Teil A
Der Unteroffizier als Vorgesetzter, Ausbilder
und Erzieher eines militärischen Kollektivs
1. Anforderungen an den Unteroffizier als Vorgesetzter, Ausbilder und Erzieher in der Nationalen Volksarmee [1067]
1.1. Ziele und Aufgaben der Führungstätigkeit des Unteroffiziers
Unter den Bedingungen eines modernen Krieges gewinnt das Handeln des Unteroffiziers als Führer kleiner und kleinster militärischer Kollektive ständig an Bedeutung. Die Gruppen, Bedienungen, Besatzungen und Trupps lösen im bewaffneten Kampf Aufgaben, die vom Unteroffizier ein hohes Maß an Initiative und Ausdauer, hohe physische und psychische Belastbarkeit bei der Führung seines Kollektivs, bei der Wartung technischer Einrichtungen und der Bedienung komplizierter Anlagen erfordern. Aber auch im Frieden trägt der Unteroffizier als unmittelbarer Vorgesetzter seiner Unterstellten eine hohe Verantwortung für Mensch und Technik und nimmt stündlich und täglich Einfluß auf das sozialistische Bewußtsein sowie auf das militärische Denken und Handeln der Armeeangehörigen.
Deshalb muß der Unteroffizier:
von der Richtigkeit der marxistisch-leninistischen Weltanschauung zutiefst überzeugt sein;
sich in seinem Handeln vom Vertrauen zur Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei, der SED, leiten lassen;
seine Unterstellten gut kennen und sich um ihre persönlichen Belange sorgen;
die militärischen, politisch-moralischen, psychischen und physischen Anforderungen des modernen Gefechts kennen und seine Unterstellten befähigen, diese erfolgreich zu bewältigen;
dafür sorgen, daß die Unterstellten die Bewaffnung, Kampftechnik und Ausrüstung meisterhaft beherrschen und ständig einsatzbereit halten;
ständig sein eigenes politisches, militärisches und militärpädagogisches Wissen und Können vervollkommnen.
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Der Unteroffizier führt nach dem Prinzip der Einzelleitung (s. Seite 23, Abschnitt 2.2. »Die militärische Einzelleitung — grundlegendes Prinzip der Truppenführung (der Nationalen Volksarmee«).
Die Ausbildung und Erziehung sozialistischer Soldatenpersönlichkeiten, die fähig und bereit sind, an der Seite der Sowjetarmee und der anderen sozialistischen Bruderarmeen den Sozialismus zuverlässig zu schützen, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Unteroffiziers. Dabei geht es vor allem um die Entwicklung
- stabiler politisch-moralischer Eigenschaften, wie hohes politisches Bewußtsein und feste Treue zur Arbeiterklasse und zur sozialistischen Heimat, Siegeszuversicht, internationalistisches Denken und Handeln, Haß auf den imperialistischen Feind, Überzeugtheit von der Überlegenheit der eigenen Waffen und Kampftechnik und hohe Diszipliniertheit;
— ausgeprägter militärfachlicher Eigenschaften, wie festes militärisches Grundwissen, anwendungsbereite Spezialkenntnisse, stabile militärfachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten;
— psychischer Eigenschaften, wie Beobachtungsfähigkeit, Denk- und Reaktionsschnelligkeit, Selbstbeherrschung, Entschlossenheit, Zielstrebigkeit und Tapferkeit;
— physischer Eigenschaften, wie der körperlichen Widerstandskraft und der Fähigkeit, die großen körperlichen Belastungen auf sich zu nehmen, die die militärische Pflichterfüllung im Frieden und im Krieg erfordert.
Der Prozeß der Formung sozialistischer Soldatenpersönlichkeiten erfordert geduldige und beharrliche Arbeit mit den Unterstellten und klare Kenntnisse über das Wesen (die Eigenschaften) der Soldatenpersönlichkeit, über Mittel und Wege der Persönlichkeitsformung, aber in erster Linie ideologische Klarheit. Dieser Prozeß vollzieht sich insbesondere im Diensthabenden System, in der politischen und in der Gefechtsausbildung, beim Wachdienst, in der Zeit der kulturellen Massenarbeit und in der Freizeit.
Eine weitere wichtige Aufgabe des Unteroffiziers ist die Entwicklung seines militärischen Kollektivs.
Das militärische Kollektiv ist eine Kampfgemeinschaft zur Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes. Deshalb sind die wichtigsten Kriterien seines Entwicklungsstandes die hohe Kampfkraft und die ständige Gefechtsbereitschaft, in denen sich politische Bewußtheit und militärische Meisterschaft vereinigen. Diese werden durch die Wahrung der Einheit von überzeugender klassenmäßiger Erziehung und harter militärischer Ausbildung erreicht.
Das militärische Kollektiv löst Gefechtsauf aben, die eine koordinierte Tätigkeit aller Kollektivmitglieder im bewaffneten Kampf erfordern. Deshalb muß großer Wert auf Geschlossenheit und eingespielte Perfektion beim Handeln gelegt werden. Die Fähigkeit, auf veränderte Lagebedingungen richtig und schnell zu reagieren, ist ebenso erforderlich wie gegenseitige Ersetzbarkeit und kollektive Fertigkeiten zur Bedienung der Waffen- und Gerätesysteme. Im militärischen Kollektiv bestehen sozialistische Beziehungen auf der Grundlage der Dienstvorschriften und militärischen Verhaltensnormen.
Zu ihren Wesenszügen gehören die Einheit des Willens und des Handelns bei der Erfüllung der Befehle, gegenseitige Achtung der Armeeangehörigen als Klassengenossen, freundschaftliche Hilfe und Unterstützung, Vertrauen und Kameradschaft, Parteilichkeit und Prinzipientreue, Einordnung und Unterordnung im Kollektiv.
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1.2. Die Autorität des Unteroffiziers
Die Autorität des Unteroffiziers ist eine notwendige Bedingung für eine wirksame Führungstätigkeit sowohl im Frieden als auch im Krieg. Sie ergibt sich nicht automatisch aus der Dienststellung oder dem Dienstgrad, sondern muß sich im Verlaufe gemeinsamer Tätigkeiten auf der Grundlage beispielhafter Persönlichkeitseigenschaften des Unteroffiziers entwickeln. Das sind vor allem:
seine politische Überzeugung, parteiliche Prinzipienfestigkeit und Aktivität im gesellschaftlichen Leben;
seine Fähigkeiten zur Führung militärischer Kollektive, zur gefechtsnahen Gestaltung der Ausbildung und zur Erziehung der Unterstellten;
seine Liebe zum Beruf und seine schöpferische Initiative;
seine Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Bescheidenheit, sein Verantwortungsbewußtsein und sein würdiges Verhalten im täglichen Leben;
seine organisatorischen Fähigkeiten und praktischen Fertigkeiten, seine Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen;
seine Diszipliniertheit, Zielstrebigkeit, Sachlichkeit, Ausdauer, Selbstbeherrschung, Beharrlichkeit, Kühnheit; die Fähigkeit, alle Belastungen des militärischen Dienstes auf sich zu nehmen;
seine Fähigkeit, hohe Forderungen mit der Fürsorge um die Unterstellten zu verbinden und stets die persönliche Würde der Soldaten zu achten;
seine Überzeugungskraft und sein Taktgefühl;
sein pädagogisches und psychologisches Wissen und Können;
seine Fähigkeit, die Kraft der Partei- und aktivsten FDJ-Mitglieder zu mobilisieren.
Im Prozeß des Einwirkens auf den Unterstellten kommt es stets zu einer Wechselbeziehung zwischen Vorgesetzten und Unterstellten. Der Unteroffizier kann die Wirksamkeit seines Einflusses an den Reaktionen der Unterstellten erkennen. Anerkennung, Wertschätzung und Achtung, die ihm die Unterstellten entgegenbringen, sind Ausdruck seines erfolgreichen Bemühens.
Beim Erwerb von Autorität berücksichtigen:
Das persönliche Verhalten und Benehmen, ganz besonders als »Neuer«, steht ständig im Blickpunkt der Unterstellten.
Besonders die ersten Tage und Wochen des gemeinsamen Dienstes mit den Unterstellten sind ausschlaggebend.
Die gemeinsamen Klasseninteressen sind entscheidend für ein Autoritätsverhältnis entsprechend den gesellschaftlichen Normen des Sozialismus. Diese objektiv vorhandene Interessengemeinschaft wird nicht im Selbstlauf wirksam. Die gemeinsamen Klasseninteressen müssen für den Unterstellten konkret erlebbar gestaltet werden. Sie müssen sich in den sozialistischen Beziehungen zueinander ausdrücken und gekennzeichnet sein von gegenseitiger Achtung, Vertrauen, Hilfe und Unterstützung.
Neben dem Vertrauen in die eigene Kraft muß der Unteroffizier seinen Unterstellten vertrauen. Dieses Vertrauen erfordert einen klaren Klassenstandpunkt und erwächst aus der Erkenntnis, daß der junge Armeeangehörige sein Klassengenosse ist, der einen guten Dienst leisten und allen Anforderungen gerecht werden will.
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Die Autorität des Unteroffiziers wird neben seinen persönlichen Eigenschaften, seinem Wissen und Können auch bestimmt
von der öffentlichen Meinung des Kollektivs,
vom Verhalten der Vorgesetzten und
von der Arbeit der Partei- und FDJ-Organisation.
Zur Sicherung der Autorität:
Stets als Einzelleiter die Verantwortung für die Gruppe (Bedienung, Besatzung, Trupp) und deren Aufgaben übernehmen. Sie nie auf höhere Vorgesetzte oder gar auf Unterstellte abwälzen.
Nicht alles selbst machen. Jeden Unterstellten entsprechend seinem Spezialgebiet, seinen Erfahrungen und Fähigkeiten einsetzen und ihm Verantwortung übertragen.
Nicht versuchen, durch übertriebene Nachsicht und niedrige Forderungen bei den Unterstellten Achtung zu gewinnen.
Für die Belange der Unterstellten stets ein offenes Ohr haben, ihre Meinung achten und ihre Erfahrungen nutzen. Niemals als Vorgesetzter durch Stil und Ton die Gefühle der Unterstellten verletzen.
Gegebene Versprechen unbedingt einhalten und sich niemals im Zustand der Erregung zu Unbesonnenheit hinreißen lassen.
Auch die Disziplin der Gruppe hängt wesentlich von der Autorität ihres unmittelbaren Vorgesetzten ab. Diszipliniertes Verhalten der Armeeangehörigen gemäß den Befehlen, Dienstvorschriften, militärischen Normen und den ihnen entsprechenden Forderungen des Unteroffiziers setzt Autorität voraus.
Beachte deshalb:
► Autorität muß ständig neu erworben werden durch
— eine selbstkritische Einstellung zur eigenen Arbeit;
— unablässiges Streben nach Vervollkommnung des eigenen politischen und militärischen Wissens und Könnens;
— methodisch richtige Anwendung der Kenntnisse in der Ausbildung und Erziehung;
— sozialistische Beziehungen zueinander, so daß jeder Unterstellte die gegenseitige Achtung, Hilfe und Unterstützung spürt.
► Autorität duldet keine billige Popularität.
— Scheinbare Autorität vermeiden. Auf dem Boden von Kumpelei, Unterdrückung der Meinung der Unterstellten, von Versprechungen und prinzipienloser Duldsamkeit entwickelt sich kein echtes Autoritätsverhältnis, sondern Disziplinlosigkeit!
Hohe Forderungen und gerechte Strenge, verbunden mit der ständigen Sorge des Unteroffiziers um die Entwicklung der Unterstellten zu sozialistischen Soldatenpersönlichkeiten, führen zu Vertrauen und Achtung der Armeeangehörigen gegenüber dem Vorgesetzten.
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