Marko Ferst

Damit aus Klima-Wandel kein Klima-Umsturz wird

PDS-Einsatz für solare Energiewende mit eigenen Konzepten untersetzen

 

Jürgen Trittin als grüner Bundesumweltminister will bis 2020 20% des Stroms aus erneuerbaren Quellen decken. Inzwischen kommt in Deutschland rund 9% des Stroms aus alternativen Quellen, vor allen Dingen Wind- und Wasserkraft. 15400 Windräder waren Anfang 2004 bereits in Betrieb und erzeugten 3 % der Elektrizität. Das erfolgreiche rot-grüne Erneuerbare Energiegesetz fand modifizierte Nachahmung unter anderem in Ungarn, Spanien, Portugal, Griechenland, Frankreich und Tschechien. 2004 installierte Deutschland weltweit die meisten Fotovoltaikanlagen für Solarstrom. Die Solarkollektorfläche für die Bereitstellung von warmen Wasser verdoppelte sich in Deutschland seit 1998.

Die Meßlatte für ambitionierte PDS-Solarpolitik liegt also sehr hoch. Vor diesem Hintergrund stellt PDS-Umweltminister Wolfgang Methling völlig richtig die Weichen, wenn er als Politikziel formuliert, 100 Prozent erneuerbare Energie bis 2050 müssen erreicht werden. (ND 8.11.04) Der Experte Mojib Latif verweist in seinem neuen Buch „Klima“ darauf, wir müssen den Ausstoß von Klimagasen fast vollständig beenden. Betrachtet man die vielfältigen Quellen der wichtigen Treibhausgase Kohlendioxid und Methan, so wird klar, eine vollständige solare Stromversorgung ist ein wichtiger Meilenstein. Jedoch die Wärmeversorgung, der Verkehrsbereich, die Landwirtschaft aber auch Hochöfen und andere Prozeßenergie werden erhebliche Probleme bereiten, will man sie vollständig erneuerbar gestalten.

Nimmt man die Herstellung von Metallen, Glas, Beton und Kunststoffen, also einem großen Teil der Infrastruktur der Industriegesellschaft, so sind bisher keine Verfahren absehbar, die auf Null Emissionen hinauslaufen. Im Wärmebereich gibt es Möglichkeiten über solares Bauen, Geothermie, Biomasse und Solarkollektoren sowie die Einrichtung von Nahwärmenetzen diesem Ziel näher zu kommen. Völlig gescheitert ist die jetzige rot-grüne Bundesregierung im Verkehrsbereich. Dort nahmen die CO2-Emissionen zu. Auch bei der Förderung von mehr ökologischer Energieeffizienz sind die bisherigen Ansätze der Regierung völlig unzureichend.

Damit eine vollständige solare Energiewende im PDS-Bundestagswahlkampf 2006 mit auf der Agenda stehen kann, muß die konzeptionelle Untersetzung verbessert werden. Die Ökologische Plattform arbeitete vorbereitend ausführliche Positionspapiere über den Ist-Stand aus. Die Kernfrage ist, mit welchen Politikinstrumenten, kann ein schnellerer Umstieg erreicht werden. Etwa bei kleinen Wasserkraftwerken, könnten dies verbesserte Vergütungssätze für den Strom sein. Ist es sinnvoll wie in Israel seit langem und in Spanien jetzt geplant für neue Häuser Solarthermieanlagen verpflichtend vorzuschreiben oder sind verbesserte Förderinstrumente der sinnvollere Ansatz?

Angegriffen werden muß Rot-Grün in ihrer Atompolitik. Immerhin genehmigt diese Regierung, daß in Gronau Brennelementekapazitäten für 35 AKW aufgebaut werden, Hermesbürgschaften wurden für zwei chinesische Reaktoren in Lianyungang genehmigt und nach wie vor darf Atomforschung Finanzmittel verschlingen. Bei einer CDU/CSU-geführten Regierung ab 2006 ist man allerdings auch vor einem Rückfall in die „atomare Steinzeit“ nicht gefeit.

Man vermutet, daß ab ungefähr 2010 die Mengen an gefördertem Erdöl nicht mehr gesteigert werden können. In Ländern wie Iran, Libyen, Rumänien und Indonesien ist dieser Punkt lange überschritten, der jetzt weltweit eintritt. Der Verbrauch in China, Indien u. a. Länder wächst aber rasant. In 35-40 Jahren sind die letzten Reserven an herkömmlichen Öl aufgebraucht. Wir müssen also nicht nur wegen der Klimagefahr vollständig auf solare Energien umsteigen, sondern auch weil die Energiepreise künftig drastisch nach oben schnellen werden.

Unstrittig ist es, besser moderne Gaskraftwerke zu bauen, als noch ein einziges Kohlekraftwerk, weil dessen CO2-Ausstoß mengenmäßig äquivalent weit darüber liegt. Mit einem Gaskraftwerk legt man sich jedoch für 30-40 Jahre fest, auch mit immer teureren Gasimporten. Das kann nur eine sehr kurzfristige Notlösung sein, insbesondere wenn man bei 100 Prozent solarer Stromerzeugung 2050 ankommen will.

Die Offshore-Windräder in Nord- und Ostsee sollten zum Zuge kommen. Natürlich sind Naturschutzprobleme beim Schweinswal oder den Vogelflugrouten streng zu beachten, ebenso wie die Sicherheit des Schiffsverkehrs. Wenigstens 20% des derzeitigen Stromverbrauchs könnten auf mittlere Sicht so gedeckt werden. Insgesamt kommt es auf einen sinnvollen Mix an erneuerbaren Energien an. Manches Wasserkraftwerk könnte aktiviert werden und eine effizientere Generation von Fotovoltaikanlagen zum Zuge kommen, verringerte Kosten durch effizientere Produktionsabläufe entstehen.

Gelänge es darüber hinaus bis 2030 um den Faktor Vier beim Stromverbrauch zu reduzieren, also eine Ökoeffizienzrevolution in Technik und Sozialverhalten, käme man mit sehr viel weniger Energie aus und 100 Prozent Solarenergie wäre um viele Jahre schneller erreichbar. Freilich darf man nicht vergessen, alle Wachstumsprozesse der heutigen Industriegesellschaft sind an CO2-Ausstoß gebunden und in einigen Bereichen kommt man um intelligenten, kreativen Verzicht überhaupt nicht herum. Vor allen Dingen eine neoliberale Politik, die Aktienkurse und Finanzmarktwünsche zur Zentralsteuerung der Gesellschaft macht und damit ökonomischen Aktionszwang bis in die letzten sozialkulturellen Freiräume hineinzwingt, ist geradezu ein Amoklauf gegen die Belastungsgrenzen der Natur. Weniger Arbeitsquantum, gerecht verteilt, entlastet tendenziell die Ökosphäre.

Selbst das Bundesumweltministerium schätzt die Situation sehr kritisch ein. Der Klimawandel selbst ist nicht mehr verhinderbar, man kann nur noch abbremsen. Die Gesellschaft muß heute beginnen, ihre Bauweise den kommenden Stürmen anzupassen. Zunehmende Starkregenereignisse sprechen für entsiegelte Flächen und barrierefreie Flüsse. Entscheidend ist, ob es gelingt die Ernähungssicherheit mit einer grundlegend anders ausgelegten Landwirtschaft zu sichern. Gerät der Klimawandel zum Klimaumsturz, dann wird in vielen Fällen nur die Flucht in noch intakte Regionen möglich sein, solange es noch welche gibt. Deshalb müssen heute alle Register gezogen werden, um das Lenkrad noch ein Stück rumzureißen.

 

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