Was könnte Sozialismus sein?

Marko Ferst

 

Die Bezeichnung Sozialismus öffnet offenbar Tür und Tor für den Mißbrauch im Verstehen dessen, was damit eigentlich gemeint ist. Die Karriere als Worthülse lebt offenkundig auch nach dem Ableben der betreffenden Systeme weiter, speziell auch in der PDS, wo der Gebrauch immer öfter wie eine Sonntagspredigt daherkommt, mit der man das eigene Anderstun bemäntelt.

Wenn man aber mal vom ideologischen Kettengeschirr absieht, wäre festzuhalten, eine Gesellschaft, die sich sozialistisch nennen dürfte, müßte auf die innere Entwicklung des Menschen setzen, in der fundamental die Emanzipation vom Habenmüssen gefördert würde. Der Mensch darf kein Werkzeug der Ökonomie sein, sondern er ist sich selbst der Zweck. In Wettbewerbsökonomien ist dieser Zugang vom Grunde her nur sehr eingeschränkt gegeben, weil die ökonomische Motorik völlig entgegengesetzt läuft. Es ginge um eine Kulturverfassung, die auf Herz und Geist gegründet ist und nicht auf  Gewinnmaximierung, blindem Fortschritts­glauben, Ausbeutung von Mensch und Natur. Sozialismus hat sehr viel mit dem geistig-kulturellen Lebensniveau einer Gesellschaft zu tun, das hat man vor 1989 vergessen.

Eine alternative Ordnung würde möglicher Weise auch bedeuten, Gesellschaft nicht mehr als Megamaschine zuzulassen, dies zumindest ein beträchtliches Stück zurückzunehmen. Der Mensch darf nicht durch eine Gesamtgesellschaft, die als Maschine organisiert ist, überbestimmt werden, innerhalb derer er als Mensch aufhört zu entscheiden, zu denken, zu fühlen – umrahmt von materieller Begünstigung, wie sie so im 20. Jahrhundert erstmals massenhaft auftritt. Befragt werden muß, ob und wenn wie, die alte Arbeitsteilung überwunden werden kann? Damit ist sowohl die geschlechtliche als auch die zwischen Geist und Hand gemeint.

Auch die Eigentums- und Besitzordnung wäre grundlegend zu überdenken: Die ökonomische Globalisierung der heutigen Überflußgesellschaften wird nicht sehr weit reichen und findet spätestens an dem ökologischen Overkill, den sie anrichtet, Schranken. Der gemeine Bürger verfügt daran natürlich Aktienanteile. Der Ausgang freilich wird eher totalitär als emanzipatorisch erfolgen. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen wieviel Besitz einschließlich Firmenbesitz und über was man sonst alles noch ökonomisch verfügen kann, die Erde verträgt, mehr noch, wieviel Ausbeutungsverhältnisse sind tolerierbar, wenn überdies, das Ganze in einer Todesspirale festhängt? Ist es da nicht ein Gebot der Stunde Alternativen zu formulieren?

Eine neue politökonomische Ordnung müßte jedenfalls  Selbstbegrenzung, sinnvolle Leistung und die Abkehr von Arbeitsverhältnissen mit sich bringen, in denen ein Pol auf Kosten des anderen entwickelt wird. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll sein könnte, der Werktätige wird  zum Mitunternehmer zu 50 Prozent und die andere Hälfte ist gesellschaftliches Eigentum. Damit käme man aus der staatskapitalistischen Falle heraus, wo das propagierte mitregieren sich auf das mitarbeiten reduzierte. Klar ist, man bräuchte bei der Polizei, im Bildungswesen u.a. modifizierte Modelle. 

Die zweite Säule einer Gesellschaft mit möglicherweise sozialistischem Ansatz müßte allerdings schon sein, eine konsequente private Reichtumsbegrenzung einzuziehen. Jeder kann nach wie vor auf privatem Boden sein Haus bauen, für eine ganze Siedlung wird er das Geld nicht haben, um die steuerliche Belastung zu bezahlen. Das Steuersystem wäre insgesamt so anzulegen, daß es sich künftig nicht mehr lohnt, viel Geld zu horten und viel Land zu besitzen. Da müßten natürlich auch viele Rechtslagen und Einzelregelungen neu gefaßt werden.

Im politischen Bereich haben heutzutage weitgehend demokratische Verkehrsformen Einzug gehalten, wenngleich vieles verbesserungswürdig ist, man denke da an die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden, die auch vom Reglement so eingerichtet werden, daß die Hürden für einen Entscheid überwindbar sind. Wenn wir uns aber die Wirtschaft ansehen, dann haben wir, was die demokratischen Entscheidungen angeht, „tiefsten Feudalismus“. Der Betriebschef muß künftig wählbar sein und jeder muß die Chance haben, sich demokratisch in betriebliche Entscheidungsfindungen einzubringen. Dazu reicht die jetzige Betriebsratspraxis nicht aus.

Die Sache geht aber noch weiter: Wenn wir ein beträchtliches gesellschaftliches Eigentum annehmen wollen, dann muß man auch in Betracht ziehen, daß es regionale Wirtschaftsräte und einen bundesweiten Wirtschaftsrat gibt der das verwaltet, der sich demokratisch gewählt aus Delegierten der Betriebe zusammensetzt, wobei die Verbraucher, Städte und Gemeinden mit daran partizipieren können müssen. Die Rahmenbedingungen für die ökologische Stabilität, würden sehr maßgeblich von einem Öko- und Ethikparlament, als dem obersten Staatsorgan, gesetzt.

Das alles sind natürlich hier jetzt sehr bruchstückhafte Zukunfts­vorstellungen, die weiterentwickelt werden müssen oder wo auch Alternativvorschläge vorzustellen sind. Das ist ganz klar. Das was ich ausgebreitet habe, basiert größtenteils auf Überlegungen, die ich in meinen Büchern sehr viel umfassender behandelt habe. Das soll nur eine Anregung sein, sich mit der Problematik mal gründlicher auseinanderzusetzen.

Die partei­bürokratischen Texte, die derzeit gehandelt werden, tragen zu künftigen Sozialismusvorstellungen jedenfalls nur sehr wenig bei, weil es wohl zu extrem um das unmittelbare Regieren und Mitmachen geht.

 

 

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