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34  Es ist höchste Zeit

 

Sofortiges Handel tut Not. Biomasse – ein neuer Weg für die Kohleindustrie? Wie Arthur C. Clarke die nächste Eiszeit verhindern will. Energieeffizienz in Industriestärke.
 Vom Nutzen einer klugen Gesetzgebung. Eine starke Medizin gegen eine fast tödliche Krankheit. Keine Stimmen für die, die das für nicht machbar erklären.

 

Der Gedanke an unsere wunderbare Atmosphäre mit ihren vielfältigen Bezügen zum menschlichen Leben, wie zu allem Leben, hat mich zu diesem Aufschrei für die Kinder und für die empörte Menschheit genötigt ... Stellen Sie alles dem hintan ... Geben Sie Ihre Stimme keinem, der sagt: »Das kann nicht getan werden.« Wählen Sie diejenigen, die erklären: »Es wird getan werden.«  (Alfred Russel Wallace, Des Menschen Stellung im Weltall, 1903--  wikipedia_Alfred_Russel_Wallace )

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Wenn alle, die die Möglichkeit dazu haben, mit konzertierten Aktionen atmosphärische Kohlenstoff-Emissionen aus ihrem Leben verbannen, können wir - meiner Überzeugung nach - die Kryosphäre stabilisieren und anschließend retten. Wir könnten 90 Prozent der gegenwärtig bedrohten Spezies vor dem Aussterben bewahren, das Ausmaß extremer Witterungsverläufe eindämmen und damit die Verluste sowohl an Menschenleben als auch an materiellen Werten auf einen Bruchteil der Prognosen reduzieren sowie die Wahrscheinlichkeit, dass es noch in diesem Jahrhundert zu einer der drei großen Katastrophen­szenarios kommt, fast auf null zurückfahren.

Damit das passiert, müssen Individuen, Industrie und Regierungen jetzt etwas gegen den Klimawandel tun: Auch nur noch ein Jahrzehnt zu zögern, wäre viel zu viel. Glaubwürdige Daten besagen, dass der Welt irgendwann zwischen heute und 2010 das billige Öl ausgehen wird.31) Die wenigen Jahre bis zum Beginn der Ölverknappung sind die entscheidenden, wenn der Übergang zu einer kohlenstofffreien Wirtschaftsweise gelingen soll, denn dies ist der Zeitpunkt, zu dem wir am einfachsten und mit den geringsten Kosten neue Infrastrukturen und Technologien aufbauen können.

Die Hand am Drücker haben dabei die Vorstandsvorsitzenden der großen Energieunternehmen. Einige scheinen zu hoffen, dass der Klimawandel einfach ausbleibt, wenigstens bis zu ihrer Pensionierung. Die Schlimmsten unter ihnen drängen aggressiv auf den Bau neuer Kohlekraftwerke, und ihren Einfluss darf man nicht unterschätzen: Sogar im australischen Bundesstaat Neusüdwales, der einen bekannten Umweltschützer zum Premierminister hat und der unter der schlimmsten je verzeichneten Dürre leidet, versuchen sie neue Kohlekraftwerke zu errichten. Und dies trotz der Tatsache, dass die bereits existierenden ein Fünftel jener Wassermenge verbrauchen, die den vier Millionen Einwohnern von Sydney zusammengenommen reicht!

Wie immer Vorstandsvorsitzende von Energieunternehmen über den Klimawandel denken, allen sind ein paar Dinge gemeinsam. Alle sind ihrem Aufsichtsrat, den Aktionären und ihren Angestellten gegenüber verantwortlich, und man kann sicher sein, dass sie über die heraufziehende Katastrophe bestens informiert sind; auf Unwissenheit können sie sich nicht berufen. Daneben hat die Liberalisierung des Energiesektors dazu geführt, dass alle zunehmend von den Launen des Marktes abhängig sind, und aus diesem Grund kommt es entscheidend auf das Verhalten von Konsumenten und Investoren an.

Die Kohleverbrenner unter den Energieerzeugern stehen vor einem schwierigen Dilemma, aber unlösbar ist es nicht. Genau wie sich die Ölmultis nun auf das Gas verlagern, müssten sich auch die Kohlemultis etwas anderes suchen. In Zeiten, da die Kohlepreise auf einem Allzeithoch sind, scheint dafür nicht viel zu sprechen - aber genau das haben die Ölgesellschaften getan und tun es immer noch, und zwar aus ziemlich denselben Gründen: Ausbleibender Nachschub oder Begrenzungen der Emissionen haben zur Folge, dass weder Öl noch Kohle langfristig eine Zukunft hat. In welche Richtung könnten die Kohlemultis also gehen ?

Biomasse (Brennstoff aus landwirtschaftlichen Abfällen oder anderem Pflanzenmaterial) ist nichts anderes als junge Kohle, es wäre also ein nahe liegender Schritt, wenn die Kohlemultis in diese neue Technologie investierten. Das globale Dimmen verweist darauf, dass wir CO2 aus der Atmosphäre holen müssen, um das Erdklima zu stabilisieren. Das könnte man tun, indem man Biomasse verbrennt und das dabei freigesetzte CO2 auffängt; so würden die von der Industrie in der Vergangenheit verursachten Schäden ein Stück weit wettgemacht.

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Die Bergbaugesellschaften brauchten Unterstützung, um den Übergang zur Biomasse zu schaffen, und die Regierungen könnten helfen, indem sie zwingend vorschreiben, dass ein bestimmter Prozentsatz aller verbrannten Energieträger aus Biomasse stammen muss.

Aber würde sich die Industrie tatsächlich von all der Kohle in den Bergwerken und den noch nicht erschlossenen Reserven abwenden? Arthur C. Clarke hatte die Erkenntnis, dass die Kohlereserven der Erde ein wichtiges Werkzeug im Mechanikerkasten des planetarischen Wartungsingenieurs sind. Denn die Milankovic-Zyklen sind nicht verschwunden und unser Planet wird, sofern das Erdklima nicht in eine neue ultraheiße Phase umkippt, binnen einiger tausend Jahre eine Abkühlung erleben, die Vorbote einer neuen Eiszeit sein wird. Was wird die Menschheit dann tun?

Wenn die Regierungen der Welt die Erschließung neuer Kohlereserven verbieten und alle existierenden Vorräte aufkaufen würden, könnte uns die Kohle, die heute unser Feind ist, wirkungsvoll vor dem Ausbruch einer neuen Eiszeit schützen. Der Arthur C. Clarke Fund for Avoidance of the New Ice Age könnte in das Kyoto-Protokoll eingebunden werden, und die Staaten der Welt könnten gemäß ihrer Kapazitäten zum Aufkauf der Kohle beitragen.

Noch viele andere Dinge könnten Regierungen tun, um sowohl regional als auch global die Konsumenten wie die Industrie bei ihren Anstrengungen zu unterstützen. Am wichtigsten wäre, den Bau oder Ausbau veralteter Kohlekraftwerke zu verbieten. Das wäre ein deutliches Signal für den Markt, in welche Richtung die Energieerzeugung in Zukunft geht. Genauso wichtig sind Gesetze zur Energieeinsparung, die Teil jeder politischen Überlegung sein sollten.

Dazu zählen stetig strengere Vorschriften für die Energieeffizienz von neu auf den Markt kommenden Produkten, eine strikte Begrenzung der Emissionen auf der Ebene der Privathaushalte, Gesetze, die den nachträglichen Einbau von solchen Geräten erleichtern, die Haushaltsemissionen reduzieren, und die Planung von Transportsystemen unter Berücksichtigung ihrer Gesamtenergiebilanz. Entscheidend ist auch, Subventionen zu streichen — große Energieverbraucher wie die Aluminiumhütten werden nie die Preissignale in vollem Umfang zu spüren bekommen (und daher nie ernsthaft über ihre Energieeffizienz nachdenken), solange die kleinen Hausbesitzer die Rechnung für einen Großteil ihres Energieverbrauchs mitbezahlen. 

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Initiativen zur Förderung erneuerbarer Energien sind ebenfalls von Bedeutung; solche wären beispielsweise die Verpflichtung der Energieversorger, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, Steuervergünstigungen beim Kauf von Solarzellen, die Förderung von Einspeisungsstellen für privat erzeugten Strom, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde, und Gesetze, die die Einführung von erneuerbaren Energien wie etwa der Windkraft erleichtern. Das sind nur ein paar Beispiele für das, was getan werden kann, und es ist wahrscheinlich, dass Ihre Regierung bereits das eine oder andere davon tut. (Eine umfassendere Liste hat die International Climate Change Task Force veröffentlicht.32)

Auf lange Sicht wäre eine demokratische, transparente und simple Form internationaler Abkommen möglich, die eines Tages Kyoto ersetzen könnte: Mit dem Slogan »Contraction and Convergence« (C&C, sinngemäß »Verminderung und Annäherung«) wirbt seit über einem Jahrzehnt der britische Umweltaktivist Aubrey Meyer dafür.

In gewisser Hinsicht ist C&C eine ultrademokratische Variante des Kyoto-Protokolls, deren Kern die simple Idee ist, dass der einzig gerechte Weg zur Reduktion von Emissionen darin besteht, jedem einzelnen Menschen ein gleiches »Recht auf Verschmutzung« mit Treibhausgasen zuzubilligen. Wie im Fall von Kyoto können diese Rechte gehandelt werden, nach dem C&C-Modell wird das Handelsvolumen aber viel größer sein als nach dem Kyoto-Protokoll. Um zu verstehen warum, schauen wir uns die Amerikaner als Beispiel an.

Amerikaner setzen pro Person und Jahr dreimal so viel CO2 frei wie Europäer und über einhundertmal mehr als die Bürger der am wenigsten entwickelten Länder. Nach dem C&C-Modell müssten die Einwohner der Industrienationen den Armen der Welt genügend viele Kohlenstoff-Guthaben abkaufen, um ihre eigenen Emissionen abzudecken. Der Handel würde sich zwischen den Ländern abspielen (nicht zwischen Individuen) und einen massiven Transfer von Wohlstand darstellen. 

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Das C&C-Modell würde enorm dazu anspornen, Emissionen zu reduzieren, wobei sich der Begriff »Annäherung« darauf bezieht, dass die CO2-Emissionen aller Bürger unabhängig von ihrem Reichtum angeglichen werden; und da der Punkt, an dem sie konvergieren, wesentlich unter dem heutigen Niveau liegt, ergibt sich auch eine große »Verminderung« der Gesamtemissionen. Meyers Ansicht nach beginnt C&C mit drei Schritten:

1.  Mit einer internationalen Vereinbarung werden die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre »gedeckelt«.
2. Es wird abgeschätzt, wie schnell die Emissionen zurückgefahren werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen.
3.  Aus den Schritten eins und zwei ergibt sich ein »Kohlenstoff-Budget«, das unter der Weltbevölkerung pro Kopf aufgeteilt wird.
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Wie im Fall von Kyoto braucht man auch bei diesem Modell eine Kohlenstoff-Währung, die Meyer »EBCUs« nennt, und mit einer Ausgabe von EBCUs, argumentiert er, könnte man saubere Technologien fördern und die Begleichung internationaler Schulden ermöglichen.34 Und es gibt keinen Grund, warum nicht irgendwann in der Zukunft das Kyoto-Protokoll die grundlegenden Innovationen von C&C aufgreifen sollte. Faktisch haben Meyer zufolge eine Reihe von Unterzeichnern der Kyoto-Vereinbarung dem Modell bereits ihren Segen gegeben.

C&C stellt eine wesentlich größere Abkehr vom <Weitermachen wie bisher> als Kyoto dar. Das Modell ist eine starke Medizin gegen eine entsetzliche Krankheit, und wie bei allen hochwirksamen Arzneien gibt es mögliche Nebenwirkungen. Eine ist, dass das Modell letzten Endes die Armut in der Welt und das Nord-Süd-Gefälle beseitigen könnte. Doch nicht alle Aspekte des Vorschlags dürften das Missfallen von Konservativen hervorrufen, denn da ausnahmslos alle Menschen unter sein Dach kommen, erübrigen sich Sorgen wegen »Trittbrettfahrern« in der sich entwickelnden Welt, wie sie im Fall von Kyoto aufgetaucht sind.

Zu den möglichen Nachteilen zählen die Anfangskosten für die Industrienationen. Es ist auch möglich, dass einige Entwicklungsländer ihre Bevölkerungs­größe mit dem Transfer von Reichtum gleichsetzen und daher Programme zur Familienplanung streichen. Doch kein solches Modell ist je ohne Fehler, und dieses hier liegt wenigstens auf dem Tisch und hat bereits einige Unterstützung erhalten.

Einige sehen vielleicht bei C&C versteckte politische Absichten am Werk, was auf einen entscheidenden Fallstrick auf dem Weg zur klimatischen Stabilität verweist: Die Neigung von Gruppen, den Zug zur Nachhaltigkeit vor ihren ideologischen Karren zu spannen. Die Nuklearlobby macht das bereits, das Gleiche gilt aber für die »Weniger-ist-mehr«-Lobby, die glaubt, die Menschen müssten ihren Gesamtverbrauch reduzieren, wenn je Nachhaltigkeit erreicht werden soll. Für beide Argumente spricht etwas, aber sie gründen auf einer ideologischen Basis, die möglicherweise viele Menschen abschreckt, ohne deren Mithilfe der Kampf gegen den Klimawandel verloren wird. Angesichts eines gravierenden Notfalls handelt man am besten einmütig.

Zweierlei muss hier noch gesagt werden. 

Erstens wäre es das Allerschlimmste, wenn die Bewohner der entwickelten Welt nur untätig herumsitzen, bis irgendetwas wie C&C umgesetzt wird. Handeln tut jetzt Not, und das einzig Verantwortungs­bewusste, was Sie als besorgtes Individuum tun können, ist Ihre eigenen Emissionen so weit und so schnell wie möglich herunterzufahren.

Und zweitens werden die Regierungen wahrscheinlich nichts tun, solange die Menschen das nicht von ihnen verlangen. 

Um die Entschlossenheit Ihrer Regierung in Sachen Klimawandel zu fördern, müssen Sie das Thema ganz oben auf Ihre Tagesordnung setzen, wenn die nächsten Wahlen anstehen. 

Wie Alfred Russel Wallace vor über einem Jahrhundert sagte: »Geben Sie Ihre Stimme keinem, der sagt: <Das kann nicht getan werden.> Wählen Sie diejenigen, die erklären: <Es wird getan werden.>« Und fragen Sie Ihre Politiker nicht nur nach ihrer Haltung. Fragen Sie sie, was sie persönlich tun, um ihre eigenen Emissionen zu reduzieren.

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