Die Tragekapazität der Ökosphäre wird an immer mehr Punkten unterminiert 

Von Marko Ferst     Disput, Februar 2013

 

Die Treibhausfenster schließen sich unaufhaltsam. Von 1990 bis 2011 erhöhte sich global der Kohlendioxidausstoß von 22,6 auf 34 Milliarden Tonnen im Jahr, 50% Steigerung. 

Die Beträge summieren sich, CO2 bleibt mindestens 100 Jahre aktiv. 400 Teile pro Million in der Atmosphäre sind überschritten. Szenarien, die sich daraus ableiten, liegen auf einem Pfad, den die Klimaforschung mit dem Votum schlimmster Auswirkungen charakterisiert hat. 

Die arktische Meereisbedeckung ging im Sommer 2012 erneut auf absolute Rekordwerte zurück. Bald wird die Arktis eisfrei sein. Schwarz-Gelb jedoch hat nicht besseres zu tun, als durch chaotischen Politikstil, die solare Energiewende auszubremsen. Wenn man von der kleinen Fluggastgebühr absieht, ist nirgendwo politische Initiative erkennbar, die auf eine konsistente Klimapolitik abzielen könnte. In Peer Steinbrücks Opus Magnum <Unterm Strich> kommt Klimapolitik nicht vor, umweltpolitisch wäre er eine glatte Fehlbesetzung fürs Kanzleramt.

Klimakonferenzen produzieren nichts als heiße Luft in einer Situation, die als Punkt von dem es keine Rückkehr gibt beschrieben werden muß. Viele Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Indonesien etc. nehmen Kurs auf den „kleinen Wohlstand“, eine Perspektive die linkspolitischen Wünschen eher entgegenkommen dürfte. 

Dieser rasante Zuwachs an Industrie, intensivierter landwirtschaftlicher Nutzung z.B. durch vermehrten Fleischkonsum, Regenwaldzerstörung usw. wird jedoch binnen weniger Jahre enorme weitere Steigerungen an Treibhauspotential generieren. Und das in einer Zeitspanne - wo es darum ginge hierzulande die Treibhauslasten um nahezu 100% zu reduzieren, wenn man dem Klimaforscher Mojib Latif folgen will. 

Es ist vorherzusehen, die ökologische Tragekapazität der Biosphäre wird an allen Ecken und Enden kollabieren.

Die sozialen Wirkungen großregionaler Destabilisierung kann man am Versiegen des Aralsees gut studieren. Der kasachische Pen-Präsident Abdishamil Nurpeissow beschreibt in seinem zweiteiligen Roman „Der sterbende See“ (2006) wie der Fischerei das Wasser entzogen wurde und am Ende Familien in ganzen LKW-Konvois mit Hab und Gut die Dörfer verlassen. Zurückgeblieben ist eine Salzwüste, deren feiner Staub hunderte Kilometer ins Umland getragen wird. 

Die gesundheitliche Probleme der Menschen sind massiver Natur. So die Folgen einer landwirtschaftlichen Wachstumsstrategie, bei der die beiden Flüsse, welche den einst viertgrößten See der Welt mit Wasser speisten, in großem Stil angezapft wurden. 

Selbst wenn man sowjetische Akzente in der Wirtschaftskultur abzieht, scheint mir das wie ein Symbol zu sein, für den Kollaps, der uns gesamtplanetar mit anderen Akzenten droht.

 

Selbst die Linke, die aus der stalinistisch geprägten SED hervorgegangen ist, hatte eigentlich politisch-intellektuell nach der 89er Wende gute Chancen eine rot-grüne Partei zu werden. Immerhin gab es drei Vordenker, die aus der SED gekommen waren, wenn auch in Ungnade gefallene. Der Band <Morgen: Die Industriegesellschaft am Scheideweg von Robert Havemann, 2010 wiederveröffentlicht durch die Ökologische Plattform, versuchte in einer utopischen Reise die Vision eines ökologischen Kommunismus zu entfalten, vielleicht noch zu stark auf automatisierte Technik fokussiert, aber klar in der Einsicht, wir müßten mit einem Zehntel an Infrastruktur und Energie auskommen ungefähr. 

Rudolf Bahro markierte letzteren Punkt ganz analog. Sein Werk <Logik der Rettung> setzte auf eine grundsätzliche Kehre, die von unserem Drang nach Nimmersatt nötig wäre. Nicht nur die kapitalistische Wirtschaftsdynamik, auch unsere sozialpsychologische Verfaßtheit spiele eine große Rolle im Kräfteparallelogramm zu einer zukunftsfähigen Ordnung, jenseits neuer tyrannischer Optionen. 

Unfreiwillig scheinen davon Ansätze auf in Wolfgang Harichs <Kommunismus ohne Wachstum>, einem Band, der nicht ganz frei ist von spätstalinistischer Patina. Das man sich unideologisch das ganze Spektrum ökologischen Vordenkens in der heutigen Welt kritisch aneignen sollte, sei als selbstverständlich vorausgesetzt.

Es wird nicht gelingen die Linke für die Auseinandersetzungen im Jahrhundert der Ökologie politikwirksam aufzustellen, solange diese Aufgabe nur durch einen kleinen Kreis engagierter Abgeordneter und der BAG Umwelt, Energie und Verkehr sowie der Ökologischen Plattform geschieht. Unbestreitbar trugen diese Akteure viel dazu bei, ökologische Passagen in Wahlprogrammen zu verbessern, Konferenzen auszurichten und auffällig ist auch, einige westliche Verbände zeigen mehr ökologisches Profil im Wortlaut. 

 

Allerdings, wenn rot-rote Regierungspolitik steigende Ausstoßwerte beim CO2 in Brandenburg verzeichnet, die Pro-Kopf-Emission klimarelevanter Gase bei 25 Tonnen liegt (Bundesdurchschnitt 12t) – bei neuen Rekorden für Braunkohlestrom durch Vattenfall, CCS-Verpressung trotz massivem Protest durchzudrücken versucht wurde - ökologisches Profil sieht anders aus

Das umfassende Nachtflugverbot in Brandenburg wird nur halbherzig verfolgt, weil ein Volksentscheid droht, überdies bleibt die Subventionierung der Billigfliegerei, wie sie Frank Welskop in seinem Flughafenbuch beschreibt, erhalten. Das diskreditiert die ökologische Kompetenz der Gesamtpartei.

Ob freilich das politische System mit Wahlkampfparteien der ökologischen Zivilisationskrise gewachsen sein wird, muß bezweifelt werden. Wir bräuchten in drei, vier politischen Anläufen einen kompletten Umbau hin zu einer ökologischen Ordnung, die mit einem Bruchteil heutiger Ressourcen und Energien auskommt und müßten unsere Anzahl auf dem Planeten begrenzen. 

Welche Gefahren uns abrupte Klimaumbrüche bescheren könnten, zeigt besonders kenntnisreich Fred Pearce in <Das Wetter von Morgen: Wenn das Klima zur Bedrohung wird>. 

Die komplexen Wechselwirkungen der Ökosysteme beschreibt Tim Flannery in <Wir Wettermacher>. Die Lektüre könnte sehr hilfreich sein, um die üblichen umweltpolitischen Sprachschablonen zu untergraben.