Friedrich Engels
Grundsätze des Kommunismus (1)
1. Frage: Was ist der Kommunismus?
Antwort: Der Kommunismus ist die Lehre von den Bedingungen der Befreiung des
Proletariats.
2. Frage: Was ist das Proletariat?
Antwort: Das Proletariat ist diejenige Klasse der Gesellschaft, welche ihren
Lebensunterhalt einzig und allein aus dem Verkauf ihrer Arbeit (2) und nicht
aus dem Profit irgendeines Kapitals zieht; deren Wohl und Wehe, deren Leben
und Tod, deren ganze Existenz von der Nachfrage nach Arbeit, also von dem
Wechsel der guten und schlechten Geschäftszeiten, von den Schwankungen einer
zügellosen Konkurrenz abhängt. Das Proletariat oder die Klasse der
Proletarier ist, mit einem Worte, die arbeitende Klasse des neunzehnten
Jahrhunderts.
3. Frage: Es hat also nicht immer Proletarier gegeben?
Antwort: Nein. Arme und arbeitende Klassen hat es immer gegeben (3); auch
waren die arbeitenden Klassen meistens arm. Aber solche Arme, solche
Arbeiter, die in den eben angegebenen Umständen lebten, also Proletarier,
hat es nicht immer gegeben, ebensowenig wie die Konkurrenz immer frei
und zügellos war.
4. Frage: Wie ist das Proletariat entstanden?
Antwort: Das Proletariat ist entstanden durch die industrielle Revolution,
welche in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in England vor sich
ging und welche sich seitdem in allen zivilisierten Ländern der Welt
wiederholt hat. Diese industrielle Revolution wurde herbeigeführt durch
die Erfindung der Dampfmaschine, der verschiedenen Spinnmaschinen, des
mechanischen Webstuhls und einer ganzen Reihe anderer mechanischer
Vorrichtungen. Diese Maschinen, welche sehr teuer waren und also nur von
großen Kapitalisten angeschafft werden konnten, veränderten die ganze
bisherige Weise der Produktion und verdrängten die bisherigen Arbeiter,
indem die Maschinen die Waren wohlfeiler und besser lieferten, als die
Arbeiter sie mit ihren unvollkommenen Spinnrädern und Webstühlen herstellen
konnten.
Diese Maschinen lieferten dadurch die Industrie gänzlich in die Hände der
großen Kapitalisten und machten das wenige Eigentum der Arbeiter
(Werkzeuge, Wegstühle usw.) völlig wertlos, so daß die Kapitalisten bald
alles in ihre Hände bekamen und die Arbeiter nichts übrigbehielten. Damit
war in der Verfertigung von Kleidungsstoffen das Fabriksystem eingeführt.
- Als der Anstoß zur Einführung der Maschinerie und des Fabriksystems
einmal gegeben war, wurde dieses System auch sehr bald auf alle übrigen
Industriezweige, namentlich auf die Zeug- und Buchdruckerei, die Töpferei,
die Metallwarenindustrie angewandt. Die Arbeit wurde immer mehr unter die
einzelnen Arbeiter geteilt, so daß der Arbeiter, der früher ein ganzes
Stück Arbeit gemacht hatte, jetzt nur einen Teil dieses Stücks machte.
Diese Teilung der Arbeit machte es möglich, daß die Produkte schneller und
daher wohlfeiler geliefert werden konnten. Sie reduzierte die Tätigkeit
eines jeden Arbeiters auf einen sehr einfachen, jeden Augenblick
wiederholten, mechanischen Handgriff, der nicht nur ebensogut, sondern
noch viel besser durch eine Maschine gemacht werden konnte. Auf diese
Weise gerieten alle diese Industriezweige, einer nach dem anderen, unter
die Herrschaft der Dampfkraft, der Maschinerie und des Fabriksystems,
gerade wie die Spinnerei und Weberei. Damit gerieten sie aber zugleich
vollständig in die Hände der großen Kapitalisten, und den Arbeitern
wurde auch hier der letzte Rest von Selbständigkeit entzogen. Allmählich
gerieten außer der eigentlichen Manufaktur auch die Handwerke mehr und
mehr unter die Herrschaft des Fabriksystems, indem auch hier große
Kapitalisten durch Anlegung großer Ateliers, bei denen viele Kosten
gespart werden und die Arbeit ebenfalls sehr geteilt werden kann, die
kleinen Meister mehr und mehr verdrängten.
So sind wir jetzt dahin gekommen, daß in den zivilisierten Ländern fast
alle Arbeitszweige fabrikmäßig betrieben werden, daß in fast allen
Arbeitszweigen das Handwerk und die Manufaktur durch die große Industrie
verdrängt worden sind. - Dadurch ist der bisherige Mittelstand, besonders
die kleinen Handwerksmeister, mehr und mehr ruiniert, die frühere Lage der
Arbeiter gänzlich umgewälzt und zwei neue, allmählich alle übrigen
verschlingenden Klassen geschaffen worden, nämlich: 1. Die Klasse der
großen Kapitalisten, welche in allen zivilisierten Ländern schon jetzt
fast ausschließlich im Besitz aller Lebensmittel und der zur Erzeugung der
Lebensmittel nötigen Rohstoffe und Instrumente (Maschinen, Fabriken) sind.
Dies ist die Klasse der Bourgeois oder die Bourgeoisie. 2. Die Klasse der
gänzlich Besitzlosen, welche darauf angewiesen sind, den Bourgeois ihre
Arbeit zu verkaufen, um dafür die zu ihrem Unterhalt nötigen Lebensmittel
zu erhalten. Diese Klasse heißt die Klasse der Proletarier oder das
Proletariat.
5. Frage: Unter welchen Bedingungen findet dieser Verkauf der Arbeit der
Proletarier an die Bourgeois statt?
Antwort: Die Arbeit ist eine Ware wie jede andere, und ihr Preis wird
daher genau nach denselben Gesetzen bestimmt werden wie der jeder anderen
Ware. Der Preis einer Ware unter der Herrschaft der großen Industrie oder
der freien Konkurrenz, was, wie wir sehen werden, auf eins hinauskommt,
ist aber im Duchschnitt immer gleich den Produktionskosten dieser Ware.
Der Preis der Arbeit ist also ebenfalls gleich den Produktionskosten der
Arbeit. Die Produktionskosten der Arbeit bestehen aber in gerade soviel
Lebensmitteln, als nötig sind, um den Arbeiter in den Stand zun setzen,
arbeitsfähig zu bleiben und die Arbeiterklasse nicht aussterben zu lassen.
Der Arbeiter wird also für seine Arbeit nicht mehr erhalten, als zu diesem
Zwecke nötig ist; der Preis der Arbeit oder der Lohn wird also das
Niedrigste, das Minimum sein, was zum Lebensunterhalt nötig ist. Da die
Geschäftszeiten aber bald schlechter, bald besser sind, so wird er bald
mehr, bald weniger bekommen, gerade wie der Fabrikant bald mehr, bald
weniger für seine Ware bekommt. Aber ebenso wie der Fabrikant im
Durchschnitt der guten und schlechten Geschäftszeiten doch nicht mehr und
nicht weniger für seine Ware erhält als seine Produktionskosten, ebenso
wird der Arbeiter im Durchschnitt auch nicht mehr und nicht weniger als
eben dies Minimum erhalten. Dies ökonomische Gesetz des Arbeitslohns wird
aber um so strenger durchgeführt werden, je mehr die große Industrie sich
aller Arbeitszweige bemächtigt.
6. Frage: Welche Arbeiterklassen gab es vor der industriellen Revolution?
Antwort: Die arbeitenden Klassen haben je nach den verschiedenen
Entwickelungsstufen der Gesellschaft in verschiedenen Verhältnissen gelebt
und verschiedene Stellungen zu den besitzenden und herrschenden Klassen
gehabt. Im Altertum waren die Arbeitenden die Sklaven der Besitzer, wie
sie es in vielen zurückgebliebenen Ländern und selbst in dem südlichen
Teil der Vereinigten Staaten noch sind. Im Mittelalter waren sie die
Leibeigenen des grundbesitzenden Adels, wie sie es noch jetzt in Ungarn,
Polen und Rußland sind. Im Mittelalter und bis zur industriellen
Revolution gab es außerdem in den Städten Handwerksgesellen, die im Dienst
kleinbürgerlicher Meister arbeiteten, und allmählich kamen auch mit der
Entwicklung der Manufaktur Manufakturarbeiter auf, welche schon von
größeren Kapitalisten beschäftigt wurden.
7. Frage: Wodurch unterscheidet sich der Proletarier vom Sklaven?
Antwort: Der Sklave ist ein für allemal verkauft; der Proletarier muß sich
täglich und stündlich selbst verkaufen. Der einzelne Sklave, Eigentum
eines Herrn, hat schon durch das Interesse dieses Herrn eine gesicherte
Existenz, so elend sie sein mag; der einzelne Proletarier, Eigentum
sozusagen der ganzen Bourgeoisklasse, dem seine Arbeit nur dann abgekauft
wird, wenn jemand ihrer bedarf, hat keine gesicherte Existenz. Diese
Existenz ist nur der ganzen Proletarierklasse gesichert. Der Sklave steht
außerhalb der Konkurrenz, der Proletarier steht in ihr und fühlt alle ihre
Schwankungen. Der Sklave gilt für eine Sache, nicht für ein Mitglied der
bürgerlichen Gesellschaft; der Proletarier ist als Person, als Mitglied
der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt. Der Sklave kann also eine bessere
Existenz haben als der Proletarier, aber der Proletarier gehört einer
höheren Entwicklungsstufe der Gesellschaft an und steht selbst auf einer
höheren Stufe als der Sklave. Der Sklave befreit sich, indem er von allen
Privateigentumsverhältnissen nur das Verhältnis der Sklaverei aufhebt und
dadurch erst selbst Proletarier wird; der Proletarier kann sich nur
dadurch befreien, daß er das Privateigentum überhaupt aufhebt.
8. Frage: Wodurch unterscheidet sich der Proletarier vom Leibeigenen?
Antwort: Der Leibeigene hat den Besitz und die Benutzung eines
Produktionsinstrumentes, eines Stückes Boden, gegen Abgabe eines Teils des
Ertrages oder gegen Leistung von Arbeit. Der Proletarier arbeitet mit
Produktionsinstrumenten eines anderen für Rechnung dieses anderen, gegen
Empfang eines Teils des Ertrages. Der Leibeigene gibt ab, dem Proletarier
wird abgegeben. Der Leibeigene hat eine gesicherte Existenz, der
Proletarier hat sie nicht. Der Leibeigene steht außerhalb der Konkurrenz,
der Proletarier steht in ihr. Der Leibeigene befreit sich, entweder indem
er in die Städte entläuft und dort Handwerker wird, oder indem er statt
Arbeit und Produkten Geld an seinen Gutsherrn gibt und freier Pächter
wird, oder indem er seinen Feudalherrn verjagt und selbst Eigentümer wird,
kurz, indem er auf die eine oder die andere Weise in die besitzende Klasse
und in die Konkurrenz eintritt. Der Proletarier befreit sich, indem er die
Konkurrenz, das Privateigentum und alle Klassenunterschiede aufhebt.
9. Frage: Wodurch unterscheidet sich der Proletarier vom Handwerker? (4)
10. Frage: Wodurch unterscheidet sich der Proletarier vom Manufakturarbeiter?
Antwort: Der Manufakturarbeiter des sechzehnten bis achtzehnten
Jahrhunderts hatte fast überall noch ein Produktionsinstrument in seinem
Besitz, seinen Webstuhl, die Spinnräder für seine Familie, ein kleines
Feld, das er in Nebenstunden bebaute. Der Proletarier hat das alles nicht.
Der Manufakturarbeiter lebt fast immer auf dem Lande und in mehr oder
weniger patriarchalischen Verhältnissen mit seinem Gutsherrn oder
Arbeitgeber; der Proletarier lebt meist in großen Städten und steht zu
seinem Arbeitgeber in einem reinen Geldverhältnis. Der Manufakturarbeiter
wird durch die große Industrie aus seinen patriarchalischen Verhältnissen
herausgerissen, verliert den Besitz, den er noch hatte, und wird dadurch
selbst erst Proletarier.
11. Frage: Was waren die nächsten Folgen der industriellen Revolution und
der Scheidung der Gesellschaft in Bourgeois und Proletarier?
Antwort: Erstens wurde durch die infolge der Maschinenarbeit immer
wohlfeiler werdenden Preise der Industrieerzeugnisse in allen Ländern der
Welt das alte System der Manufaktur oder auf Handarbeit beruhenden
Industrie gänzlich zerstört. Alle halbbarbarischen Länder, welche bisher
mehr oder weniger der geschichtlichen Entwicklung fremd geblieben waren
und deren Industrie bisher auf der Manufaktur beruht hatte, wurden
hierdurch mit Gewalt aus ihrer Abschließung herausgerissen. Sie kauften
die wohlfeileren Waren der Engländer und ließen ihre eigenen
Manufakturarbeiter zugrunde gehen. So sind Länder, welche seit
Jahrtausenden keinen Fortschritt gemacht haben, z.B. Indien, durch und
durch revolutioniert worden, und selbst China geht jetzt einer Revolution
entgegen. Es ist dahin gekommen, daß eine neue Maschine, die heute in
England erfunden wird, binnen einem Jahre Millionen von Arbeitern in China
außer Brot setzt. Auf diese Weise hat die große Industrie alle Völker der
Erde miteinander in Verbindung gesetzt, alle kleinen Lokalmärkte zum
Weltmarkt zusammengeworfen, überall die Zivilisation und den Fortschritt
vorbereitet und es dahin gebracht, daß alles, was in den zivilisierten
Ländern geschieht, auf alle anderen Länder zurückwirken muß. So daß, wenn
jetzt in England oder Frankreich die Arbeiter sich befreien, dies in allen
anderen Ländern Revolutionen nach sich ziehen muß, welche früher oder
später ebenfalls die Befreiung der dortigen Arbeiter herbeiführen.
Zweitens hat sie überall, wo die große Industrie an die Stelle der
Manufaktur trat, die Bourgeoisie, ihren Reichtum und ihre Macht im
höchsten Grade entwickelt und sie zur ersten Klasse im Lande gemacht. Die
Folge davon war, daß überall, wo dies geschah, die Bourgeoisie die
politische Macht in ihre Hände bekam und die bisher herrschenden Klassen,
die Aristokratie, die Zunftbürger und das beide vertretende absolute
Königtum, verdrängte. Die Bourgeoisie vernichtete die Macht der
Aristokratie, des Adels, indem sie die Majorate oder die Unverkäuflichkeit
des Grundbesitzes und alle Adelsvorrechte aufhob. Sie zerstörte die Macht
der Zunftbürger, indem sie alle Zünfte und Handwerksprivilegien aufhob.
An die Stelle beider setzte sie die freie Konkurrenz, d.h. den Zustand der
Gesellschaft, worin jeder das Recht hat, jeden beliebigen Industriezweig
zu betreiben, und worin ihn nichts an dem Betriebe eines solchen
verhindern kann als der Mangel des dazu nötigen Kapitals.
Die Einführung der freien Konkurrenz ist also die öffentliche Erklärung,
daß von nun an die Mitglieder der Gesellschaft nur noch insoweit ungleich
sind, als ihre Kapitalien ungleich sind, daß das Kapital die entscheidende
Macht und damit die Kapitalisten, die Bourgeois, die erste Klasse in der
Gesellschaft geworden sind. Die freie Konkurrenz ist aber für den Anfang
der großen Industrie notwendig, weil sie der einzige Gesellschaftszustand
ist, in dem die große Industrie aufkommen kann. Die Bourgeoisie, nachdem
sie so die gesellschaftliche Macht des Adels und der Zunftbürger
vernichtet hatte, vernichtete auch ihre politische Macht. Wie sie sich in
der Gesellschaft zur ersten Klasse erhoben hatte, proklamierte sie sich
auch in politischer Form als erste Klasse. Sie tat dies durch die
Einführung des Repräsentativsystems, welches auf der bürgerlichen
Gleichheit vor dem Gesetz, der gesetzlichen Anerkennung der freien
Konkurrenz beruht und in den europäischen Ländern unter der Form der
konstitutionellen Monarchie eingeführt wurde. In diesen konstitutionellen
Monarchien sind nur diejenigen Wähler, welche ein gewisses Kapital
besitzen, also nur die Bourgeois; diese Bourgeoiswähler wählen die
Deputierten, und diese Bourgeoisdeputierten wählen, vermittels des Rechts
der Steuerverweigerung, eine Bourgeoisregierung.
Drittens entwickelte sie überall das Proletariat in demselben Maße, wie
sie die Bourgeoisie entwickelt. In demselben Verhältnis, wie die Bourgeois
reicher wurden, in demselben Verhältnis wurden die Proletarier
zahlreicher. Denn da die Proletarier nur durch das Kapital beschäftigt
werden können und das Kapital sich nur dann vermehrt, wenn es Arbeit
beschäftigt, so hält die Vermehrung des Proletariats genau Schritt mit der
Vermehrung des Kapitals. Zu gleicher Zeit zieht sie die Bourgeois so wie
die Proletarier in großen Städten zusammen, in denen die Industrie sich am
vorteilhaftesten betreiben läßt, und gibt durch diese Zusammenwerfung
großer Massen auf einen Fleck den Proletariern das Bewußtsein ihrer
Stärke. Ferner, je mehr sie sich entwickelt, je mehr neue Maschinen
erfunden werden, welche die Handarbeit verdrängen, desto mehr drückt die
große Industrie den Lohn, wie schon gesagt, auf sein Minimum herab und
macht dadurch die Lage des Proletariats mehr und mehr unerträglich. So
bereitet sie einerseits durch die wachsende Unzufriedenheit, andererseits
durch die wachsende Macht des Proletariats eine Revolution der
Gesellschaft durch das Proletariat vor.
12. Frage: Was waren die weiteren Folgen der industriellen Revolution?
Antwort: Die große Industrie schuf in der Dampfmaschine und den übrigen
Maschinen die Mittel, die industrielle Produktion in kurzer Zeit und mit
wenig Kosten ins unendliche zu vermehren. Die aus dieser großen Industrie
notwendig hervorgehende freie Konkurrenz nahm bei dieser Leichtigkeit der
Produktion sehr bald einen äußerst heftigen Charakter an; eine Menge
Kapitalisten warfen sich auf die Industrie, und in kurzer Zeit wurde mehr
produziert, als gebraucht werden konnte. Die Folge davon war, daß die
fabrizierten Waren nicht verkauft werden konnten und daß eine sogenannte
Handelskrisis eintrat. Die Fabriken mußten stillstehen, die Fabrikanten
machten Bankerott, und die Arbeiter kamen außer Brot. Das größte Elend
trat überall ein. Nach einiger Zeit waren die überflüssigen Produkte
verkauft, die Fabriken fingen wieder an zu arbeiten, der Lohn stieg, und
allmählich gingen die Geschäfte wieder besser als je. Aber nicht lange, so
waren wieder zuviel Waren produziert, und eine neue Krisis trat ein, die
gerade wieder denselben Verlauf nahm wie die vorige. So hat seit dem
Anfang dieses Jahrhunderts der Zustand der Industrie fortwährend zwischen
Epochen der Prosperität und Epochen der Krise geschwankt, und fast
regelmäßig alle fünf bis sieben Jahre (5) ist eine solche Krisis
eingetreten, welche jedesmal mit dem größten Elend der Arbeiter, mit
allgemeiner revolutionärer Aufregung und mit der größten Gefahr für den
ganzen bestehenden Zustand verknüpft war.
13. Frage: Was folgt aus diesen sich regelmäßig wiederholenden Handelskrisen?
Antwort: Erstens: Daß die große Industrie, obwohl sie selbst in ihrer
ersten Entwicklungsepoche die freie Konkurrenz erzeugt hat, jetzt dennoch
der freien Konkurrenz entwachsen ist; daß die Konkurrenz und überhaupt der
Betrieb der industriellen Produktion durch einzelne für sie eine Fessel
geworden ist, welche sie sprengen muß und wird; daß die große Industrie,
solange sie auf dem jetzigen Fuße betrieben wird, sich nur durch eine von
sieben zu sieben Jahren sich wiederholende allgemeine Verwirrung erhalten
kann, welche jedesmal die ganze Zivilisation bedroht und nicht nur die
Proletarier ins Elend stürzt, sondern auch eine große Anzahl von Bourgeois
ruiniert; daß also die große Industrie selbst entweder ganz aufgegeben
werden muß, was eine absolute Unmöglichkeit ist; oder daß sie eine ganz
neue Organisation der Gesellschaft durchaus notwendig macht, in welcher
nicht mehr einzelne, einander Konkurrenz machende Fabrikanten, sondern die
ganze Gesellschaft nach einem festen Plan und nach den Bedürfnissen aller
die industrielle Produktion leitet.
Zweitens: Daß die große Industrie und die durch sie möglich gemachte
Ausdehnung der Produktion ins unendliche einen Zustand der Gesellschaft
möglich machen, in welchem so viel von allen Lebensbedürfnissen produziert
wird, daß jedes Mitglied der Gesellschaft dadurch in den Stand gesetzt
wird, alle seine Kräfte und Anlagen in vollständiger Freiheit zu
entwickeln und zu betätigen. So daß also gerade diejenige Eigenschaft der
großen Industrie, welche in der heutigen Gesellschaft alles Elend und alle
Handelskrisen erzeugt, gerade dieselbe ist, welche unter einer anderen
gesellschaftlichen Organisation eben dieses Elend und diese
unglückbereitenden Schwankungen vernichten wird.
So daß also aufs klarste bewiesen ist: 1. daß von jetzt an alle diese Übel
nur der für die Verhältnisse nicht mehr passenden Gesellschaftsordnung
zuzuschreiben sind und 2. daß die Mittel vorhanden sind, um durch eine
neue Gesellschaftsordnung diese Übel gänzlich zu beseitigen.
14. Frage: Welcher Art wird diese neue Gesellschaftsordnung sein müssen?
Antwort: Sie wird vor allen Dingen den Betrieb der Industrie und aller
Produktionszweige überhaupt aus den Händen der einzelnen, einander
Konkurrenz machenden Individuen nehmen und dafür alle diese
Produktionszweige durch die ganze Gesellschaft, d.h. für gemeinschaftliche
Rechnung, nach gemeinschaftlichem Plan und unter Beteiligung aller
Mitglieder der Gesellschaft, betreiben lassen müssen. Sie wird also die
Konkurrenz aufheben und die Assoziation an ihre Stelle setzen. Da nun der
Betrieb der Industrie durch einzelne das Privateigentum zur notwendigen
Folge hatte und die Konkurrenz weiter nichts ist als die Art und Weise des
Betriebs der Industrie durch einzelne Privateigentümer, so ist das
Privateigentum vom einzelnen Betrieb der Industrie und der Konkurrenz
nicht zu trennen. Das Privateigentum wird also ebenfalls abgeschafft
werden müssen, und an seine Stelle wird die gemeinsame Benutzung aller
Produktionsinstrumente und die Verteilung aller Produkte nach gemeinsamer
Übereinkunft oder die sogenannte Gütergemeinschaft treten. Die Abschaffung
des Privateigentums ist sogar die kürzeste und bezeichnendste
Zusammenfassung der aus der Entwicklung der Industrie notwendig
hervorgehenden Umgestaltung der gesamten Gesellschaftsordnung und wird
daher mit Recht von den Kommunisten als Hauptforderung hervorgehoben.
15. Frage: Die Abschaffung des Privateigentums war also früher nicht möglich?
Antwort: Nein. Jede Veränderung in der gesellschaftlichen Ordnung, jede
Umwälzung der Eigentumsverhältnisse ist die notwendige Folge der Erzeugung
neuer Produktivkräfte gewesen, welche den alten Eigentumsverhältnissen
sich nicht mehr fügen wollten. Das Privateigentum selbst ist so
entstanden. Denn das Privateigentum hat nicht immer existiert, sondern,
als gegen das Ende des Mittelalters in der Manufaktur eine neue Art der
Produktion erschaffen wurde, welche sich dem damaligen feudalen und
Zunfteigentum nicht unterordnen ließ, da erzeugte diese, den alten
Eigentumsverhältnissen entwachsene Manufaktur eine neue Eigentumsform, das
Privateigentum. Für die Manufaktur und für die erste Entwicklungsstufe der
großen Industrie war aber keine andere Eigentumsform möglich als das
Privateigentum, keine andre Gesellschaftsordnung als die auf dem
Privateigentum beruhende. Solange nicht so viel produziert werden kann,
daß nicht nur für alle genug vorhanden ist, sondern auch noch ein
Überschuß von Produkten zur Vermehrung des gesellschaftlichen Kapitals und
zur weiteren Ausbildung der Produktivkräfte bleibt, solange muß es immer
eine herrschende, über die Produktivkräfte der Gesellschaft verfügende und
eine arme, unterdrückte Klasse geben. Wie diese Klassen beschaffen sein
werden, wird von der Entwicklungsstufe der Produktion abhängen. Das vom
Landbau abhängige Mittelalter gibt uns den Baron und den Leibeigenen, die
Städte des späteren Mittelalters zeigen uns den Zunftmeister und den
Gesellen und Tagelöhner, das siebzehnte Jahrhundert hat den
Manufakturisten und den Manufakturarbeiter, das neunzehnte den großen
Fabrikanten und den Proletarier. Es ist klar, das bisher die
Produktivkräfte noch nicht so weit entwickelt waren, daß für alle genug
produziert werden konnte, und daß das Privateigentum für diese
Produktivkräfte eine Fessel, eine Schranke geworden war. Jetzt aber, wo
durch die Entwicklung der großen Industrie erstens Kapitalien und
Produktivkräfte in einem nie vorher gekannten Maße erzeugt und die Mittel
vorhanden sind, diese Produktivkräfte in kurzer Zeit ins unendliche zu
vermehren; wo zweitens diese Produktivkräfte in den Händen weniger
Bourgeois zusammengedrängt sind, während die große Masse des Volks immer
mehr zu Proletariern wird, während ihre Lage in demselben Maße elender und
unerträglicher wird, in welchem die Reichtümer der Bourgeois sich
vermehren; wo drittens diese gewaltigen und leicht zu vermehrenden
Produktivkräfte so sehr dem Privateigentum und den Bourgeois über den Kopf
gewachsen sind, daß sie jeden Augenblick die gewaltsamsten Störungen in
der gesellschaftlichen Ordnung hervorrufen, jetzt erst ist die Aufhebung
des Privateigentums nicht nur möglich, sondern sogar durchaus notwendig
geworden.
16. Frage: Wird die Aufhebung des Privateigentums auf friedlichem Wege möglich sein?
Antwort: Es wäre zu wünschen, daß dies geschehen könnte, und die
Kommunisten wären gewiß die letzten, die sich dagegen auflehnen würden.
Die Kommunisten wissen zu gut, daß alle Verschwörungen nicht nur nutzlos,
sondern sogar schädlich sind. Sie wissen zu gut, daß Revolutionen nicht
absichtlich und willkürlich gemacht werden, sondern daß sie überall und zu
jeder Zeit die notwendige Folge von Umständen waren, welche von dem Willen
und der Leitung einzelner Parteien und ganzer Klassen durchaus unabhängig
sind.
Sie sehen aber auch, daß die Entwicklung des Proletariats in fast allen
zivilisierten Ländern gewaltsam unterdrückt und daß hierdurch von den
Gegnern der Kommunisten auf eine Revolution mit aller Macht hingearbeitet
wird. Wird hierdurch das unterdrückte Proletariat zuletzt in eine
Revolution hineingejagt, so werden wir Kommunisten dann ebensogut mit der
Tat wie jetzt mit dem Wort die Sache der Proletarier verteidigen.
17. Frage: Wird die Abschaffung des Privateigentums mit Einem Schlage
möglich sein?
Antwort: Nein, ebensowenig wie sich mit einem Schlage die schon
bestehenden Produktivkräfte so weit werden vervielfältigen lassen, als zur
Herstellung der Gemeinschaft nötig ist. Die aller Wahrscheinlichkeit nach
eintretende Revolution des Proletariats wird also nur allmählich die
jetzige Gesellschaft umgestalten und erst dann das Privateigentum
abschaffen können, wenn die dazu nötige Masse von Produktionsmitteln
geschaffen ist.
18. Frage: Welchen Entwicklungsgang wird diese Revolution nehmen?
Antwort: Sie wird vor allen Dingen eine demokratische Staatsverfassung und
damit direkt oder indirekt die politische Herrschaft des Proletariats
herstellen. Direkt in England, wo die Proletarier schon die Majorität des
Volks ausmachen. Indirekt in Frankreich und Deutschland, wo die Majorität
des Volkes nicht nur aus Proletariern, sondern auch aus kleinen Bauern und
Bürgern besteht, welche eben erst im Übergang ins Proletariat begriffen
sind und in allen ihren politischen Interessen mehr und mehr vom
Proletariat abhängig werden und sich daher bald den Forderungen des
Proletariats fügen müssen. Dies wird vielleicht einen zweiten Kampf
kosten, der aber nur mit dem Siege des Proletariats endigen kann. Die
Demokratie würde dem Proletariat ganz nutzlos sein, wenn sie nicht sofort
als Mittel zur Durchsetzung weiterer, direkt das Privateigentum
angreifender und die Existenz des Proletariats sicherstellender Maßregeln
benutzt würde. Die hauptsächlichsten dieser Maßregeln, wie sie sich schon
jetzt als notwendige Folgen der bestehenden Verhältnisse ergeben, sind
folgende:
1. Beschränkung des Privateigentums durch Progressivsteuern, starke
Erbschaftssteuern, Abschaffung der Erbschaft der Seitenlinien (Brüder,
Neffen etc.), Zwangsanleihen pp.
2. Allmähliche Expropriation der Grundeigentümer, Fabrikanten,
Eisenbahnbesitzer und Schiffsreeder, teils durch Konkurrenz der
Staatsindustrie, teils direkt gegen Entschädigung in Assignaten (6).
3. Konfiskation der Güter aller Emigranten und Rebellen gegen die
Majorität des Volkes.
4. Organisation der Arbeit oder Beschäftigung der Proletarier auf den
Nationalgütern, Fabriken und Werkstätten, wodurch die Konkurrenz der
Arbeiter unter sich beseitigt und die Fabrikanten, solange sie noch
bestehen, genötigt werden, denselben erhöhten Lohn zu zahlen wie der Staat.
5. Gleicher Arbeitszwang für alle Mitglieder der Gesellschaft bis zur
vollständigen Aufhebung des Privateigentums. Bildung industrieller Armeen,
besonders für die Agrikultur.
6. Zentralisierung des Kreditsystems und Geldhandels in den Händen des
Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und Unterdrückung aller
Privatbanken und Bankiers.
7. Vermehrung der Nationalfabriken, Werkstätten, Eisenbahnen und Schiffe,
Urbarmachung aller Ländereien und Verbesserung der schon urbar gemachten,
in demselben Verhältnis, in welchem sich die der Nation zur Verfügung
stehenden Kapitalien und Arbeiter ver
mehren.
8. Erziehung sämtlicher Kinder, von dem Augenblicke an, wo sie der ersten
mütterlichen Pflege entbehren können, in Nationalanstalten und auf
Nationalkosten. Erziehung und Fabrikation zusammen.
9. Errichtung großer Paläste auf den Nationalgütern als gemeinschaftliche
Wohnungen für Gemeinden von Staatsbürgern, welche sowohl Industrie wie
Ackerbau treiben und die Vorteile sowohl des städtischen wie des
Landlebens in sich vereinigen, ohne die Einseitigkeiten und Nachteile
beider Lebensweisen zu teilen.
10. Zerstörung aller ungesunden und schlecht gebauten Wohnungen und Stadtviertel.
11. Gleiches Erbrecht für uneheliche wie für eheliche Kinder.
12. Konzentration alles Transportwesens in den Händen der Nation.
Alle diese Maßregeln können natürlich nicht mit einem Male durchgeführt
werden. Aber die eine wird immer die andre nach sich ziehen. Ist einmal
der erste radikale Angriff gegen das Privateigentum geschehen, so wird das
Proletariat sich gezwungen sehen, immer weiter zu gehen, immer mehr alles
Kapital, allen Ackerbau, alle Industrie, allen Transport, allen Austausch
in den Händen des Staates zu konzentrieren. Dahin arbeiten alle diese
Maßregeln; und sie werden genau in demselben Verhältnis ausführbar werden
und ihre zentralisierenden Konsequenzen entwickeln, in welchem die
Produktivkräfte des Landes durch die Arbeit des Proletariats
vervielfältigt werden. Endlich, wenn alles Kapital, alle Produktion und
aller Austausch in den Händen der Nation zusammengedrängt sind, ist das
Privateigentum von selbst weggefallen, das Geld überflüssig geworden und
die Produktion so weit vermehrt und die Menschen so weit verändert, daß
auch die letzten Verkehrsformen der alten Gesellschaft fallen können.
19. Frage: Wird diese Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich
gehen können?
Antwort: Nein. Die große Industrie hat schon dadurch, daß sie den
Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und namentlich die
zivilisierten, in eine solche Verbindung miteinander gebracht, daß jedes
einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht. Sie hat
ferner in allen zivilisierten Ländern die gesellschaftliche Entwicklung so
weit gleichgemacht, daß in allen diesen Ländern Bourgeoisie und
Proletariat die beiden entscheidenden Klassen der Gesellschaft, der Kampf
zwischen beiden der Hauptkampf des Tages geworden. Die kommunistische
Revolution wird daher keine bloß nationale, sie wird eine in allen
zivilisierten Ländern, d.h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und
Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein. Sie wird sich
in jedem dieser Länder rascher oder langsamer entwickeln, je nachdem das
eine oder das andre Land eine ausgebildetere Industrie, einen größeren
Reichtum, eine bedeutendere Masse von Produktivkräften besitzt. Sie wird
daher in Deutschland am langsamsten und schwierigsten, in England am
raschesten und leichtesten durchzuführen sein. Sie wird auf die übrigen
Länder der Welt ebenfalls eine bedeutende Rückwirkung ausüben und ihre
bisherige Entwicklungsweise gänzlich verändern und sehr beschleunigen. Sie
ist eine universelle Revolution und wird daher auch ein universelles
Terrain haben (7).
20. Frage: Was werden die Folgen der schließlichen Beseitigung des
Privateigentums sein?
Antwort: Dadurch, daß die Gesellschaft die Benutzung sämtlicher
Produktivkräfte und Verkehrsmittel sowie den Austausch und die Verteilung
der Produkte den Händen der Privatkapitalisten entnimmt und nach einem aus
den vorhandenen Mitteln und den Bedürfnissen der ganzen Gesellschaft sich
ergebenden Plan verwaltet, werden vor allen Dingen alle die schlimmen
Folgen beseitigt, welche jetzt noch mit dem Betrieb der großen Industrie
verknüpft sind. Die Krisen fallen weg; die ausgedehnte Produktion, welche
für die jetzige Ordnung der Gesellschaft eine Überproduktion und eine so
mächtige Ursache des Elends ist, wird dann nicht einmal hinreichen und
noch viel weiter ausgedehnt werden müssen. Statt Elend herbeizuführen,
wird die Überproduktion über die nächsten Bedürfnisse der Gesellschaft
hinaus die Befriedigung der Bedürfnisse aller sicherstellen, neue
Bedürfnisse und zugleich die Mittel, sie zu befriedigen, erzeugen. Sie
wird die Bedingung und Veranlassung neuer Fortschritte sein, sie wird
diese Fortschritte zustande bringen, ohne daß dadurch, wie bisher
jedesmal, die Gesellschaftsordnung in Verwirrung gebracht werde. Die große
Industrie, befreit von dem Druck des Privateigentums, wird sich in einer
Ausdehnung entwickeln, gegen die ihre jetzige Ausbildung ebenso kleinlich
erscheint wie die Manufaktur gegen die große Industrie unserer Tage. Diese
Entwicklung der Industrie wird der Gesellschaft eine hinreichende Masse
von Produkten zur Verfügung stellen, um damit die Bedürfnisse aller zu
befriedigen. Ebenso wird der Ackerbau, der auch durch den Druck des
Privateigentums und der Parzellierung daran verhindert wird, sich die
schon gemachten Verbesserungen und wissenschaftlichen Entwicklungen
anzueignen, einen ganz neuen Aufschwung nehmen und der Gesellschaft eine
vollständig hinreichende Menge von Produkten zur Verfügung stellen. Auf
diese Weise wird die Gesellschaft Produkte genug hervorbringen, um die
Verteilung so einrichten zu können, daß die Bedürfnisse aller Mitglieder
befriedigt werden. Die Trennung der Gesellschaft in verschiedene, einander
entgegengesetzte Klassen wird hiermit überflüssig. Sie wird aber nicht nur
überflüssig, sie ist sogar unverträglich mit der neuen
Gesellschaftsordnung. Die Existenz der Klassen ist hervorgegangen aus der
Teilung der Arbeit, und die Teilung der Arbeit in ihrer bisherigen Weise
fällt gänzlich weg. Denn um die industrielle und Ackerbauproduktion auf
die geschilderte Höhe zu bringen, genügen die mechanischen und chemischen
Hilfsmittel nicht allein; die Fähigkeiten der diese Hilfsmittel in
Bewegung setzenden Menschen müssen ebenfalls in entsprechendem Maße
entwickelt sein. Ebenso wie die Bauern und Manufakturarbeiter des vorigen
Jahrhunderts ihre ganze Lebensweise veränderten und selbst ganz andere
Menschen wurden, als sie in die große Industrie hineingerissen wurden,
ebenso wird der gemeinsame Betrieb der Produktion durch die ganze
Gesellschaft und die daraus folgende neue Entwicklung der Produktion ganz
andere Menschen bedürfen und auch erzeugen. Der gemeinsame Betrieb der
Produktion kann nicht durch Menschen geschehen wie die heutigen, deren
jeder einem einzigen Produktionszweig untergeordnet, an ihn gekettet, von
ihm ausgebeutet ist, deren jeder nur eine seiner Anlagen auf Kosten aller
anderen entwickelt hat, nur einen Zweig oder nur den Zweig eines Zweiges
der Gesamtproduktion kennt. Schon die jetzige Industrie kann solche
Menschen immer weniger gebrauchen. Die gemeinsam und planmäßig von der
ganzen Gesellschaft betriebene Industrie setzt vollends Menschen voraus,
deren Anlagen nach allen Seiten hin entwickelt sind, die imstande sind,
das gesamte System der Produktion zu überschauen. Die durch die Maschinen
schon jetzt untergrabene Teilung der Arbeit, die den einen zum Bauern, den
anderen zum Schuster, den dritten zum Fabrikarbeiter, den vierten zum
Börsenspekulanten macht, wird also gänzlich verschwinden. Die Erziehung
wird die jungen Leute das ganze System der Produktion rasch durchmachen
lassen können, sie wird sie in Stand setzen, der Reihe nach von einem zum
andern Produktionszweig überzugehen, je nachdem die Bedürfnisse der
Gesellschaft oder ihre eigenen Neigungen sie dazu veranlassen. Sie wird
ihnen also den einseitigen Charakter nehmen, den die jetzige Teilung der
Arbeit jedem einzelnen aufdrückt. Auf diese Weise wird die kommunistisch
organisierte Gesellschaft ihren Mitgliedern Gelegenheit geben, ihre
allseitig entwickelten Anlagen allseitig zu betätigen. Damit aber
verschwinden notwendig auch die verschiedenen Klassen. So daß die
kommunistisch organisierte Gesellschaft einerseits mit dem Bestand der
Klassen unverträglich ist und andrerseits die Herstellung dieser
Gesellschaft selbst die Mittel bietet, diese Klassenunterschiede
aufzuheben.
Es geht hieraus hervor, daß der Gegensatz zwischen Stadt und Land
ebenfalls verschwinden wird. Der Betrieb des Ackerbaues und der Industrie
durch dieselben Menschen, statt durch zwei verschiedene Klassen, ist schon
aus ganz materiellen Ursachen eine notwendige Bedingung der
kommunistischen Assoziation. Die Zersplitterung der ackerbauenden
Bevölkerung auf dem Lande, neben der Zusammendrängung der industriellen in
den großen Städten, ist ein Zustand, der nur einer noch unentwickelten
Stufe des Ackerbaues und der Industrie entspricht, ein Hindernis aller
weiteren Entwicklung, das schon jetzt sehr fühlbar wird.
Die allgemeine Assoziation aller Gesellschaftsmitglieder zur gemeinsamen
und planmäßigen Ausbeutung der Produktionskräfte, die Ausdehnung der
Produktion in einem Grade, daß sie die Bedürfnisse aller befriedigen wird,
das Aufhören des Zustandes, in dem die Bedürfnisse der einen auf Kosten
der andern befriedigt werden, die gänzliche Vernichtung der Klassen und
ihrer Gegensätze, die allseitige Entwickelung der Fähigkeiten aller
Gesellschaftsmitglieder durch die Beseitigung der bisherigen Teilung der
Arbeit, durch die industrielle Erziehung, durch den Wechsel der Tätigkeit,
durch die Teilnahme aller an den durch alle erzeugten Genüssen, durch die
Verschmelzung von Stadt und Land - das sind die Hauptresultate der
Abschaffung des Privateigentums.
21. Frage: Welchen Einfluß wird die kommunistische Gesellschaftsordnung
auf die Familie ausüben?
Antwort: Sie wird das Verhältnis der beiden Geschlechter zu einem reinen
Privatverhältnis machen, welches nur die beteiligten Personen angeht und
worin sich die Gesellschaft nicht zu mischen hat. Sie kann dies, da sie
das Privateigentum beseitigt und die Kinder gemeinschaftlich erzieht und
dadurch die beiden Grundlagen der bisherigen Ehe, die Abhängigkeit des
Weibes vom Mann und der Kinder von den Eltern vermittelst des
Privateigentums, vernichtet. Hierin liegt auch die Antwort auf das
Geschrei hochmoralischer Spießbürger gegen kommunistische
Weibergemeinschaft. Die Weibergemeinschaft ist ein Verhältnis, was ganz
der bürgerlichen Gesellschaft angehört und heutzutage in der Prostitution
vollständig besteht. Die Prostitution beruht aber auf dem Privateigent um
und fällt mit ihm. Die kommunistische Organisation also, statt die
Weibergemeinschaft einzuführen, hebt sie vielmehr auf.
22. Frage: Wie wird die kommunistische Organisation sich zu den
bestehenden Nationalitäten verhalten?
- bleibt (8)
23. Frage: Wie wird sie sich zu den bestehenden Religionen verhalten?
- bleibt
24. Frage: Wie unterscheiden sich die Kommunisten von den Sozialisten?
Antwort: Die sogenannten Sozialisten teilen sich in drei Klassen. Die
erste Klasse besteht aus Anhängern der feudalen und patriarchalischen
Gesellschaft, welche durch die große Industrie, den Welthandel und die
durch beide geschaffene Bourgeoisgesellschaft vernichtet worden ist und
noch täglich vernichtet wird. Diese Klasse zieht aus den Übeln der
jetzigen Gesellschaft den Schluß, daß die feudale und patriarchalische
Gesellschaft wiederhergestellt werden müsse, weil sie von diesen Übeln
frei war. Alle ihre Vorschläge gehen auf graden oder krummen Wegen diesem
Ziele zu. Diese Klasse reaktionärer Sozialisten wird trotz ihrer
angeblichen Teilnahme und heißen Tränen für das Elend des Proletariats
dennoch stets von den Kommunisten energisch angegriffen werden, denn
1. erstrebt sie etwas rein unmögliches;
2. sucht sie die Herrschaft der Aristokratie, der Zunftmeister und
Manufakturisten mit ihrem Gefolge von absoluten oder feudalen Königen,
Beamten, Soldaten und Pfaffen herzustellen, eine Gesellschaft, die zwar
von den Übelständen der jetzigen Gesellschaft frei war, dafür aber
wenigstens ebensoviel andere Übel mit sich führte und nicht einmal die
Aussicht auf die Befreiung der unterdrückten Arbeiter durch eine
kommunistische Organisation darbot;
3. kehrt sie ihre wirklichen Absichten jedesmal heraus, wenn das
Proletariat revolutionär und kommunistisch wird, wo sie sich dann sogleich
mit der Bourgeoisie gegen die Proletarier verbündet.
Die zweite Klasse besteht aus Anhängern der jetzigen Gesellschaft, welchen
die aus dieser notwendig hervorgehenden Übel Befürchtungen für den Bestand
dieser Gesellschaft erweckt haben. Sie streben also danach, die jetzige
Gesellschaft beizubehalten, aber die mit ihr verbundenen Übel zu
beseitigen. Zu diesem Zweck schlagen die einen bloße
Wohltätigkeitsmaßregeln vor, die anderen großartige Reformsysteme, welche
unter dem Vorwand, die Gesellschaft zu reorganisieren, die Grundlagen der
jetzigen Gesellschaft und damit die jetzige Gesellschaft beibehalten
wollen. Diese Bourgeoissozialisten werden ebenfalls von den Kommunisten
fortwährend bekämpft werden müssen, denn sie arbeiten für die Feinde der
Kommunisten und verteidigen die Gesellschaft, welche die Kommunisten
gerade stürzen wollen.
Die dritte Klasse endlich besteht aus demokratischen Sozialisten, welche
auf demselben Wege wie die Kommunisten einen Teil der in Frage [18]
angegebenen Maßregeln wollen, aber nicht als Übergangsmittel zum
Kommunismus, sondern als Maßregeln, welche hinreichend sind, um das Elend
aufzuheben und die Übel der jetzigen Gesellschaft verschwinden zu machen.
Diese demokratischen Sozialisten sind entweder Proletarier, die über die
Bedingungen der Befreiung ihrer Klasse noch nicht hinreichend aufgeklärt
sind, oder sie sind Repräsentanten der Kleinbürger, einer Klasse, welche
bis zur Erringung der Demokratie und der aus ihr hervorgehenden
sozialistischen Maßregeln in vieler Beziehung dasselbe Interesse haben wie
die Proletarier. Die Kommunisten werden deshalb in den Momenten der
Handlung sich mit diesen demokratischen Sozialisten zu verständigen und
überhaupt mit ihnen für den Augenblick möglichst gemeinsame Politik zu
befolgen haben, sofern diese Sozialisten nicht in den Dienst der
herrschenden Bourgeoisie treten und die Kommunisten angreifen. Daß diese
gemeinsame Handlungsweise die Diskussion der Differenzen mit ihnen nicht
ausschließt, ist klar.
25. Frage: Wie verhalten sich die Kommunisten zu den übrigen politischen
Parteien unsrer Zeit?
Antwort: Dies Verhältnis ist verschieden in den verschiedenen Ländern. -
In England, Frankreich und Belgien, wo die Bourgeoisie herrscht, haben die
Kommunisten vorderhand noch ein gemeinsames Interesse mit den
verschiedenen demokratischen Parteien, und zwar ein um so größeres, je
mehr die Demokraten sich in den jetzt überall von ihnen vertretenen
sozialistischen Maßregeln dem Ziele der Kommunisten nähern, d.h., je
deutlicher und bestimmter sie die Interessen des Proletariats vertreten
und je mehr sie sich auf das Proletariat stützen. In England z.B. stehen
die aus Arbeitern bestehenden Chartisten den Kommunisten unendlich näher
als die demokratischen Kleinbürger oder sogenannten Radikalen. In Amerika,
wo die demokratische Verfassung eingeführt ist, werden die Kommunisten
sich mit der Partei halten müssen, welche diese Verfassung gegen die
Bourgeoisie wenden und im Interesse des Proletariats benutzen will, d.h.
mit den agrarischen Nationalreformers.
In der Schweiz sind die Radikalen, obwohl selbst eine noch sehr gemischte
Partei, dennoch die einzigen, mit welchen die Kommunisten sich einlassen
können, und unter diesen Radikalen sind wieder die waadtländischen und
Genfer die am weitesten fortgeschrittenen.
In Deutschland endlich steht der entscheidende Kampf zwischen der
Bourgeoisie und der absoluten Monarchie erst bevor. Da aber die
Kommunisten nicht eher auf den entscheidenden Kampf zwischen ihnen selbst
und der Bourgeoisie rechnen können, als bis die Bourgeoisie herrscht, so
ist es das Interesse der Kommunisten, die Bourgeois sobald als möglich an
die Herrschaft bringen zu helfen, um sie sobald wie möglich wieder zu
stürzen. Die Kommunisten müssen also, gegenüber den Regierungen, stets für
die liberalen Bourgeois Partei ergreifen und sich nur davor hüten, die
Selbsttäuschungen der Bourgeois zu teilen oder ihren verführerischen
Versicherungen von den heilsamen Folgen des Siegs der Bourgeoisie für das
Proletariat Glauben zu schenken. Die einzigen Vorteile, welche der Sieg
der Bourgeoisie den Kommunisten bringen wird, werden bestehen: 1. in
verschiedenen Konzessionen, welche den Kommunisten die Verteidigung,
Diskussion und Verbreitung ihrer Grundsätze und damit die Vereinigung des
Proletariats zu einer engverbündeten, kampfbereiten und organisierten
Klasse erleichtern; und 2. in der Gewißheit, daß von dem Tage, wo die
absoluten Regierungen fallen, der Kampf zwischen Bourgeois und
Proletariern an die Reihe kommt. Von diesem Tage an wird die Parteipolitik
der Kommunisten dieselbe sein wie in den Ländern, wo die Bourgeoisie jetzt
schon herrscht.
Geschrieben Ende Oktober bis November 1847.
Nach der Handschrift.
Fußnoten:
1 Engels' Arbeit "Grundsätze des Kommunismus" stellt einen
Programmentwurf für den Bund der Kommunisten dar. Über die Ausarbeitung
eines Programms in Form eines Katechismus wurde bereits vor dem ersten
Bundeskongreß diskutiert, auf dem sich der Bund der Gerechten neu
organisierte und sich den Namen Bund der Kommunisten gab (Juni 1847). Im
September 1847 sandte die Londoner Zentralbehörde des Bundes der
Kommunisten (Schapper, Bauer und Moll) den Entwurf eines "Kommunistischen
Glaubensbekenntnisses" an die Kreise und Gemeinden des Bundes. Dieses
Dokument, das die Einflüsse des utopischen Sozialismus verriet, konnte
Marx und Engels nicht zufriedenstellen, ebenso nicht der "gottvoll
verbesserte" Entwurf, der in Paris von dem "wahren" Sozialisten Moses Heß
angefertigt worden war. Auf der Sitzung der Pariser Kreisbehörde des
Bundes der Kommunisten am 22. Oktober kritisierte Engels den Entwurf sehr
eingehend und scharf und erhielt den Auftrag, einen neuen zu verfassen.
Dieser bald darauf verfasste Entwurf waren die "Grundsätze des Kommunismus".
Engels, der die "Grundsätze des Kommunismus" nur als vorläufige
Programmskizze ansah, drückte in seinem Brief vom 23./24. November 1847 an
Marx den Gedanken aus, daß es am besten sei, die veraltete Katechismusform
aufzugeben und ein Programm in Form eines "Kommunistischen Manifests" zu
verfassen. Der zweite Kongreß des Bundes der Kommunisten (29. November bis
8. Dezember 1847), auf dem Marx und Engels die wissenschaftlichen
Grundsätze des Programms der proletarischen Partei vertraten, beauftragte
beide, das Manifest auszuarbeiten. Bei der Abfassung des "Manifests der
Kommunistischen Partei" benutzten die Begründer des Marxismus einige der
Thesen, die in den "Grundsätzen des Kommunismus" entwickelt worden waren.
2 In ihren ersten Schriften sprechen Marx und Engels noch vom Verkauf der
Arbeit. Später hat Marx nachgewiesen, daß der Arbeiter nicht seine Arbeit,
sondern seine Arbeitskraft verkauft. Siehe hierzu die Erläuterungen in
Engels' Einleitung zur Neuausgabe der Marxschen Schrift "Lohnarbeit und
Kapital", Berlin 1891 (Band 6 unserer Ausgabe, Seite 593-599, vgl. auch
das Vorwort von Band 4, Seite IX.
3 Vgl. Engels' Anmerkung über die der Klassengesellschaft voraufgegangene
Periode der klassenlosen Urgesellschaft im "Manifest der Kommunistischen
Partei". (Siehe Band 4, Seite 462.)
4 Für die fehlende Antwort ist im Manuskript von Engels eine halbe Seite
freigelassen.
5 Im Jahre 1892 schrieb Engels im Vorwort zur 2. Auflage der "Lage der
arbeitenden Klasse in England" über die Kreislaufperioden der
industriellen Krisen am Anfang des 19. Jahrhunderts: "Im Text wird die
Kreislaufperiode der großen industriellen Krisen auf fünf Jahre angegeben.
Dies war die Zeitbestimmung, die sich aus dem Gang der Ereignisse von 1825
bis 1842 scheinbar ergab. Die Geschichte der Industrie von 1842 bis 1868
hat aber bewiesen, daß die wirkliche Periode eine zehnjährige ist, daß die
Zwischenkrisen sekundärer Natur waren und seit 1842 mehr und mehr
verschwunden sind." (Siehe Band 2, Seite 642.)
6 Papiergeld der ersten französischen Republik (lt. Duden).
7 Die Schlußfolgerung, daß die proletarische Revolution nur gleichzeitig
in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern möglich sei und es damit
unmöglich wäre, diese Revolution in einem einzelnen Lande siegreich
durchzuführen, fand ihre endgültige Formulierung in Engels' Schrift
"Grundsätze des Kommunismus"; sie war richtig für die Periode des
vormonopolistischen Kapitalismus. Unter den neuen historischen Bedingungen
kam W.I. Lenin, ausgehend von dem von ihm entdeckten Gesetz der
Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung des
Kapitalismus in der Epoche des Imperialismus, zu der neuen
Schlußfolgerung, daß der Sieg der sozialistischen Revolution ursprünglich
in einigen Ländern oder sogar in einem Lande möglich sei, und hob damit
die Unmöglichkeit des gleichzeitigen Sieges der Revolution in allen oder
den meisten Ländern hervor. Diese neue Schlußfolgerung wurde zum erstenmal
von W.I. Lenin in seinem Artikel "Über die Losung der Vereinigten Staaten
von Europa" formuliert (vgl. Lenin Werke, Band 21, Seite 342 ff.).
8 Im Manuskript von Engels steht an der Stelle der Antwort bei der 22. und
23. Frage nur das Wort "bleibt". Offensichtlich bedeutet dies, daß die
Antwort so bleiben soll, wie sie in einem vorläufigen, jedoch bisher nicht
aufgefundenen Programmentwurf des Bundes der Kommunisten formuliert ist.
Quelle: Marx-Engels Werke, Band 4, Seite 361-380;
Dietz Verlag Berlin, 1974