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Neuer Klimabericht: Unsere Zivilisation könnte 2050 "sehr wahrscheinlich" zusammenbrechen

Verstörende Warnungen zur Klimakatastrophe gibt es immer wieder, doch laut einem ehemaligen Kohle-Lobbyisten und einem Admiral a.D. sind selbst die noch zu optimistisch.

Von Nafeez Ahmed
4.6.19

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Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann "werden der Planet und die Menschheit Mitte des Jahrhunderts einen 'Point of no Return' erreichen. Eine größtenteils unbewohnbare Erde wird zum Zusammenbruch von Nationen und der internationalen Ordnung führen."

So steht es in dem Bericht, den der australische Thinktank Breakthrough National Centre for Climate Restoration gerade veröffentlicht. Die Autoren sind David Spratt, Forschungsdirektor bei Breakthrough, und Ian Dunlop, ein ehemaliger leitender Angestellter beim Öl- und Gasriesen Royal Dutch Shell. Zuvor war Dunlop Vorsitzender der Australian Coal Association, der größten Lobbygruppe der australischen Kohleindustrie.

Der Bericht beschreibt die Klimakatastrophe als "existenzielle Bedrohung für die menschliche Zivilisation" und zeichnet ein düsteres Szenario unserer Welt in 30 Jahren. Die "extrem ernsthaften Folgen" von durch die Erderwärmung bedingten Sicherheitsbedrohungen seien weitaus wahrscheinlicher als in den meisten Studien angenommen. Da sie aber mit nichts vergleichbar seien, was die Menschheit in den vergangenen tausend Jahren erlebt habe, seien sie kaum zu bemessen.

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Die einzige Möglichkeit, dieses Szenario noch abzuwenden, bestehe laut dem Bericht in einer Mobilmachung wie im Zweiten Weltkrieg, als Hitler, Nazideutschland und Japans Kaiserreich gestoppt werden mussten. Im Gegensatz zu damals müsse diese sich aber darauf konzentrieren, die Industrie möglichst schnell auf emissionsfreie Produktion umzubauen. Nur so ließe sich ein sicheres Klima bewahren.

Der Bericht warnt außerdem davor, dass sich die Erde um mindestens drei Grad Celsius erwärmen werde, wenn wir weitermachen wie bisher. Das wiederum würde den Treibhauseffekt weiter beschleunigen und den Zusammenbruch wichtiger Ökosysteme "inklusive der Korallenriffe, des Amazonas-Regenwalds und der Arktis" vorantreiben.

Die Folgen wären verheerend. Etwa eine Milliarde Menschen müsste aufgrund von unhaltbaren Lebensbedingungen umsiedeln, etwa zwei Milliarden Menschen hätten nicht mehr genügend Trinkwasser zur Verfügung. Die Landwirtschaft in den Subtropen würde zum Erliegen kommen, die Lebensmittelversorgung weltweit würde massiv gestört. Die staatliche Ordnung in vielen Ländern würde bröckeln und zusammenbrechen.

"Selbst bei zwei Grad Celsius Erwärmung müsste eine Milliarde Menschen umsiedeln, und bei den Szenarien mit noch höherer Erwärmung ist das Ausmaß der Zerstörung größer, als wir berechnen können", heißt es in dem Bericht. "Die Wahrscheinlichkeit, dass die menschliche Zivilisation endet, ist in diesen Szenarien sehr hoch."

Chris Barrie, der das Vorwort geschrieben hat, ist Admiral im Ruhestand, er war von 1998 bis 2002 Oberbefehlshaber des australischen Militärs und zuvor Vize-Chef der australischen Marine. Im Vorwort des Berichts lobt er das Paper, weil es "die ungeschönte Wahrheit über die verzweifelte Lage der Menschheit und unseres Planeten" offenlege. "Es führt uns die verstörende Möglichkeit vor Augen, dass die Menschheit bald aussterben könnte, und zwar auf die schlimmste erdenkliche Art."

Heute arbeitet Barrie für das Climate Change Institute an der Australian National University in Canberra.

Warum ist der Ernst der Lage trotz allen Fakten so wenigen klar?

"Viele Informationen, die für Politiker aufbereitet werden, sind zu zurückhaltend", erklärt Thinktank-Forscher Spratt. "Aber weil inzwischen unsere Existenz bedroht ist, brauchen wir einen neuen Ansatz, wenn wir das Klima und die Risiken analysieren. Wir müssen Szenarien berechnen."

Vergangenen Oktober veröffentlichte der UN-Weltklimarat einen Klimawandel-Bericht, dessen Fazit als extrem düstere Zukunftsvision aufgenommen wurde. Doch wie VICE anschließend berichtete, gibt es Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass der UN-Bericht sogar zu optimistisch war.

Das Szenario von Breakthrough konzentriert sich auf das obere Ende der Gefahrenskala, aber oft ist es schier unmöglich, die Wahrscheinlichkeiten in einen nachvollziehbaren Rahmen zu bringen und genaue Zahlen zu gewinnen. Daher betonen die Autoren, dass herkömmliche Gefahrenanalysen Worst-Case-Szenarien in der Regel herunterspielen, selbst wenn diese Szenarien sehr wahrscheinlich sind.

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