter.« Quer preist ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), das »Hilfe zur Selbsthilfe« leiste, Infrastruktur, effektivere Selektierung und Vermarktung des Mülls und Hilfe bei der Erhöhung der »Akzeptanz bei der Bevölkerung und den Behörden [...], um die Müllsammler in die städtische Gesellschaft sozial zu integrieren.« Diese Akzeptanz ist nicht einmal ein Übergangsschritt in eine bessere Zukunft, die Armut wird gebraucht: »Die Eigeninitiative der Müllsammler verringert die sozialen und ökologischen Kosten des Staates erheblich.«388 Manche Interessen lassen sich widerspruchsfrei vereinen. Während rechte Natur-
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schützerinnen Armut aus ökologischen Gründen nützlich finden, brauchen Konzerne viele billige Menschen für die Produktion.
Auf der Tagesordnung der Konferenz des Bündnis 90 im April 1992 in Berlin stand die geplante Vereinigung mit den Grünen. Eine große Gruppe von ÖDP-Gästen beobachtete interessiert die Versammlung. Vielerorts arbeitet das Bündnis 90 bereits eng mit der ÖDP zusammen. Das Image des Bündnis 90 als tapfere, aufrechte, selbstlos um Demokratie kämpfende politische Gruppe ist ein Mythos. Auf dem Parteitag der Grünen vom 1. bis 3. Mai 1992 in Berlin beschlossen die Grünen die Vereinigung mit dem Bündnis 90 zu einem Projekt, das den »Geist von Bewegung atmet und die Kraft zur politischen Intervention besitzt.« Was für ein Geist?
Konrad Weiß, Bundestagsabgeordneter des Bündnis 90, plädierte während des Golfkrieges für Rüstungsexporte nach Israel. Er setzt sich gegen offene Grenzen und für Kontingente für Ein-wanderlnnen ein. Er forderte die Bundestagspräsidentin auf, den Anti-§-218-Antrag seiner Fraktionskollegin Christina Schenk nicht zuzulassen. Und er war vermutlich nicht unzufrieden über die Brandenburger Landtagsfraktion des Bündnis 90, die die ÖTV-Mitglieder im Frühjahr 1992 zum Abbruch des Streiks und zum Lohnverzicht aufrief.389 Das Bündnis 90 ist keine besonders soziale Partei - außer es geht um populäre Forderungen für die Ost-Deutschen. Wie sieht es beim Naturschutz aus? Durch die Enthaltung der Brandenburger SPD/FDP/Bündnis 90-Regierung scheiterte die Einführung des Tempolimits von 120 Stundenkilometern im Bundesrat.39f Für den Riesenflugplatz »Berlin International«, ausgelegt auf 25 Millionen Passagiere (der Flughafen Tegel fertigt heute sieben Millionen Passagiere ab) bekam Ministerpräsident Stolpe natürlich auch die Zustimmung des Bündnis 90, ökologische Bedenken hin oder her oder gleich ganz vergessen.
Es ist kaum vorstellbar, daß die Grünen im Frühjahr 1993 gegen die Vereinigung mit dem Bündnis 90 entscheiden. Dieser Vereinigung werden die wenigen Reste vormals emanzipatori-scher Politik zum Opfer gebracht werden, was dem größeren Teil der grünen Partei kein besonderes Bauchgrimmen mehr verursachen wird. Ein bißchen Streit wird es vielleicht um das Frauen-
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Statut und die Mindestquotierung geben. Der Antikapitalismus ist schon abgeschafft, Basisdemokratie schon lange. Die klassische Forderung der Grünen nach sofortiger Stillegung aller Atomanlagen ist heftig umstritten und wird, wie wir gesehen haben, in der rosagrünen Regierungspraxis ausgehebelt. Die Forderung nach offenen Grenzen für alle Flüchtlinge steht nur noch auf dem Papier und auch dort nicht mehr lange. Daniel Cohn-Bendit, der in Frankfurt den öffentlichen »Diskurs« mit der NPD pflegt, findet die im Mai 1992 noch einmal knapp bestätigte grüne Forderung nach offenen Grenzen »gemeingefährlich« und »kindisch-trotzig«.391 Keine Sorge, der Beschluß wird fallen. Die Grünen in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Saarland haben seine Revision bereits angekündigt.392
Mit dem Widerstand gegen Rassismus hat das Bündnis 90, das die »freie Entfaltung wirtschaftlicher Eigeninitiative« von der FDP abgeschrieben hat, nichts am Hut. In einem programmatischen Grundsatzbeschluß vom Mai 1992393 wird das gescheiterte »größte zentralistische Gesellschaftsexperiment«, der Sozialismus (der keiner war), erwähnt, mit keinem Wort aber die notwendige politische Aufarbeitung des Faschismus oder die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen und neofaschistischen Gruppen. Wir lesen Vages über »die Weiterentwicklung [...] unserer Ethik« (ausgerechnet unter dem Punkt »Stärkung der Organisationsstruktur«). Statt der Solidarität mit den Opfern des Rassismus finden wir eine Anerkennung des »Anderen als Anderen«. Weiß das Bündnis 90, wie dicht es mit dieser Formulierung bei den taktischen Positionen von Rechtsextremistinnen liegt, die statt »Ausländer raus« nun das strikte, unvermischte, abgegrenzte »Nebeneinander« der Völker (das in Südafrika zur Apartheid gerann) als Respekt vor anderen Kulturen verkaufen?
Ein nicht weiter ausgeführtes »Bewußtsein der eigenen Identität« (als Deutsche?) und die Absicht des Bündnis 90, sich »von moralischen und spirituellen Werten« leiten zu lassen, sind schon der schärfste Ausdruck seiner gesellschaftlichen Vision neben dem »Blick nach vorn: Teilhabe am Eigentum«. Günter Nooke, Mitglied im Landessprecherrat und zugleich Vorsitzender der brandenburgischen Landtagsfraktion des Bündnis 90, erklärt uns, wie er sich von »moralischen und spirituellen Werten« leiten läßt.
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Unverantwortlich sei der kleine, noch teilweise linke grüne Landesverband in Brandenburg, »absurd und wenig politikfähig« seine Vorstellung von offenen Grenzen, mit der »zwei Milliarden Menschen nach Brandenburg« eingeladen werden.394 Die Zeitung Junge Freiheit, deren Redaktion sich aus Republikanern, Aktivisten der neofaschistischen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP) und Nationalrevolutionären zusammensetzt, steht als »Plattform für eine Ideologie zur Verfügung, in deren Mittelpunkt >die europäische Zivilisation der Weißen< steht. Ihr biologistisches Weltbild geht davon aus, daß die in der genetischen Vielfalt wurzelnde Ungleichheit nicht aufhebbar sei.«395 Der »Ethnopluralismus«, die Formel der Rechtsextremisten und Neofaschisten für die Anerkennung »des Anderen als Anderen« (Bündnis 90), bedeutet nicht weniger, als daß die weiße europäische »Rasse« — und darin vor allem das deutsche Volk — unvermischt zu bleiben hat, daß jede »Bastardisierung«, jede Vermischung mit »minderwertigem Menschenmaterial«, mit Gewalt zu unterbinden ist. In Junge Freiheit verbreitet der österreichische Journalist Günther Nen-ning: »Das Nationale war immer ein wichtiger Bestandteil der europäischen Politik. Warum soll es das nicht wieder sein?« Ein »Menschenrecht« sei, »bei sich daheim zu sein, nicht überrollt zu werden, sondern das Seine behaupten zu dürfen«.396
Im Schlepptau des Bündnis 90 könnte die ÖDP mit zahlreichen Vertreterinnen oder vielleicht ganzen Ortsverbänden in die Grünen einzusickern versuchen. Sie trifft zum Teil auf ihre eigenen Leute und auf ein vielerorts gut vorbereitetes Terrain, nicht nur in den Köpfen. Die Zeit scheint reif für einen erneuten Versuch, eine gesellschaftlich noch anerkannte, im Inneren aber desolate grüne Partei als organisatorische Hülle um ein ökofaschistisches Massenprojekt zu stülpen.
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»Juden, Zigeuner, deutsche Ossis und Russen
aller Arten werden uns auf den Straßen begegnen ...«
In Hamburg lobt die ÖDP die gute Zusammenarbeit mit der GAL, den Landesverband der Grünen. Mitten im Wahlkampf 1991 zur Hamburger Bürgerschaftswahl lud die ÖDP ihre Mitglieder für den 28. Mai 1991, also fünf Tage vor der Wahl, »zu einer Informa-tions- und Diskussionsveranstaltung mit Conny Jürgens, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, Wahlkandidatin der Grünen/GAL, zum Thema >Was bedeutet der grüne Neuanfang für die ÖDP?< [...] Sie haben die Gelegenheit, die populäre Kandidatin der Grünen/GAL, die gleichzeitig Vorstandsmitglied des Grünen Forums [einer rechten Abspaltung bzw. Fraktion der GAL] ist, zu den Chancen und Perspektiven, die sich durch den — von der Hamburger ÖDP unterstützten — Zusammenschluß von Grünem Forum und GAL [...] ergeben, zu befragen. Die aktuelle Entwicklung der Grünen im Bundesgebiet, deren realpolitische Wendung von der ÖDP wohlwollend betrachtet wird, spielt dabei sicherlich auch eine Rolle.«397 Einige Besucherinnen berichteten, was die »populäre« grüne Kandidatin, die früher einmal Linke war, der ÖDP zu sagen hatte: »Es geht darum, alle ökologischen Kräfte zu bündeln. Dazu gehört auch die ÖDP.« Und: »Solche Schlagwörter wie Antifaschismus dürfen keine Rolle mehr spielen.«398
Für die GAL Hamburg, den grünen Landesverband, sitzen heute, seit der Bürgerschaftswahl 19913", mindestens zwei Mitglieder des ÖDP-nahen Grünen Forums in der Hamburger Bürgerschaft, ebenjene Conny Jürgens und Martin Schmidt. »In mehreren Bezirken sind ÖDP-Mitglieder Mitglied der Fraktion der Grünen Bezirksversammlungen beziehungsweise ihrer Ausschüsse (Altana, Harburg, Wandsbek). Die Mitarbeit der ÖDP-Mitglieder ist normaler Alltag unserer politischen Arbeit«, schrieb Peter Schwanewilms, Kreisvorstandsmitglied der Grünen Altana im Mai 1992 in einem Leserbrief an die Tageszeitung (taz).400 Nach der umstrittenen Vereinigung des ÖDP-nahen Grü-
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nen Forums mit der GAL Hamburg hatte die taz gejubelt: »Innerhalb weniger Wochen wurde aus einer starr dogmatischen, ja fast reaktionären Fundi-Festung ein normaler grüner Landesverband [...] das ist kein Rechtsruck, sondern neue Vielfalt [...] Es ist bewundernswert, wie sie den neu eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende geht.«401
Welche »konsequent« menschenverachtende, rassistische und antisemitische Sprache diesen »neuen« Weg begleitet, formulierte das grüne Bürgerschaftsmitglied Martin Schmidt, der auch eine Zusammenarbeit mit der CDU nicht ausschließen will,402 schon vor den Wahlen: »Was soll aus Hamburg werden? [...] Die schönen Tage von Aranjuez sind jetzt vorbei: Hamburg wird nach allen Regeln der ökonomischen und politischen Entwicklung in den nächsten Jahren eine führende Stellung in Mittel- und Osteuropa einnehmen. Hamburg wird auch, als prosperierende Großstadt, ein vorzügliches Ziel für Einwanderer aus dem Osten werden. Juden, Zigeuner, deutsche Ossis und Russen aller Arten werden uns auf den Straßen begegnen. [...] Hamburg muß die Auswanderung von jungen Menschen in den Ostteil Deutschlands und nach Osteuropa fördern. Ostdeutschland und Osteuropa sind nicht zu reformieren ohne neue Menschen aus dem Westen.«403 Mit diesen Worten wird die aggressive Ausdehnung des deutschen Lebensraums nach Osten und das Plattwalzen des minderwertigen, kulturlosen, östlichen »Menschenmaterials« durch den hochwertigen, westeuropäischen »neuen Menschen« gutgeheißen.
Die Grünen in Hamburg sind tatsächlich ein »normaler grüner Landesverband« (Tageszeitung), denn die grüne Normalität hat sich weit nach rechts verschoben. Während Daniel Cohn-Bendit nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg im Frühjahr 1992 in Frankfurt erst Geheimgespräche mit der NPD führte und dann mit öffentlichen Gesprächen zu ihrer Gesellschaftsfähigkeit beitrug,404 stürzten sich die baden-württembergischen grünen Realos in Koalitionsgespräche mit der CDU. Diese Gespräche hatten 1992 erst einmal die Funktion, den Gedanken an eine Koalition mit der CDU in den Grünen zu etablieren. Das gelang. Nur ein einziger Redner auf der Bundesversammlung der Grünen im Mai 1992 in Berlin widersprach der Begeisterung über den Bericht aus Baden-Württemberg. Die grüne Frauenministerin
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Waltraut Schoppe in Niedersachsen, der Landtagsabgeordnete Fritz Hertle in Hessen — viele sind inzwischen für schwarzgrüne Pfründe.
Während die Grünen von einer unaufmerksamen Öffentlichkeit noch für einen bunten, alternativen Haufen gehalten werden, bestimmen mehr und mehr grüne Bündnisse mit Rechtsextremisten und Neofaschisten den Parteialltag der Basis. Für den Kreisvorsitzenden der Grünen im Unterallgäu, Gottfried Schwank, sind »die Klischees der achtziger Jahre«, die »von einer fundamentalistischen Minderheit geprägt« wurden, überholt. Das notwendige politische Gewicht für die Bundestagswahlen 1994 solle durch den Zusammenschluß mit dem Bündnis 90 erreicht werden, im Unterallgäu sei dazu auch ein Zusammengehen »unter einem Dach mit der ÖDP« denkbar. Schon 1990 stimmte eine grüne Stadträtin in Starnberg für den Republikaner Ernst Röhm (den Großneffen von SA-Röhm) als Umweltreferenten. Im Herbst 1991 hielt die grüne Fraktion im Schwabinger Stadtteilparlament in München einen Republikaner für das Amt des Ausländerbeauftragten für geeignet. Im Kreistag von Mühldorf/Inn (Bayern) schlössen die Grünen Ende 1991 eine Listengemeinschaft mit den Republikanern. Nur so könnten, begründeten sie das grünbraune Bündnis, Sitze in einigen Ausschüssen gewonnen werden. Denn »es geht um die konkrete Arbeit«, und außerdem seien die Mühldorfer Republikaner »gemäßigt«, »die sitzen nur drin und sagen nichts«.405 Der Mühldorfer Kreisverband sprach, anstatt ein Ausschlußverfahren einzuleiten, den grünen Kreisrätinnen Birgit Schmidt und Edda Zimmermann das Vertrauen aus. Schon 1989 kungelte in Heilbronn der grüne Stadtrat Wolf Theilacker mit Alfred Degenbach, dem Sprecher der Republikaner, über die Besetzung von Ausschüssen.
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Explosives Potential
Seit den fünfziger Jahren wird von rechten Ideologen gezielt versucht, Ökologie in rechter Interpretation für eine Modernisierung des Faschismus und als ein ideologisches Scharnier der Organisierung der rechtsextremistischen und neofaschistischen Szene zu nutzen. 1958 gründeten ehemalige Mitglieder der NSDAP den Weltbund zum Schutz des Lebens (WSL), der Lebensschutz und Umweltschutz mit Rassismus und völkischer Ideologie verknüpfte. Mitte der siebziger Jahre formulierte die NPD ein »Ökologisches Manifest«. Ende der siebziger Jahre gründete der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Herbert Gruhl die Grüne Aktion Zukunft (GAZ) und beteiligte sich mit dem neofaschistischem Gedankengut verbundenen Biobauern Baidur Springmann am Aufbau der Grünen, verließ aber die Partei 1981 wegen ihrer Linksentwicklung.
Teile der emanzipatorischen Gegenkultur der sechziger und siebziger Jahre, der Studentinnen-, Hippie-, Indianer- und sogenannten Alternativbewegung, entpolitisierten sich und wandten sich okkulten, esoterischen Sekten zu. Eine der einflußreichsten Sekten, die Anthroposophlnnen, bildeten einen starken rechten Flügel aus, der heute enge Verbindungen zur rechtsextremistischen bis neofaschistischen Szene entwickelt hat, aber auch Vertreterinnen seines linken Flügels finden wir als Autorinnen »nationalrevolutionärer« Postillen wie Wir selbst. In den achtziger Jahren gewannen die sogenannten Lebensschützerinnen und ökofaschistische Tendenzen innerhalb der Ökologiebewegung größeren Einfluß. Diese begann, durch die Anpassung der Grünen, teilweise auch durch den Einfluß der SPD und der CDU auf einige Umweltverbände, ihre soziale und antikapitalistische Orientierung aufzugeben.
Die ökofaschistische Szene und ihre Vorfeldorganisationen sind für Außenstehende kaum durchschaubar. Unpolitische Szenen wurden und werden vereinnahmt. Früher verfeindete rechtsextremistische und neofaschistische Organisationen und Strömungen haben begonnen, sich anzunähern. Man braucht sich, man trifft sich, man schult gemeinsam. Es ist ein explosives Potential entstanden, nicht von der restlichen Gesellschaft getrennt, sondern mit seinen Wurzeln und ideologischen wie personellen Verästelungen tief in die Gesamtgesellschaft eingebunden. Biologistisches, rassistisches emanzipationsfeindliches Gift hat sich längst in liberalen und linken Kreisen verbreitet. Wir finden es in der Alltagssprache, in Lehrinhalten und in den Medien. Es ist in den Kreisen der akademischen Mittelschicht sehr beliebt und wird Gegenstand der Werbung. Die Firma Esprit ließ auf Werbetafeln plakatieren: »Wir könnten alle in Harmonie mit der Natur leben, wenn die Überbevölkerung nicht wäre.«
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Biologie als Schicksal
Wer an einer Hamburger Schule ein Referendariat absolvieren will, muß einen rassistischen Text unterschreiben: »Ich erkläre, daß ich deutscher Staatsangehöriger bin und meine Eltern und Großeltern nicht im Ausland geboren sind und auch nicht längere Zeit dort gelebt haben.« Der Text schließt nicht nur Nichtdeutsche aus und Menschen, deren Großeltern lange Auslandserfahrungen gemacht haben, sondern definiert das Deutschsein per Abstammung und Blut, also biologisch und nicht sozial, etwa mit dem Ort des Aufwachsens. Hamburger Eltern können zufrieden sein. Ihre Kinder werden von richtigen Blutsdeutschen unterrichtet, die sich beugen ließen, ein solches Papier zu unterzeichnen. Trotz öffentlicher Kritik will die Hamburger Schulbehörde nicht auf den Text verzichten. Anderes »würde zu einer nicht hinnehmbaren Vergrößerung des Personenkreises führen«. Rassistische Auslese unter einer sozialdemokratischen Alleinregierung.406
In den Schulen beginnt sich die Auffassung durchzusetzen, daß menschliches Verhalten angeboren und nur begrenzt erlernbar ist: Biologie ist Schicksal. Die Soziobiologie, deren Wurzeln in der Verhaltensforschung Konrad Lorenz', in neueren Erkenntnissen der Physiologie menschlicher Gefühle und Verhaltensweisen und in der sogenannten Populationsgenetik liegen, führt letztlich zu der Konsequenz, daß es sich auch aus ökonomischer Sicht nicht lohnt, an den angeborenen, biologisch determinierten Fähigkeiten eines Menschen weiterzuarbeiten. Das Menschenbild des Faschismus erfährt seine Wiederauferstehung in modernem, wissenschaftlichem Gewand. Es kriecht in die Soziologie, die Psychologie und in die pädagogische Praxis. Schon werden hier und dort einzelne Familien und Menschen für »nicht thera-
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pierbar« erklärt.407 Eine Gesellschaft beginnt sich ihrer sozialen Verantwortung für Krankheit und sogenannte Abweichungen zu entledigen. Auf der anderen Seite haben sogenannte Eliten Konjunktur. Die Konsequenz liegt im Interesse des Staates und des Kapitals. Der Abbau sozialer Hilfen verbilligt auch die Lohnnebenkosten: Der Mensch ist selbst schuld an seinem Elend.
Biologistisches Gedankengut fiel auch in den fünfziger Jahren nicht vom Himmel, sondern hat eine — sehr deutsche — Geschichte. Wissenschaftler wie Konrad Lorenz oder sein Schüler Irenäus Eibl-Eibesfeldt lieferten und liefern die pseudowissenschaftliche Grundlage: Praktisch alle Verhaltensweisen des Menschen seien angeboren und genetisch bestimmt. Der Mensch sei unveränderlich aggressiv und egoistisch, er hasse »Fremde« und verteidige sein »Revier«. So sei es ganz natürlich, daß Männer Frauen beherrschen.408 Lorenz' Position war seit 1940 weitgehend unverändert, nur seine Wortwahl paßte er der Zeit an. Durch das Bevölkerungswachstum komme es zu einer »Verhaus-tierung« (1940)409, die Menschheit degeneriere, weil »sozial Ausfallbehaftete« (1973)410 nicht mehr selektiert würden. Gegen die angebliche Überbevölkerung setzte Lorenz schon 1940 den »rassischen Gedanken«411 und 1988 seine »gewisse Sympathie für Aids«, wie wir vernommen haben. Das läßt uns ahnen, welche mörderischen Motive hinter der Gleichgültigkeit der europäischen Elite gegenüber der Lage der aidskranken Menschen in Afrika stecken könnten.
Wenn Eibl-Eibesfeldt die Rolle der Frau als Mutter biologisch festschreibt und sie anderenfalls durch »gezielte Propaganda irregeführt« sieht, wenn er eine »Ethnie« für selbstmörderisch hält, die eine zu große »Zuwanderung« erlaubt, dadurch »Land [...] ab [tritt]« und die »eigenen Fortpflanzungsmöglichkeiten zugunsten eines anderen Volkes [. . .] begrenzt«, wenn sogar die Marktwirtschaft stammesgeschichtlich erklärt wird,412 sind irgendwann auch Kapitalismus und Imperialismus genetisch bestimmt, und Ausbeutung ist Schicksal, »Karma«, wie Esoterikerinnen sagen würden.
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Was ist Faschismus, was Ökofaschismus?
Faschismus, wie zum Beispiel der deutsche von 1933 bis 1945, ist die extreme Herrschaftsform des Kapitalismus, in dem er als Möglichkeit, nicht als Zwangsläufigkeit angelegt ist. Faschismus ist die systematischste Form der Herrschaft von Menschen über Menschen. Er drängt danach, jeden Ansatz von Emanzipation einschließlich aller Organisationen der Arbeiterbewegung zu zerschlagen und die Produktion zu militarisieren mit dem Ziel der maximalen Ausplünderung und Unterwerfung der menschlichen Arbeitskraft für die Interessen des Kapitals. Faschismus beinhaltet die biologistisch begründete Definition von »unwertem« oder »minderwertigem« menschlichem Leben. Seine eugenische Definition von Leben führt zur Annahme von biologischen Eliten. Faschismus ist ohne Rassismus — und darin als besondere Erscheinung der Antisemitismus — nicht denkbar, und er kommt ohne starken, repressiven Staat nicht aus. Dieser will die totale Kontrolle über alle, auch die privatesten Lebensäußerungen. Die Formen können sich historisch bis zur Unkenntlichkeit verwischen: vom sichtbaren Blockwart bis zur unsichtbaren, legalisierten, vernetzten High-Tech-Überwachung.
Faschismus ist eine patriarchal-kapitalistische Herrschaftsform, die militant gegen Abweichungen von herrschenden Normen vorgeht. Opfer sind zum Beispiel Schwule, Lesben oder Künstlerinnen. Das faschistische Dogma vom unwerten Leben und der höherwertigen »arischen Rasse« oder europäischen Zivilisation verbindet sich mit der Kontrolle der privatesten Lebensäußerungen im Frauenbild des Faschismus. Faschistische Herrschaft verlangt die Steuerung der Bevölkerungsentwicklung, den Zugriff auf die menschliche Reproduktion, ob in Gestalt von Zwangssterilisierung, als »arische Menschenzucht« (»Lebensborn«) oder in der modernen Gen- und Reproduktionstechnologie.
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Was ist Ökofaschismus?
Im Ökofaschismus, dem ökologisch modernisierten Faschismus, erkennen wir alle genannten Elemente faschistischer Herrschaftsform, zum Teil in ökologisierten Begründungszusammenhängen, wieder: Die größte Verantwortung für die Zerstörung der Natur durch die kapitalistische Produktionsweise tragen, nach Meinung der Ökofaschisten, die Opfer ebenjener Produktionsweise, die Menschen im Trikont. Sie versauen durch ihre bloße Existenz das Klima der höherwertigen, zivilisierten, weißen Menschen in Europa.
Ökofaschisten kennen zwar Eliten und »unwertes Leben«, aber keine sozialen Klassen. In den Zentren sind »wir alle« angeblich gleichermaßen an der Zerstörung der Natur schuld. Der Mensch steht, nach Auffassung der Ökofaschisten, feindlich in der Natur und ist nicht ihr besonderer Teil. Andererseits sagen die Ökofaschisten auch, daß der Mensch kein soziales Wesen sei, sondern biologisch und genetisch bestimmt, also von den Regeln der Natur außerhalb des Menschen determiniert. Von diesen Regeln ist er angeblich so abhängig, daß die Einflüsse der sozialen Umwelt — und damit soziale Verantwortung — praktisch bedeutungslos sind.
Ökofaschistische Ideologie verlangt die Ausrichtung der gesellschaftlichen Ordnung nach den vermeintlichen Regeln »der Natur«. Die herrschende Wissenschaft richtet sich nach den Gesetzen der Kapitalverwertung, wie wir nicht nur an den Beispielen der Gen- und Reproduktions- und Atomtechnologie sehen. Naturwissenschaftlerinnen sind damit in eine Logik eingebunden, die - wenn sich die ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse entsprechend entwickelt haben — auch die systematische Verwertung und Vernichtung von Menschen möglich macht. Ökofaschistische Dogmen entstehen aus oberflächlichen Beobachtungen in der nichtmenschlichen Natur und durch Übertragung dieser vermeintlich »natürlichen« oder »ökologischen« Regeln auf soziale Verhältnisse.
Ökologie wird zur ordnungspolitischen Kategorie. Aus den Regeln der menschenlosen Natur, die soziale Prozesse ausschließt, leiten Ökofaschisten ihre »Werte« ab. Aber im Gegensatz zum Menschen kennen Tiere und Pflanzen weder Selbstreflexion noch Selbstbestimmung oder gar Befreiung. Wesenselement des Öko-faschismus wird so die Unterwerfung unter die herrschenden Verhältnisse, verklärt als biologische Ordnung. Darin liegt einer sei-
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ner Berührungspunkte mit der Esoterik. Okofaschismus heißt: Stabilisierung von oben und unten, Unterwerfung des Individuums unter patriarchal-kapitalistische Herrschaft und Ausbeutung. Naturschutz und Ökologie werden zum Kampfbegriff gegen die Emanzipation des Menschen. Sosehr Ökofaschisten den Raubbau an der Natur beklagen, so sehr ignorieren sie systematisch den Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft.
Der angebliche »Respekt« der Ökofaschisten vor den verschiedenen menschlichen »Rassen«, vor der genetischen menschlichen Vielfalt, ist selbst blanker Rassismus und eine Voraussetzung für die Vernichtung menschlichen Lebens. Menschen unterscheiden sich nach sozialer Klassenzugehörigkeit, vielfältiger ethnischer Herkunft, durch ihre Geschichte, durch Erfahrungen, durch klimatische Lebensverhältnisse. Das sind genug Unterschiede. Die Behauptung verschiedener menschlichen Rassen war nie etwas anderes als ein ideologisch begründeter Mythos.
Ökofaschistlnnen, so sanft, biologisch anbauend und dezentral sie auch auftreten mögen, wollen den starken Staat, eine Elite und die Strafandrohung für »unnatürliches« abweichendes Verhalten (von der Abtreibung bis zur Homosexualität). Die aggressive, imperialistische Expansion der »biologisch Höherwertigen« wird als wehrhafte Verteidigung gegen angebliche Menschenfluten getarnt oder als militärischer Einsatz im Trikont zum angeblichen Schutz der Natur (zum Beispiel Grünhelme).
Wer den Menschen als Feind der Natur sieht, minderwertige, menschliche Rassen zu erkennen meint und die Natur vor »den Menschen« schützen will, verrät sich irgendwann an der Sprache mörderischer Gewalt. Da werden Menschen zu »Asylantenflu-ten«, da bedrohen »Bevölkerungsexplosionen« und braune und schwarze »Menschenlawinen« die weiße Ordnung: biologische Elite und ökonomische Herrschaft. Der sogenannte Lebensschutz gilt stets nur für die »weiße, arische Rasse«. Gegen zu viele minderwertige Menschen hilft - im Namen des Naturschutzes —, Bevölkerungspolitik mit Zwangssterilisation, Selektion, demnächst Menschenzucht mit Hilfe der Gen- und Reproduktionstechnologie und gelegentlich Völkermord, zum Beispiel durch die kaum bekämpfte epidemische Ausbreitung von Aids unter den Ärmsten in Afrika.
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Wer leugnet, daß der Mensch ein soziales Wesen ist, wer Emanzipation verachtet und vermeintliche biologische Regeln menschlichem Verhalten aufpfropft, wer an höherwertige Menschen glaubt und deren Vermehrung aggressiv durchsetzen will, braucht Bevölkerungspolitik und die Verfügungsgewalt über die weibliche Sexualität und damit den Zugriff auf die menschliche Fortpflanzung. So sind im Ökofaschismus ein reaktionäres Frauenbild und der sogenannte Lebensschutz nicht voneinander zu trennen. Die Gesellschaftsform, die entstünde, setzten sich ökofaschistische Positionen durch, wäre eine auch ökologisch legitimierte faschistische Diktatur, modernisiert durch die Gen-und Reproduktionstechnologie und die modernen Kommunikationstechnologien.
»Alle menstruierenden Frauen haben den Kreis zu verlassen«
Anja T. aus München fuhr zum »SommerCamp für Spiritualität, Ökologie und Politik — Lied der Erde — Tanz des Lebens« vom 1. bis 14. August 1988 im WassermannZentrum auf der Schwäbischen Alb. Mitveranstalter war die sogenannte grüne Bundesarbeitsgemeinschaft »Spiritualität in Wissenschaft und Politik«.413 Auf dem Programm standen »Schamanisches Wissen«, Karl Ever-dings »Reinkarnationsseminar«, eine Menge »Höheres selbst«, »Rebirthing«, »ökosophisch-meditative Betrachtungen über Sonne, Mond, Planeten, Wetter« und »die Erde als Leib«, »Feuertanz«, »Ökogarten«. Und als einer der Höhepunkte: Tom Yellow-tales »Heil- und Sonnenaufgangszeremonien«. Deutlicher Hinweis im Programmheft: »Tom Yellowtale nimmt für seine Arbeit keine Bezahlung, sondern nur Geschenke an.« Neben Findhorn-tänzen, Hopi- und Voodoo-Kult stehen auch grüne Referentinnen auf dem Programm: Karin Zeitler (ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete414), Eva Quistorp (ehemaliges Mitglied im Bundesvorstand der Grünen und seit 1990 grüne Europaparlamentarierin), Wolfgang Ehmke415 (grüner Amtsträger in Joschka Fischers hessischem Umweltministerium), Rainer Langhans und Rudolf Bahro.
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Anja T. schrieb mir, was sie dort erlebt hat:
»Montag, 8. August 1988. Ich komme mittags im Wassermann Zentrum an [...] Ein erster Kontaktversuch mit einer Frau, die neben meinem Zelt in der Sonne liegt, mißlingt: >Stör mich bitte nicht, ich meditiere, und stell doch Dein Zelt woanders hin.< Schade. — 16.30 Uhr: Ich gerate durch Zufall in Karl Scherers417 Vortrag >Der Krieger des Herzens — Ein Weg der Schönheit und des Mitgefühls<, wo man/frau für 400 Mark dann ein paar nette Stories über indianische Erziehung [...] erfährt.« Im Programm, das Anja mitgeschickt hat, lese ich: »Der Krieger des Herzens besitzt [...] den Mut, alle Lebensumstände anzugehen, die zum Leid beitragen, und die Geduld zu warten, bis das erfolgreich möglich ist.« Anja fährt fort: »Scherer vergißt auch nicht zu erzählen, daß es eine große Anstrengung für ihn war, heute ins WassermannZentrum zu kommen. Übermorgen müsse er in Mailand sein, und er komme gerade aus London, Rom, Paris, Brüssel usw. [...] ein Terminkalender wie ein Manager [...] Karl Scherer ist Tom Yellowtales Assistent, d. h. sein >Blutsbruder<: [...] >es ist ja bekannt, die Welt geht nicht wegen der Kapitalisten unter, sondern wegen eines Tiefs, in dem sich alle Menschen befinden [...]<« Ganz entgegen dem Programmhinweis möchte Tom Yellowtale, schreibt Anja, »für seine Arbeit jetzt doch keine Geschenke (Schwierigkeiten beim Flugzeugtransport), und er bittet die Leute, je nach Vermögen 200—300 Mark zu zahlen. Entrüstetes Gemurmel, Gesprächsfetzen: >[...] aber was sollen wir denn mit den Energiepyramiden, [...] alle Steine umsonst gekauft.[.. .]<
Beim Abendessen (bei dem einige der männlichen Anwesenden ganz begeistert davon sind, daß sie ihren Teller selber spülen dürfen — >dieses intensive Gefühl der körperlichen Aktivität —, höre ich ein Gespräch von zwei Frauen, die beim Feuerlauf waren: Frau 1: >Hast Du eigentlich auch lauter Brandblasen an den Füßen?< Frau 2: Ja schon, aber ich glaube, ich weiß wieso. Jedesmal, wenn uns dieser Typ fotografiert hat, hat er die Aura zerstörte Ich konnte mir das Lachen [...] nicht verkneifen. Abends, beim gruppendynamischen Teil [...] erzählte mir eine
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Frau, die gerade in der Schwitzhütte war (100 bis 200 Mark, je nach Zahlungsfähigkeit), von ihren Erlebnissen: >eine Schwitzhütte dauert etwa 4 Stunden [...] Zuerst wird im Kreis um die Hütte, einem igluförmigen Bau aus Zweigen und Decken, getanzt, wobei die Himmelsrichtung, in der später dein Platz in der Hütte ist, vom Guru festgelegt wird. Ausziehen, der Guru säubert deinen Körper mit Federn. Zu Trommelklängen kriechen die Menschen in die Hütte und kauern sich auf ihren Platz. Erste Runde: der Guru spricht Gebete, singt. Zweite Runde: Steigerung der Hitze. In der Mitte befinden sich glühende Steine, deren Anzahl bei jeder Runde gesteigert wird. Jede und jeder schreit seine/ihre persönlichen Anliegen in die Hütte. Dritte Runde: Gebete für die Angehörigen und die, die man/frau liebt. Vierte Runde: Anrufen der Mächte durch gemeinsames Singen. [...] es wird in der Schwitzhütte eine unheimliche >energy< frei, so daß zwar von Männern erwartet wird, daß sie durchhalten, Frauen die Hütte jederzeit verlassen dürfen. < Menstruierende Frauen dürfen überhaupt nicht teilnehmen, sie sind zu powerful und bringen die Kräfte durcheinander — so die indianische Weisheit, die von allen Frauen, die ich zu diesem Thema befragt habe, widerspruchslos akzeptiert wird.«418
Dienstag, den 9. August 1988. »Lightwork«. Im Programm, das Anjas Brief beiliegt, lese ich dazu:
»Wo kommen wir her? Warum haben wir gewählt, auf diesen Planeten zu kommen? Wir arbeiten mit geführten Meditationen, Clearings (nach Rhe Powers) und Energiearbeit.« Anja beschreibt: »Zuerst Tanz, etwa eine Stunde, Musik aus den Siebzigern, man/frau soll sich austoben >alles loslassen<. Dann eine Vorstellungsrunde: wir lassen uns Zeit, [...] die meisten berichten, auf welchen Seminaren, Workshops, Bioenergetic Kursen usw. sie schon waren. [...] Die erste in der Runde wird vorgebeten, sie soll sagen, was >in ihr ist<. Sie sagt: >Nichts<. Die Kursleiterin darauf: >Du lügst, besinne Dich<. Die Frau wiederholt ihre Antwort. Der gleiche Wortwechsel dreimal. Die Frau bricht in Tränen aus, ist ein Häufchen schluchzendes Elend.
Nachmittags Rebirthing bei Nicola Schlubbach-Graf, Diplom-Psychologin aus München. Nach einer kurzen Einführung in Sinn und Zweck des Rebirthing (Trauma der Geburt, ähnlich vergra-
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bene, tiefsitzende Erlebnisse sollen zum Vorschein kommen) teilen wir uns in Zweiergruppen. Eine rebirthed, der oder die andere hilft. Unter Nicolas Anleitung beginnt die erste Gruppe ihren jeweiligen Partner zu massieren und dadurch zum richtigen Atmen anzuregen [...] Nach etwa fünf Minuten fangen einige an, zu stöhnen und zu keuchen, klingt wie bei einer Massenorgie. Ein Mann rastet total aus, schreit, kreischt, beschimpft seine Mutter als Schwein, Hure, dreckige Nutte, bäumt sich auf, tritt gegen einen Heizkörper. Nicola bekommt bei dem Versuch, ihn zu bändigen, ein blaues Auge. Berufsrisiko? Die Frau neben mir fängt an, hysterisch zu lachen, schreit, weint >der Tisch, es ist kalt<. Geburtstrauma? Bei fünf von acht Leuten >klappt< das Rebirthen.
Abends gerate ich zufällig (bei einem Gang zum ökologischdynamischen Bio-Klo mit Sägespäne und meditativer Musik) zu einer Gruppe von Menschen, die auf Tom Yellowtale >den obersten und rangältesten Sonnentanzhäuptling< warten, um mit ihm eine Heilzeremonie zu erleben. Sie warten bereits seit eineinhalb Stunden: >er wird schon kommen, wenn er es für richtig hält, Indianer haben keine westlichen Zeitnormen, man darf ihn nicht drängen< [...] Endlich, nach einer weiteren Stunde, ich wollte gerade gehen, kommt er, begleitet von zwei >Assistenten<. Alle menstruierenden Frauen werden aufgefordert, die Runde zu verlassen. Die Armen, zweieinhalb Stunden umsonst gewartet, mehrere stehen auf, keine verlangt eine Erklärung. Tom nimmt ersf mal einen kräftigen Zug einer geheimnisvollen grünen Flüssigkeit und bittet die erste Kundin (wer Heilung will, muß zahlen), in die Mitte des nach Osten geöffneten Kreises (Verbindung mit den Außerirdischen) zu treten. Er fächert sie mit einem Federwisch ab, murmelt Gebete, fächert wieder, singt, das alles dauert ca. eine halbe Stunde, dann kann sie sich setzen. Ist sie geheilt? >Der nächste bitte [...]<«
Yellowtale behauptet, Mitglied des Eiders Circle of all Indian Tribes zu sein, der nichts als eine Namenserfindung ist, die absichtsvoll auf Verwechslung mit dem einflußreichen und angesehenen Traditional Eiders Circle zielt. Anja fährt fort: »Das Camp sollte zwar Verbindungen schaffen zwischen Spiritualität, Ökologie und Politik< (siehe Programm), was ich allerdings nirgends finden konnte, war die Politik«, beendet Anja ihr Schreiben.
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Renate Domnick von der »Gesellschaft für bedrohte Völker« protestierte am 20. August 1988 schriftlich beim Bundesvorstand der Grünen. Sie kritisierte, daß Grüne durch ihre Unterstützung des Wassermann-SommerCamps ausgerechnet europäisch vermarktete indianische Gurus unterstützen: »Swift Dear [der im SommerCamp auftrat] ist ein rechtsradikaler Meti und US-Chauvinist, der traditionellen Indianern auf übelste Art feindlich gesinnt ist, insbesondere dem Traditional Eiders Circle, der sich gegen die kommerzielle Ausbeutung und Verfremdung ihrer Kultur und Religion durch Weiße wehrt. Dazu gehört auch der Sonnentanz, der nur an den heiligen Stätten ihrer Stammesländer ausgeführt werden darf [...] finden wir es mehr als bedauerlich, daß Grüne sich an der Unterminierung der Authentizität indianischer Kultur beteiligen [...] es ist eine, wenn auch unbewußte Übernahme imperialistischer Haltungen, zu glauben, daß die oft streng gehüteten Zeremonien indigener Völker jedermann zugänglich sein müßten [...] die Aufführung von Sonnentänzen ist eher eine Sabotage als ein Akt der Solidarität.«
Auf dem SommerCamp wurde geworben für den »keltischen Druiden Kaiedon Naddair«, der in Workshops über »Druiden-tum, Schamanismus und Kraftplätze« referierte.419 Der »Frankfurter Ring« darf sich in der »spirituellen Stadtzeitung« Lichtnetz Frankfiirt vorstellen. Der Ring unterstützt Veranstaltungen mit Fritjof Capra und ist der Meinung, daß das »Wesen der Frau [...] mehr offen ist für die intuitiven Erfahrungen«. Daneben wirbt das Lichtnetz für die komplette esoterische Szene. Karl Everding, der im SommerCamp ein »Reinkarnationsseminar« anbietet: »Es geht nicht um die äußeren Lebensumstände, es geht um Deine innere Fähigkeit, Dein Leben so zu kreieren, wie Du es willst.« Zu dumm, wenn du arm oder krank bist. An vielen schönen teuren Orten macht Everding Reinkarnationstraining. Stufe eins: intrauterine Phase und frühere Leben; Stufe zwei: Rückführung zu Zeugung und Geburt einschließlich weiterer früherer Leben, Stufe drei: hier »erlebst Du, weshalb Du Dir Deine Eltern gewählt hast [...] Du wirst nur das erfahren, wozu Du bereit bist und was Du verkraften kannst.«
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Glückliche Kunden schreiben an Everding: »Ich fühle mich leicht und gelöst [...] ich genieße es sehr, hier in einem anspruchsvollen Hotel mit vielen Einrichtungen verwöhnt zu werden.« Wiedergeburt ist teuer, Everding ist ein guter Geschäftsmann. Er bildet zum Gruppenleiter aus (6000 bis 8000 Mark pro Jahr), bietet Gruppenreisen nach Griechenland (»Sonnenuntergänge bei klassischer Musik mit Gewichtskontrolle«: 1800 Mark), bietet zweitägige Reinkarnationsseminare (250 Mark), »Psychologische Gewichtskontrolle« (450 Mark, Arbeitslose: 350 Mark) einen Abend mit dem »großen« Lehrer Werner Erhard für 60 Mark (»wird den space im Seminar erheblich steigern«), am selben Wochenende sind auch noch Psychotherapien drin (50 Minuten zu 90 Mark) und Fußreflexzonentherapien (»nur« 50 Mark).420
In der Friedensbewegung blühte nicht nur linker Nationalismus auf (»Keine Raketen auf deutschem Boden«), sondern auch die Esoterikszene. Im Seminarraum der Pressehütte des Widerstandsorts Mutlangen gab es mindestens 1989 ein esoterisches Programm: »Fasten als Aktionsform, Heile Erde, Zen-Meditation, Hatha-Yoga, Gewaltlosigkeitstrainings.«421
Die faschistischen Wurzeln der Esoterik
Ein großer Teil der in der Alternativszene gelesenen Literatur über eine naturnahe Spiritualität ist mit reaktionären, völkischen oder gar nationalsozialistischen Inhalten verwoben. Neofaschistische und rechtsextremistische Positionen finden wir nicht nur in den unterschiedlichsten politischen — eben auch ökologischen — Gruppen, sondern auch, was weitgehend übersehen wird, in neuheidnischen, esoterischen beziehungsweise okkulten Zirkeln. Der inzwischen verstorbene evangelische Sektenexperte Friedrich W. Haack veröffentlichte 1984, daß im deutschen Sprachraum mehr als tausend Menschen pro Woche in okkulte Lehren eingeführt werden und jedes Jahr mit 52.000 neuen Angehörigen von okkulten Traditionen gerechnet werden muß.422)
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Unter Esoterik wird eine nach innen gerichtete, vergeistigte Geheimlehre verstanden, die sich mit Übersinnlichem, rational nicht Erfaßbarem und Okkultem befaßt. Ihre Bedeutung ist angeblich nur ihren Anhängerinnen zugänglich, sie entzieht sich der rationalen Auseinandersetzung. Statt zu lernen, werden ihre Ideologieelemente in Zeremonien und Ritualen »erfahren«. Die Anhängerinnen der Esoterik glauben, daß ein New Age, ein neues Zeitalter, bevorsteht und daß die Menschheit an der Schwelle des Übergangs vom Fische- zum Wassermannzeitalter steht. Das kommende Zeitalter wird die Menschheit auf eine höhere Bewußtseinsstufe katapultieren, zumindest die höherwertigen, zivilisierten Menschen, welche die elitären esoterischen Regeln intensiv trainieren und fest an sie glauben.
Esoterik und Faschismus überschneiden sich in der Entpoliti-sierung der Menschen, dem knallharten Egokult, dem elitären Führertum und einer vollständig antisozialen, antihumanistischen und antiaufklärerischen Orientierung.
Mit New Age wird auch die aktuelle esoterische Szene bezeichnet, und die macht mit Gurus, Tarotkarten, teuren Seminaren, Psychotechniken, Büchern, Musik, Läden, Diskos, Zeremonien und Konsumartikeln weltweit ein Milliarden-Dollar-Geschäft. Etwa 20 Millionen Menschen zählt die New-Age-Ideologie allein in den USA, vorwiegend Angehörige der gutverdienenden Mittelschicht. Um zur Elite zu gehören und an der kosmischen Zeitenwende teilzunehmen, muß sich der Esoterikfan intensiv beschäftigen. Nicht mit seiner Umwelt, nicht mit seinen Mitmenschen, nicht mit Politik, nicht mit Armut, Elend und Naturzerstörung, sondern mit sich selbst! Er taucht tief in einen Sumpf aus ideologischen, religiösen und kulturellen Versatzstücken ein.
Esoterische Ideologie ist ein übelriechender Eintopf aus geklauten, ihrem sozialen und kulturellen Zusammenhang entrissenen Elementen aus allen traditionellen Religionen, wie dem Buddhismus, dem Taoismus, dem Christentum, germanischen und keltischen religiösen Vorstellungen, Indianerreligionen sowie Schamanismus, Techniken wie Feuer- und Sonnentanz, Schwitzhütten-Workshops, Reinkarnationsübungen, Seancen mit Pendeln, Kristallen oder Runen, bewußtes oder intuitives Atmen, Fasten, Meditieren, Astrologie und Spiritismus.
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New Ager klauen aus anderen Kulturen, sofern sich die Elemente vermarkten lassen und keinen lästigen sozialen Kontext mit sich herumschleppen. Die Bewunderung für Indianer oder afrikanische Traditionen ist Lug und Trug sowie Konsumgier und wird keinesfalls dadurch irritiert, daß ganze Ethnien aussterben. Es geht nicht um die Menschen, sondern um die Plünderung ihrer Kultur, um die Sinnleere der New Ager zu füllen. Zu diesem Zweck müssen die Reste der Kulturen ganz oder teilweise ausgerotteter Völker für die Kommerzialisierung zugerichtet werden. Ihre scheinbare Wiederbelebung dient ihrer Verwandlung in Geld und ihrer endgültigen Verwertung. Politisch bewußte und organisierte Indianerinnen, die sich gegen diese neokoloniale Plünderung wehren, erleben die Ignoranz und Aggressivität der Esote-rikerlnnen. Warum sich auch mit aussterbenden Völkern herumstreiten?
Im Verständnis der verschiedenen esoterischen Strömungen einschließlich der Anthroposophinnen ist das Aussterben einiger weniger zivilisierter »Rassen« karmisch leider unvermeidbar. Was für lupenreine Biologistlnnen die genetische Bestimmung des Menschen ist, ist für die Esoterikerlnnen das Karma, das unabwendbare Schicksal, das in einem früheren Leben selbst verschuldet wurde. Unterdrückung und Ausbeutung sind Karma. Soziales und politisches Engagement gilt als Einmischung in ein fremdes Karma und ist tabu. Damit ist die esoterische »Elite« frei, sich am knallharten kapitalistischen Geschäft zu beteiligen. Eventueller Völkermord ist esoterisch längst entschuldigt. Erhard F. Freitag, einer der führenden Esoterikerlnnen aus der BRD, sagt: »Denken Sie nicht zu viel an die Welt, denken Sie an sich, denn Sie sind der Mittelpunkt dieser Welt.«423
Auch für private Gewaltsverhältnisse empfehlen New-Age-Manager wie Erhard Freitag »positives Denken«. »Eine von ihrem Mann verprügelte Frau suggeriert sich: >Ich erfülle meine Aufgaben mit Freude und Harmonie. Ich bin behütet und geborgen in der Tiefe meines Wesens. Meine Liebe strömt auch zu meinem Mann. Vor meinem geistigen Auge sehe ich meinen Mann, der mir gütig und hilfsbereit entgegenkommt. < Nach vier Wochen war sie ein anderer Mensch. Und ihre Güte und Freundlichkeit färbte auch auf ihren Mann ab.«424 Gedemütigte, Obdachlose,
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Kranke, Hungernde, Gefolterte haben - esoterischem Zynismus zufolge — alle nur ein Problem: Sie haben nie gelernt, positiv zu denken: Don't worry, be happy! Und wenn dabei Menschen sterben. Esoterik und Demokratie schließen sich aus. Die spirituali-stische Welt, der erträumte Gottesstaat, das natürliche Universum entsprechen extrem hierarchischen bis diktatorischen Ordnungsvorstellungen.
New Age wird gelegentlich als technologieskeptisch oder gar kapitalismuskritisch mißverstanden. Ganz im Gegenteil liefert die Esoterik die passende Ideologie für das gegenwärtige Stadium des High-Tech-Kapitalismus. Von der Gentechnologie erwarten sich New-Age-Gurus wie Rainer Langhans den »neuen Menschen«, gewissermaßen die wissenschaftliche Beförderung ins Wassermannzeitalter.
Andere — beileibe nicht alle — glauben tiefenökologisch an die Beschleunigung der esoterischen Evolution durch radioaktive Strahlung aus Atomkraftwerken oder sogar Atomraketenstandorten. Die einflußreiche Findhorngemeinschaft etwa wurde mit voller Absicht in die Nähe eines solchen Standortes verlegt. Das New Age kann, so viele Anhängerinnen, auch durch einen Atomkrieg kommen. Die Evolution des menschlichen Bewußtseins auf eine höhere geistige Stufe der Zivilisation rechtfertigt selbst Völkermord.
Der unbedingte Egokult und die Entpolitisierung durch New Age helfen, Widerstand zu schwächen und die Ellenbogengesellschaft zu fördern. Während die einen New Ager sich ganz auf sich, ihre Zeremonien und kultische Rituale zurückziehen, gehen esoterisch geschulte kapitalistische Manager geistig gereinigt, frisch und brutal ans Werk. Spiritualität, heutige sogenannte Hochtechnologie und Kapitalismus vereinen sich in tiefster Harmonie. Die Esoterik ist die ideale Ideologie für leistungsbewußte, durchsetzungsstarke Angehörige der herrschenden Schichten. Kein Esoterikkongreß leidet unter Geldmangel, Teile der Wirtschaft haben sich der Szene längst angenommen.
Eine auserwählte Lichtrasse soll die Erde im neuen Zeitalter besiedeln, und die Euthanasiepositionen tragender New-Age-Führer wie David Spangler oder Sir George Trevelyan sind eine Bedrohung alter, kranker, eben »minderwertiger« Menschen.
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Die straffen, hierarchischen Strukturen rechtsextremistischer und neofaschistischer Organisationen könnten in den nächsten Jahren eine wachsende Attraktivität für entpolitisierte, autoritär strukturierte New Ager bekommen. Die New-Age-Bewegung ist (noch) nicht faschistisch. Aber wer ihr faschistisches Potential leugnet, hilft bei der Konstruktion eines spirituell wie ökologisch modernisierten Faschismus.
Die Ideologinnen des New Age
* Helena Petrowna Blavatsky (1831—1891) begründete die Theosophie mit ihrem Hauptwerk Geheimlehre (1888). Bis heute ist es das ariosophische Standardwerk. Noch vor Steiner beschrieb Blavatsky darin als höchstentwickelte menschliche »Wurzelrasse« die »Arier«. Ihre Geheimlehre ging ein in die germanentumelnde Thule-Gesellschaft und in die Gedankengänge von Naziführern. Die Theosophie wurde die wichtigste Wurzel der heutigen Anthroposophie und der New-Age-Szene. Blavatsky definierte Theosophie als »Weisheitsreligion oder göttliche Weisheit: die Grundlage und der Extrakt aller Weltreligionen und Philosophien, gelehrt und praktiziert von einigen Auserwählten, seitdem der Mensch zu denken begann«. Diese Auserwählten sind Teil jener »planetarischen Hierarchie« geheimnisvoller Meister, die von Theosophen gemeinhin auch als die zum Wohle der Menschheit wirkende »Große Weiße Bruderschaft« bezeichnet wird. An ihrer Spitze stehen Krischna, Buddha und Jesus Christus. Bla-vatskys Wurzelrassenlehre schätzte auch Adolf Hitler. Aus der Theosophie entwickelte Steiner die Anthroposophie. Eine besonders enge Beziehung besteht zwischen der Theosophie und der New-Age-Bewegung: Diese selbst wird von Theosophen verschiedentlich als die neue »sechste Unterrasse der fünften gleich arischen Wurzelrasse« gedeutet, und das »reine positive Denken« der »Großen Weißen Bruderschaft«, das wir als zentrale Botschaft des New Age kennen, dient der rein geistigen Weiterentwicklung der Menschheit.425)
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* Pflichtlektüre für Esoterikerlnnen ist das Buch Das grüne Gesicht von Gustav Meyrink (1868-1932), auch ein sogenannter Theosoph. Darin propagiert er die Herrschaft des »vergeistigten Menschen über die Natur und die Tiermenschen, wobei der Neger der Schlimmste ist, halb Raubtier, halb Mensch, hinter dem finstere Mächte stehen!«426
* Julius Evola (1898—1974) übersetzte Meyrinks Werke ins Italienische, war Berater von Mussolini und Ideologe der rechtsextremistischen und neofaschistischen Szene in Frankreich und Italien. Sein Ziel war, die »moralische, humanistische Soße« zu überwinden. Magie ist für Evola die Loslösung des Ichs von der Erde und damit deren Beherrschung. Im privaten Eigentum an Grund und Boden sieht er die einzige Lösung der Umweltproblematik. Eigentum ist auch die Frau, deren »absolute Hingabe« an den Mann er verlangt, wozu auch die Witwenverbrennung gehört. Sein Vorbild ist die Hierarchie der indischen Kastengesellschaft.427 Wer Sklave ist, muß sein Karma dafür verantwortlich machen. Das Aussterben von Völkern ist nicht Folge imperialistischer Gewalt, sondern natürlicher Ausdruck des Niedergangs ältester Völker und Kulturen, deren Lebensmöglichkeiten erschöpft sind. Gegen drohende Erhebungen niederer Völker und Schichten helfen sogenannte heilige Kriege.428
* Für die Ariosophen wie den »Bund der Germanen« war die »arische« beziehungsweise germanische Rasse der Höhepunkt menschlicher Entwicklung. Ihre Grundidee ist die einer schicksalhaft vorbestimmten (Welt)Herrschaft der Germanen. Frauen sind für die Ariosophen rassezersetzende Sünderinnen.
Ariosophen sind extreme Antisemiten. Zu den ariosophischen Organisationen, die in den zwanziger Jahren aus dem Boden schössen, gehörten beispielsweise der Wälsungen-Orden oder die Edda-Gesellschaft, die Ausgangspunkt der rechtsextremistischen Ludendorffer-Bewegung wurde. Alle ariosophischen Verbände bejubelten die Machtübernahme der Nazis. Es ist kein Widerspruch dazu, daß die ariosophischen Vereinigungen von den Nazis infolge innerfaschistischer Auseinandersetzung später aufgelöst wurden. Die Ludendorffer- beziehungsweise ariosophi-sche Bewegung, einer der Wurzeln des Weltbundes zum Schutz des Lebens (WSL), existiert immer noch. Ihr heutiges Interesse
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