Kritik der Thesen der Programmkommission
für die Ökologische Plattform in der Programmkommission
Von Elke Wolf -- tarantel 10 - Frühjahr 2000
Soll ökologisches und patriarchatskritisches Denken innerhalb der PDS nicht nur Feigenblattfunktion haben, dann muß über den den Programmthesen zugrundeliegenden Rahmen hinausgegangen werden. Gesellschaftskritik muß eigenes verändertes Denken und Handeln beinhalten. Ohne dieses bleibt nur Ohnmacht und eine an sogenannten Sachzwängen ausgerichtete Orientierung übrig.
Im Abschnitt Demokratisierung wird zu Recht festgestellt, daß in unseren (abendländischen) Demokratievorstellungen kein Platz für die Interessen zukünftiger Generationen und kein Platz für vier Fünftel der BewohnerInnen der Erde ist, denen durch unsere zerstörende Produktions- und Lebensweise die Lebensgrundlage entzogen wird. Ein patriarchales, auf ein Herrschaftsverhältnis Mensch (weißer Mann) - Natur ausgerichtetes Denken und Handeln, daß sich z.B. bei traditionellen indianischen oder auch afrikanischen Kulturen durch komplizierte Verflechtungen zwischen religiösen Vorstellungen, einem verehrenden oder akzeptierenden Naturverhältnis und dem Zwang zu sozialer Gegenseitigkeit so nie entwickeln konnten.
Der beste Weg zur Überwindung dieses Defizits ist die radikale Infragestellung unserer bisherigen Lebens- und Produktionsweise und das Entwickeln von Alternativen. Die Industriegesellschaft ist nicht die Gesellschaft, die allen Menschen ein besseres Leben global ermöglicht, sondern sie ist jene Gesellschaft, die mit immer größerer Geschwindigkeit die natürlichen Lebensgrundlagen und soziales Miteinander nachhaltig und z. T. nichtreparabel zerstört. Nicht abbaubare Gifte der Industrieproduktion befinden sich in jedem Zustand in der Erde im Wasser und in der Luft. Klimaveränderungen, die heute schon anderen Regionen der Erde, Dürreperioden in nie gekanntem Ausmaß bescheren, gehen auf ihr Konto.
Eine linke Partei heute hat nicht die Wahl, sich für oder gegen ökologisches Denken zu entscheiden. Sie muß es aus ihrer Verantwortung für globale Überlebensfragen heraus zu ihrem Thema machen. Es sind nicht nur die anderen, die an o.g. Situation Anteil haben, wir sind es selbst. Es genügt nicht, im Mainstream der Nachhaltigkeitsdebatte mitzuschwimmen. Die Auseinandersetzung muß tiefer gehen, die Lösungen, die gefunden werden müssen, müssen radikaler sein.
Nach Erich Fromm sind in unserer Welt die Vorstellungen von Lebenszufriedenheit und Glück scheinbar untrennbar mit einer Haben-Orientierung, mit dem Zugang zu Konsum verbunden. Eine provokante These, die auch Bestätigung findet in den Lebensvorstellungen der meisten Linken zumindest in Europa. Genußfähigkeit und Lebensfreude scheinen abhängig von der Menge materieller Dinge, die mann/frau besitzt. Die Haben-Orientierung steht in den Industriestaaten scheinbar ohne Alternative gegenüber einer Seins-Orientierung. Sie erscheint als die einzige Möglichkeit, leben zu können. Kein oder nur wenig Besitz kommt unserem Verständnis nach einem Nichtleben gleich. Entsprechend ist die Konsumorientierung besetzt.
Globaler Untergang, scheint in unserer Welt der Phantasie von Weltfremden zu entspringen. Ignoriert wird: Die industrielle Produktionsweise ist nicht jene, die ein besseres Leben global ermöglicht, sondern sie ist jene, die die natürlichen Lebensgrundlagen und soziales Miteinander nachhaltig und z.T. nichtreparabel zerstört. Während andere Völker schon mit unnatürlich langen, verschobenen Dürreperioden zu kämpfen haben, scheinen wir hier in Europa noch von den Auswirkungen unseres Wirtschaftens verschont.
Beginnend mit globalen Zusammenhängen, die gleichwohl das Dach für alternative Lebensvorstellungen bilden müssen, müßte der Abschnitt Nord- Süd-Konflikt allem Denken vorangestellt werden müssen. Trotz allem anderen Wollens drücken sich in diesem Abschnitt unsere Lebensvorstellungen aus. Die Formulierung "Achtung vor anderen Kulturen" wird durch Entwicklungshilfevorstellungen aufgehoben, die andere Kulturen für defizitär erklären. Der Norden hilft, daß Entwicklung stattfinden kann. Der geforderte Blick in Augenhöhe (Streck) findet nicht statt. In patriarchaler Manier werden andere damit für unfähig erklärt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Jegliche Einmischung, auch von links, entmündigt, und hat mit einem Leben in Würde nichts mehr zu tun. Es gibt eine Vielzahl von Forschungsberichten und Texten aus den Ländern des Südens, die belegen, daß jegliche Entwicklungspolitik anderen Kulturen gegenüber im Kern ignorant ist und als verfeinerte Fortsetzung der Kolonisierung betrachtet werden muß. Lebensweise und soziale Zusammenhänge werden bewußt und unbewußt zerstört mit Blick auf einen wie auch immer gearteten Fortschritt.
Immer wieder aus dem Bewußtsein gerät, daß 20% der Bevölkerung der Erde 80% aller Ressourcen verbrauchen. Von wahrhaftiger internationaler Solidarität kann mann/frau nur dann sprechen, wenn Paternalismus aufgegeben und einer wahrhaftigen Selbstbestimmung der Völker Platz gemacht wird und wenn der Ressourcenverbrauch hier im Norden drastisch reduziert wird. Die bisherigen Debatten über Nachhaltigkeit gehen in der Regel bis auf wenige Ausnahmen (BUKO, Teile der Ökogruppen) an dem was im Kern notwendig ist vorbei und suggerieren, der Verbrauchsabbau z.B. würde durch geschlossene Wirtschaftskreisläufe, modernste Technologien und Effizienz beim Einsatz von Naturressourcen und einer im Umfang nicht näher benannten Ökonomie des Vermeidens möglich. Das Grundübel, unsere Warenwelt und die damit vorhandene Konsumorientierung werden nicht angetastet. Ebenso werden die zahlreichen Forschungsberichte ignoriert, in denen dokumentiert ist, daß die Beibehaltung unseres Lebensstiles unter Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichtes bei weltweit zugestandenem gleichem Recht auf gleichem Umweltraum nicht möglich ist.
Auch in der PDS werden diese Fakten bis auf wenige Ausnahmen bisher weitgehend ignoriert. Im o.g. Abschnitt wird nur von Stabilisierung der Rohstoff- und Exportpreise für die s.g. Entwicklungsländer gesprochen, nicht aber davon, daß es mindestens notwendig wäre, daß die exportierenden Staaten ihre Preise selbst bestimmen können, daß der Norden für jeglichen Verbrauch fossiler Rohstoffe einen Betrag entrichten müßte, in dem sich die Endlichkeit der Ressourcen und die Schadensbelastung der natürlichen Umwelt durch ihren Transport und ihre Aufbereitung widerspiegeln muß. Der Süden bleibt hier bewußt ausgeklammert. Es nicht möglich ist, auf der einen Seite dort ein materiell reicheres Leben zu wollen, und auf der anderen Seite aber plötzlich den zerstörerischen Ressourcenraubbau zu entdecken und im Eigeninteresse, nachdem sich der Norden selbst über Jahrhunderte ausreichend bedient hat, verhindern zu wollen.. Die Industrieländer sind aufgrund der globalen ökologischen und sozialen Situation zu einer drastischen Senkung ihrer Ressourcenverbräuche gezwungen, wenn anderen Völkern und zukünftigen Generationen tatsächlich Raum gegeben werden soll. Es ist eine Illusion zu glauben, alles kann im Prinzip so weitergehen wie bisher, nur natürlich ökologischer, solidarischer, sozialer, gerechter. Der Zwang zur Selbstbescheidung darf nicht ignoriert werden. Rückbauszenarien sind notwendig.
Generell fehlt in der PDS eine entwicklungskritische und damit patriarchatskritische Diskussion. Patriarchatskritik geht über das Unterwerfungsverhältnis Mann-Frau hinaus Sie umfaßt alle Herrschaftsbereiche und berührt auch alle scheinbar feststehenden Grundannahmen über Fortschritt und Entwicklung.
Abschnitt: Bundesrepublik in der gegenwärtigen Welt
Wer von einer Regulierung der Weltmärkte spricht, akzeptiert diese im Kern. Hier geht es nicht um Abbau von Verflechtungen und Aufbau von Selbstbestimmung, sondern um die Aufrechterhaltung von Strukturen, die auch unseren Zugriff auf Arbeitskräfte und Ressourcen, verfeinert natürlich, weiter ermöglichen. Wie wird "wirtschaftlich schwächere Länder" definiert? Wohin sollen sie sich positiv entwickeln? "Wettbewerbsfähigkeit"? (Eine Umschreibung von Verdrängungs- und Ausbeutungsverhältnissen, die sehr kritisch zu betrachten ist.) Im Entwicklungsverständnis erscheinen Agrarstaaten als unterentwickelt. Je direkter der Kontakt zwischen ProduzentIn und Produkt, je weniger Maschinen dazwischen geschalten sind, je geringer der materielle Reichtum, je mehr Menschen in einen Produktionsprozeß einbezogen sind, um so "unterentwickelter", definieren wir. Eigentlich ist es in der PDS klar, daß die Industrienationen das weltweite ökologische und soziale Desaster verursacht haben, daß diese Produktionsweise weltweit nicht ausdehnbar ist ohne den endgültigen Kollaps zu produzieren. Aber grundlegende Kritik scheint noch nicht möglich. Im Zweifelsfall sind wir immer noch für diesen "Fortschritt". Die Erkenntnis, daß es um eine Abwicklung des Nordens (Spehr, BUKO) gehen muß, ist noch Minderheitenposition.
Die auch in anderen Abschnitten erhobene Forderung nach einer Demokratisierung von WTO, IWF usw. scheint mir illusorisch. Niemand spricht ihnen Veränderbarkeit ab, nur handelt es sich hierbei um patriarchale Weltmachtzentren in denen es nicht darum geht (wenn auch anders postuliert), soziale und ökologische Gerechtigkeit auf der Welt durchzusetzen, sondern darum, legitimiert Einflußsphären für Wirtschaft und Banken aufrechtzuerhalten und Weltentwicklung zu bestimmen. Sie sind ein Widerspruch in sich. Eine echte Demokratisierung würde sie überflüssig machen. Hierarchische Strukturen sind patriarchale Strukturen. Sie stehen in einem unversöhnlichen Gegensatz zu Basisorientierung und Gleichheit.
Abschnitt: Unterschiedliche Handlungsweisen
Auch in diesem Abschnitt spiegelt sich ein eurozentristischer Blick wieder, in dem Persönlichkeitsentfaltung und Reichtum zwischenmenschlicher Beziehungen nur möglich scheint, wenn materieller Besitz vorhanden ist. Wir mit unserem Leben als Chance für alle Völker? Kulturkolonialismus nenne ich das. Ich würde mir wirklich dringendst wünschen, daß die PDS hier aus ihrem Schneckenhaus herauskommt, und daß das Leben und Denken anderer Kulturen akzeptiert und in seiner Andersartigkeit zur Kenntnis genommen wird. Es gibt mehr Originaldokumente und ethnologische Forschungen, die den ungeheueren kulturellen und sozialen Reichtum erschließen, als wir als LeserInnen z.B. erfassen können. Es würde auffallen, daß nicht wir die "Entwickelten", sondern die zu Belehrenden sind. Ein Traum nicht - nur von Robert Jungk - würde in Erfüllung gehen, wenn in umgekehrter Richtung uns wieder Leben beigebracht würde. Und es würde dabei auffallen, daß es bei Abwesenheit von materiellem Reichtum mehr selbstbestimmtes Leben, kulturellen Reichtum und solidarisches Miteinander geben kann, als in einer Warenwelt, die jegliche eigentliche Kreativität erstickt und soziale Beziehungen häufig nur noch als Geldbeziehungen ermöglicht.
Nicht zu akzeptieren sind die Ausführungen zur EU. Jede/r weiß, daß die EU in erster Linie Wirtschaftsmacht ist. und zwar Wirtschaftsmacht der westeuropäischen Länder über den "Rest". Es ist kein freiwilliger Zusammenschluß von Völkern, sondern eine hierarchische Struktur, die es den größten Konzernen und Banken (wie bei Weltorganisationen) besser ermöglicht, andere Regionen ihrem Willen zu unterwerfen. Bekannt ist ebenfalls, daß die EU-Gesetzgebung nur diesem bereits genannten Ziel dient und nicht Selbstbestimmung und Wohlergehen seiner BewohnerInnen im Sinne hat. Diese Gesetzgebung wird zunehmend Einzellösungen, wie z.B. beim ökologischen Umbau notwendig, verhindern. BäuerInnenproteste gegen den EU-Agrargipfel werden ebenso ignoriert, wie vermutlich die Proteste vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, von Verlagen und BuchhändlerInnen gegen die geplante Aufhebung der Buchpreisbindung.
Die Macht, die sich da in den Händen weniger konzentriert, ist ungeheuer groß. Wie kann eine Linke einer solchen zunehmenden Machtkonzentration nachträglich zustimmen, wenn bekannt ist, daß Selbstbestimmung der Regionen nur basisorientiert und dezentral zu haben ist? Die Zivil- und Sozialmacht Europa (die in erster Linie Wirtschaftsmacht ist, wird hier vergessen) gegen oder auch in Partnerschaft mit den USA gegen den "Rest" der Welt? Wo sind wir in unserer Kritiklosigkeit nur hingeraten? Patriarchale Macht par excellence wird hier von uns hofiert. Machtkritik und Machtabbau sind nötig und nicht Machtkonzentration und deren Ausgestaltung.
Internationale Arbeitsteilung:
Als David Ricardo ca. 1821 erstmals eine "universalistische Theorie der internationalen Wirtschaft" (Kaller) formulierte, war Großbritannien Kolonialmacht. Vor diesem Hintergrund und mit diesem Inhalt ist "internationale Arbeitsteilung" zu verstehen und kann nicht einfach und scheinbar wertneutral übernommen werden. Zumal die entsetzlichen Auswirkungen dieser "internationalen Arbeitsteilung", der globalen "Verflechtungen", sozial und ökologisch bekannt sind. Die Zahl der Hungernden in der Welt steigt absolut und wird für 1999 auf etwa 1,5 Milliarden Menschen geschätzt. Das sind ca. 30% der Weltbevölkerung. Die Mehrzahl dieser Hungernden sind Frauen und Kinder. In zahlreichen Forschungsberichten wird deutlich: verantwortlich dafür ist unser Entwicklungsdenken und die s.g. internationale Arbeitsteilung.
Abschnitt: Vollbeschäftigung
Mit dem im Text zu Ausdruck kommenden Blick auf die Arbeit sind wir mehrere Schritte weiter, aber noch nicht weit genug. Neu diskutiert werden müßte das vor allem im Frühwerk von Marx zum Ausdruck kommende ganzheitliche Denken und Paul Lafargues Satire "Lob der Faulheit". Ein historischer Text der bestürzend treffsicher unserem verinnerlichten Tun den Spiegel vorhält. Es genügt nicht, auf die Stärkung der Gewerkschaft als unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik hinzuweisen. Das was die meisten Gewerkschaften bisher im Schnitt bewegt, sind Lohnpolitik und soziale Standards. Mir ist noch kein Fall bekannt geworden, bei dem sich Gewerkschaften mit den Arbeitsinhalten auseinandergesetzt hätten. Weder in der Rüstungsindustrie, noch in der Chemieindustrie, noch in der Atomindustrie, noch in der Computerindustrie... Diese Aufzählung ließe sich fortführen. Wirklicher ökologischer Umbau läßt sich nur nach einer kritischen Auseinandersetzung mit dem, was wir inhaltlich tun, wenn wir arbeiten, und wie wir arbeiten, bewerkstelligen. Die Unterwerfung des Menschen unter den Arbeitsrhythmus von Maschinen, die Ignoranz gegenüber dem natürlichen biologischen Rhythmus und damit die völlige Ausrichtung des Lebens auf die Bedürfnisse der Industrie, die wir schon als unsere eigenen interpretieren und verinnerlichen, drückt hochgradig Entfremdung von dem, was Leben eigentlich sein könnte, aus. Langsamkeit und damit Veränderung aller Lebensbereiche täte not. Natürlich, Arbeit-Haben ermöglicht dem Einzelnen in unserer lohnabhängigen Gesellschaft zu leben, aber dient diese Arbeit dem Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen? Die Geschichte der Industrialisierung beweist über mehrere Jahrhunderte das Gegenteil. Lokale Zerstörung wandelt sich in immer komplexer werdende globale Zerstörung, ohne daß ein Ende absehbar wäre. Arbeit darf also nicht abstrakt betrachtet werden. Entfremdung in der Arbeit hat nicht nur etwas mit dem Nichtbesitz von Produktionsmitteln zu tun, sondern auch mit dem Arbeitsgegenstand und der hochgradigen Arbeitsteilung innerhalb von Arbeit. Das eigentliche Tun gerät aus dem Blick. ExpertInnentum verfestigt Hierarchien im Produktionsprozeß selbst und läßt keine Gleichwertigkeit von Tätigkeit oder auch von Kopf- und Handarbeit zu. (Zu dieser komplizierten Materie siehe auch die feministische Arbeitskritik von Anneliese Braun)
Abschnitt: Ökologischer Umbau
Die im 4. Absatz beschriebenen veränderten Eigentums- und Machtstrukturen sind sicher kein unwesentliches Moment, um sozial-ökologischen Wandel zu erreichen, jedoch hätten auch Gemeinschaftsbesitz und Nichtprofitorientierung z.B. der Rüstungsindustrie und der Atomindustrie, der Energiekonzerne und der Chemieindustrie nichts mit ökologischem Wirtschaften zu tun. Das wäre alles ein Widerspruch in sich. Es reicht nicht, mit marktkonformen Instrumentarien den ökologischen Umbau fördern zu wollen. Schrittweise müssen jene bei Polany beschriebenen Märkte wieder entwickelt werden. Es ist bekannt, daß der Markt in der Marktwirtschaft kein Markt ist, sondern daß Absatz von Produkten per Machtposition, die ein Produzent innehat, bewußt organisiert wird (Werbung usw.) Dringend notwendig wäre es, jegliche ökologische Produktion (Landbau, Tierhaltung, Nahrungsmittelherstellung, Bekleidungs- und Möbelherstellung, Energiegewinnung usw.) durch Subventionen solange zu fördern, bis ihr Anteil gegenüber konventionellen Anbietern überwiegt. Der scheinbare momentane Preisvorteil wird durch Billigjobs und die Verlagerung der tatsächlichen Kosten des Umweltverbrauches erreicht. Die Kosten in der Medizin, die notwendig sind, um die Auswirkungen des Schadstoffgehaltes von Produkten auf unseren Körper zu untersuchen und zu beseitigen (wenn überhaupt möglich) sind ebenfalls nicht eingerechnet. Ebenso bedürfte es z.B.der massiven Unterstützung bei der Wiedereinführung alter Nutzpflanzen wie Flachs und Hanf, die sowohl in den Anbauanforderungen als auch in den Verwendungsmöglichkeiten und Haltbarkeitskriterien als Faser die Baumwolle um ein Vielfaches übertreffen. Die Wäsche unserer Urgroßmütter z.B. konnte trotz vielfacher Nutzung z.T. über mehrere Generationen weitervererbt werden. Heute liegen schon Haltbarkeitsgarantien von 3 Jahren über dem allgemeinen bundesdeutschen Umweltstandard.
Abschnitt: Höhere Lebensqualität
Ich muß wieder auf Fromm Bezug nehmen. Unsere Weltsicht scheint zu sein: Ich habe, also bin ich. Ich habe nicht, also bin ich nicht. Schönheit in der Lebensumwelt hat nichts mit der Menge der Produkte, die mann/frau besitzt, zu tun. Hier kommt ebenfalls wieder Entfremdung zum Tragen, indem Kultur, Schönes nur im Zusammenhang mit Luxusprodukten, also eigentlich Überflüssigem in Verbindung gebracht wird. Sicher ist das schon das Ergebnis der industriellen Massenproduktion, die Schönes nicht mehr in schlichten, bescheidenen Alltagsgegenständen wahrnehmen läßt. Schaut euch "Die Farben Afrikas" oder "Die Bilder Indiens" oder "Die Berber-Frauen" an. Schönheit in Bescheidenheit par excellence. Konsumorientierung verträgt sich nicht mit der zwingenden Notwendigkeit zur absoluten Senkung des Ressourcenverbrauchs im Norden. Einer Untersuchung zufolge (Menzel) besitzt eine Durchschnittsfamilie in Deutschland (4 Personen) ca.10 000 Gegenstände, eine Durchschnittsfamilie im Mali (11 Personen) ca.50 Gegenstände und eine Durchschnittsfamilie in Indien (6 Personen) ca. 40 Gegenstände. Die Bekleidung ist nicht mit eingerechnet. Ich glaube, ein Kommentar erübrigt sich. Der materielle Reichtum des Norden ist das direkte Ergebnis der Jahrhunderte währenden Ausbeutung von Menschen und Ressourcen des Südens. Es kann also nicht so sein, daß wir auf "unserem" Reichtum bestehen, aber solidarisch dann doch wieder neu verteilen wollen. Wir müssen das Nehmen lassen. Eine Warenwelt für alle Menschen dieser Erde ist schon von der Tragfähigkeit der Erde her nicht möglich. Ich bin mir sicher, daß es möglich sein wird, das Problem Massenkaufkraft so zu lösen, daß weder eine ständige Schraube nach oben entsteht, noch sich die Besitzenden diesen eingesparten Betrag in die Tasche stecken können. Ökologisch Leben ist bei noch traditionell produzierenden Völkern Normalität, bei uns hat es nicht in erster Linie etwas mit der vorhandenen Kaufkraft zu tun, sondern ist zuerst eine Einstellungsfrage. Bei praktiziertem ökologischem Gartenbau sind die Produkte fast kostenlos.
Abschnitt: Demokratisierung
Entsprechend dem weiter oben Genannten reicht es für einen sozial-ökologischen Umbau nicht, die Eigentumsstrukturen zu verändern. Auch eine Gleichverteilung wirtschaftlicher Macht würde nicht automatisch ökologisches Denken und Handeln nach sich ziehen. Auf der anderen Seite schließt auch Privateigentum ökologisches Handeln nicht aus. Es gibt im Westen Deutschlands, auch resultierend aus der 68er Bewegung, eine Vielzahl kleinster, kleiner und mittlerer ProduzentInnen, die sich sozialem und ökologischem Denken und Handeln verpflichtet fühlen. Zumindest dem Anspruch nach unterscheidet sich auch der Produktionsvorgang, Mitspracherechte soziales Engagement, Anteilhabe u.a., von der herkömmlichen kapitalistischen Produktionsweise.
Kontrolle über große Banken und Konzerne zu erreichen, um ihre Gewinne breiter zu verteilen? Reicht das für eine Linke? Oder muß es nicht um ein Ausbrechen aus diesen Geldvermehrungs- und Gewinnstrukturen gehen? Funktioniert das nicht eigentlich nur über Verweigerung? Dieses ganze kapitalistische Wirtschaftssystem funktioniert doch nur durch unser fleißiges Mittun. Ohne die privaten Geldgeschäfte bei den Banken wären auch die Banken nicht so groß. Ohne den Kauf von den Produkten großer Weltkonzerne gäbe es auch ihre Allmacht nicht. Wir tragen doch im täglichen Verhalten genau zu dem bei, was vorgeblich bekämpft werden soll. Nicht breit registriert wird bei der PDS, daß es längst alternative Banken und Geldvergabemöglichkeiten gibt, die sich sowohl von ihrer Kreditvergabe (keine Kredite für die Rüstungsindustrie, keine Kredite für nichtökologische Produktionen; ausschließlich Kredite für Öko-, Frauen- und Bildungsbereiche) als auch von ihren Mitsprachemöglichkeiten für AnlegerInnen unterscheidet. Der Bereich, in den das zu sparende Geld fließen soll, ist festlegbar. Die Bank ist rechenschaftspflichtig. Da bewußt nicht die Gewinnorientierung im Vordergrund steht, sind natürlich die Zinsen niedriger. Ebenfalls keine Rolle spielen die Tauschringe für uns. Sie sind nicht als Notgemeinschaften zu verstehen, sondern bei entsprechender Struktur wird es wieder möglich, Handel jenseits von Geldbezügen zu treiben. Produkt gegen Produkt, Leistung gegen Produkt oder Leistung gegen Leistung, alles ist in Gleichrangigkeit und ohne Gewinnorientierung möglich.
Abschnitt: Alternative Medienpolitik
Ich verstehe den Text nicht als eine von Linken entwickelte alternative Medienpolitik (sie müßte alle Medien umfassen und versuchen, neue Strukturen jenseits der Mainstreammedien zu entwickeln, um z.B. gesellschaftskritischem Denken mehr als bisher den Weg in die Öffentlichkeit zu bahnen), sondern als eine Auseinandersetzung um die bestehenden Strukturen und dem was inhaltlich über die Medien vermittelt wird. Ich kann die sehr positive Einschätzung über die Möglichkeiten der elektronischen Medien nicht teilen und halte es für einen weiteren Schritt der Entfremdung, wenn Wissensvermittlung und Kommunikation wieder durch eine Zwischenschaltung von Technik geschieht. Die Vermittlung durch traditionelle Formen wird nie ausgeschöpft werden können.(Siehe die Existenz von Büchern.) Den im Text geforderten Zugang für alle zu Netzen usw. als eine notwendige Bedingung für die Selbstbehauptung des Einzelnen und für die Teilhabe an Demokratie läßt sich schon durch die weiter unten angeführten Fakten ad absurdum führen. Ich würde mich einem solchen Ansinnen auch verweigern wollen. PC-Benutzung wird nie für alle möglich sein. Und es wäre eine schlimme Entwicklung, wenn der Zugang zu elektronischen Medien die Voraussetzung für Demokratie wäre.Unsere Computerwelt ist ein Abprodukt der militärischen Forschung und es gibt keinen Bereich in den Medien, der eine solche rasante, fossile Ressourcen verschlingende, Veraltungstendenz hat. Für die Produktion von einem PC mit Monitor werden
ca. 5.333 kWh Strom benötigt
ca 33.000 Liter Wasser verschmutzt
ca. 56 Mio. Kubikmeter Luft verschmutzt
ca. 320 kg Abfall erzeugt, wovon 20 kg Sondermüll sind,
er pustet mehr als 3 Tonnen CO2 in die Atmosphäre. (Jahrbuch Ökologie 1997)Ein kritischer Umgang ist also auch aus rein ökologischer Sicht geboten. Die Chipproduktion findet in der Regel im Ausland statt. Es sind in der Mehrheit Frauen, die unter unsozialsten und gesundheitsschädigenden Bedingungen in Weltfabriken für uns arbeiten. Wenn ich mir überlege, welche PC Mengen bundesweit, europaweit oder weltweit benötigt würden. Wäre das von den Ressourcen und den Auswirkungen her machbar? Ist das mit Nachhaltigkeit vereinbar?
Abschnitt: Selbsttragende zukunftsfähige Entwicklung
In diesem Abschnitt müßte der formulierte Wille zu sozial-ökologischem Umbau sozusagen theoretisch in die Praxis umgesetzt werden. Leider haben die wirtschaftspolitischen Vorstellungen aus meiner Sicht nicht viel mit ökologischem Denken zu tun. Anders wirtschaften wird nicht durch Zusätze wie innovativ, Zukunftsinnovationsprogramme, Innovationsrückstände, Gestaltung von umweltfreundlichen Strukturen und Industrieorientierung , sowie der Forderung nach Absatzförderung von Produkten in die alten Bundesländer und ins Ausland erreicht.
Mit der Bejahung der industriellen Produktionsweise, die den Ersatz der ProduzentIn durch die Maschine, entfremdende Arbeitsteilung, Energieverbrauch, Verschleuderung von Ressourcen durch die Produktion von Konsumartikeln, Vergiftung von Böden und Gewässern... zwangsläufig beinhaltet, begeben wir uns in das Hamsterrad. Es wird keine Lösung geben, wenn nicht versucht wird, auszubrechen. Es geht nicht um Maschinenstürmerei, sondern es kann nur dahin gehen, der Maschine die Funktion, die sie ursprünglich hatte, zurückzugeben. Sie ist eigentlich ein arbeitserleichterndes Hilfsmittel und nicht mehr.
Ostdeutschland hätte durch andere gesellschaftliche Erfahrungen vielleicht die Chance, Wirtschaft anders zu denken und Regularien zu schaffen, die es ihr gestattet, anders zu funktionieren. Das müßte z.B. bedeuten, in Ostdeutschland werden die Bereiche alternativer ökologischer Produktions- und Lebensweise, die in Westdeutschland spätestens seit der 68er Bewegung wieder praktiziert werden, erstens mit Achtung zur Kenntnis genommen und zweitens durch entsprechende Modalitäten für einen größeren Praxiseinsatz gefördert. Die Kommunen z.B. stammen aus dem kommunistischen (anarchistischen) Denken und haben einen anderen emanzipatorischen und wirtschaftlichen Ansatz. Sicher sind sie mit Genossenschaften vergleichbar, gehen jedoch in vielen Bereichen über diese hinaus. Unter ökologischen Gesichtspunkten wird hier manufakturähnlich produziert, was zum Leben wirklich benötigt wird. Ökologischer Landbau und Tierhaltung sind gleichen Kriterien verpflichtet. Es sind Produktionsweisen, in denen viele Hände benötigt werden, wo der Arbeitsrhythmus langsamer ist. Und es existiert ein eigenes Vertiebsnetz mit entsprechenden Werbestrategien, durch die die Produkte ihre KäuferInnen finden. Jenseits von Spar, Aldi usw. Warum nicht ein eigenes Vertriebsnetz für (ökologische) Ostprodukte aufbauen?
Kleinere ProduzenInnen hätten durchaus eine Chance. (Kredite z.B. siehe Ökobank.).
Einer pauschalen Forderung nach Konzentration von Mitteln auf eine wie auch immer gearteten Industrie kann ich nicht zustimmen. Was ist denn Industrie heute! Konzerne u.ä., die wir eigentlich in ihrem Tun einschränken wollen. Größenbegrenzungen, Produktionsweise (manufakturähnlich mit vielen Arbeitsplätzen oder Hochtechnologie), Produktionsinhalt (alles unter ökologischen Kriterien) müssen ausschlagebend für Zustimmung oder Ablehnung sein. Der Wunsch nach Absatzmöglichkeiten in die alten Bundesländer oder in das Ausland ist in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv. Auch die PDS möchte, entsprechend Verlautbarungen, Transporte und damit Verkehr einschränken. Wie vertrüge sich das? Es kann auch nicht um Produkteabsatz viele Hunderte Kilometer entfernt gehen, sondern alles, was entfernt produziert wird, muß um die gerechte ökologische Last, die damit verbunden ist, teurer werden. Nur so wird es längerfristig wieder zu regionalen Versorgungsmöglichkeiten kommen. So wie wir beklagen, daß unsere Produktion durch andere Produktionen kaputt gemacht wurde, so müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, daß der Umkehrfall das gleiche Resultat anderswo hätte.
Die Landwirtschaft spielt im Text leider (wie schon so häufig) keine Rolle. Und doch halte ich sie, wenn es um Eigenversorgung geht, als Ausgangspunkt für den wichtigsten Bereich. Ohne regionalen Anbau alter Nutzpflanzen wie z.B.Flachs und Hanf gibt es z.B. keinen alternativen Ausgangsstoff für die Papierherstellung, für die Produktion von langlebiger Bekleidung. Hanf kann nach dem Fall noch vorhandener Barrieren auch als Arzneimittel wieder eine Rolle spielen; er wird im kleinen Umfang bereits jetzt in der Naturkosmetik genutzt usw. Ich als Verbraucherin würde ebenfalls Wert auf Obst, Gemüse, Getreide, Milch, Fleisch aus kontrolliert-biologischem Anbau aus der Region legen. Der Zerstörung von Böden, der Verschmutzung von Gewässern (als Folge einer industrialisierten Landwirtschaft) kann nur durch eine radikale Umkehr aufgehalten werden. Und natürlich sind auch dafür erst einmal finanzielle Mittel notwendig. Es ist völlig unzureichend, was bisher im Osten Deutschlands an Fördermöglichkeiten für interessierte ProduzentInnen angeboten wird. Ökologischer Landbau und ökologische Tierhaltung sind sehr arbeitsintensive Bereiche. Was suchen wir mehr?
Abschnitt: Friedens- und Sicherheitspolitik
Die sich für die Mehrheit der Mitglieder der ProgrammKommission aus diesem Text ergebenden Schlußfolgerungen teile ich nicht. Ich bin überzeugt, daß sich weder eine Mehrheit in der PDS, noch in der klassischen Linken Europas nennenswert mit pazifistischem Denken auseinandergesetzt hat. Es gibt ein Recht auf Leben und es muß alles getan werden, um Konflikte, die in Gewaltbereitschaft umschlagen können, friedlich zu lösen. Ich bin mir sicher, dass die Möglichkeiten, die hier bestehen, zusammen mit der Friedensbewegung erweitert und durchgesetzt werden können, und ich bin mir ebenfalls sicher, dass das bisher nicht im erforderlichen Maße geschehen ist. Sylvia- Yvonne Kaufmann ist in ihrer Verweigerung zu unterstützen. (Über die ökonomischen und ökologischen Folgen von Rüstungsproduktion und Waffeneinsatz wurde in den letzten Monaten an anderer Stelle diskutiert.). Gewaltmonopole, ob UNO oder OSZE oder andere sehe ich generell kritisch. Es gibt (bisher?) keine tatsächlichen Vertretungen der Völker.
Abschnitt: Demokratischer Sozialismus
Ergänzung zum 5. Abschnitt, 3. Absatz: Entgegen der Schilderung ist es historisch leider nicht so, daß Frauen in den Forderungen nach "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" eingeschlossen gewesen wären. Frauen hatten kein BürgerInnenrecht, auch nicht unter den fortschrittlich erscheinenden Männern jener Zeit. Frauen wie Olympe de Gouges bewirkten, daß es in der Nachfolge zu Rechten für Frauen kam. 1791 erschien ihre Streitschrift "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" die als die erste wirklich universelle Menschenrechtserklärung angesehen werden muß.
Frauen waren aktiv an der Herbeiführung gesellschaftlicher Veränderungen in Frankreich beteiligt. Sie spielten keine Nebenrolle. 1793 wird O. d. Gouges Opfer der Jakobinerdiktatur und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die patriarchale (und damit auch die linke) Geschichtsschreibung ignorierte diese Fakten weitestgehend, und es ist Historikerinnen wie Hannelore Schröder zu verdanken, daß die Originaldokumente (sogar relativ gut zugänglich) 1972 wiederentdeckt und seither unter großen Mühen in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.