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13 - Flüssiges Gold: Veränderte Niederschläge  

Kap 14

Hat der Regen einen Vater, 
oder wer zeugte die Tropfen des Taus?

Das Buch Hiob 38, 28

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Von den Polen bis zum Äquator erstreckt sich über unsere Erde ein Temperaturspektrum von rund -40°C bis +40°C, und Luft von +40°C kann vier­hundert­siebzigmal so viel Wasserdampf aufnehmen wie solche von -40 °C. Dieser Umstand verdammt unsere Pole dazu, riesige gefrorene Wüsten zu sein, und uns dazu, dass wir für jedes Grad von uns verursachter Erwärmung global im Durchschnitt ein Prozent mehr Regen bekommen werden.58 

Die entscheidende Tatsache dabei aber ist, dass dieser zusätzliche Niederschlag nicht in Raum und Zeit gleichmäßig verteilt sein wird. Vielmehr wird es an einigen Orten zu ungewöhnlichen Zeiten regnen, an anderen überhaupt nicht. Es wird sogar ein paar auserwählte Stellen geben, an denen sich die Niederschläge kaum ändern werden.

Über weiten Teilen der Welt nehmen die Regenfälle zu, aber mehr Regen ist weder für die Natur noch für die Menschen notwendigerweise gut. Eine der sichersten Prophezeiungen der Klimawissenschaft besagt, dass in Folge der globalen Erwärmung die hohen Breitengrade im Winter mehr Regen abbekommen werden, und wie wir gesehen haben, kann das für die Bewohner der Arktis sehr schlecht sein. 

Weiter im Süden führen vermehrte winterliche Niederschläge ebenfalls zu unwillkommenen Veränderungen: 2003 lösten sie in Kanada eine tödliche Lawinensaison aus, während in Großbritannien der Frühling 2004 so nass war, dass es in vielen Regionen schwierig oder unmöglich war, Heu zu machen. Natürlich erwartet man überall, wo die Regenmengen zunehmen, auch mehr Überschwemmungen, aber je üblicher extreme Wetterverhältnisse werden, desto häufiger wird das Hochwasser weit über das hinausgehen, was die verstärkten Niederschläge allein zu verantworten haben.

Hier will ich mich jedoch auf die Regionen konzentrieren, die der Klimawandel in ein ständiges Niederschlagsdefizit stürzen wird, denn einige von ihnen werden zu einer neuen Sahara oder zumindest zu Gegenden, in denen Menschen nicht mehr leben können. In ein paar Fällen ist das bereits passiert. Ausbleibende Niederschläge bezeichnet man oft als »Dürreperioden«, aber diese sind per Definition vorübergehend, in den hier angesprochenen Gegenden aber gibt es keinerlei Aussicht, dass der Regen zurückkehren wird. Was dort geschehen ist, ist vielmehr ein rascher Wechsel zu einem neuen, trockeneren Klima.

Die ersten Anzeichen eines solchen Wandels gab es in den sechziger Jahren in der afrikanischen Sahelzone. Der betroffene Landstrich war riesig: Ein großer Gürtel südlich der Sahara, der vom Atlantischen Ozean bis in den Sudan reicht. Vier Jahrzehnte sind jetzt seit dem plötzlichen Rückgang der Niederschläge dort vergangen, und es gibt keinerlei Anzeichen, dass die Leben spendenden Monsunregen wiederkehren werden.59 Schon vor dem Rückgang gab es im Sahel nur marginale Regenfälle, und das Leben dort war hart. In Bereichen mit besseren Böden und mehr Regen konnten die Bauern von ihren Feldern leben, und in trockenerem Brachland zogen Kamelhirten auf der Suche nach Futter für ihre Herden ihre halb nomadischen Runden. Der Niederschlagsmangel hat das Leben für beide Gruppen schwierig gemacht: Die Hirten finden kaum noch Gras in den Bereichen, die jetzt eine echte Wüste sind, während die Bauern kaum noch genügend Regen bekommen, um ihren Feldern ein Minimum an Ernte zu entlocken. Ab und zu zeigen die Medien der Welt Bilder von den Folgen: Hungernde Kamele und verzweifelte Familien, die sich durch ein staubiges Brachland kämpfen.

Ich kann mich noch erinnern, wie ich als Kind im Fernsehen diese Bilder sah und hörte, dass Überweidung und eine Bevölkerungsexplosion dieses menschliche Elend verursacht hätten. Faktisch hat die westliche Welt sich jahrzehntelang weisgemacht, dass die Katastro-

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phe von den Menschen dort selbst hervorgerufen worden sei. Das Argument lautete, die Überweidung durch Kamele, Ziegen und Rinder und auch das Sammeln von Feuerholz hätten die dünne Vegetationsschicht der Region zerstört, damit den dunklen Boden freigelegt und die Albedo des Sahel verändert. Da ständig heiße, trockene Luft in die Höhe stieg und keine Pflanzen Feuchtigkeit an die Atmosphäre abgaben, konnten sich keine Regenwolken mehr bilden, und als diese menschengemachte »Dürre« immer länger dauerte, wurde immer mehr Ackerkrume weggeblasen. Diese Interpretation hat sowohl Umweltschützern als auch Moralisten Gelegenheit zu Predigten gegeben, sie ist aber in so gut wie jeder Hinsicht falsch.

Der wahre Grund für die Katastrophe im Sahel kam im November 2003 ans Licht, als Klimatologen des National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, eine äußerst sorgfältige Untersuchung veröffentlichten, bei der die Niederschlagsmuster der Region zwischen 1930 und 2000 mit Computermodellen simuliert worden waren.60 Das war ein gewaltiger Aufwand, denn von den Meeresund Landtemperaturen bis hin zu den Veränderungen in der Vegetation des Sahel musste alles in den Computer eingegeben werden.

Schließlich konnte das Modell das einstige und das heutige Klima in der Region simulieren, und es zeigte, dass die von Menschen verursachte Landdegeneration viel zu geringfügig war, um die drastische Klimaveränderung auslösen zu können.61 Stattdessen war eine einzige Klimavariable für den Großteil des Niederschlagsrückgangs verantwortlich: steigende Oberflächentemperaturen im Indischen Ozean, die aus der Akkumulation von Treibhausgasen herrührten. Von allen Ozeanen der Erde erwärmt sich der Indische am schnellsten, und das Computermodell zeigte, dass die Bedingungen, unter denen sich Monsunregen für die Sahelzone bilden, durch die Erwärmung abgeschwächt wurden. Und infolgedessen begann in den sechziger Jahren die »Dürreperiode« im Sahel.

Wie bei solchen Untersuchungen häufig der Fall, konnten nicht alle Niederschlagsrückgänge damit erklärt werden, was heißt, dass ein weiterer, nicht identifizierter Mechanismus am Werk sein musste. Mittlerweile glauben einige Wissenschaftler, dass sie ihn gefunden haben, und sie bezeichnen ihn als »globales Dimmen«.

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Bei diesem Phänomen der weltweiten Helligkeitsabschwächung vermindert sich die Menge Sonnenlicht, die auf die Erdoberfläche trifft. Das hat zu einem Abkühlen der Ozeane rings um Europa geführt, was den Monsun weiter abschwächte. Das globale Dimmen rührt zu einem Großteil von Partikeln her, die von Kohlekraftwerken, Autos und Fabriken in die Luft geblasen werden. Dieser Umstand unterstützt die Argumentation, dass die Katastrophe im Sahel nicht die Folge ökologischen Fehlverhaltens primitiver und ignoranter Hirten war. So weitreichend die moralischen Implikationen dieser Erkenntnis auch waren, die Nachrichtenmedien der Welt scheinen sie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen zu haben.

In der Region Darfur im westlichen Sudan hat der Sahel-Klimaumschwung die Menschen zu Verzweiflungstaten getrieben. Den nomadischen Kamelzüchtern blieb nichts anderes mehr übrig, als ihre Herden auf Ackerland zu treiben, was zu Konflikten mit den Bauern führte. Zwar werden die Hirten allgemein als Araber bezeichnet und die Bauern als Afrikaner, mit Ausnahme ihres Lebensstils aber sind sie kulturell und physisch nicht zu unterscheiden. Als der Journalist Tim Judah die Gegend besuchte, sagte der Gouverneur El Fasher zu ihm: »Hier ist jeder mit jedem verheiratet, wir leben wie eine große Familie zusammen.«62 Und Judah selbst beobachtete, dass es genauso viele verängstigte und hungrige Nomaden wie Bauern gab. Die Vereinten Nationen versorgen bereits 1,3 Millionen Menschen und damit ein Sechstel der Bevölkerung mit Nahrung, und die vom Klimawandel ausgelöste Not scheint weiterzugehen.

Der Sahel-Klimawechsel ist typisch für die Lage der Welt insgesamt, denn wir sehen an diesem Beispiel, wie der Westen sich auf Religion und Politik als Problem konzentriert und nicht auf die gut dokumentierte und offensichtliche Umweltkatastrophe, die letztlich die Ursache ist. Jahrzehntelang haben wir uns hinsichtlich der Gründe etwas vorgemacht, aber der Tag der Abrechnung wird kommen. Der Sahel-Klimawechsel ist so umfassend, dass er die Witterungsverhältnisse auf dem gesamten Planeten beeinflussen könnte. Erstmals ging das den Forschern Joseph Prospero und Peter Lamb auf, die den Staub untersuchten, der aus dem Sahel weggeweht wird.63

Staub ist ein wichtiger Stoff, denn seine winzigen Partikel können das Sonnenlicht streuen und absorbieren und damit die Temperatur senken. Die Partikel tragen auch Nährstoffe in den Ozean und in ent-

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fernte Länder, was das Wachstum von Pflanzen und Plankton fördert und dadurch die CO2-Absorption erhöht. Rund die Hälfte des weltweiten Staubs in der heutigen Atmosphäre hat seinen Ursprung in den trockenen Gebieten Afrikas, und das Ausmaß der Dürre ist dort so groß, dass sich die Staubladung der Atmosphäre um ein Drittel erhöht hat. Klimatologen berechnen noch, was die Folgen sein werden, aber in Gaias Welt ist alles so eng mit allem anderen verknüpft, dass ein Phänomen dieser Größenordnung mit Sicherheit Auswirkungen haben wird.

Die Bewohner der industriellen Welt neigen zu der Überzeugung, dass ihre Technologie sie vor Katastrophen ä la Sahel schützen wird, aber die Natur arbeitet mit Fleiß daran, ihnen das Gegenteil zu beweisen. Australien ist ein trockenes Land, und die Australier — auch die Großstädter — sind vom Thema Regen besessen. Die Südwestecke des Kontinents erfreute sich einst der zuverlässigsten Niederschläge. Üblicherweise fiel der Regen während des Winters, an einigen Orten waren es über 100 Zentimeter pro Jahr. Die Gegend war daher für ihre Primärproduktion berühmt, der westliche Weizengürtel galt als eines der größten und verlässlichsten Zentren der Getreideproduktion auf dem gesamten Kontinent. In jüngerer Zeit haben sich überall in den feuchteren Gegenden Weingüter breit gemacht, die ein paar der besten und teuersten Weine der Südhalbkugel produzieren.

Vor der Besiedelung war der größte Teil des Südwestens in eine zähe, dornige Vegetation gehüllt, die als kwongan bekannt war und sich nach den Winterregen in einen riesigen natürlichen Wildblumengarten verwandelte. Nur im tropischen Regenwald und in einer ähnlichen Gegend Südafrikas drängen sich auf einem einzigen Hektar noch mehr Arten, und die Unmenge an Pflanzen ernährte uralte einheimische Tierfamilien wie Honigbeutler (Tarsipes rostratus), Salamander-Hechtling (Lepidogalaxias salamandroides) und die Falsche Spitzkopfschildkröte (Pseudemydura umbrina). Alle sind an den Wechsel von Regen im Winter und Trockenheit im Sommer angepasst. Viele Millionen solcher Jahre haben sie erst hervorgebracht.

Während der ersten 148 Jahre der europäischen Besiedlung des Südwestens (1829 bis 1975) brachten die zuverlässigen Winterregen Wohlstand und Entwicklungsmöglichkeiten. Doch dann änderte sich einiges, und seither leidet die Region unter einem Rückgang der Niederschläge um durchschnittlich 15 Prozent.

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Klimamodelle lassen darauf schließen, dass rund die Hälfte davon auf die globale Erwärmung zurückzuführen ist, die die gemäßigte Klimazone nach Süden verschoben hat. Der australische Klimatologe David Karoly glaubt, dass die andere Hälfte aus der Zerstörung der Ozonschicht herrührt, die die Stratosphäre über der Antarktis abgekühlt und damit die Zirkulation kalter Luft um den Pol beschleunigt und die südliche Regenzone noch weiter nach Süden gezogen hat.64

Ein Rückgang um 15 Prozent mag als belanglos erscheinen, hat aber erhebliche Auswirkungen. Die Farmen bekamen das Defizit sofort zu spüren, vor allem an den Rändern der Region, wo schon Schwankungen um ein paar Zehntel Millimeter über eine gute oder eine Missernte entscheiden. In diesen Gebieten wird hauptsächlich Weizen angebaut, und zwar auf ungewöhnliche Weise. In den sechziger Jahren wollten die Farmer im Westen rund eine halbe Million Hektar Buschland pro Jahr roden. Als die Bulldozer ihr Werk getan hatten, starrten die Farmer auf sterile Sandflächen — mit die unfruchtbarsten Böden, die man auf der Welt finden kann —, denn wie im Fall der Regenwälder waren hier die natürlichen Reichtümer in die Vegetation eingebunden. Genauso wollten es aber die Farmer haben, denn der Weizenanbau im Südwesten war eine gigantische Abart von Hydrokultur. Die Farmer versenkten ihre Weizensaat, bestäubten den sterilen Sand mit Nährstoffen und warteten dann auf die nie ausbleibenden Winterregen, die das Wasser dazu liefern sollten.

Nachdem sich die Natur bis zum Jahr 2004 jahrzehntelang geweigert hatte, »einfach nur noch Wasser dazuzutun«, begann sich das Weizengebiet nach Westen zu verlagern, wo es die Milchwirtschaft in einem Landstrich ersetzte, der einst als zu nass für den Getreideanbau gegolten hatte. Der Indische Ozean setzt dieser Entwicklung eine endgültige Grenze, und wenn sich die Verhältnisse im kommenden Jahrhundert weiter verschlechtern, muss eine von starken Regenfällen abhängende Aktivität nach der anderen theoretisch ins Meer verlegt werden. Doch diese anscheinend belanglosen 15 Prozent Rückgang bei den Niederschlägen maskieren eine noch viel größere Katastrophe: In Wirklichkeit haben die Winterregen um mehr als diesen Wert abgenommen, während die Sommerregen (die viel launenhafter sind) zugenommen haben. Weil man sich auf die sommerlichen Nie-

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derschläge nicht verlassen kann, pflanzen die Farmer kein Sommergetreide, also fällt der Regen auf die kahle Erde und das Wasser durchweicht den Boden bis zum Grundwasserspiegel. Dort trifft es auf Salz, das stetige westliche Winde seit Millionen von Jahren aus dem Indischen Ozean herangeweht haben.

Unter jedem Quadratmeter dieses Landes liegen im Durchschnitt zwischen 70 und 120 Kilogramm Salz. Ehe das Land gerodet wurde, machte das nichts, denn die vielfältige einheimische Vegetation nutzte jeden Wassertropfen, der vom Himmel fiel, und das Salz blieb in kristalliner Form, wo es war. Als jedoch die Sommerregen auf leergefegte Weizenfelder fielen, begann Wasser, das viel salziger war als Meerwasser, nach oben zu kriechen und alles umzubringen, womit es in Berührung kam. 

Das erste Anzeichen für Probleme war, dass das Wasser der zuvor sauberen Bäche in der Region salzig schmeckte. In vielen Fällen wurde es rasch untrinkbar, die Vegetation an den Ufern starb ab, und binnen ein oder zwei Jahrzehnten waren die Bäche zu toten Salzwasserkanälen verkommen. Heute stehen verarmte und bankrotte Farmer vor dem weltweit schlimmsten Fall von Versalzung trockenen Binnenlandes. Weder die Wissenschaft noch die Regierung haben Lösungen anbieten können, und die Schäden gehen in die Milliarden. Straßen, Eisenbahnlinien, Häuser und Flugplätze werden mittlerweile vom Salz angegriffen, und solange nicht die ursprüngliche Vegetation wieder eingeführt und dazu gebracht werden kann, in den trockneren und salzigeren Verhältnissen von heute zu gedeihen, scheint es keine Hoffnung auf eine Wende zu geben.

Die Hauptstadt von Westaustralien ist Perth, eine durstige Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern und die abgelegenste Metropole der Welt. Bei einem Taxifahrer dort handelt es sich wahrscheinlich um einen bankrotten Weizenfarmer, der sich mühsam seinen Lebensunterhalt verdient, während er versucht, seine jetzt unbrauchbare Farm zu verkaufen. Für Perth war die schlimmste Folge des Winterregenrückgangs, weniger Wasser im Einzugsgebiet der Stadt zu haben, denn von 1975 an tendierten die Niederschläge zu leichten Schauern, die im Boden versickerten und nicht bis in die Staubecken gelangten. Den größten Teil des 20. Jahrhunderts waren 338 Gigaliter Wasser pro Jahr in die Staubecken geflossen, aus denen die Stadt ihren Durst stillte. 

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Die Graphik zeigt die Wassermengen im Einzugsgebiet von Perth zwischen 1911 und 2004. Große Einbrüche folgten den »magischen Toren« der Jahre 1976 und 1998. In den letzten dreißig Jahren ist die Versorgung der Stadt mit Oberflächenwasser um zwei Drittel zurückgegangen.

Zwischen 1975 und 1996 aber lag der Durchschnitt bei nur 177 Gigalitern — ein Schnitt um 50 Prozent in der Wasserversorgung der Stadt. Zwischen 1997 und 2004 ging die Menge auf bloß noch 120 Gigaliter zurück — etwas mehr als ein Drittel der Menge, die noch drei Jahrzehnte zuvor angefallen war.

1976 wurden strenge Wassersparmaßnahmen angeordnet, doch bald entspannte sich die Lage, weil man eine Grundwasserreserve namens Gnangara Mound angebohrt hatte. Ein Vierteljahrhundert zapfte die Stadt dieses unterirdische Wasser ab, doch ausbleibende Regenfälle bedeuteten, dass die Vorräte nicht wieder aufgefüllt wurden. Im Jahr 2001 floss in die Staubecken von Perth so gut wie überhaupt kein Wasser mehr, und 2004 war beim Gnangara-Grundwas-

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ser ein kritischer Wert erreicht; die staatliche Umweltbehörde warnte, wenn noch mehr Grundwasser abgezapft würde, wären einige Spezies vom Aussterben bedroht.65 Heute überlebt die Falsche Spitzkopfschildkröte, ein lebendes Fossil, nur noch, weil Wasser in ihr Habitat gepumpt wird.

Anfang 2005, fast 30 Jahre nach den ersten Krisenanzeichen, bewerteten die Wasserexperten der Stadt die Wahrscheinlichkeit eines »katastrophalen Nachschubausfalls« — was heißt, es kommt kein Wasser mehr aus dem Hahn — als eins zu fünf. Träte dieser Fall ein, hätte die Stadt keine andere Wahl, als noch das letzte Wasser aus dem Gnangara Mound zu quetschen und damit einen Großteil uralter und wundersamer Biodiversität zu zerstören — und dennoch brächte dies nur vorübergehend Erleichterung. Jetzt sind Pläne aufgelegt worden, für 350 Millionen Dollar eine Meerwasserentsalzungsanlage zu bauen, die eine der größten auf der Südhalbkugel sein wird. Aber auch sie könnte nur 15 Prozent des Wasserbedarfs von Perth decken.

An der Ostküste Australiens ist Trockenheit nicht unbekannt, aber der Dürrefluch, der seit 1998 auf der Gegend lastet, unterscheidet sich von allem, was man dort zuvor gesehen hat. Bislang waren es sieben aufeinander folgende Jahre, in denen die Niederschläge unter dem Durchschnitt blieben; und es ist eine »heiße« Dürreperiode, denn die Temperaturen liegen rund 1,7 Grad über denen früherer Trockenzeiten, was zu extrem lebensfeindlichen Verhältnissen führt.66 Der Grund für den Regenrückgang an der australischen Ostküste, so glaubt man, ist ein Doppelschlag des Klimawandels: Ausfälle der Winterregen und anhaltende El-Nino-Verhältnisse.67

Die daraus resultierende Wasserkrise ist potenziell noch gefährlicher als die im Westen, denn Städte wie Sydney haben keine Grundwasserreserven wie Perth. Der einzige Puffer gegen fehlende Niederschläge sind die Staubecken, was bedeutet, dass ein Rückgang des Oberflächenwassers sofort zu Wassermangel führt. Sydneys Wasservorräte zählen zu den größten künstlich angelegten der Welt; pro Einwohner kann viermal so viel Wasser gespeichert werden wie in New York und neunmal so viel wie in London. Aber selbst die großzügige Bevorratung hat sich als unzureichend erwiesen. Zwischen 1990 und 1996 flössen im Durchschnitt 71 635 Megaliter in Sydneys

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elf Staubecken, bis 2003 aber fiel dieser Wert auf bloß 39.881 Megaliter ab, ein Rückgang um 45 Prozent. Jetzt, Mitte 2005 ist die Lage immer noch kritisch; die vier Millionen Einwohner Sydneys haben noch Wasser für zwei Jahre in den Speichern.68 Wenn die Trockenheit anhält, bleibt nur sehr wenig Zeit, andere Wasserquellen wie beispielsweise riesige Entsalzungsanlagen bereitzustellen.

Jenseits des Pazifiks erlebt der amerikanische Westen sein fünftes Dürrejahr in Folge. Untersuchungen zufolge hat es eine solche Trockenheit in jener Gegend seit rund 700 Jahren nicht mehr gegeben, und damals war der amerikanische Südwesten noch wärmer als heute.69 Dies lässt auf einen Zusammenhang zwischen Trockenheit und höheren Temperaturen schließen, und wie beim Sahel scheint die Verbindung in steigenden Ozeantemperaturen zu liegen.70

Zwischen 1998 und 2002 war der Pazifische Ozean in ungewöhnlicher Verfassung. Im östlichen tropischen Pazifik war das Wasser ein paar Grad kühler als normal, während es im zentralen westlichen Pazifik weit wärmer war als im Durchschnitt — rund 30 °C. Diese Verhältnisse verlagerten den Jetstream Richtung Norden, und Stürme, die in der Regel bei rund 35 ° geographischer Breite ihre Bahn ziehen, wurden nach Norden auf 40° verschoben. »Dies bestätigt, dass das Klimasystem über große Entfernungen und lange Zeiträume Querverbindungen hat«, fand Kelly Redmond vom Desert Research Institute in Nevada. Und natürlich wurden die Temperaturen im Ozean vom atmosphärischen CO2 in die Höhe getrieben.

Die Dürreperioden im amerikanischen Westen werden in den Medien häufig als Teil eines natürlichen Zyklus dargestellt. Dessen kann man sich nur absolut sicher sein, wenn man die Jahrzehnte oder Jahrhunderte abwartet, die natürliche Zyklen brauchen, um von neuem zu beginnen. Aber die Tatsache, dass die Veränderungen mit jenen übereinstimmen, die man als Folgen der globalen Erwärmung erwartet, und sie auch in der Vergangenheit zu wärmeren Zeiten beobachtet worden sind, gibt Anlass zur Besorgnis. Darüber hinaus ist das Potenzial des Klimawandels, fast überall auf dem Planeten Dürre herbeizuführen, so groß, dass führende Klimatologen kürzlich gewarnt haben: »Es wäre ein Fehler anzunehmen, dass irgendeine Gegend vor einer Megadürre sicher ist.«71 In dieser Hinsicht lohnt es sich darauf hinzuweisen, dass die Rekordregenmengen, die die USA im Winter

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2005 in Teilen des Südwestens erlebten, nicht ausreichten, die vorangegangenen trockenen Jahre auszugleichen, während der Nordwesten ohnehin im Griff einer bislang unbekannten Dürre bleibt.

Ein Großteil des Wassers im amerikanischen Südwesten bekommt das Land in Form von winterlichen Schneefällen, die sich auf seinen hohen Bergen anhäufen. Weil der Schnee über den Frühling und Sommer hinweg schmilzt, sorgt er für einen stetigen Wassernachschub, wenn die Farmer diesen am dringendsten brauchen. Faktisch ist die dicke Schneedecke eine billige Form von Wasserbevorratung, die die Notwendigkeit von Staubecken minimiert. Die gefallenen Schneemengen variierten schon immer von Jahr zu Jahr erheblich, und das könnte gelegentlichen Beobachtern den Blick für langfristige Trends verstellen. Im Verlauf der letzten 50 Jahre jedoch sind die durchschnittlichen Schneemengen zurückgegangen. Setzt sich dieser Trend weitere fünf Jahrzehnte fort, werden sich in einigen Regionen der westlichen USA die Schneedecken um bis zu 60 Prozent reduzieren, was den sommerlichen Wassernachschub halbieren kann.72 Das wirkt sich nicht nur auf die Wasserversorgung verheerend aus, sondern auch auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft und auf die Fischhabitate.

Die Veränderungen des Gesamtvolumens der Schneefälle sind jedoch bei weitem nicht so Besorgnis erregend wie Veränderungen der Art und Weise, wie die Schneedecke sich bildet und schmilzt. Im Verlauf der letzten 50 Jahre ist der Südwesten um 0,8 °C wärmer geworden — etwas mehr als im globalen Durchschnitt —, und selbst in Regionen, die jetzt mehr Schnee abbekommen, zieht das zusammen mit jahreszeitlichen Änderungen der Niederschläge und Temperaturen den Wassernachschub in Mitleidenschaft. Diese Faktoren haben sich verschworen, die Schneedecke zu reduzieren. Denn die höheren Temperaturen lassen sie wieder schmelzen, ehe sie sich verfestigen kann. Insgesamt schmilzt die Schneedecke früher, was bedeutet, dass die Spitzenwerte des Schmelzwassers, das in die Flüsse strömt, sich jetzt drei Wochen früher einstellen als 1948. Dadurch bleibt weniger Wasser für den Hochsommer übrig, wenn es am dringendsten gebraucht wird, und der Wasserzustrom im Winter und Frühling wird vermehrt, was zu stärkeren Überschwemmungen führen kann. Da die Temperaturen in dieser Weltgegend im Verlauf des angefangenen Jahrhunderts um zwischen 2 °C und 7 °C steigen werden (wenn wir die CO2-Emissionen nicht erheblich reduzieren), kann man absehen, dass das meiste Wasser schließlich im Winter fließen wird, wenn es am wenigsten gebraucht wird.73

Ich kann mir vorstellen, dass viele Leser jetzt sagen: »Was soll's? Wir bauen einfach mehr Stauseen.« Und es ist gut möglich, dass die Menschen genau das tun werden, wenn sich die Krise verschärft. Es gibt in der Region aber nur eine begrenzte Zahl von Stellen, die sich für Staudämme eignen, und ein Stausee bedeutet, dass die Farmer für das Wasser bezahlen müssen, das ihnen einst die Natur umsonst lieferte. Abgesehen davon sind so gewaltige Veränderungen im Gang, dass selbst ein Staudamm-Neubauprogramm nicht ausreicht, um der Entwicklung gegenzusteuern. Wissenschaftler sagen voraus, dass wegen der sich ändernden Schneeschmelze der Wert der Farmen um 15 Prozent sinken könnte, was Milliardenverluste bedeuten würde. Das größte Problem jedoch haben sicherlich die Städte im Westen der USA, die von stetig schwindenden Wasservorräten abhängig sind.

Diese gigantischen Metropolen kann man unmöglich umsiedeln, und einige müssen — wie es bei den alten Städten Mesopotamiens der Fall war — vielleicht aufgegeben werden, wenn sich das Tempo der Veränderungen beschleunigt. Wem das zu extrem vorkommt, der sei daran erinnert, dass wir erst am Anfang der Wasserkrise im Westen stehen. Als der amerikanische Südwesten vor 5000 Jahren noch ein bisschen wärmer und trockener als heute war, verschwanden die Indianerkulturen, die einst in der Region gediehen, fast vollständig. Erst als das Klima wieder abkühlte, war die Region wieder bewohnbar. Mehr als ein Jahrtausend lang war der gesamte Südwesten kaum mehr als eine einzige riesige Geisterstadt.74

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  14. Eine energiegeladene Zwiebelschale 

 

Einige ... Stürme sind so stark, dass keine von Menschen errichtete Konstruktion ihnen standhalten kann, und auch die größten und kräftigsten Bäume werden von ihnen in Stücke gerissen oder umgeworfen. Wenn unsere Atmosphäre eine etwas größere Menge Sonnenhitze [erhielte], könnten diese Stürme an Zahl und Wucht so zunehmen, dass erhebliche Teile des Globus unbewohnbar würden. 

———Alfred Russel Wallace, Des Menschen Stellung im Weltall, 1903———

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Im Jahr 2003 verkündeten Klimaforscher, dass sich binnen weniger Jahre die Tropopause um mehrere hundert Meter nach oben verlagert habe. Warum sollte uns eine so kleine Neujustierung zwischen den Atmosphärenschichten elf Kilometer über unseren Köpfen Sorgen machen? Aus genau dem Grund, dass, wie Klimatologen heute wissen, die Tropopause der Ort ist, an dem ein gut Teil unseres Wetters gestaltet wird. Pfuscht man an ihr herum, ändert man nicht nur den Witterungsverlauf als solchen, sondern auch die Wetterextreme. 

Ursache für die Verlagerung ist eine Dyade von Menschen gemachter Umweltverschmutzung: 

Ozon zerstörende Chemikalien und Treibhausgase. Wie wir gesehen haben, durchlöchern Chlorfluorkohlenstoffe (CFKs) die Ozonschicht, die die Ultraviolettstrahlung absorbiert und dabei Wärme abgibt. Da die Stratosphäre weniger aufgeheizt wird, hat sich diese Schicht der Atmosphäre abgekühlt und ist geschrumpft. Gleichzeitig speichern in der Troposphäre stetig steigende Mengen Treibhausgase mehr Wärme, und deshalb dehnt sie sich aus. Infolge dieser beiden Effekte ist die Tropopause rasch nach oben gewandert. Gleichzeitig haben Veränderungen in der Troposphäre selbst ihre eigenen Wirkungen gezeigt. Indem wir die Troposphäre erwärmen, verändern wir den Witterungsverlauf global, und zugleich erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit extremer Wetterverhältnisse.

Da die Troposphäre sich im Lauf der letzten zehn Jahre erwärmt hat, erlebte die Welt den stärksten je verzeichneten Niiio (1997/98), den verheerendsten Hurrikan seit 200 Jahren (Mitch 1998), den heißesten Sommer in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen (2003), den ersten Hurrikan im Südatlantik überhaupt (2002) und mit die schlimmste Hurrikansaison in Florida (2004). Diese Ereignisfolge, argumentieren viele, deutet darauf hin, dass das Potenzial des neuen Klimas, Extreme hervorzubringen, bereits zunimmt.

Was glauben Sie: Wo kommt die Energie für einen Hurrikan her? »Ein Hurrikan«, erklären uns Frederick Lutgens und Edward Tarbuck in ihrem Lehrbuch der Atmosphärenforschung, »ist eine Wärmemaschine, die von der latenten Wärme angetrieben wird, die freigesetzt wird, wenn große Mengen Wasserdampf kondensieren. Damit diese Maschine in Gang kommt, braucht es eine große Menge warmer, feuchter Luft und einen ständigen Nachschub, der sie am Laufen hält.«75 Wir kennen alle das Prinzip, wie Verdunstung Wärme in die Atmosphäre einbringt: An einem heißen Tag schwitzen wir, und wenn unser Schweiß verdunstet, verlagert er die Hitze von unserem Körper in die Luft. Das ist eine höchst effiziente Form des Wärmetransports, denn die Verdunstung von bloß einem Gramm Wasser auf der Haut reicht aus, um 580 Wärmekalorien wegzuschaffen.76 Wenn Sie den Größenunterschied zwischen Ihrem Körper und einem ganzen Ozean bedenken, bekommen Sie ein Gefühl dafür, in welchen Massen dessen Wärmeenergie mittels Verdunstung in den großen Luftozean eingebracht wird.

Viele wissen nicht, wie viel zusätzliche latente Wärme die vom Klimawandel erhitzte Luft transportieren kann: Für jeweils 10 °C Temperaturanstieg verdoppelt sich die Menge Wasserdampf, die die Luft aufnehmen kann; Luft von 30 °C kann also viermal so viel »Hurrikan-Treibstoff« enthalten wie Luft von 10 CC.77

Die auffälligste Veränderung bei den Wirbelstürmen seit etwa 1950 — als sich die globale Erwärmung bemerkbar zu machen begann — ist eine Änderung ihrer Route. Die am besten dokumentierten Beispiele dafür stammen aus Ostasien. Die Häufigkeit der Taifune, die die

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Meere vor Ostchina und um die Philippinen heimsuchten, hat seit 1976 abgenommen, die Anzahl im Südchinesischen Meer ist dagegen gestiegen.78 Weiter westlich im Arabischen Meer und im Golf von Bengalen gab es weniger Taifune, was gut für die Millionen Menschen ist, die in diesen Gegenden fast auf Meereshöhe leben. Zu einer weiteren bemerkenswerten Veränderung kam es in den hohen Breitengraden der Südhalbkugel, wo die Zyklone über dem sub-antarktischen Ozean südlich des 40. Breitengrades drastisch zurückgegangen sind, im antarktischen Ozean aber leicht zugenommen haben.79 Obwohl der Zeitrahmen der Veränderung nur kurz ist, haben sich in den letzten paar Jahrzehnten zwischen dem 30. und 40. südlichen Breitengrad auch extrem große Tiefdrucksysteme gebildet, wobei ein System von außerordentlich niedrigem Luftdruck im Februar 2005 fast Zyklonintensität erreichte.

Es gibt beunruhigende Anzeichen, dass die Zahl der Hurrikane in Nordamerika zunimmt. 1996, 1997 und 1999 trafen die Vereinigten Staaten mehr als doppelt so viele Hurrikane wie im Jahresdurchschnitt des 20. Jahrhunderts, und was den Hurrikanen von 1998 an ihrer Zahl fehlte, machten sie durch ihre Gewalt mehr als wett. Im Oktober jenes Jahres zog der Hurrikan Mitch durch die Karibik, tötete 10000 Menschen und machte drei Millionen obdachlos. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 290 Stundenkilometern war Mitch der viertstärkste je im Atlantik verzeichnete Wirbelsturm. Er verursachte auf dem amerikanischen Kontinent die schwersten Schäden seit 100 Jahren; nur der Große Hurrikan von 1780, durch den mindestens 22000 Menschen starben, hatte noch tödlichere Wucht.

Nach ein paar Jahren relativer Ruhe kehrten die Stürme 2004 mit Macht zurück: Vier große Tropenstürme trafen in rascher Folge auf die Küste Floridas und verwüsteten weite Teile des Staates. Viele der bei diesen Stürmen beschädigten Häuser sind noch immer unbewohnbar, und das US Weather Bureau sagt voraus, dass die Hurrikansaison von 2005 aller Wahrscheinlichkeit nach destruktiver als gewöhnlich ausfallen wird. Aber auch wenn diese Saison ruhig verstreichen sollte, ist es, da sich immer mehr Hurrikan-Treibstoff in der Atmosphäre ansammelt, nur eine Frage der Zeit, bis die Stürme mit verdoppelter Wucht wiederkommen. Angesichts der im Jahr 2004 angerichteten Schäden könnte eine Rückkehr intensiver Hurrikane in den nächsten paar Jahren die Immobilienpreise in Florida ins Bodenlose stürzen lassen.

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Den Wirbelstürmen folgt Hochwasser, und weil wärmere Luft mehr Wasserdampf speichern kann, nimmt die Zahl schwerer Überschwemmungen zu und wird vermutlich noch weiter steigen. Im Sommer 2002 fielen zwei Fünftel der jährlichen Niederschlagsmenge in Südkorea binnen einer Woche und richteten solche Zerstörungen an, dass der Staat Truppen mobilisieren musste, um den Flutopfern zu helfen. Gleichzeitig litt China unter Überschwemmungen ungekannter Größenordnungen, von denen 100 Millionen Menschen betroffen waren.

Global betrachtet haben die Hochwasserschäden im Verlauf der letzten Jahrzehnte drastisch zugenommen. In den sechziger Jahren wurden rund sieben Millionen Menschen jährlich von Überschwemmungen heimgesucht. Heute steht diese Zahl bei 150 Millionen.80 Und nach dem Hochwasser kommen Seuchen. Durch das stehende und verschmutzte Wasser wird die Cholera übertragen, und Mücken verbreiten Malaria, Gelbfieber, Denguefieber und Enzephalitis. Selbst die Pest kann sich ausbreiten, wenn Flöhe, Ratten und Menschen sich in höher gelegenen Gebieten dicht zusammendrängen.

Weil Wetterextreme von Natur aus sehr selten sind, kann es lange dauern, bis genügend Daten gesammelt sind, um einen Trend zu entdecken. Weniger drastische Veränderungen der Temperaturen und Niederschläge lassen sich viel leichter quantifizieren, und ihre Aufzeichnungen reichen Jahrhunderte zurück; sehr gut lassen sich deren Auswirkungen in Europa studieren. Die neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts waren das wärmste Jahrzehnt in Mittelengland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts; 1998 war das wärmste je verzeichnete Jahr, 2001 das drittwärmste. Infolgedessen hat sich die Wachstumsperiode für die Pflanzen um einen Monat verlängert, Hitzewellen sind häufiger geworden, und die viel nasseren Winter brachten schwerere Regenfälle.81 Das Hadley Centre for Climate Prediction and Research zählt zu den weltweit führenden Institutionen, wenn es um die Vorhersage und die Untersuchung der Klimawandelfolgen geht. Es steht im englischen Exeter, und dort hat man herausgefunden, dass im Vereinigten Königreich die schweren Winterstürme signifikant zugenommen haben, und dieser Trend soll sich fortsetzen.82

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Auf dem europäischen Festland gab es noch alarmierendere Anzeichen. Dort war der Sommer 2003 so heiß, dass statistisch betrachtet ein so aus der Reihe fallendes Ereignis nur ein Mal in 46 000 Jahren vorkommen sollte.83 Verschlimmert wurde das Ganze durch den Wassermangel der Pflanzen, der deren Verdunstung einschränkte. Da weniger Sonnenwärme für die Verdampfung verbraucht wurde, heizte ein größerer Teil davon die Luft auf. Die Hitzewelle war so extrem, dass im Juni und im Juli, als die Temperaturen in weiten Teilen des Kontinents über 40 °C stiegen, 26 000 Menschen starben. Nebenbei: Durch Hitzewellen sterben weltweit alljährlich Menschen in großer Zahl; selbst in den klimatisch turbulenten Vereinigten Staaten gibt es mehr Hitzetote als alle anderen wetterbedingten Sterbefälle zusammengenommen.84 Und nur ein Jahr nach der europäischen Hitzewelle verzeichnete Ägypten eine der höchsten je gemessenen Temperaturen: 51 °C.85

Andere breit angelegte Klimastudien wurden in den USA und Australien durchgeführt. 2003 veröffentlichten Klimatologen eine detaillierte Untersuchung von einhundertjährigen Wetteraufzeichnungen in ganz Nordamerika. Sie konzentrierten sich auf Temperaturveränderungen, weil diese am unmittelbarsten auf einen Klimawandel hinweisen, und fanden heraus, dass es vor 1950 keinen erkennbaren Einfluss menschlicher Aktivitäten auf das Klima Nordamerikas gab. Nach 1950 jedoch sah das völlig anders aus, denn die Wissenschaftler entdeckten eine Fülle von Beweisen, dass das Verbrennen fossiler Energieträger nicht nur zu einem Anstieg der Durchschnittstemperaturen, sondern auch zu einer Abflachung des Temperaturgradienten von Norden nach Süden geführt, den Temperaturgegensatz zwischen Land und Meer verändert und die Spannbreite der Tagestemperaturen reduziert hatte. Kurz gesagt: Diese konservative Auswertung — bei der nicht versucht wurde, extreme Wetterverhältnisse oder Veränderungen der Niederschlagsmengen zu untersuchen — ergab zweifelsfrei, dass sich der Klimawandel auf den nordamerikanischen Kontinent auswirkt.86

Im Hinblick auf extreme Wetterverhältnisse muss festgehalten werden, dass die Vereinigten Staaten bereits das »variabelste« Wetter aller Länder haben; es gibt dort stärkere und verheerendere Tornados, Überschwemmungen, Gewitter, Hurrikane und Blizzards als ir-

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gendwo sonst.87 Da die Intensität solcher Ereignisse, wie man glaubt, mit der Erwärmung unseres Planeten zunehmen wird, dürften die Vereinigten Staaten allein in menschlicher Hinsicht durch den Klimawandel mehr verlieren als irgendein anderes großes Land. Faktisch bedeuten die sich wegen schwerer Witterungsschäden ständig in die Höhe schraubenden Versicherungsbeiträge und der zunehmende Wassermangel im Westen, dass die USA bereits jetzt teuer für ihre CO2-Emissionen bezahlen.

Wie wir am Beispiel der abrupt abnehmenden Niederschläge gesehen haben, leidet auch Australien unter den Klimawandelfolgen. Allerdings sind auch noch viele andere Auswirkungen dokumentiert, darunter eine zunehmende Anzahl sehr heißer Tage, ein Anstieg der Nachttemperaturen, eine Abnahme der sehr kalten Tage und ein Rückgang der Frosttage.88 In einigen Gegenden, beispielsweise um Alice Springs in Zentralaustralien, sind die Temperaturen im Verlauf des 20. Jahrhunderts um über 3°C gestiegen. Zudem hat die Zahl starker Zyklone zugenommen, genau wie die ausgeprägter Tiefdrucksysteme in Südostaustralien, vor allem im Verlauf der letzten 20 Jahre. Auch die Hochwasserhäufigkeit ist gestiegen, besonders seit den sechziger Jahren.89 Im Großen und Ganzen fällt es schwer, zwei Nationen zu finden, denen der Klimawandel mehr zusetzt als den USA und Australien.

Einige Weltregionen haben im Gegensatz dazu bislang kaum Veränderungen zu spüren bekommen. Besonders Indien scheint eine Ausnahme in diesem Muster überall zunehmender Probleme zu bilden, denn der Subkontinent ist bislang kaum betroffen. Die Meldungen, die kommen, sind offenbar gute, denn abgesehen von Gujarat und dem westlichen Orissa erlebt der größte Teil des Landes weniger Dürreperioden als noch vor 25 Jahren, und wie wir gesehen haben, scheinen die Wirbelstürme am Golf von Bengalen vorbeizuziehen. Im größten Teil Nordindiens kommen auch extreme Temperaturen anscheinend weniger häufig vor als früher, dafür werden sie allerdings im Süden häufiger. Nur der Nordwesten Indiens erlebt eine deutliche Zunahme extrem heißer Tage, und die dortigen Hitzewellen haben schon zahlreiche Menschenleben gefordert.90

Es ist nicht meine Absicht, mich hier über das Klima sämtlicher Weltregionen auszulassen, ich wollte nur die Arten von Wetterveränderungen beschreiben, die bislang als Folge des Temperaturanstiegs um 0,63 °C dokumentiert worden sind. 

Die globale Erwärmung hat jedoch noch eine Konsequenz, die sich nur unauffällig bemerkbar macht, die aber alle Kontinente in ungefähr gleichem Maß zu spüren bekommen: Sie alle schrumpfen, denn die Ozeane werden wegen der Hitze und des schmelzenden Eises größer.

Bedroht dies die Menschheit? Sehen wir nach, wie hoch das Wasser steigen wird — und wie schnell.

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