13 Baustellen einer alternativen Modernisierung
Rommelmühle, Schönau, Vauban, Poppau/Groß-Chüden
Grober-1998
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In diesem Sommer 1997, als die Medien unisono von Stillstand, Stau und Blockade redeten, kam an vielen Stellen einiges in Bewegung. Man könnte die neuen Solarfabriken anführen, die in Freiburg im Breisgau, im nordbayerischen Alzenau, in der Ruhrgebietsstadt Gelsenkirchen, in Freiberg in Sachsen und in Berlin-Kreuzberg eingeweiht oder zumindest im Modell präsentiert wurden. "Die Zeit ist reif für die Sonne", hieß der Slogan der Solarfabrik in Freiburg. Dort und an den anderen genannten Standorten gewinnt man den Eindruck, daß mit der Produktion von Siliziumscheiben und Solarmodulen ein neuer Schub in Richtung "Sonnenperspektive" eingesetzt hat.
Ebenso zukunftsträchtig scheint mir, daß eine neue Generation von sozialökologischen Projekten in die Phase der Realisierung ging. Traut man den Skizzen, Plänen, Visionen und den Berichten von den Baustellen, dann sind sie größer angelegt und kühner gestaltet als ihre Vorläufer.
Beispiel 1:
Die Rommelmühle in der schwäbischen Stadt Bietigheim-Bissingen. Der monumentale rote Backsteinbau aus dem 19. Jahrhundert ist 100 Meter lang und mit sieben Stockwerken 30 Meter hoch. In dem Bau am Ufer der Enz, gegenüber von Weinbergen in unmittelbarer Nähe zum Ortskern von Bissingen gelegen, arbeitete bis vor kurzem noch die größte Industriemühle Baden-Württembergs. Über 100 Jahre lang, bis zur endgültigen Stillegung 1996, wurde hier Korn gespeichert und vermahlen. Die neuen Investoren heißen Archi Nova Planen und Bauen GmbH. Die ökologisch ausgerichtete Planungs- und Bauträgergruppe aus dem benachbarten Bönningheim hat sich in der ökologischen Baubranche profiliert. Die Entwicklung von Niedrigenergiehäusern ist ihr Spezialgebiet.
Eine baubiologische Siedlung in Esslingen, Erdhügelhäuser in Donaueschingen und eine sanfte Ferienanlage auf Usedom sind einige der Referenzen.
Die Mühlen des neuen Investors mahlen schnell. Im Sommer 1997 begann der Umbau des 4,5 Hektar großen Geländes. Für September 1998 ist die Eröffnung von "Europas größtem ökologischem Wohn- und Gewerbepark" geplant. Das Motto des Ökozentrums Rommelmühle: "Ökologisch leben, einkaufen, wohnen und arbeiten — alles unter einem Dach".
Der Katalog von "Ökoprinzipien", den die Planer auflisten, verknüpft traditionelle mit futuristischen Elementen: Wasserkraftnutzung, Klimatisierungszonen, Abwärmenutzung, Niedrigenergie, natürliche Belüftung, Wärmeschutzverglasung, Blockheizkraftwerk, Holzbauweise, Living-machine-Wasserkläranlage, Tageslichtlenkung, Co-Housing, Car-Sharing.
Kernstück der Rommelmühle wird ein Ökokaufhaus mit 6.500 Quadratmetern Verkaufsfläche. Nach dem Shop-in-shop-Konzept werden dort unter anderem ein Versandhaus für Biomöbel, ein Naturkost-Supermarkt, Bäckerei, Metzgerei, ein ökologischer Baufachmarkt, ein Hanfladen, eine Buchhandlung, eine Naturapotheke und ein Laden für Naturkosmetik vom Vollkorn-Croissant bis zum Fertighaus alles anbieten, was das ökologisch orientierte Konsumentenherz begehrt. Es wird darüber hinaus 1.300 Quadratmeter Bürofläche für umweltorientierte Unternehmen geben. In einem Nebengebäude wird sich ein Gesundheits- und Therapiezentrum niederlassen. Dort ist von Qi Gong bis zu kreativem Tanz und klassischer Homöopathie eine breite Palette von medizinischen Dienstleistungen aus dem Bereich der ganzheitlichen Medizin und Psychotherapie zu haben. Zur Flußseite hin entsteht ein Vollwertrestaurant mit ökologischer Hausbrauerei und - direkt am Ufer - ein Biergarten. 120 bis 150 Arbeitsplätze sollen auf dem Gelände geschaffen werden.
Das nüchterne Kalkül der Kapitalanlageberater von Archi Nova und der Ökobank, die sich eingeklinkt hat: Die Kaufkraft hier im Ballungsgebiet am mittleren Neckar, im Speckgürtel rings um Stuttgart, ist überdurchschnittlich hoch. Im Kreis Ludwigsburg liegt das Einkommensniveau 16,4 Prozent über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Die Luxuskaufkraft (Einkommen über 100.000 DM) liegt sogar 65,3 Prozent höher.
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Südfassade der Rommelmühle; während des Krieges war das Gebäude mit einem Tarnanstrich versehen worden, der nun abgestrahlt wird, damit das Backsteinrot wieder zum Vorschein kommt.
Zwölf Prozent der Haushalte sind ökologisch orientiert. Man rechnet mit 1500 Kunden und Besuchern täglich und einem Gesamtjahresumsatz von 25,6 Millionen DM. Ein Standort, so schwärmen die Prospekte, "wie im Marketing-Bilderbuch".
Wohnungen für 100 Menschen sind auf dem Gelände im Bau. Die oberen Etagen des Mühlengebäudes werden zu Loftwohnungen umfunktioniert. Das heißt, die vorherige industrielle Nutzung des Gebäudes wird nicht kaschiert. Die wuchtigen Stahlträger und Holzkonstruktionen sind in die Raumgestaltung einbezogen und verleihen den neuen Wohnräumen ein besonderes Flair. Nebenan sind zwei Neubauten mit 16 Wohnungen im Bau. Von der 1 1/2-Zimmer-Dachgeschoßwohnung bis zur 123 Quadratmeter großen Maisonette auf drei Ebenen sind verschiedene Wohnungstypen vorgesehen.
Die neuen Bewohner der Rommelmühle werden mir dem Kauf ihrer Immobilie gleichzeitig Anteilseigner an einem Gemeinschaftshaus mit einer Fläche von 1000 Quadratmetern.
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Dort sollen Räume für Kinderbetreuung, eine gemeinsame Küche, eine Werkstatt, Gästezimmer und eine Sauna Platz finden. Co-Housing heißt das Konzept, das sowohl den Rückzug in eine abgeschirmte Privatsphäre als auch die aktive Teilnahme am Leben eines überschaubaren Gemeinwesens ermöglichen soll: Trennungen aufheben, Menschen in Beziehung bringen, das ist das Anliegen. Das Gelände wird durch eine neue Buslinie an das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs angebunden. Eine Car-Sharing-Initiative der künftigen Bewohner hat sich schon jetzt gebildet. Sie wollen mit möglichst wenigen Autos für möglichst viele Menschen auskommen.
Das Energiekonzept verknüpft die traditionelle Wasserkraftnutzung des Mühlenbetriebes mit der Kraft-Wärme-Kopplung einer Ökosiedlung. Die drei Turbinen des Wasserkraftwerks und das Erdgas-BHKW sollen dreimal soviel Energie erzeugen, wie das Ökozentrum selbst benötigt, und den Überschuß an Strom ins Netz einspeisen. Die Abwärme wird den gesamten Komplex beheizen. Das alte Fabrikgebäude wird optimal wärmegedämmt. Für eine energiesparende Be- und Entlüftung des Bauwerks sorgt ein ausgeklügeltes System von Ansaugpumpen, Erdkanälen und Röhren. Das Erdreich und das hochstehende Grundwasser werden als natürliche Wärme- beziehungsweise Kältequellen genutzt. Im Sommer kühlt eine Nachtluftspülung die Gebäudemassen. Das Lichtkonzept zielt darauf ab, durch Sonnenschutzmaßnahmen und reflektierende Lichtleitflächen den Bau soweit wie möglich mit Tageslicht zu versorgen, ohne die Raumtemperaturen in den Läden und Wohnungen über Gebühr ansteigen zu lassen. Man will auch im Kaufhausbereich natürliches Licht statt der üblichen, energiezehrenden elektrischen Beleuchtung, deren Abwärme wiederum durch energieverschwendende Kälteanlagen beseitigt werden muß. Auch bei der Abwasserentsorgung geht man neue Wege. "Living-machine" nennt sich das Verfahren eines amerikanischen Ingenieurs: In einer Art Gewächshaus reinigen Pflanzen, Fische und Kleinstlebewesen das Abwasser auf natürliche Art.
Die Vision der Werbeprospekte: Morgens in einer lichtdurchfluteten Loftwohnung vom Rauschen des Flusses und Vogelgezwitscher geweckt werden. Mit Blick auf die grünen Hänge der Weinberge frühstücken und sich die knusprigen
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Brötchen vom Ökobäcker im Erdgeschoß schmecken lassen. Die Tageseinkäufe schnell und familienfreundlich im Ökokaufhaus nebenan erledigen. Bei Sonnenuntergang im Biergarten unten am Fluß mit Freunden sitzen und "das gute Gefühl genießen, ganzheitlich und naturnah zu leben". Die Prospekte verheißen — wörtlich — eine "schöne neue Welt am Fluß".
Beispiel 2: In diesem Sommer '97 begann eine Gemeinde im Schwarzwald auf eigene Faust mit dem Ausstieg aus der zentralisierten, profitorientierten, von Atomkraft und fossilen Brennstoffen abhängigen Stromversorgung. Sie tat dazu eigentlich einen ganz einfachen Schritt. Die Bürger von Schönau übernahmen das Stromnetz in ihrem Ort, nachdem sie es dem bisherigen Besitzer, dem regionalen Energiemonopolisten, abgekauft hatten. Mit dem Netzkauf machten die "Stromrebellen" den Weg frei: weg vom Atomstrom, der bisher einen Anteil von 40 Prozent hatte, hin zu einer selbstbestimmten ökologischen Energieversorgung ihres Ortes, die auf erneuerbare Energieträger und dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung setzt. "In Schönau beginnt jetzt der Ausstieg aus der Atomenergie."
Was so einfach klingt, hat eine unglaublich lange Zeit der Vorbereitung und das immense Engagement einer Bürgerinitiative und unzähliger Sympathisanten erfordert. Die 2500-Seelen-Gemeinde Schönau liegt im Hochschwarzwald. Der Belchen, mit 1440 Meter Höhe einer der höchsten Schwarzwaldberge, überragt das Tal, in dem das Flüßchen Wiese dem Rhein entgegenfließt. Das liebliche Münstertal und das Massiv des Feldbergs liegen in unmittelbarer Nachbarschaft, und der Tourismus bildet traditionell einen wichtigen Erwerbszweig in dieser Landschaft. Eine gesunde Natur ist das Pfund, mit dem man wuchert. "Innehalten und dem eigenen Atem lauschen", so wirbt der Tourismus-Prospekt. "Der Belchenurlaub steht für reines Naturgefühl in einer intakten Natur."
"Atomkraft - nein danke" — diese Bewegung ist in der Region verwurzelt. Anfang der 70er Jahre, als noch niemand in Deutschland den Segen der Atomenergie bezweifelte, begannen gut 50 Kilometer von hier die Winzer und Bauern von Wyhl am Kaiserstuhl ihren Kampf gegen den Bau eines Atomkraftwerks. Die Pläne, die ihr Dorf betrafen, konnten sie durchkreuzen.
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Ansonsten kam und kommt auch hier im südwestlichen Zipfel Deutschlands bis zu 40 Prozent der Stromversorgung aus Kernkraftwerken. Selbst die Schockwellen, die im Frühjahr 1986 der GAU von Tschernobyl auslöste, haben bis heute daran nicht gerüttelt. In Schönau entstand nach dieser Katastrophe wie an hunderten anderen Orten eine Bürgerinitiative — "Eltern für eine atomfreie Zukunft". Sie hatte nicht mehr als ein Dutzend Aktivisten, veranstaltete im Ort Stromsparwettbewerbe, an denen sich bis zu zehn Prozent der Einwohner beteiligten, organisierte medizinische Hilfe für krebskranke Kinder in der Ukraine — wie andere Initiativen auch.
Aber dann ging sie vom ohnmächtigen Protest und von der symbolischen Aktion zu einer neuen Strategie über: Wir müssen selber Stromversorger werden. In unzähligen kleinen Schritten wurde diese Umstellung jahrelang vorbereitet. Der Konzessionsvertrag der Gemeinde Schönau mit dem alten Energieversorger, der diesem das alleinige Recht einräumte, auf dem Gebiet der Gemeinde Strom bereitzustellen und zu verkaufen, lief aus. Die Bürgerinitiative gründete die Elektrizitätswerke Schönau GmbH (EWS) und bewarb sich bei der Gemeinde um die Konzession. Parallel wurden Fonds eingerichtet, um den Kauf des lokalen Stromnetzes, also der Kabel, Verteilerkästen, Umspannvorrichtungen, Strommasten etc., zu finanzieren. Ein ungemein harter politischer und juristischer Kampf entbrannte. Nach mehreren Bürgerentscheiden beschloß der Gemeinderat von Schönau 1996 endgültig, die Konzession an die EWS zu vergeben. Der alte Energieversorger blockierte daraufhin den Verkauf des Stromnetzes, indem er einen astronomischen Preis verlangte und drohte, bis zum höchsten Gericht zu gehen, um ihn durchzusetzen. Das hätte bis ins neue Jahrhundert hinein gedauert. Die ursprüngliche Forderung konnte gedrückt werden, war jedoch mit 5,8 Millionen DM immer noch völlig überhöht. Trotzdem beschloß die Bügerinitiative, nicht mit dem Kauf zu warten, sondern diesen Preis zu zahlen und sich später einen Teil des Geldes auf dem Klageweg zurückzuholen.
"Ich bin ein Störfall" — unter diesem Motto startete sie im Herbst 1996 eine bundesweite Spendenkampagne, die von der GLS-Bank in Bochum und einem großen Aufgebot an Öko-Prominenz von Carl Amery bis Ernst Ulrich von Weizsäcker, Franz Alt und Hans Christoph Binswanger unterstützt wurde.
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Das Geld wurde aufgetrieben. Am 21. Juli 1997 waren die Stromrebellen am Ziel. Die EWS übernahmen die Stromversorgung von Schönau.
Ihre Unternehmensphilosophie beschreiben die EWS so: "Sparsame Energienutzung, rationelle und ressourcenschonende Energiebereitstellung, regenerative Energiegewinnung".
Die Rahmenbedingungen, die sie dafür schaffen, sind stromsparfördernde Tarife. Das vorläufige Ziel ist es, 40 Prozent der benötigten Energie vor Ort zu erzeugen und damit den Strombezug vom alten Versorgungsunternehmen erheblich zu reduzieren. Auf dem Weg zu diesem Ziel setzt man auf die Wassserkraft, die der Fluß, der durch den Ort strömt, liefert. Auch Photovoltaik soll eine immer größer werdende Rolle spielen. Die hauptsächlichen Energielieferanten aber sollen kleine Blockheizkraftwerke werden. 100 sinnvolle Standorte für den breitflächigen Einsatz von BHKWs hat eine Untersuchung ermittelt. Die ersten davon sind installiert. Viele weitere Stromerzeugungsanlagen werden in den nächsten Jahren folgen. Durch die Montage und Wartung der Anlagen sollen neue Arbeitsfelder und neue Arbeitsplätze im örtlichen Handwerk entstehen. Die Vision: Systeme und Technologien der dezentralen Stromproduktion, die weltweit eingesetzt werden können, in Schönau erproben und perfektionieren.
Beispiel 3: 35 Kilometer von Schönau entfernt, am südlichen Stadtrand von Freiburg, liegt die Baustelle eines ebenso kühnen und interessanten Projektes. Auf einem 38 Hektar großen ehemaligen Kasernenareal, das die französische Armee bei ihrem Abzug hinterlassen hat, entsteht ein neuer Stadtteil für 5000 Bewohner mit 600 Arbeitsplätzen: "Vauban" heißt dieses großangelegte städtebauliche Experimentierfeld. Es soll ein sozial-ökologisches Modell, ein Modellstadtteil für nachhaltige Lebensstile werden.
Der Weg, den man bei der Planung geht, entspricht dem Ziel. Bürgerbeteiligung wurde von Anfang an großgeschrieben. Diese sollte nicht erst einsetzen, nachdem alle wichtigen Entscheidungen schon getroffen waren. In einem eingetragenen Verein namens "Forum Vauban", der sich 1994 gründete, sammelten sich 200 Interessenten, um die Bürgerbeteiligung im Planungs- und Bauprozeß in einem demokratischen Dialog mitzugestalten.
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Stadtverwaltung, Architekten und Experten, Bauträger und zukünftige Bewohner des Stadtteils haben seitdem einen runden Tisch. Es besteht der gemeinsame Wille, einen möglichst hohen ökologischen Standard zu erreichen, dabei Wohneigentum oder Miete in einem bezahlbaren Rahmen zu halten und eine größtmögliche Einflußnahme aller Beteiligten zu gewährleisten. Eine Werbekampagne unter dem Motto "Wohnfrühling in Vauban" hat das Forum zusammen mit der Freiburger Stadtverwaltung gestartet. Teilweise initiiert vom Forum, teilweise unabhängig davon haben sich inzwischen 30 Baugruppen gebildet. Die Gruppen bestehen aus vier bis 15 Bauherren und Bauherrinnen, die in Vauban siedeln wollen und die Planung und Finanzierung ihrer Bauvorhaben und ihre zukünftige Nachbarschaft schon jetzt gemeinsam angehen. Das Forum gibt die Vauban actuel, eine kleine Zeitschrift mit den neuesten Stadtteilnachrichten, heraus. Es koordiniert Treffen der Baugruppen, organisiert Zukunftswerkstätten und führt Exkursionen zu baubiologischen Siedlungen und Ökohäusern in der Region durch.
Durch die Arbeit des Forums und der anderen am Projekt beteiligten Gruppen ist auf diesem Weg schon lange vor Baubeginn ein Mosaik vielfältiger Aktivitäten entstanden. Dem Arbeitskreis "Wohnen jung und alt" beispielsweise geht es um eine generationenübergreifende Nachbarschaft in einem Bereich des neuen Quartiers. Eine möglichst bunte Mischung aus alten und jungen Leuten, Singles und Familien ist angestrebt. Man plant gemeinsam die Details für ein barrierefreies Bauen mit breiten Türen und Rampen an den Aufgängen. Die Grundrisse der Wohnungen sollen nach den sich ändernden Bedürfnissen der Bewohner veränderbar sein. Man will den Umzug innerhalb der Nachbarschaft von vornherein ins Auge fassen. Altere sollen in kleinere Wohnungen ziehen und jüngeren Familien die größeren überlassen können, ohne die gewohnte Gemeinschaft und Nachbarschaft verlassen zu müssen. Ein Tauschring soll dazugehören. Babysitting gegen Tapezieren oder Einkaufengehen gegen Brotbacken soll selbstverständlich werden.
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Traditionelle Formen nachbarschaftlicher Hilfe wiederzubeleben und möglicherweise intensiver zu gestalten, als sie jemals waren, ist ein Ziel nicht nur in dieser Wohngruppe: "Eine lebendige Gemeinschaft", so formulierte ein Mitglied des Arbeitskreises seine Vision, "die sich immer wieder erneuert."
Die Solarsiedlung am Schlierberg ist die ökologische Mustersiedlung innerhalb des Musterstadtteils. Baubeginn ist im Frühjahr 1998. Auf dem früheren Sportgelände des Kasernenareals, zu beiden Seiten der Rosa-Luxemburg-Straße, wird die Siedlung aus 150 zweigeschossigen Häusern auf drei Hektar Fläche entstehen. Die Größe der Häuser variiert. Vom Einpersonenhaus mit 53 Quadratmetern bis zum Einfamilien-Reihenhaus mit 140 Quadratmetern Wohnfläche ist alles möglich. Industriell vorgefertigte Bauteile sorgen für eine kurze Bauzeit. Im Jahr 2000, so rechnen der Bauträger, die INSTAG AG aus Köln, und der Architekt, der renommierte Freiburger Solarbauspezialist Rolf Disch, soll die Siedlung vollendet sein. Das avantgardistische Konzept heißt: Plusenergiehaus. In der Jahresbilanz, das ist der Anspruch, soll jedes Haus mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Die Häuser sind präzise nach Süden ausgerichtet und optimal gedämmt. Sie sind großflächig mit Photovoltaikmodulen und Sonnenkollektoren ausgestattet. Zur Südseite sind sie auf breiter Fläche mit Fenstern aus drei Scheiben versehen, die eine intensive passive Nutzung der einstrahlenden Sonne ermöglichen. Die Wärme wird durch ein Lüftungssystem in die Räume auf der Nordseite überführt, wo extrem kleine Fenster allzustarke Wärmeverluste verhindern. Auch die "inneren Gewinne", also die Körperwärme von Mensch und Tier im Haus und die Abwärme von Elektrogeräten, tragen neben den Wärmerückgewinnungsanlagen zum Energiesparen bei.
Das Wasserkonzept dieser Siedlung beruht auf Vakuumtoiletten, die mit einem Minimum an Spülwasser auskommen. Die Fäkalien werden in eine Anlage gepumpt, in der Methangas produziert wird.
Kernstück dieser avantgardistischen Siedlung ist das "Sonnenschiff", eine durchgehende Bebauung mit aufgesetzten Penthouse-Wohnungen und Flächen für Büros und Geschäfte.
Wohnen ohne Auto wird in Vauban belohnt. Innerhalb des Stadtteils wird es keine Stellplätze für Autos geben. Vauban wird eine Fußgängerzone sein, die an das Radwege- und an das Buslinien- und Stadtbahnnetz von Freiburg angebunden sein wird.
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Nur am Rande des Stadtteils sind Stellplätze vorgesehen. Allerdings wird jeder davon 30.000 DM kosten. Diese Summe wird jeder Autobesitzer in Vauban zusätzlich zu den Baukosten aufbringen müssen. Selbstverständlich gehört eine Car-Sharing-Initiative auch hier zum Konzept.
Beispiel 4: In der norddeutschen Tiefebene, weit weg vom Schwarzwald, liegt eine weitere Großbaustelle. Bei Poppau, einem Dörfchen zwischen Salzwedel und Magdeburg, haben im Sommer 1997 die ersten Vorarbeiten zum Aufbau eines Ökodorfes begonnen.
Die Altmark gehört zu den am dünnsten besiedelten Regionen in Deutschland. Die Arbeitslosenquote jedoch ist extrem hoch. Dies ist der Boden, auf dem "alle Bereiche einer nachhaltigen Lebensweise" ausprobiert werden sollen. "Unser gemeinsames Ziel ist der Aufbau einer sozialen Gemeinschaft auf der Basis von Toleranz und Vielfalt mit weitgehender Selbstversorgung, dauerhaften Arbeitsplätzen und einer neuen ökologischen Lebens- und Dorfkultur in überschaubaren Kreisläufen — eine Modellsiedlung für etwa 300 Menschen, die im Rahmen der Siedlungsgenossenschaft mit den Bewohnern gemeinsam geplant und aufgebaut werden soll."
Für die 22 Hektar Land eines Resthofes und den Fachwerk-Rohbau des Stallgebäudes hat die Ökodorf-Gruppe im März 1997 die Summe von 380.000 DM auf den Tisch gelegt. In der Rommelmühle bekommt man dafür eine Eigentumswohnung, in Sachsen-Anhalt dagegen neun Hektar Kiefernforst und zwölf Hektar Acker.
Das neue Dorf wird am Waldrand liegen. In Tischmodellen, auf Schemaskizzen und in den Infos, die von der Initiative, schon lange bevor sie den Bauplatz endgültig gefunden hatte, herausgegeben wurden, sind seine Konturen bereits zu erkennen: Im Eingangsbereich des Ökodorfes liegen die verkehrsund lärmintensiven Handwerksbetriebe. Eine Schreinerei wird dazugehören, ein auf Lehmbau spezialisierter Baubetrieb, eine Bäckerei, eine Gärtnerei mit einer Permakulturanlage. Ein Grüngürtel soll in den inneren Siedlungsbereich führen. In der Dorfmitte befinden sich die zentralen Gemeinschaftseinrichtungen, einschließlich eines Tagungshauses und einer freien Schule, in der nach der freiheitlichen Pädagogik von Montessori und Freinet unterrichtet wird.
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Städtebaulicher Entwurf, der die Struktur des Ökodorfes Poppau zeigt.
Die Ziffern I- VII kennzeichnen die Standorte der sieben Linden, um die sich die Siedlungsbereiche gruppieren.
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Dahinter stehen in Nachbarschaftsgruppen die Wohnhäuser. Es wird flächensparend und mit lokalen Materialien, also Holz und Lehm, gebaut. Die Wasserkreisläufe werden nach Möglichkeit geschlossen gehalten. Aktive und passive Solarenergienutzung wird eine Rolle spielen. Die hauptsächliche Energie bezieht dieses Dorf auf dem flachen Land jedoch von einer Windkraftanlage.
Man sieht: Hier wird mit der Idee der Selbstversorgung ernst gemacht. Dieses Ökodorf hat die Subsistenzperspektive. Seine Gründung ist sorgfältig und langfristig vorbereitet worden. Seit Ende der 80er Jahre existiert eine Vorbereitungsgruppe für ein Ökodorf-Projekt, die zunächst in Westdeutschland Menschen und Ideen sammelte. So bildete sich ein Freundeskreis von ca. 200 Menschen. 1993 erwarb der Verein in dem Altmark-Dorf Groß-Chüden einen Fachwerkhof und baute ihn zu einem Ökodorf-Projektzentrum um. Etwa 60 Leute waren beteiligt, die im Zentrum und in Wohngruppen in der Umgehung lebten und mit der Aufbauarbeit begannen. Sowohl das Tagungshaus als auch die Schule und die Handwerksbetriebe nahmen den Betrieb auf. Aber die Perspektive blieb während der ganzen Zeit, einen endgültigen Standort zu finden, das Grundkapital für das neue Dorf aufzutreiben und Leute dafür zu gewinnen. Im März 1997 war es soweit. In Poppau fanden die Ökodörfler sowohl ein geeignetes Grundstück als auch ein großes Wohlwollen und eine uneingeschränkte Offenheit bei den neuen Nachbarn und dem Bürgermeister der Gemeinde.
Der Aufbau begann im Sommer: Das Jahrestreffen freireisender Wandergesellen aus ganz Deutschland fand auf dem Gelände von Poppau statt. Ein zweiwöchiger Arbeitseinsatz war das Taufgeschenk der Gesellinnen und Gesellen an die Ökodorf-Initiative. 60 Leute begannen mit dem Rohbau des Stallgebäudes. Eine Küche, sanitäre Anlagen, ein Schlafboden und eine Holztreppe wurden eingebaut, so daß der Stall als Bauhütte für die Arbeiten auf dem Gelände dienen kann, die 1998/99 beginnen.
Zunächst wird als Modellhaus das Zentrum des neuen Gemeinwesens entstehen. Es wird einen Versammlungsraum, ein Cafe, einen Naturkostladen und Büros beherbergen. Parallel dazu werden die ersten 20 Siedlerinnen und Siedler den Bau ihrer Wohnhäuser und den Aufbau ihrer neuen Existenz im Ökodorf Poppau in Angriff nehmen.
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