Lesebericht 2005 zum Buch Zeitenwende von Ferst
Ferstens Buch "Zeitenwende" ist das momentan beste Umwelt(politik)buch, das ich kenne. Es ist ziemlich volksverständlich durch die zahlreichen Interviews und Vorlesungen und auch ziemlich vollständig. Alles ist erwähnt, was ich bislang über Auswege aus dem Ökopax-Crash wußte, einschließlich der Frage danach, wie wenigstens eine konsequente Notstandspolitik aussehen könnte. Jedoch würde ich zu Ferstens Gesamtkonzept noch mehr 'therapeutische Kultur' und 'psychische Revolution' hinzufügen wollen (nach Bauriedl, Janov, Maaz, Miller). Aber gut: Der gleiche Autor hat ja noch das Fromm-Buch herausgebracht, welches sich hauptsächlich dem seelischen Aspekt widmet. So! Jetzt brauchen wir 'nur' noch recht viel 'ökotopianische Utopieprosa' (auch deine!) zur besseren Anschaulichkeit. Diese geben wir dann ambitionierten Prosa-Schriftstellern zur allgemeinverständlich-populärwissenschaftlichen Ausformulierung und bekommen dann (endlich) ein 'Volksbuch'. Bis dahin gibt es wohl nichts besseres zu tun, als das vorliegende Buch zu verbreiten. (z.B. indem man seine Heimat-Bibliothek bittet, dieses Buch anzuschaffen.)
Es bedarf nach einem eventuellem Volksbuch noch eines 'Bewußtseinswunders', damit das deutsche Volk sich dafür interessiert, es ernstnimmt, es liest. Jedoch: "Man weiß ja nie...!" oder Variante: "Man soll nie NIE sagen!" - Echte Wunder gab es bis heute noch nicht. Nur Berichte über solche in märchenhaften Erzählungen. Mir ist zumindestens kein echtes Wunder bekannt. 'Bewußtseinswunder' sind zwar theoretisch möglich, weil phantasierbar, aber bislang gab es diese nur 'personalistisch-individuell' und in kleinen Menschengruppen. Die ostdeutsche Wende 1989 war zwar zu 90% ein "Aufstand der Neurose", vgl. Maaz 1990, aber ich will gerne zugeben, daß in der ersten Novemberwoche 1989 bis zum Tag der Maueröffnung in der DDR etwas im Volks-Schwange war, was es sonst - massenpsychologisch - nur 1967/68 in der CSSR gegeben hat. Nämlich eine 'Aufbruchsstimmung zu (ganz) neuen Ufern' - des Massenbewußtseins. Eine 'Woche der Gefühlsfreiheit'.
Auch die '68er Studentenbewegung' ist zu nennen. Sie hat mir 1974 folgendes freiheitliche Erlebnis beschert: Pfingsten 1974, Krakau, Straßenfest-Karneval der Studenten ("Juvenalia") , Hauptmarkt, ein LKW, mit bunten 'Studenten' auf der Ladefläche, mit einem Spruchband im kommunistischen Propagandastil über die ganze Länge, in polnisch darauf: "Wir erlauben nicht, daß China uns die Sowjetunion wegnimmt!" (sinngemäß). Ein öffentlicher politischer Witz in Großformat! - Wir (die Unterdrückten) wollen die UdSSR selber 'haben', 'erobern'. Politischer Fasching auf der Strasse. Das Herz wurde mir weit. Es ist also noch eine ganz andere geistige 'Parallelwelt' vorhanden. So. wie auch in den genialen politischen Witzen des Kommunismus. Hier aber nur kurz in der Schrecksekunde der Pointe erblickbar. - Sollte es möglich sein, diese 'instabile' Bewußtseinswelt für etwas länger zu manifestieren? Länger noch, als das 1tägige Spruchband in Krakau, als die eine Woche im November 89, die 18 Monate von 67/68? - Braucht es erst wieder einen Angstwutaufstand, um die Initialzündung für eine bewußtseinsbefreiende Gefühlskatharsis auszulösen? Vielleicht. Beten wir dafür, daß das, was geschehen soll, also das 'Wunder', rechtzeitig geschieht. Wenn wir zu spät 'kommen', bestraft uns das 'Leben'. Was das Volk tun sollte, ist so einfach, daß man es einem Kind erklären kann. Und was ein Kind versteht... das funktioniert mit Sicherheit... wenn man es dann tut; was ein Kind versteht... das ist/wird auch vital und gut.
Fortschreibung der "LOGIK DER RETTUNG"
LdR - Kompakt!
Über dieses Buch bin ich sehr froh. Ich habe schon lange auf ein kompaktes Alterswerk von Rudolf Bahro gewartet. Die "Logig der Rettung" (LdR) hat er im Alter von 50 Jahren geschrieben .... und die beiden Bücher Inweltkrise und Geist einer neuen Zeit gingen mir zu sehr in die Breite durch zu viele Mitautoren. (Sammelbände kann ich nicht leiden - zumindestens nicht zum Thema Weltrettung.)
Aber wie soll man ein Buch rezensieren (loben oder verreißen), welches die Unausweichlichkeit unser aller Tod in diesem Jahrhundert visioniert.... UND als Ausweg spirituelle Energien zu Hilfe ruft, die niemand auch nur ansatzweise in deutschen Landen erspähen kann (und suchte er sie auch mit einem Fernglas). Nicht mal der deutsche Präsident konnte 1997 einen RUCK im Volke auslösen..... und in seiner Adlon-Rede ging es um weit weniger - nämlich nur um MEHR Wirtschaft.
LdR feiert bald 20. Geburtstag - ich lese es immer wieder gerne. Obwohl ich immer ein paar Jahre Pause machen muß - damit ich wieder was daraus vergesse. Zu Unrecht hat es nie seinen Weg in die Bestenliste der deutschen Bücher gefunden. Zumindestens sprachlich ist es ein Genuß.
Nun also eine Art "Best of Bahro" auf 110 Seiten - und als "Bonus-Track" 50 Seiten Alt-Ferst und 160 Seiten 'Nur Ferst' - alles wohlgefüllt, weil in "XXL"-Größe. Ein Buch, das sich lohnt, weil es das gesamte Spektrum abdeckt.... wenn man wissen will, was alles NICHT mehr hilft => langfristig. Und gerade darum ging es Bahro - um die Weltrettung. (Also die Rettung der Menschheit, wenn man das mal gleichsetzen will.) Wenn er da nur eine "komplizierte Lösung" gefunden hat.... dann liegt es vielleicht daran, daß die im Volke beliebten "einfachen Lösungen" hierbei nicht verfügbar sind.
Aber: Ferst reißt das wieder raus! Er, Jahrgang 1970, spricht die einfache Sprache der Jugend, ist kein reiner Philosoph wie Untier-Horstmann, sondern demonstriert selber noch auf der Straße gegen Raubbau und FÜR Sonnen-Energien. Bewunderswert, wie er schon alles lesen konnte. (Analog dazu, wie Bahro nach seinem Freikauf 1979 in nur 7 Jahren den gesamten Lesestoff durchackerte, den er in LdR verwendete.)
Und: Ferst ruft zum Utopien-Schreiben-und-ihm-Schicken auf. Was will man denn mehr - als Leser? Wenn also noch irgendwo eine gute Idee im deutschen Volk rumschwirrt/'schlummert', wie die Zukunft zu retten sei, dann kann sie NUN gefunden werden. Ich meine das ernst. Hier sammelt endlich einer die Ideen.
Aber es kann natürlich keine geben (neue). Es gibt keinen Grund, anzunehmen, daß eine noch so gute Gesellschaftsidee die spirituellen Energien wecken könnte im Volke - wo doch die deutschen Psychologen und Therapeuten seit Jahren Bücher über das Unbewußte in Politik und Volksseele schreiben. (Und das ist immerhin eine Stufe einfacher, als das, was Bahro will.)
Nun gut. Fazit: Durch die Interview-Technik (mit Bahro) kann er uns nicht 'wegrennen' (mit seinen oft riesigen Gedankensprüngen, besonders in seinen Vorlesungen). Nun kann keiner mehr sagen: "Bahro ist zu kompliziert!" (Wenigstens das wäre geschafft.) Nun kann man nur noch sagen: "Volks-Spiritualität ist Öko-Faschismus! - und bringt keine Punkte bei der Weltrettung!". Nun gut - da müssen dann eben mal 'die Anderen' ran, die Öko-Optimisten, Wachstumsfetischisten, und so. Zum Schluß: Wie soll man ein Buch rezensieren, in dem es um ALLES geht?