27. Technische Lösungen?
(Geotechnik, planet-management)
Lasst uns die Meere düngen! Professor Ohsumi hat keine Bedenken. Habt Mitleid mit dem Plankton. Geosequestration als Allheilmittel – oder etwa nicht? Nyos’ Warnung. Das Gigatonnenproblem und die lausigen Lagerstätten. Kohlenstoff in Bäumen und Böden – so einfach, wie die menschliche Natur zu ändern. Rettet uns die künstliche Photosynthese?
Wenn man sich all das betrachtet, besteht die einzige vernünftige Lösung darin, das CO2 aufzufangen, weil wir nur dann weiterhin fossile Energieträger verwenden können und trotzdem das Klima nicht schädigen ... Kohlenwasserstoff-Ressourcen lassen sich so in vollem Umfang nutzen. Sie können den Kuchen essen und behalten, wenn Sie so wollen. —Dr. Philippe Lacour-Gayet, Vizepräsident von Schlumberger Ltd., vor dem Plenum der Petroleum Industry Conference 2004—
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Bis in die achtziger Jahre hatte das Problem der globalen Erwärmung so große Ausmaße angenommen, dass die Industrie und auch einige Wissenschaftler nach technischen Lösungen zu suchen begannen. Wir sprechen hier von einer Technik wahrhaft planetarischen Ausmaßes — die Kohlenstoffbalance der Erde zu verändern, betrifft alle lebenden Organismen —, und trotzdem wurden diese Techniken vorgeschlagen und getestet, ohne dass irgendeine globale Körperschaft diese Aktivitäten reglementiert und genehmigt hätte.
Aus diesem Grund, aber auch weil sie tiefes Misstrauen gegen solche Lösungen hegen, reagierten die meisten Umweltgruppen auf jene Initiativen bestenfalls halbherzig. Alle würden jedoch zustimmen, dass wir vor einer schweren Krise stehen, deren Bewältigung vielleicht Heldenmut erfordert. Da viele dieser Projekte noch in der Testphase oder in der theoretischen Entwicklung sind, können wir hier nur die bis heute erzielten Fortschritte überprüfen, und damit fangen wir am besten im Südpolarmeer an.
Eines der ehrgeizigsten Projekte zur Befreiung der Welt von überschüssigem CO2 sieht unter anderem vor, das Südpolarmeer mit Eisenspänen zu »düngen«. Dahinter steckt die Überlegung, dass der Nährstoff Eisen im Meerwasser nur spärlich vorkommt, und besonderer Mangel daran herrscht im Südpolarmeer. Experimente in verkleinertem Maßstab zeigen, dass eingestreute Eisenspäne das Wachstum des Planktons erheblich stimulieren, das dem Oberflächenwasser CO2 entzieht; und wenn das Plankton dann stirbt, nimmt es den Kohlenstoff mit in die Tiefen des Ozeans. Der Wind verteilt eisenhaltigen Staub aus den Wüsten in großen Mengen auf den Ozeanen, also wäre die Einbringung von Eisenspänen, argumentieren die Befürworter, nichts weiter als die Ausweitung eines natürlichen Vorgangs.
Im April 2004 berichtete Ken Buesseler von der Woods Hole Oceanographic Institution zusammen mit Kollegen von den Ergebnissen des Eisenexperiments im Südpolarmeer.60 Drei Schiffe verfolgten die Spuren des Kohlenstoffs in einem fünfzehn Quadratkilometer großen Meeresgebiet innerhalb des Südpolarkreises, das mit Eisen »gedüngt« worden war. Dieselbe Region war schon mehrmals zuvor mit Eisenspänen angereichert worden, und bei dem Experiment wurden sie im Verlauf von 17 Tagen an jedem vierten Tag eingebracht.
Nach den früheren Düngungen war das Plankton gut gewachsen, es gab aber keine Anzeichen dafür, dass Kohlenstoff aus den Oberflächenschichten in den tieferen Ozean gelangt war, wo er gelagert werden würde. Das ist eine entscheidende Phase des Prozesses, denn solange das tote Plankton nicht absinkt, wird der von ihm absorbierte Kohlenstoff einfach wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Bei dem von Buesseler dokumentierten Experiment sank etwas Kohlenstoff in Tiefen von 50 bis 100 Metern; aber reichte die Menge aus, um die Kosten zu rechtfertigen?
Buesseler und Kollegen stellen fest: »Auf einer Fläche von 1000 Quadratkilometern ... kommt es im Verlauf von 21 Tagen ... in 100 Metern [Tiefe] zu einer Zunahme um 1800 Tonnen Kohlenstoff als Reaktion auf 1,26 Tonnen Eisen.«61) Sie schätzen jedoch, dass nur 900 Tonnen (also die Hälfte) von diesem Kohlenstoff auf dem Meeresboden abgelagert werden. Angesichts der Tatsache, dass die Menschen pro Jahr 13.000.000.000 Tonnen (13 Gigatonnen) Kohlenstoff freisetzen, ist die Deponierung von schäbigen 900 Tonnen mit diesem langwierigen und teuren Prozess in der Tat ein mageres Ergebnis: »Es ist schwer zu erkennen, wie das Düngen des Ozeans bei einer so geringen ... Exporteffizienz ... eine Größenordnung erreichen kann ... die unser globales Problem des Kohlenstoffüberschusses löst«, schlussfolgern die Wissenschaftler.
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Selbst bei einem positiveren Ergebnis könnte es zu einem unerwünschten Nebeneffekt kommen, der dem Verfahren in großem Stil entgegenstünde: Bei der Düngung vermehren sich bestimmte Arten von Plankton auf Kosten anderer, was zu einem Ungleichgewicht in den Weltmeeren und zu einem Verlust an Biodiversität führen könnte.
Während einige Forscher die vom Sonnenlicht durchfluteten Schichten des Ozeans düngten, haben andere komprimiertes CO2 direkt in die Tiefen gepumpt. Diese Technik wurde schon 1977 vorgeschlagen, und einige setzten große Hoffnung darauf, dass damit das Kohlenstoffübel aus der Welt geschafft werden kann. Die Professorin Takashi Ohsumi vom japanischen Forschungsinstitut für weltweite innovative Technologien schätzt, dass das CO2 aus Kraftwerken für rund 50 Dollar pro Tonne aufgefangen und verflüssigt werden kann (anderen Untersuchungen zufolge sind allerdings eher 100 Dollar pro Tonne realistisch), und meint: »Es gibt keine technischen Hindernisse für die Umsetzung dieser Option, egal, ob das CO2 in mittleren Tiefen gelöst oder direkt auf den Meeresboden aufgebracht wird.«62 »Technische« Hindernisse gibt es vielleicht nicht, aber Voruntersuchungen zufolge kann es schwere Nebenwirkungen haben, wenn man verflüssigtes CO2 direkt ins Meer pumpt.
James Barry vom Monterey Aquarium und seine Kollegen haben verflüssigtes CO2 beobachtet, das vor der Küste Kaliforniens direkt in eine Tiefe von über 3,5 Kilometern verklappt wurde.63 Sie beobachteten »hohe Raten« von Todesfällen unter den Organismen in der Nähe des CO2, die anscheinend darauf zurückzuführen waren, dass das Meerwasser saurer wurde (um einen halben bis einen pH-Wert). Barrys Team sagt für den Fall, dass diese Technik angewandt wird, eine hohe Mortalität unter den Meereslebewesen voraus.
Dr. Ulf Riebesell vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel berichtet, dass bei steigenden CO2-Konzentrationen im Ozean die Biodiversität in mehrfacher Hinsicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Beispielsweise haben Arten mit Kalkschalen Schwierigkeiten, in dem vom CO2 saureren Wasser zu überleben. Die Säure könnte langfristig auch das Wachstum und die Reproduktion von Kalmaren und bestimmten Fischen schädigen.64) Trotz dieser Warnungen scheint Professor Ohsumi der Ansicht zu sein, dass wir bedenkenlos darangehen könnten, »in großem Umfang CO2 zu verklappen, um die Veränderung der Ökosysteme aufzuhalten«.65)
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Da sich die schöne Aussicht, das CO2 einfach ins Meer zu kippen, zu verdüstern beginnt, hat die Kohleindustrie die Idee aufgegriffen, es stattdessen tief in die Erde zu pumpen. Diese so genannte Geosequestration ist vom Ansatz her verblüffend einfach: Die Industrie vergräbt einfach den Kohlenstoff wieder, den sie zuvor ausgebuddelt hat. Bis jetzt scheint diese Technologie tatsächlich eine makellose Geschichte vorzuweisen, denn Öl- und Gasfirmen pumpen schon seit Jahren CO2 in den Untergrund; das Sleipner-Ölfeld in der Nordsee ist das am häufigsten zitierte Beispiel. Dass die norwegische Regierung CO2-Emissionen mit einer Steuer von 40 Dollar pro Tonne belegte, bot genügend Anreiz, große Mengen des CO2, das mit den Kohlenwasserstoffen zu Tage kommt, in hoch konzentrierter Form wieder ins Gestein zurückzupumpen. Bei einigen anderen Ölquellen auf der Welt (nicht jedoch im Sleipner-Ölfeld) wird das CO2 direkt in die Ölreserven gepumpt, was hilft, den Druck im Bohrloch aufrecht zu erhalten, sodass Öl und Gas leichter gefördert werden können und die gesamte Operation profitabler wird. Angeblich verbleibt »das meiste« CO2 im Boden. Dieses Modell auf die Kohleindustrie zu übertragen ist aber nicht so einfach.
Bei der Kohle fangen die Probleme am Schornstein an. Ihm entströmt das CO2 in relativ dünner Form, sodass die Abscheidung unrealistisch erscheint. Die Kohleindustrie setzt daher in Zukunft auf einen neuen Prozess, die Vergasung von Kohle. Solche Anlagen ähneln eher einer chemischen Fabrik als einem herkömmlichen Kohlekraftwerk. In ihnen werden Wasser und Sauerstoff mit der Kohle gemischt, damit Kohlenmonoxid und Wasserstoff entstehen. Der Wasserstoff wird als Brennstoff genutzt, und das Kohlenmonoxid wird in konzentriertes CO2 umgewandelt. Solche Anlagen sind nicht billig zu betreiben: Rund ein Viertel der von ihnen erzeugten Energie wird dazu benötigt, sie am Laufen zu halten. Alles weist darauf hin, dass ihre kommerzielle Nutzung teuer wird und es Jahrzehnte dauern wird, bis sie einen merklichen Beitrag zur Stromerzeugung leisten.
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Nehmen wir an, dass ein paar Kraftwerke gebaut werden, die CO2 zurückhalten. Pro Tonne verbrannten Anthrazits werden rund 3,7 Tonnen CO2 erzeugt. Könnte dieser voluminöse Abfall einfach in den Boden unter dem Kraftwerk zurückgepumpt werden, würde das nicht viel ausmachen, aber die Felsen, in denen man Kohle findet, sind oft zur Einlagerung von CO2 nicht geeignet, was heißt, dass das Gas transportiert werden muss. Bei den Kohlegruben im australischen Hunter Valley beispielsweise müsste das Gas über die Ostaustralischen Kordilleren Hunderte von Kilometern weit nach Westen gebracht werden. Am Ziel angekommen, muss das CO2 verflüssigt werden, damit es in die Erde gepumpt werden kann, und dieser Schritt verbraucht üblicherweise 20 Prozent der Energie, die zunächst durch das Verbrennen der Kohle erzeugt wurde. Dann muss ein kilometertiefes Loch gebohrt und das CO2 hineingepumpt werden. Vom ersten Tag an muss die geologische Formation gründlich überwacht werden; sollte das Gas je entweichen, kann es tödliche Wirkung entfalten. Früher nannten Bergleute hohe CO2-Konzentrationen »Stickwetter«, was eine zutreffende Bezeichnung war, denn die Opfer ersticken auf der Stelle.
Zur größten CO2-Katastrophe der Gegenwart kam es 1986 in Kamerun. Aus dem Vulkankratersee Nyos entwichen große CO2-Blasen in die windstille Nachtluft, und das Gas legte sich über die Ufer, wo es 1800 Menschen und Zigtausende von Wild- und Haustieren tötete. Niemand schlägt allerdings vor, CO2 in Vulkangebieten endzulagern, und so werden die von der Industrie geplanten CO2-Deponien höchstwahrscheinlich keine vergleichbare Katastrophe heraufbeschwören. Dennoch ist die Erdkruste nicht gerade ein dichtes Fass zur Aufbewahrung von CO2, und die Lagerstätten müssten Tausende von Jahren lang überwacht werden, weil eine Leckage sehr riskant wäre.
Mit am meisten beunruhigt bei diesen Plänen, dass die Regierungen der Vereinigten Staaten, Australiens und anderer Länder bereits heute mit der Industrie hinter verschlossenen Türen diskutieren, wie viel Risiken sie im Namen ihrer Wählerschaften akzeptieren können und wie viel die Industrie selbst übernehmen will.
Selbst die von einem spärlich bevölkerten Land wie Australien erzeugten CO2-Mengen sind unvorstellbar groß:
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Stellen Sie sich einen Stapel von 200-Liter-Fässern vor, der zehn Kilometer lang, fünf Kilometer breit und zehn Fässer hoch ist. Das ergibt über 1,3 Milliarden Fässer, und so viel sind nötig, um das CO2 zu fassen, das täglich aus Australiens 24 Kohlekraftwerken entweicht, die 20 Millionen Menschen Strom liefern. Selbst wenn man es verflüssigte, würde die Tagesproduktion noch immer ein Drittel Kubikkilometer einnehmen, und Australien ist nur für weniger als zwei Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich! Stellen Sie sich vor, 20 Kubikkilometer verflüssigtes CO2 müssten die nächsten ein oder zwei Jahrhunderte lang jahrein, jahraus und Tag für Tag in die Erdkruste gepumpt werden.
Würde die Geosequestration in solchem Umfang betrieben, dass sämtliche CO2-Emissionen entsorgt würden, wären die erstklassigen Lagerstätten der Erde in der Nähe von Kraftwerken sehr bald voll. Insbesondere, wenn die Stromerzeuger nicht für Leckschäden verantwortlich wären, würden sie dann schnell darauf drängen, auch zweit- und drittklassige und noch schlechtere Lagerstätten zu nehmen. Im Großen und Ganzen aber sind die Emissionen aus Kohle noch fast zu vernachlässigen, denn es gibt auf dem Planeten Erde genügend andere fossile Energieträger, um 5000 Milliarden Tonnen CO2 zu produzieren — ein derart großes Stück »Kuchen«, um im Bild des Schlumberger-Vizepräsidenten Philippe Lacour-Gayet zu bleiben, dass die Erde es unmöglich verdrücken könnte, ohne fatale Verdauungsstörungen zu bekommen. All dies lässt daraufschließen, dass die Geosequestration in der Energiezukunft der Welt bestenfalls eine kleine Rolle spielen wird (höchstens vielleicht zehn Prozent bis 2050).
Weil wir aber jetzt etwas gegen den Klimawandel tun müssen, sollten sowohl die Öffentlichkeit wie der Markt Beweise für das Potenzial der Geosequestration zu sehen bekommen. Die großen Kohleverheizer müssten bereits Versuchsanlagen zur Kohlevergasung samt Geosequestration als Endlagerung bauen, um die wirtschaftliche und technische Machbarkeit dieser Ansätze zu prüfen. Doch trotz angebotener Regierungsunterstützung passiert in dieser Richtung kaum etwas. Typisch dafür ist, dass Lacour-Gayet im Jahr 2004 verkündete, eines der Probleme mit Kyoto sei, dass es dazu zwinge, jetzt etwas zu unternehmen, obwohl »das noch gar nicht nötig ist«.66)
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Darüber hinaus ist Lacour-Gayets Versicherung, die Kosten der Geosequestration würden bei nur zehn Prozent des Gegenwerts der produzierten Energie liegen, unglaubwürdig, wenn man bedenkt, dass 20 Prozent des Heizwerts des jeweiligen Brennstoffs allein dafür gebraucht werden, das CO2 so zu komprimieren, dass es in den Untergrund gepumpt werden kann.67 Und hinzu kämen die Kosten für den Bau einer neuen Generation von Kraftwerken samt Anlagen für die Kohlevergasung, für das Abscheiden des CO2 und die Lagerung, für Pipelines, Kompressoren und Bohrlöcher zum Hineinpumpen.
Politiker haben sich von den Winkelzügen der Kohleindustrie hinters Licht führen lassen. Im Jahr 2001 berichtete der damalige australische Chefwissenschaftler dem Wissenschaftsrat des Premierministers hinter verschlossenen Türen, die Geosequestration würde die Kosten der Stromerzeugung aus Kohle um nur fünf Dollar pro Megawattstunde erhöhen. Doch die Internationale Energie-Agentur berichtete da bereits von zehn- bis zwanzigmal so hohen Kosten. Nach dieser Sitzung stellte die australische Regierung 500 Millionen Dollar für die Erforschung von Niedrigemissionstechnologien zur Verfügung, wobei das Anforderungsprofil so formuliert war, dass es genau zur Geosequestration passte. Dass diese halbe Milliarde Dollar gerecht unter allen Energieoptionen aufgeteilt wird, um zu gewährleisten, dass das Land auch das Beste dafür bekommt, damit ist nicht zu rechnen.
Was bei dieser Debatte auf dem Spiel steht, lässt sich an einem einzigen Fall zeigen.
Einer ABARE-Hochrechnung vom August 2004 zufolge muss Australien seine Stromerzeugung bis zum Jahr 2020 um über 50 Prozent erhöhen (im Vergleich zu China eine niedrige Wachstumsrate), und die Kohleindustrie würde sich gern von diesem Kuchen ein so großes Stück wie möglich sichern. Wenn sie neue Kraftwerke bauen können, bietet sich den großen Kohleverheizern die Aussicht auf mindestens ein halbes Jahrhundert fetter Profite. Aber der Widerstand wächst. Viele Menschen sehen in dem Bau neuer Kohlekraftwerke das Gefährlichste, das man der Erde in Zukunft antun kann. Carl Pope vom Sierra Club sagt über die Situation in den USA:
Wenn man diese [Kraftwerke] genehmigt und baut, werden sie über eine Lebensdauer von mehr als 60 Jahren betrieben werden. Allein ihre Kohlendioxid-Emissionen werden die Möglichkeiten der USA, die Emissionen zurückzufahren, drastisch einschränken. Sie werden auch den Markt für Wind- und Solarenergie kaputtmachen. Werden sie gebaut, werden wir folglich gebraten.68
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Es gibt andere Formen der CO2-Endlagerung, die für die Zukunft des Planeten lebenswichtig sind und keine Risiken bergen. Die Vegetation und die Böden der Erde sind riesige Kohlenstoff-Reservoire, und sie sind entscheidende Elemente des Kohlenstoffkreislaufs. Die Entwicklung der Landwirtschaft hat diese Ressourcen größtenteils aufgebraucht, und heute ist die Welt in weiten Teilen entwaldet, und ihre Böden sind erschöpft.
In den Böden kann man mehr Kohlenstoff einlagern, wenn Ackerbau und Viehzucht mit nachhaltigen Verfahren betrieben werden, die den Anteil verrotteter Pflanzen (größtenteils Kohlenstoff) im Boden erhöhen. Viel Kohlenstoff — rund 1180 Gigatonnen — ist momentan in dieser Form gelagert; das ist mehr als das Doppelte der in der lebenden Vegetation gespeicherten Menge (493 Gigatonnen), und noch mehr einzubringen, erscheint sowohl einfach als auch wünschenswert.69 In diesem Punkt besteht tatsächlich Anlass zur Hoffnung, denn überall auf der Welt zeigt sich an der Basis ein breites Spektrum von Initiativen für organischen Ackerbau und nachhaltige Viehzucht.
Ein Aspekt dieses Weges wird auch tatkräftig von Teilen der Wirtschaft verfolgt, nämlich das Speichern von Kohlenstoff in Wäldern und langlebigen Holzprodukten. So werden unter anderem Wälder angepflanzt beziehungsweise nicht gerodet (damit kein Kohlenstoff freigesetzt wird); die Regierung von Costa Rica hat ein Programm aufgelegt, das eine halbe Million Hektar tropischen Regenwalds schützt und dem Land ein Kohlenstoff-Guthaben eingebracht hat, das der Menge CO2 entspricht, das in die Atmosphäre gelangt wäre, wenn der Wald gefällt worden wäre.70
Und BP hat beispielsweise Gelder bereitgestellt, um in Westaustralien 25000 Hektar Nadelwald aufzuforsten und damit die Emissionen der BP-Raffinierie bei Perth auszugleichen.71 Das so genannte Plantagenholz ist zwar auch dazu bestimmt, gefällt und genutzt zu werden, es kann aber eine gute kurzfristige Kohlenstoff-Lagerstätte sein, weil die daraus produzierten Möbel und Häuser langlebig sind und weil die Wurzeln der gefällten Bäume (samt dem darin enthaltenen Kohlenstoff) in der Erde verbleiben.
Ob viel Kohlenstoff in Wurzeln eingelagert werden kann, wird jedoch von Wissenschaftlern hinterfragt, die herausgefunden haben, dass der Kohlenstoffumsatz in Baumwurzeln weit langsamer vonstatten geht, als man sich einst vorgestellt hat, was bedeutet, dass die Endlagerung in dieser Form weniger effizient als gedacht wäre.72
Über der Möglichkeit, Kohlenstoff aus fossilen Energieträgern in Wäldern oder im Boden zu deponieren, schwebt jedoch noch eine ganz andere Frage. In Form von Kohle war der Kohlenstoff Hunderte von Millionen Jahre lang sicher eingesperrt, und er wäre noch weitere Millionen Jahre in der Erde verblieben, hätte man ihn nicht ausgegraben.73 In Wäldern oder im Boden eingelagerter Kohlenstoff wird hingegen dem Kreislauf wahrscheinlich nur wenige Jahrhunderte lang entzogen sein. Wenn wir die Lagerstätte Kohle gegen die Lagerstätte Wald eintauschen, tauschen wir sozusagen mündelsichere Wertpapiere gegen Junk-Bonds.
Es ist klar, dass technische Lösungen des CO2-Problems sich als weder so praktikabel noch als so kostengünstig erwiesen haben, wie die Industrie das gerne sähe. Dennoch arbeiten Wissenschaftler weiterhin an der ungefährlichen, sicheren Endlagerung von Kohlenstoff, und vielleicht finden sie irgendwann eine Lösung. Man spricht sogar von der Möglichkeit künstlicher Fotosynthese, mit der der Kohlenstoff direkt aus der Atmosphäre geholt werden könnte.
Solche Überlegungen bauen zwar auf vorhandenen Technologien auf, es gibt dabei aber noch so mannigfache Schwierigkeiten, dass eine praktische Anwendung in einem Maßstab, der gegen den Klimawandel wirksam wäre, mit Sicherheit nicht vor 2050 möglich ist. Das kommt einigen Industriezweigen gelegen, denn somit können Regierungen weiterhin Milliarden von Steuergeldern in solche Projekte stecken, und weil die angedachten Lösungen mittel- bis langfristiger Natur sind, kann sich die Industrie den Anschein geben, etwas zu unternehmen, und damit die gesellschaftliche Konzession zum Weitermachen verschaffen. Inzwischen aber zeichnen sich Alternativen in Form von Energieträgern mit geringerem Kohlenstoffgehalt ab, die schon heute einfacher und billiger zu sein scheinen.
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Tim Flannery 2005