Anmerkungen Grof 1985
1. Die Beschaffenheit der Realität: Auf dem Weg zu einem neuen Paradigma
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1) In späteren Arbeiten hat Thomas Kuhn angefangen, noch genauer zwischen Bestandteilen und Elementen dessen zu differenzieren, was er ursprünglich mit dem globalen Begriff Paradigma bezeichnete. So unterschied er beispielsweise zwischen symbolischen Verallgemeinerungen (bestimmte festgelegte Beziehungen werden in Form von kurzen Gleichungen ausgedrückt, etwa k = mb, I = U/R, e = mc2 usw.), Vertrauen auf bestimmte Modelle (das Planetenmodell des Atoms, das Teilchen- oder Wellenmodell des Lichts, die Vorstellung, daß sich Gas aus winzigen billardballgleichen Materieteilchen zusammensetzt, die sich nach dem Zufallsprinzip bewegen, usw.), gemeinsamen Werten (etwa die Anerkennung der Bedeutung von Vorhersagbarkeit, Überprüfbarkeit, Wiederholbarkeit, logischer Stimmigkeit, Plausibilität und Sichtbarkeit von Untersuchungsdaten, die Anerkennung eines akzeptablen Fehlerspielraums), und Musterbeispielen (Beispiele für konkrete Problemlösungen, bei denen anerkannte Prinzipien in verschiedenen Bereichen angewandt werden).
2) Beispiele dafür sind die Grundaxiome der Euklidschen Geometrie (zwei Punkte können nur mit einer geraden Linie verbunden werden, zwei parallele Linien treffen sich nie), Newtons Postulat von der Unzerstörbarkeit der Materie sowie seine Bewegungsgesetze, und Einsteins Prinzipien der Konstanz oder Relativität.
3) Nach Frank hat die Wissenschaft das Ziel, ein System von Beziehungen zwischen Symbolen und operationalen Definitionen dieser Symbole in einer Weise herzustellen, die gewährleistet, daß logische Schlußfolgerungen aus diesen Sätzen zu Sätzen über beobachtbare Fakten werden, die wiederum durch tatsächliche Beobachtungen bestätigt werden.
4) Die Diskussion des kartesianisch-Newtonschen Paradigmas folgt streckenweise den Darstellungen Fritjof Capras in seinen Büchern Das Tao der Physik und Wendezeit: Bausteine für ein neues Weltbild. Ich möchte mit besonderem Dank den Einfluß hervorheben, den er auf mein Denken in diesem Bereich ausübt.
5) Die griechische Bezeichnung atomos leitet sich von dem Verb temnein - zerteilen -und der negierenden Vorsilbe a- ab; atomos heißt demnach unteilbar, etwas, was sich nicht weiter zerteilen läßt.
6) Diese Theorie wurde in ihrer knappsten Form von den sogenannten »Vulgärmaterialisten« formuliert. Sie widersetzten sich der Annahme, daß sich das Bewußtsein in irgendeiner Hinsicht von anderen physiologischen Funktionen unterscheidet, und behaupteten, daß das Gehirn das Bewußtsein etwa so produziere wie die Nieren den Urin.
7) Einen ähnlichen Standpunkt hat kürzlich R. D. Laing in seinem prägnanten und reichhaltig dokumentierten Buch Voice of Experience (109) eingenommen.
8) Ein gutes Beispiel dafür ist die Vision von Charlotte, die ich in meinem Buch Realms of the Human Unconscious. Observations front LSD Research (deutsch Topographie des Unbewußten) analysiert habe (67).
9) Eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Arten psychedelischer Erfahrungen mit klinischen Beispielen findet sich in meinem Buch Topographie des Unbewußten (67), eine Zusammenfassung des Materials im zweiten Teil dieses Buches unter dem Titel »Dimensionen der menschlichen Psyche: Eine Kartographie des Innenraums«.
10) Der Begriff perinatal setzt sich aus dem Griechischen peri und dem Lateinischen natalis zusammen. Peri- bedeutet wörtlich um etwas herum oder bei, natalis heißt die Geburt betreffend. Gemeint sind Ereignisse, die der biologischen Geburt unmittelbar vorangehen oder folgen bzw. sie begleiten.
11) Die gelegentlichen Erlebnisse von Ereignissen aus der Zukunft, einzelne präkognitive Wahrnehmungen oder komplexe hellseherische Visionen von Zukünftigem werfen in diesem Zusammenhang ein besonderes Problem auf.
12) Beispiele dafür sind Das Tao der Physik (25) und Wendezeit: Bausteine für ein neues Weltbild (26) von Fritjof Capra; The Medium, the Mystic and the Physicist (114) von Lawrence LeShan; The Reflexive Universe (214) und Geometry of Meaning (213) von Arthur Young; Die tanzenden Wu-Li Meister (216) von Gary Zukav; Mind Science: A Physics of Consciousness Primer (78) von Nick Herbert; Taking the Quantum Leap (212) von Fred Wolf; Stalking the Wild Pendulum (13) von Itzak Bentov, und viele andere.
13 Dieses Konzept des dynamischen Vakuums hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Vorstellung von der meta- und suprakosmischen Leere, die sich in vielen Systemen der philosophia perennis findet.
14 Die bedeutendsten Aspekte seiner Kritik an der mechanistischen Wissenschaft finden sich in seinen Büchern Ökologie des Geistes (10) und Geist und Natur (11).
15 Dieser theoretische Konflikt zwischen der mechanistischen Wissenschaft und den modernen revolutionären Entwicklungen ist eine Neuauflage des alten Konflikts zwischen den großen Schulen der griechischen Philosophie. Während für die ionische Schule in Milet - Thales, Anaximenes, Anaximandros u.a. - die grundlegende philosophische Frage lautete: »Woraus besteht die Welt?« oder »Was ist ihre Grundsubstanz?«, glaubten Piaton und Pythagoras, daß ihre Form, ihre Strukturierung und ihre Ordnung das Entscheidende sei. Die moderne Wissenschaft bezieht einen eindeutig neo-platonischen und neo-pythagoräischen Standpunkt.
16 Der Begriff »dissipative Strukturen« leitet sich von der Tatsache ab, daß solche Strukturen kontinuierlich Entropie produzieren und die entstehende Entropie durch Austausch mit der Umgebung »dissipieren«, d.h. zerstreuen. Das berühmteste Beispiel ist die sogenannte Belousov-Zhabotin-Skireaktiori, bei der Malonsäure durch bromsaures Salz in einer Schwefelsäurelösung, die Zerium-, Eisen- oder Manganionen enthält, oxydiert.
17 In Erich Jantschs Büchern Design for Evolution (85) und Die Selbstorganisation des Universums. Vom Urknall zum menschlichen Geist (84) finden sich zahlreiche weitere Informationen zum hier besprochenen Thema.
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18 Das berühmteste Beispiel ist eine anekdotische Beobachtung, über die Lyall Watson in Der unbewußte Mensch (203) berichtet hat und die als das »Phänomen des hundertsten Affen« bezeichnet wird. Als eine junge japanische Äffin (Macaca fuscata) auf der Insel Koshima ein völlig neues Verhalten lernte - das Waschen von rohen Süßkartoffeln, die mit Sand und Kies bedeckt waren -, übertrug sich dieses Verhalten nicht nur auf die Artgenossen in ihrer unmittelbaren Umgebung, sondern tauchte auch bei Affen auf den benachbarten Inseln auf, und zwar dann, als eine bestimmte kritische Anzahl von Affen dieses Verhalten gelernt hatte.
19 In den letzten Jahren hat sich die Physik rapide auf den Punkt zubewegt, an dem sie sich eines Tages explizit mit dem Bewußtsein auseinandersetzen muß. Es gibt prominente Physiker, die die Überzeugung vertreten, daß eine künftige umfassende Theorie der Materie das Bewußtsein als einen wesentlichen und entscheidenden Bestandteil einbeziehen muß. Verschiedene Versionen dieser Auffassung stammen von Eugene Wigner (206), David Böhm (18), Geoffrey Chew (28), Fritjof Capra (26), Arthur Young (214), Saul-Paul Siraq und Nick Herbert (78).
20 Die klinischen Daten, die zu dieser Annahme führten, und die logischen Irrtümer in ihrer Interpretation sind bereits früher in diesem Buch besprochen worden.
21 Die Weisen der Hwa Yen-Tradition (in Japan: Kegon, im Sanskrit-Buddhismus: Avatamsaka) sahen das alle Universen umfassende Ganze als einen einzigen lebenden Organismus, der durch wechselseitig abhängige und sich gegenseitig durchdringende Prozesse des Werdens und Vergehens gekennzeichnet ist. Hwa Yen brachte dies in der folgenden Formel zum Ausdruck: Eines in Allem, Alles in Einem, Eines in Einem, Alles in Allem.
22 Das bedeutet, daß eine nähere Betrachtung eines holographischen Bilds aus unterschiedlichen Winkeln Aspekte erkennen läßt, die vorher verborgen waren. Dies ist bei der herkömmlichen Photographie oder Kinematographie nicht der Fall. Hier bewirkt eine Betrachtung aus anderen Winkeln lediglich eine Verzerrung des Bildes.
23 David Böhms Theorien sind in einer Reihe von Artikeln in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und in seinem Buch Wholeness and the Implicate Order (18) beschrieben.
24 Eine einfach verständliche Darstellung dieser neuen Forschungsbereiche findet sich in Paul Pietschs Buch Shufflebrain: The Questfor the Holographie Mind (150).
25 In diesem Zusammenhang ist besonders ein vor kurzem unternommener Versuch des sowjetischen Wissenschaftlers V. V. Nalimov zu erwähnen, eine Theorie des Unbewußten aufzustellen, die auf der Semantik und der Wahrscheinlichkeitstheorie basiert. Diesen Gedanken führt er in seinem Buch Realms ofthe Unconscious: The Enchanted Frontier (140) aus.
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2 Dimensionen der menschlichen Psyche: Eine Kartographie des Innenraums
1) Eine wichtige Aufgabe des Therapeuten in herkömmlichen Formen der Psychotherapie besteht darin, das Relevante vom Irrelevanten zu unterscheiden, psychische Abwehrmechanismen aufzudecken und Interpretationen zu geben. Das Schwierige dabei ist, daß all diese Dinge paradigmagebunden sind. Was relevant ist oder nicht, ist nicht durch allgemeine Übereinkunft festgelegt. Es hängt davon ab, ob man die Freudsche, Adlersche, Ranksche, Kleinsche, Sullivansche oder irgendeine andere Schule der dynamischen Psychotherapie vertritt. Fügen wir nun noch die Verzerrungen durch die Gegenübertragung hinzu, so wird der Vorteil von Ansätzen, die sich auf das Erleben konzentrieren, unmittelbar deutlich.
2 Zur Ableitung des Wortes »perinatal« siehe Fußnote S. 418.
3 Ich-Tod und Wiedergeburt sind kein einmaliges Erlebnis. Im Laufe einer systematischen und intensiven Selbsterfahrung tritt es wiederholt mit verschiedenen Dimensionen und Schwerpunkten auf, bis der Prozeß abgeschlossen ist.
4 Diese Beschreibung gibt die ideale Situation nach einer normalen und unkomplizierten Geburt wieder. Ein hinausgezögerter und übermäßig strapazierender Verlauf der Geburt, der Einsatz von Geburtszangen, eine Vollnarkose und andere Komplikationen bewirken spezifische Verzerrungen im Erleben dieser Matrix.
5 Im symbiotischen Zustand der Einheit mit dem mütterlichen Organismus gibt es keine Trennung zwischen Subjekt und Objekt. Störungen des intrauterinen Zustands oder die körperlichen und seelischen Leiden während der Geburt bewirken offenbar eine erste Differenzierung zwischen dem »leidenden Ich« und dem »mir Leiden verursachenden anderen«.
3 Die Welt der Psychotherapie: Auf dem Weg zu einem integrativen Ansatz
1 Viele Gedanken dieses Kapitels waren Bestandteil eines Hintergrundpapiers, das ich für Fritjof Capra zu dem Zeitpunkt verfaßte, als wir gemeinsam die Beziehungen zwischen der Psychologie und der modernen Physik erforschten. Dadurch erklärt sich eine gewisse inhaltliche Überschneidung mit zwei Kapiteln seines Buches Wendezeit: Bausteine für eine neues Weltbild (26).
2 Die genetische These der Psychoanalyse bezieht sich auf die Psychogenese und darf nicht mit Vererbung in Zusammenhang gebracht werden. Sie erklärt, wie frühere Ereignisse das Leben des einzelnen Menschen bestimmt haben und wie die Vergangenheit in der Gegenwart enthalten ist.
3 Abwehrmechanismen sind das Resultat eines Kampfes zwischen den vom Es ausgehenden Drängen und den Anforderungen der Außenwelt. Sie stehen in einem bestimmten Zusammenhang mit den einzelnen Phasen der libidinösen Entwicklung und mit der Entstehung verschiedener psychopathologischer Phänomene. Zu den wichtigsten Abwehrmechanismen, die sich in der psychoanalytischen Literatur finden, zählen die Verdrängung, die Ersatzbildung, die Reaktionsbildung, die Isolierung, das Ungeschehenmachen, die Rationalisierung, die Intellektualisierung, die Leugnung, die Regression, kontraphobische Mechanismen, das Sich-Zurückziehen und die Vermeidung, die Introjektion, die Identifikation, das Abreagieren, die Subli-mierung und die kreative Verarbeitung. Die beste Quelle für weitere Informationen über Abwehrmechanismen ist Anna Freuds Pionierarbeit Das Ich und die Abwehrmechanismen (51).
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4 Eine brillante und humorvolle Analyse dieser frustrierenden Situation findet sich in Jay Haleys Buch The Art of Psychoanalysis (72).
5 Nach der Beschreibung Sullivans gibt die »gute Brust« Milch und vermittelt ein Gefühl der Behaglichkeit und Geborgenheit. Die »böse Brust« gibt zwar Nahrung, aber in einem unbefriedigenden emotionalen Kontext wie etwa bei einer ängstlichen, gespannten oder nicht liebenden Mutter. Die »falsche Brust« fühlt sich wie eine Brustwarze an, gibt aber keine Nahrung und vermittelt auch kein Gefühl der Geborgenheit, etwa der eigene Daumen des Kindes.
6 Freuds Biograph Ernest Jones (88) gibt eine faszinierende Beschreibung von Freuds Reaktion auf die Veröffentlichung von Ranks Buch Das Trauma der Geburt (163). Jones erzählt, daß Freud beim Lesen dieses Buches einen heftigen emotionalen Schock erlebte. Er hatte große Sorge, daß Ranks Entdeckungen seine eigenen Beiträge zur Psychologie überschatten könnten. Dennoch verhielt er sich in dieser Angelegenheit zu Beginn fair. Er bezeichnete Ranks Gedanken als »die wichtigsten Fortschritte seit der Entdeckung der Psychoanalyse« und meinte, daß man ihnen gebührliche wissenschaftliche Beachtung schenken sollte. Was ihn schließlich dennoch bewog, Rank auszuschließen, waren nicht die wissenschaftlichen Meinungsverschiedenheiten, sondern ernste politische Bedenken. Sie wurden durch beunruhigende Briefe aus Berlin ausgelöst, in denen Freud davor gewarnt wurde, daß Ranks ketzerische Ansichten eine unheilbare Spaltung in der psychoanalytischen Bewegung bewirken würden.
7 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß Jean Paul Sartres Philosophie und literarische Arbeiten tiefgehend von einem schlecht verarbeiteten Meskalinerlebnis beeinflußt sind, in dem Elemente der zweiten perinatalen Grundmatrix dominierten. Diese Verbindung ist im einzelnen in einer speziellen Arbeit von Thomas Riedlinger (172) untersucht worden.
8 Es war kein geringerer als Albert Einstein, der anläßlich einer persönlichen Begegnung Jung dazu ermunterte, seinem Konzept der Synchronizität weiter nachzugehen (94). Besonders eng war Jung mit Wolfgang Pauli befreundet, einem der Begründer der Quantentheorie. Diese Freundschaft fand ihren Ausdruck in einer gemeinsamen Veröffentlichung von Jungs Essay über Synchronizität und Paulis Untersuchung der Archetypen im Werk von Johannes Kepler (143).
4 Der strukturelle Aufbau emotionaler Störungen
1 Aus dem Zusammenhang dürfte wohl deutlich ersichtlich sein, daß wir unsere Diskussion auf Probleme beschränken, die durch psychische Faktoren bedingt sind. Ausgeklammert sind Fälle mit einer offensichüichen organischen Ursache, etwa totale Erschöpfung durch eine schwere körperliche Krankheit, Paraplegie oder eine schwere chemische Dysfunktion des autonomen Nervensystems.
2 Der lateinische Ausspruch »Inter feces et urinas nascimur« - wir werden zwischen Kot und Urin geboren - ist somit keine philosophische Metapher, sondern die realistische Beschreibung einer menschlichen Entbindung, ausgenommen für den Fall, daß spezielle Maßnahmen zu ihrer Modifizierung getroffen werden.
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3 Die regelmäßige Beobachtung, daß die Schmerzen wiedererlebt werden, die mit dem Durchtrennen der Nabelschnur verknüpft sind, widerspricht den Behauptungen der Mediziner, daß diese Maßnahme keine Schmerzen bereiten kann, da die Nabelschnur keinerlei Nerven besitzt. Eine sorgfältige Beobachtung an Neugeborenen während der Nabelschnurdurchtrennung läßt aber deutliche Schmerzreaktionen im Verhalten erkennen.
4 Nach den in diesem Buch genannten CIA-Berichten gehörte dies auch zu den sexuellen Vorlieben Adolf Hitlers. Ein Diktator, der nach der absoluten Herrschaft über die ganze Welt strebte, wollte in seinem privaten Sexualleben gefesselt, gefoltert, gedemütigt und mit Kot besudelt werden.
5 Alle diese Zutaten erscheinen aus der Sicht der modernen Psychopharmakologie sehr sinnvoll. Die Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse enthalten hochwirksame psychoaktive Alkaloide, nämlich das Atropin, das Scopolamin und das Hyoscy-amin, wohingegen die Krötenhaut das psychedelisch wirksame Dimethylserotonin oder Bufotenin absondert.
6 Starke irrationale und unverständliche Schuldgefühle können absolut unerträglich sein und den betreffenden Menschen zu einem tatsächlichen Verbrechen verleiten. Kann er die Schuld mit einer konkreten Situation in Verbindung bringen, so empfindet er gewöhnlich eine gewisse Erleichterung. Dieses Phänomen, bei dem die Schuld dem Verbrechen vorausgeht und es eigentlich provoziert, ist in der Psychiatrie als Pseudodelinquenz bekannt. Eine typische kriminelle Person leidet in der Regel nicht unter Schuldgefühlen. Ihr Konflikt ist nicht innerlich, sondern bezieht sich auf die Gesellschaft und das Recht.
7 Jane English (36) hat die Nachwirkungen einer Geburt durch geplanten Kaiserschnitt systematisch untersucht. Sie beschreibt einige weitere Charakteristika von Menschen, die auf diese Weise auf die Welt kamen, nämlich eine Bindung an die bei der Geburt behilfliche Person und spätere Probleme in Beziehungen zu Personen des gleichen Geschlechts, abweichende Muster körperlicher Spannungen, eine Abwehrhaltung gegenüber körperlicher Annäherung usw.
8 Die neue Technik der Unterwassergeburt, die von dem am Moskauer Wissenschaftlichen Forschungsinstitut tätigen sowjetischen Arzt Igor Charkovsky eingeführt wurde, verdient in diesem Zusammenhang besondere Beachtung.
9 Die anatomische Struktur der Gebärmutter enthält eine sehr komplexe Anordnung aus Muskelfasern, in denen längliche, runde und spiralenförmige Elemente kombiniert sind. Die Gebärmutterarterien winden sich durch dieses Muskelgewebe. Als Folge davon drückt jede Gebärmutterkontraktion diese Blutgefäße zusammen und unterbricht somit den Kontakt zwischen Mutter und Kind, der über die Blutzufuhr von der Plazenta erfolgt.
10 Ein früherer Kollege von mir, der Selbstmord begangen hat, kann hier als Beispiel angeführt werden. Er war ein prominenter Universitätsprofessor der Psychiatrie und Toxikologie. Während einer seiner periodischen Attacken von Depression tötete er sich in dem Institut, in dem er arbeitete, und zwar indem er sich durch mehrere tiefe Schnitte mit einer Rasierklinge die Kehle weit öffnete. Wenn er lediglich sein Leben hätte beenden wollen, wäre es für ihn als Kenner vieler Gifte ein Leichtes gewesen, dies auf eine saubere, elegante und schmerzlose Art zu tun. Aber etwas in ihm trieb ihn dazu, den Selbstmord auf eine so drastische und blutige Art zu begehen.
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11 Nach populärer Ansicht und der Beschreibung von Personen, die vor dem Tod in Schnee und Eis gerettet wurden, folgen auf die anfänglichen Qualen des Frierens ein Gefühl von wohltuender Wärme und eines angenehmen Zerschmelzens sowie ein Zustand, der dem Schlaf oder dem Aufenthalt in der Geborgenheit des Mutterleibs ähnelt.
12 Die Ursprünge dieses Phänomens sind nicht so recht klar. Es scheint Verbindungen zu Geburtspraktiken bestimmter ethnischer Gruppen zu geben, bei denen die Frauen in stehender Position ihre Kinder zur Welt bringen, oder zu phylogenetischen Erinnerungen an die Geburt bei manchen Säugetierarten, die tatsächlich mit Fallen verknüpft ist.
13 Eine höchst interessante Erörterung über die Beziehungen zwischen Schamanismus und Psychose gibt Julian Silverman in seinem Artikel »Shaman und Acute Schizophrenia« (184). Der Bewußtseinszustand von Schamanen sowie ihre Techniken werden aus moderner Sicht von Michael Harner in seinem hervorragenden Buch Der Weg des Schamanen (74) und von Mircea Eliade in ihrer klassischen Untersuchung Schamanismus und archaische Ekstasetechnik (34) erforscht.
14 In diesem Zusammenhang sollte ein reichhaltig dokumentiertes wissenschaftliches Buch von Wasson, Hof mann und Ruck mit dem Titel Der Weg nach Eleusis (202) erwähnt werden. Die Autoren bringen glaubwürdige Belege dafür an, daß in den Tod-Wiedergeburt-Mysterien in Eleusis ein Mutterkornpräparat mit Bestandteilen, die in ihrer chemischen Zusammensetzung dem LSD-25 ähneln, als Sakrament verwendet wurde.
15 Einige Beobachtungen aus der Praxis der holotropen Therapie, auf die ich später noch näher eingehen werde, können in dieser Hinsicht vielleicht nützlich sein. Es bedarf keiner hoch wirksamen psychoaktiven Drogen wie LSD, um im Erleben bis zu der perinatalen und der transpersonalen Ebene seiner Psyche vorzudringen. Eine stützende Umgebung, schnelleres Atmen und anregende Musik vermögen innerhalb von Minuten bei einer Gruppe mit Personen, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden sind, ungewöhnliche Erlebnisse hervorzurufen, die traditionell als psychotisch gelten würden. Diese Situation ist aber nur von kurzer Dauer, läßt sich voll und ganz wieder rückgängig machen, wirkt sich psychosomatisch heilsam aus und fördert die Persönlichkeitsentfaltung.
5 Dilemmas und Kontroversen der traditionellen Psychiatrie
1 Der Begriff »Krankheit« oder die »nosologische Einheit« - vom griechischen Wort nosos = Krankheit - hat in der Medizin eine sehr spezifische Bedeutung. Er impliziert eine Störung mit einer bestimmten Ursache oder Ätiologie, aus der man die Pathogenese oder Entstehung der Symptome ableiten können sollte. Wird eine Störung in dieser Weise als »Krankheit« konzipiert, dann müßten spezifische therapeutische Strategien und Maßnahmen sowie Vorhersagen über den Krankheitsverlauf möglich sein.
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2 Das Prinzip der Symptomintensivierung spielt in der psychedelischen Therapie, der holonomen Integration und der Gestalttherapie eine wesentliche Rolle. Es bestimmt auch die Praxis der homöopathischen Medizin und wird in Viktor Frankls Technik der paradoxen Intention angewendet.
3 Die Lobotomie ist eine psychochirurgische Maßnahme, die in ihrer gröbsten Form darin besteht, daß die Verbindung zwischen dem Stirnlappen und dem restlichen Gehirn durchtrennt wird. Diese Technik, für die der portugiesische Chirurg Edgar Moniz 1950 den Nobelpreis erhielt, wurde anfangs sehr häufig in Fällen von Schizophrenie und schwerer Zwangsneurose angewendet. Später kam man von ihr ab und ersetzte sie durch feine mikrochirurgische Eingriffe. Welche bedeutende Rolle irrationale Motive in der Psychiatrie spielen, läßt sich an der Tatsache verdeutlichen, daß sich manche Psychiater, die nicht zögerten, bei ihren Patienten diese Operation durchführen zu lassen, später gegen die Benutzung des LSD mit dem Argument wehrten, es könnte eine mit den verfügbaren Methoden nicht festzustellende Hirnschädigung hervorrufen.
4 Eine ausführliche Diskussion der Probleme im Zusammenhang mit der psychiatrischen Diagnose, der Definition von Normalität, der Klassifikation, der Bewertung therapeutischer Ergebnisse und weiterer relevanter Fragen ist im Rahmen dieses Buches nicht möglich. Der interessierte Leser sei auf die Arbeiten von Donald Light (119), Thomas Scheff (180), R. L. Spitzer und P. T. Wilson (186), Thomas Szasz (191) u.a. verwiesen.
6 Neue Perspektiven des psychotherapeutischen Prozesses
1 Hylotrop - aus dem Griechischen hyle = Materie und trepein = sich auf etwas zubewegen - heißt materie-orientiert.
2 Holotrop - aus dem Griechischen holos = ganz und trepein = sich auf etwas zubewegen - heißt nach Ganzheit oder Totalität strebend.
3 Karl Pribram hat in einer persönlichen Diskussion über die Anwendung der holonomen Therapie auf psychopathologische Phänomene auf eine sehr interessante Parallele aufmerksam gemacht. Er wies darauf hin, daß der feste Strand oder die Wellen im offenen Meer allein kein Problem und keine Gefahr darstellen und der Mensch mit beiden leicht fertig wird. Genau die Berührungslinie zwischen Meer und festem Boden aber ist der Ort, an dem es zum gefährlichen Aufruhr kommt.
4 Anaklitische Bedürfnisse - aus dem Griech. anaklinein = sich anlehnen - sind primitive Bedürfnisse infantiler Natur, etwa das Verlangen, gehalten, geschaukelt, geknuddelt oder gefüttert zu werden.
5 Eine detailliertere Erörterung des Einflusses von COEX-Systemen, perinatalen Grundmatrizen und transpersonalen Steuerungssystemen findet sich in meinem Buch LSD-Psychotherapie (69).
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6 Ein höchst eindrucksvolles klinisches Beispiel für dieses Phänomen findet sich in meinem Buch LSD-Psychotherapie.
7 Erlebnisse mit perinatalen Elementen besitzen eine therapeutische Wirkung und ein Heilpotential, das die Vorstellungskraft von Therapeuten, die an langwierige und mühsame Arbeit auf der biographischen Ebene gewohnt sind, bei weitem übersteigt. Die Auswirkungen von lebensbedrohlichen Situationen und Sterbeerlebnissen auf die Persönlichkeit lassen sich anhand von David Rosens Untersuchung (176) an 10 Personen verdeutlichen, die sich in selbstmörderischer Absicht von der Golden Gateoder der Oakland Bay-Brücke in San Francisco gestürzt und überlebt hatten. Bei allen waren Anzeichen einer tiefgreifenden Persönlichkeitswandlung zu erkennen, obwohl der Sturz vom Brückengeländer bis zur Wasseroberfläche nur Sekunden dauerte und die nachfolgende Rettungsaktion eine Sache von Minuten war. Ähnliche Veränderungen lassen sich häufig auch bei Überlebenden von schweren Krankheiten, Unfällen oder Operationen beobachten. Ich habe diese extremen Beispiele erwähnt, um zu verdeutlichen, welche persönlichkeitsverändernden Kräfte bestimmten intensiven Erlebnissen innewohnen. Die Nutzung dieser Heilungsmechanismen in einem sicheren Rahmen und in einer Atmosphäre des Wohlwollens eröffnet der Psychotherapie neue revolutionäre Möglichkeiten.
8 Fritjof Capra hat einmal in einem Vortrag über holistische Medizin und moderne Physik ein karikierendes Beispiel aus dem Alltagsleben gebraucht, um das Absurde der symptomatischen Orientierung in der Therapie zu verdeutlichen. Er bat die Zuhörerschaft, sich einen Autofahrer vorzustellen, der auf das Aufblinken eines roten Lämpchens auf dem Armaturenbrett seines Autos, das einen kritischen Ölman-gel anzeigt, damit reagiert, daß er die Kabelverbindungen zum Warnsignalsystem unterbricht und dann - guten Glaubens, das Problem erfolgreich gelöst zu haben -weiterfährt.
9 Parallelen zu dieser Situation aus der Medizin wären das Unterdrücken von Erbrechen, das den Magen von seinem giftigen Inhalt befreien würde, das störende Eingreifen in einen Entzündungsprozeß, der einen Fremdkörper auszuschalten versucht, oder das Verschreiben von Sedativa gegen sexuelle Spannungen statt zur sexuellen Aktivität zu ermuntern.
7 Neue Perspektiven in der Psychotherapie und der Selbsterforschung
1 Leser, die am therapeutischen Gebrauch von Psychedelika interessiert sind, finden mehr Informationen in meinen Büchern Topographie des Unbewußten (67), Die Begegnung mit dem Tod (68), und LSD-Psychotherapie (69).
2 Interessierte Leser seien auf das Buch Prometheus The Awakener (192) von Richard Tarnas verwiesen, das eine Fundgrube an Informationen zum Verständnis der Form von Astrologie ist, die ich meine. Ein hervorragendes grundlegendes Handbuch der Astrologie auf der Basis der Transite ist Planets in Transit (73) von Robert Hand.
Schluß: Die gegenwärtige globale Krise und die Zukunft der Evolution des Bewußtseins
1) Die Psychohistorik ist eine neue Sozialwissenschaft, die sich mit der Untersuchung der historischen Motivation befaßt. In ihr werden die Methoden der tiefenpsychologischen Analyse auf historische Ereignisse angewendet, wobei der Hauptschwerpunkt auf den Erziehungspraktiken verschiedener geschichtlicher Epochen und der Dynamik der Kindheitserlebnisse bedeutsamer historischer Figuren ruht.
2) Das faszinierendste und vielversprechendste Erklärungssystem für die Dynamik historischer Ereignisse großen Ausmaßes ist meiner Meinung nach die Astrologie auf der Basis der Transite, die auf archetypischer Symbolik begründet ist. Der Nachweis ihrer gewaltigen logischen Beweiskraft würde den Rahmen dieses Buchs bei weitem überschreiten. Der interessierte Leser sei auf eine gelehrte und extrem gut dokumentierte Diskussion dieses theoretischen Ansatzes in dem Buch Prometheus The Awakener (192) von Richard Tarnas verwiesen.
3) Wenn die maximale statt der optimalen Körpergröße Ziel und Ideal der Evolution wäre, dann würden die Dinosaurier heute noch existieren und die dominierende Spezies sein. Eine höchst interessante Diskussion dieses Themas findet sich in der Fabel vom »polyploiden Pferd« in Gregory Batesons Buch Geist und Natur (11). Ein zu hoher und ein zu niedriger Blutdruck, eine zu hohe und eine zu niedrige Körpertemperatur, eine Zunahme oder eine Verringerung in der Anzahl der Blutzellen, ein Mangel oder ein Überschuß an Hormonen - all diese Abweichungen von einem optimalen Wert nach beiden Richtungen bringen spezifische Probleme mit sich. Ähnlich ist ein Mehr an Nahrung, Wasser, Vitaminen und Mineralien für den Organismus nicht unbedingt besser als ein Weniger. Für all diese Dinge gibt es bestimmte optimale Werte.
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