Stanislav GrofDas Abenteuer der Selbstentdeckung Heilung durch veränderte Bewusstseinszustände Ein Leitfaden
|
|
1987 detopia
|
Wenn
ihr euch selbst erkennt, Jesus, Thomas-Evangelium, Logion 3
Andere
zu erkennen, ist Weisheit, sich selbst zu erkennen, ist Erleuchtung. Lao Tsu, / Tao Te King XXXIII |
Grandios
und revolutionär
1999 Rezensent
aus Wien Lebensdynamiken mit Geburtserfahrungen erklären - reicht's? 2001 Axel München Ich finde das Buch interessant, damit eine andere Idee an die Hand zu bekommen, seinem Verhalten auf die "Schliche" zu kommen. Ich kann nachvollziehen, was unter dem Einfluß der Geburt an "Prägungen" entstehen kann und wie COEX-Systeme das Verhalten nachhaltig beeinflussen können. Ich vermisse jedoch Anregungen, wie man solche Erkenntnisse in den Alltag, in sein Verhalten, integrieren könnte, um seiner Persönlichkeit 'Gutes' zu tun (wie zum Beispiel die Vision, die das Abschlußbild bei systemischen Familienaufstellungen darstellt). # Für Selbsterkenntnis-Neueinsteiger finde ich das Buch schon eine Herausforderung, einerseits an das übliche westliche Weltbild und andererseits weil ich es anstrengend zu lesen fand. Trotzdem hat es mir geholfen, Selbsterkenntnis zu gewinnen und habe es schon weiterempfohlen. |
Einleitung
9-16
Schon früh in meiner beruflichen Laufbahn wurde ich auf die bemerkenswerten heilenden und transformativen Kräfte außergewöhnlicher Bewußtseinszustände aufmerksam, einmal aufgrund mehrerer tiefgehender persönlicher Erfahrungen mit psychedelischen Substanzen, zum anderen durch die klinische Beobachtung der Wirkung solcher Substanzen bei psychiatrischen Patienten. Die systematische Erforschung der theoretischen Bedeutung und des praktischen Werts außergewöhnlicher Bewußtseinszustände bildet den Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Arbeit seit nunmehr über drei Jahrzehnten.
In den ersten zwanzig Jahren war diese Arbeit fast ausschließlich verschiedenen psychedelischen Substanzen gewidmet, anfangs im Rahmen verschiedener Forschungseinrichtungen in Prag in der CSSR, später am Maryland Psychiatrie Research Center in Baltimore.
Aufgrund meiner Forschungen gelangte ich zu der Überzeugung, daß Psychedelika - wenn sie richtig und unter sachkundiger Anleitung eines Fachmannes verwendet werden - außergewöhnliche Hilfsmittel für Psychiatrie und Psychologie darstellen. Sie führen nämlich nicht drogenspezifische Zustände herbei, wie andere Pharmaka, sondern funktionieren eher wie unspezifische Katalysatoren oder Verstärker der unbewußten Prozesse. Sie erhöhen das Energieniveau der menschlichen Psyche und legen auf diese Weise ihre tief verborgenen Inhalte sowie ihre dynamischen Zusammenhänge offen.
Wenn man also mit LSD und anderen Psychedelika klinisch arbeitet, so untersucht man nicht lediglich die Auswirkungen einer hochwirksamen und exotischen psychoaktiven Substanz oder einer Gruppe von chemischen Verbindungen, sondern man erschließt den wohl am meisten versprechenden Zugang zum Verständnis der menschlichen Psyche und des menschlichen Wesens.
Die Ergebnisse der psychedelischen Forschung sind direkt übertragbar auf andere Situationen, in denen das Bewußtsein mit verschiedenen nicht-pharmakologischen Maßnahmen verändert wird.
Sie werfen ein völlig neues Licht auf Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft, der vergleichenden Religionswissenschaft und der Anthropologie in bezug auf die alten Tod- und Wiedergeburt-Mysterien, die Übergangsriten verschiedener Kulturen, die Prozeduren von Schamanen aller Zeiten, die Heilungszeremonien bei Naturvölkern, die spirituellen Praktiken von Religionen und mystischen Traditionen sowie auf andere Phänomene von großer kultureller Bedeutung.
Die außergewöhnlichen Bewußtseinszustände, die man in diesen unterschiedlichen Zusammenhängen beobachtet, werden in manchen Fällen mit Hilfe heiliger psychedelischer Pflanzen herbeigeführt (siehe Anhang), in anderen durch die Verwendung hochwirksamer nicht-pharmakologischer Maßnahmen, bei denen Atemtechniken, lautes Singen, Trommeln, monotones Tanzen, die Überflutung der Sinne mit Reizen, soziale Isolation und Reizdeprivation, Fasten sowie Schlafentzug auf verschiedene Weise miteinander kombiniert werden. Verblüffenderweise lassen sich die vielfältigen Erfahrungen, die durch psychedelische Verbindungen herbeigeführt werden, praktisch von Erfahrungen, die von verschiedenen nicht-pharmakologischen Techniken herrühren, nicht unterscheiden.
Ähnliche Phänomene können auch mit modernen Labormethoden, die außergewöhnliche Bewußtseinszustände fördern, hervorgerufen werden. Dazu gehören beispielsweise verschiedene Formen von Biofeedback, der Aufenthalt in einer Kabine oder einem Tank, wobei man von äußeren Reizen femgehalten wird, die Überflutung mit optischen oder akustischen Reizen, Schlafentzug und Traumde-privation, die Verwendung kinästhetischer Vorrichtungen wie der »Hexenwiege« oder des rotierenden Betts, die Reizung des Gehirns mit Licht oder mit Tönen u. a. Auch die Erlebnisse mancher Personen in einer Kammer, in der der Sauerstoffgehalt der Atemluft reduziert ist, können psychedelischen Zuständen ähneln.
Besonders interessant in Anbetracht des Hauptthemas dieses Buchs ist, daß das gesamte Spektrum von Erfahrungen in psychedelischen Therapiesitzungen durch verschiedene nicht-pharmakologische Formen erlebnisorientierter Psychotherapie herbeigeführt werden kann, handele es sich dabei um Hypnose zur Aufdeckung verdrängter Erinnerungen, Primärtherapie, Methoden der Neo-Reichianer, Gestalttherapie, Nacktmarathon- und Aquaenergetikgruppen sowie verschiedene Formen von Rebirthing.
10
Wie ich später noch im einzelnen beschreiben werde, sind alle diese Erfahrungen auch charakteristisch für die holotrope Therapie, eine hochwirksame Technik, mit der wir jetzt seit zehn Jahren arbeiten.
In diesem Zusammenhang sollte ich auch noch zwei Situationen erwähnen, in denen sich außergewöhnliche Bedingungen einstellen. Da wären vor allen Dingen spontan auftretende ungewöhnliche Erlebnisse, die manche Menschen aus unbekannten Gründen haben. In der traditionellen Psychiatrie gelten solche Erlebnisse gegenwärtig als medizinische Probleme, als Manifestationen von Erkrankungen mit ungeklärter Ursache. In die zweite Kategorie spontan auftretender außergewöhnlicher Bewußtseinszustände fallen die sogenannten Nahtoderfahrungen, die uns etwa 40 Prozent der Menschen, die mit lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert wurden, berichten (Moody 1975, Ring 1980 und 1984, Sabom 1983).
Was einige der oben beschriebenen Situationen anbelangt, so müssen wir uns auf historische Rekonstruktionen stützen, andere erfordern Felduntersuchungen in fremden Kulturen und unter schwierigen Bedingungen, und wiederum andere sind zu elementar oder unvorhersagbar, um systematisch wissenschaftlich untersucht werden zu können. Die Tatsache aber, daß die beteiligten Phänomene in psychedelischen Zuständen ihre Parallelen finden, eröffnet die einmalige Gelegenheit, sie unter den kontrollierten Bedingungen eines klinischen oder eines Laborexperiments zu untersuchen. Dieser Punkt verdient besonderes Interesse, da die Phänomene, die man in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen beobachtet, auch für viele andere Forschungsbereiche von großer Tragweite sind.
Die neuen Erkenntnisse haben so weitreichende Bedeutung, daß sie unsere Auffassung von der menschlichen Psyche, von den psycho-pathologischen Erscheinungen und vom therapeutischen Prozeß von Grund auf ändern könnten. Manche Beobachtungen sind nicht nur für die Psychologie und die Psychiatrie relevant, sondern stellen darüber hinaus das gegenwärtige Kartesianisch-Newtonsche Paradigma der westlichen Wissenschaft in Frage. Sie könnten unser Bild vom Wesen des Menschen, von der Kultur und der Geschichte, ja sogar von der Wirklichkeit drastisch verändern.
11
Nun ist der unkontrollierte Genuß psychedelischer Drogen heutzutage, speziell bei der jungen Generation, weit verbreitet. Aufgrund der daraufhin getroffenen gesetzlichen, politischen und administrativen Maßnahmen ist die psychedelische Forschung zunehmend schwieriger und unpopulärer geworden. Ich freute mich daher ganz besonders, als ich im Laufe der letzten zehn Jahre meiner beruflichen Tätigkeit die Entdeckung machte, daß faktisch das gesamte Spektrum psychedelischer Phänomene mit Hilfe einfacher und sicherer nicht-pharmakologischer Mittel hervorgerufen werden kann. Zusammen mit meiner Frau Christina gelang es mir, eine Technik zu entwickeln, die sich in dieser Hinsicht als besonders effektiv erwiesen hat.
Die theoretische Grundlage dieses Ansatzes, den wir »Holonome Integration« oder »Holotrope Therapie« nennen, bilden die Beobachtungen aus der psychedelischen Forschung. In ihm sind auf bestimmte Weise kontrolliertes Atmen, Musik und andere klangliche Mittel, gezielte Körperarbeit und Mandalazeichnen kombiniert. Unsere eigenen Erfahrungen mit dieser Technik beschränken sich bisher auf bis zu vier Wochen dauernde Workshops. Wir hatten noch nicht die Gelegenheit, sie anhand solcher streng kontrollierter klinischer Studien zu überprüfen, wie wir sie in Baltimore bei der Erforschung der psychedelischen Therapie verwendet haben.
Die meisten Teilnehmer unserer Workshops aber empfinden diese Technik als ein sehr effektives und faszinierendes Instrument zum Zweck der Selbsterforschung, das ausgesprochen gut geeignet ist, transformative und mystische Erfahrungen herbeizuführen. Wie sie häufig erklärten, war sie jeder Form von verbaler Therapie, die sie früher ausprobiert hatten, bei weitem überlegen. Selbst in nur kurzen Workshops konnten wir viele dramatische Besserungen verschiedener emotionaler und psychosomatischer Störungen beobachten, von Störungen, die oft sehr schwer waren und seit langer Zeit bestanden hatten. In vielen Fällen wurde uns auf informelle Weise — durch Briefe, Telefonanrufe und anläßlich einer späteren Begegnung — bestätigt, daß solche Veränderungen von Dauer waren.
12
Mehrere Kollegen und Kolleginnen, die mit uns die Anwendung dieser Technik geübt hatten und sie später in ihren Krankenhäusern anwendeten, gelangten zu den gleichen Schlußfolgerungen.
In den letzten zehn Jahren haben wir die holotrope Atemtechnik bei vielen Tausenden von Teilnehmern an unseren Workshops in Nord-und Südamerika, in verschiedenen Ländern Europas, in Australien sowie in Asien angewendet und konnten feststellen, daß sie in all diesen verschiedenen Teilen der Welt in gleichem Maße erfolgreich war - trotz der großen kulturellen Unterschiede. ^^^SeijSfiuch ist die | Alttwort auf die wiederholte N^Ihfragewach einer einfachen und leicht verständlichen, von Fachleuten und interessierten Laien gleichermaßen verwendbaren Darstellung der grundlegenden Informationen über Theorie und Praxis der holotropen Therapie.
In meinen früheren Büchern lag der Schwerpunkt auf der Arbeit mit Psychedelika. Dadurch war der Kreis der interessierten Leser sicherlich erheblich eingeschränkt. Aufgrund des revolutionären Charakters der neuen Erkenntnisse mußte ich diese im Rahmen fachlicher Diskussionen psychologischer Theorien darlegen und die Auseinandersetzung zwischen dem Kartesianisch-Newtonschen Paradigma und dem aufkommenden neuen Paradigma mit einbeziehen. Das vorliegende Buch unterscheidet sich von meinen früheren Büchern in vielerlei bedeutsamer Hinsicht. Obwohl es zahlreiche Bezugnahmen auf die psychedelische Forschung und Schilderungen von Drogenzuständen enthält, stehen im Mittelpunkt einfache, nicht-pharmakologische Techniken der Selbsterforschung, zu denen die allgemeine Öffentlichkeit leicht Zugang hat und deren Verwendung nicht durch eine repressive Gesetzgebung oder durch andere Probleme, die Experimente mit Psychedelika komplizieren, eingeschränkt ist. Alle interessierten Leser sollten Gelegenheit finden können, die in diesem Buch aufgestellten Behauptungen in speziellen Selbsterfahrungsworkshops unter fachkundiger Anleitung zu überprüfen.
Auch von rein fachlichen Erörterungen, die das neue Material zum allgemein akzeptierten Wissensstand in der Psychologie und in anderen wissenschaftlichen Disziplinen in Beziehung setzen, habe ich hier abgesehen. Wie ich vermute, hat sich das generelle geistige Klima so gewandelt, daß die Leser vielfach entweder mit den Argumenten, die ich vorbringen würde, bereits vertraut sind oder das von mir Gesagte auch ohne sie akzeptieren.
13
Da ich auf alle diese Fragen in meinen früheren Büchern eingegangen bin, werde ich entsprechende Hinweise auf sie für diejenigen geben, die eine solche theoretische Darlegung notwendig, nützlich oder interessant finden. Die grundlegenden Ergebnisse meiner klinischen Forschung mit Psychedelika sind sehr ausführlich in meinem Buch »LSD-Psychotherapie« (Grof 1983) besprochen. Die Beziehung zwischen den neuen Konzepten und den Hauptrichtungen der Tiefenpsychologie ist eingehend in meinem letzten Buch, »Geburt, Tod und Transzendenz: Neue Dimensionen in der Psychologie« (Grof 1985), abgehandelt.
Von besonderer Relevanz für das vorliegende Buch ist der Abschnitt »Der strukturelle Aufbau emotionaler Störungen«, der als wichtige Ergänzung hinzugenommen werden kann. In »Geburt, Tod und Transzendenz« spreche ich auch ausführlich über wissenschaftliche Paradigmen und die Grenzen des Kartesianisch-Newtonschen Denkens in der Wissenschaft. Dabei vergleiche ich die Ergebnisse der modernen Bewußtseinsforschung mit den revolutionären Entwicklungen in anderen wissenschaftlichen Disziplinen und mit verschiedenen Aspekten des aufkommenden neuen Paradigmas.
fch möchte gemf daß dieses Buch ein leicht verständlicher Führer für die Selbsterforschung und eine effektive Psychotherapie ist, und will es daher nicht durch lange Abschweifungen in verwandte Problembereiche belasten, nur um manches Gesagte zu rechtfertigen, oder es noch glaubwürdiger zu machen. Den letzten »Beweis« können die Leser nur in der eigenen Erfahrung finden. Ohne sie wird vermutlich vieles von dem, was in diesem Buch steht, nicht überzeugend sein, auch wenn ich noch so sorgfältig durchdachte intellektuelle Argumente zur Stützung vorbrächte.
Im ersten Teil dieses Buchs befasse ich mich vor allem mit der erweiterten Kartographie der Psyche, die das Ergebnis meiner klinischen Arbeit mit Psychedelika ist. Ich beschreibe die grundlegenden Arten von Erfahrungen, die die meisten Menschen normalerweise machen, wenn sie auf ernsthafte Weise Selbsterforschung betreiben — sei es mit Psychedelika oder mit verschiedenen hochwirksamen nicht-pharmakologischen Selbsterfahrungstechniken.
14
Während das Modell der menschlichen Psyche, von dem die traditionelle akademische Psychotherapie ausgeht, auf die analytischbiographische Ebene beschränkt bleibt, d.h. sich ausschließlich mit nachgeburtlichen Erinnerungen aus dem eigenen Leben befaßt, sind in der neuen Kartographie zwei zusätzliche Ebenen enthalten, die über die reine Biographie hinausgehen. Es handelt sich dabei einmal um die perinatale Ebene, die durch die beiden untrennbar miteinander verbundenen Phänomene von Tod und Wiedergeburt gekennzeichnet ist, und um die transpersonale Ebene, auf der im Prinzip jeder Aspekt der phänomenalen Welt sowie verschiedene mythische und archetypische Bereiche unmittelbar erfahren werden können. Nach meiner Auffassung ist die Kenntnis dieser erweiterten Kartographie der menschlichen Psyche für eine gefahrlose und effektive Selbsterforschung unerläßlich.
Im zweiten Teil gehe ich zum ersten Mal ausführlich auf die Grundprinzipien der holotropen Therapie ein, einer eklektischen psychotherapeutischen Technik ohne Anwendung von Drogen, die ich schon kurz erwähnt habe. Diese Methode kann für sich allein, als Ergänzung zu einer psychedelischen Therapie oder in Verbindung mit verschiedenen anderen Selbsterfahrungstechniken und verschiedenen Formen von Körperarbeit angewendet werden. Zwar können die Beschreibung und die Erörterung der holotropen Therapie in diesem Buch die eigentliche Ausbildung in dieser Therapieform nicht ersetzen, zu der persönliche Erfahrung und Arbeit mit anderen unter Supervision gehören, doch werden die Informationen gegeben, die für den Klienten wie auch für den Therapeuten notwendig sind.
In einem besonderen Abschnitt konzentriere ich mich auf die effektiven Mechanismen der Heilung und der Persönlichkeitstransformation, die in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen wirksam sind- unabhängig davon, ob diese sich spontan einstellen, durch Drogen herbeigeführt werden oder im Laufe einer Behandlung mit verschiedenen nicht-pharmakologischen Formen von Psychotherapie auftreten. Obwohl die meisten dieser Mechanismen neue Prinzipien im Repertoire westlicher Therapiemethoden darstellen, sind sie eigentlich sehr alt. Sie haben seit undenklichen Zeiten in Praktiken von Schamanen, in Heilritualen und Übergangsriten eine bedeutsame Rolle gespielt. Heutzutage werden sie wiederentdeckt und in die Sprache der modernen Wissenschaft übersetzt.
15
Das Buch schließt mit einer Erörterung der Frage, welche Möglichkeiten und welche Ziele mit einer Selbsterforschung verknüpft sind, die sich die therapeutische und transformative Kraft außergewöhnlicher Bewußtseinszustände zunutze macht. Dabei beschreibe ich auch, wie dieser Prozeß der Heilung emotionaler und psychosomatischer Störungen einhergeht mit der Erkenntnis einer befriedigenderen Lebensstrategie und der Suche nach Antworten auf die grundlegenden ontologischen und kosmologischen Fragen der Existenz.
Der Anhang über psychedelische Therapie soll das Buch sowohl in historischer als auch in thematischer Hinsicht vervollständigen. Wie ich schon erwähnte, entwickelte sich die Technik der holotropen Therapie aus der Arbeit mit Psychedelika und läßt sich voll und ganz mit ihr vereinbaren. Obwohl die psychedelische Therapie heutzutage so gut wie überhaupt nicht ausgeübt wird, mag dieser Abschnitt für manche Leser von Interesse sein, entweder aufgrund eigener Erfahrungen mit Psychedelika oder aus rein theoretischen Gründen.
Meine insgeheime Hoffnung ist ja, daß dieses ungewöhnliche therapeutische Verfahren in nicht allzu ferner Zukunft in die Psychiatrie und Psychologie wieder Eingang finden wird.
Wenn überhaupt oder sobald dies tatsächlich der Fall sein sollte, könnten Psychedelika Teil eines ganzen Kontinuums therapeutischer Maßnahmen sein — eines Kontinuums, das transpersonal orientierte Interviews, das Sandspiel nach C.G. Jung, verschiedene Formen von Meditation, Gestaltübungen, Körperarbeit, die holotrope Therapie und möglicherweise noch andere, mit den genannten Vorgehensweisen vereinbare Ansätze umfaßt. All diese Techniken, die einander ergänzen und in der gleichen Richtung wirksam sind, könnten dann mit der nötigen Flexibilität und Feinfühligkeit im Rahmen einer gefahrlosen und wirklich effektiven Psychotherapie und Selbsterforschung angewendet werden.
Ich habe dieses Buch in der Hoffnung geschrieben, daß zumindest einige Leser oder Leserinnen es als wertvollen Begleiter und Führer auf ihrem eigenen Weg zur Selbsterkenntnis empfinden werden — einem Weg, der uns nach Ansicht vieler großer Philosophen und Weiser einem der edelsten Ziele der Menschheit näherbringen soll.
Big Sur, Kalifornien, 1986: Stanislav Grof, M.D.
16
I. Dimensionen des Bewußtseins: Eine neue Kartographie der menschlichen Psyche
Die traditionelle Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie benutzt ein Modell der menschlichen Persönlichkeit, das sich auf die Biographie und das von Sigmund Freud beschriebene persönliche Unbewußte beschränkt. Dieser Ansatz mag im Rahmen einer psychotherapeutischen Selbsterforschung mit Hilfe oberflächlicher Techniken, die auf dem verbalen Austausch basieren - beispielsweise die freie Assoziation oder das persönliche Interview - angemessen sein. Jedoch versagt ein solches Modell als Erklärung für die dynamischen Vorgänge bei der Heilung emotionaler und psychoso-matischer Störungen, der Persönlichkeitstransformation und der Weiterentwicklung des Bewußtseins durch so hochwirksame Techniken wie die psychedelische Therapie, den heilenden Trancetanz oder bestimmte Selbsterfahrungsmethoden in der modernen Psychotherapie.
Solche Techniken aktivieren und mobilisieren tief unbewußte und überbewußte Ebenen der menschlichen Psyche und erfordern zu ihrem Verständnis einen sehr viel weiter gefaßten theoretischen Rahmen. Jeder, der sie für die eigene Selbsterforschung oder als Therapeut benutzt, braucht ein Modell oder eine Kartographie der Psyche, die Bereiche jenseits des rein Biographischen einschließt. Wir selber betrachten die Kenntnis einer solchen »Landkarte des Innenraums« als eine notwendige Voraussetzung für jede ernsthafte Arbeit an sich selbst und stellen sie im folgenden als Vorbereitung sowohl für die psychedelische als auch für die holotrope Therapie vor. Obwohl dieses Modell ursprünglich zur Erklärung der dynami-
17