"Mit dem Eigentum begann der Fortschritt der Menschheit"
von Friedrich August Hayek # Texte von Konservativ.de , ca. 2005
Zwei Jahrhunderte vor Max Weber verkündete David Hume seine These "Die Gesetze der Moral sind nicht das Ergebnis unserer Vernunft". Die Bedeutung dieses Satzes ist im Laufe der Zeit größer geworden, als Hume es je hätte vorhersehen können. Obwohl die traditionellen moralischen Regeln nicht das Ergebnis unserer Vernunft darstellen, sind sie doch eine unumgängliche Bedingung für die Existenz der gegenwärtigen Menschheit; wir können sie nicht nach unserem Willen ändern, sie nach unserem Geschmack ausstatten, wir können uns höchstens bemühen, sie allmählich zu entwickeln oder zu verbessern - in dem Rahmen, der uns gegeben ist.
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Es sind Jahrzehnte vergangen, seit ich erkannt habe, daß die doppelten Konzepte von Evolution und spontaner Ordnung den Schlüssel zur Erklärung von komplexen Phänomenen geliefert hatten, die mono-kausalen Ansätzen nicht zugänglich gewesen waren. Diese hatten im Triumph die Welt der relativ einfachen oder mechanischen Phänomene erobert.
Wir nennen die letzteren die physische Welt, und in ihr hat unsere Fähigkeit zu Vorhersage und Kontrolle eine Höhe erreicht, die den Menschen zu der fatalen Einbildung verleitet, daß diese Fähigkeiten der Konstruktion ihm die Möglichkeit bieten, auch seine menschliche Umwelt in einer Form zu gestalten, in der sie seine Wünsche zufriedenstellender erfüllt als jetzt.
Es wurde mir auch klar, daß, obwohl Charles Darwins erfolgreiche Anwendung des Evolutionsgedankens zur Erklärung des Ursprungs der verschiedenen organischen Spezies der erste grandiose Erfolg dieser Denkrichtung war (verursacht durch die sorgfältige Dokumentation, die wir nicht genug bewundern können), ihre intellektuelle Quelle andererseits nicht in dem Studium der Natur lag, sondern in dem Ergründen des viel komplexeren Phänomens der menschlichen Interaktion. Es war das Studium der Sprachenbildung und des Rechtswesens, das schon die Gelehrten des alten Rom, die sich der Qualität ihrer Anstrengungen durchaus bewußt waren, zur Entwicklung des Konzepts der Evolution führte. Und es war wiederum das Studium der Sprachwissenschaft und des Naturrechts (des Gewohnheitsrechts in der Moderne), das diese Ideen erneut belebte, die dann Bernard Mandeville und die schottischen Moralphilosophen des 18. Jahrhunderts zu der Erklärung von Moral und solchen wirtschaftlichen Phänomenen wie Geld, Tausch und Markt ausweiteten.
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Aufschlußreich ist eine Arbeit, die noch nicht die ihr gebührende Beachtung gefunden hat: C. Bays Die Struktur der Freiheit (Stanford 1959, S. 33), in welcher der Autor zu der richtigen Schlußfolgerung gelangt, daß "Hume ein Vorläufer Darwins auf dem Gebiet der Ethik" genannt werden kann. Eigentlich war er dies nicht nur auf diesem Gebiet. Der Hinweis auf eine allgemeine Theorie der Evolution in seinen posthum veröffentlichten "Dialogen über die Naturreligion" legte nicht nur den Grund für die Theorie der sozialen Evolution, die seine schottischen Nachfolger Adam Smith, Adam Ferguson und Dugald Steward als Basis nahmen. Es ist gewiß kein Zufall, daß (wie die Analyse von Darwins Notizbüchern zeigt) Darwin seine Theorie 1838 formulierte, als er gerade Adam Smiths "Reichtum der Nationen" las.
Natürlich war es sehr irreführend, als Studenten, die sich mit den Problemen der Struktur der menschlichen Zusammenarbeit beschäftigten, von der biologischen Theorie nicht nur die generelle Konzeption entliehen, sondern auch die Erklärung der Mechanik des Prozesses der Evolution.
"Sozialer Darwinismus" war hauptsächlich eine dümmliche Nachahmung der biologischen Anwendung des allgemeinen Konzepts. Was biologische und kulturelle Evolution wirklich gemeinsam haben, sind zwei Dinge: Erstens das Prinzip der Auswahl von solchen Anlagen, die am effizientesten dazu beitrugen, die Spezies durch Anpassung an die Umwelt zu verbreiten, Das schließt zweitens die Möglichkeit von allen "historischen" Gesetzen der Evolution á la Hegel, Marx oder Comte aus, da sie mit der Anpassung an das, was wir nicht im vorhinein wissen, operiert - was bedeutet, daß es notwendigerweise unvorhersagbar ist. Die wichtigeren der zahlreichen Unterschiede zwischen den zwei Arten der Evolution möchte ich kurz erwähnen:
Der offensichtlichste Unterschied besteht darin, daß, während die moderne Theorie der biologischen Evolution jegliche Erbschaft von erworbenen Charakteristika ausschließt, die kulturelle Evolution ganz auf diesem Erbe basiert: Wir geben weiter, was wir gelernt haben. Die biologische Evolution baut vollkommen auf der Transmission von physiologischen Attributen von Eltern auf Kinder, hingegen können wir intellektuelle und moralische Qualitäten von einer großen Zahl "Ahnen" übernehmen, mit denen wir nicht blutsmäßig verbunden sind.
Abgesehen davon, daß sich die kulturelle Evolution viel schneller als die biologische Evolution vollzieht, besteht der für unseren Zweck wichtigste Unterschied darin, daß die kulturelle Evolution in der Hauptsache von der Selektion von Gruppen und nicht der von Individuen getragen wird. Dies ist für den am wenigsten verstandenen Effekt der kulturellen Evolution verantwortlich: Für eben jene Tatsache, die in Humes Satz ausgedrückt wird, daß der Mensch seine Moralbegriffe weder selbst ausgedacht hat noch daß er sie versteht. Diese Tatsache erklärt auch die kritische Uneinigkeit der Meinungen der heutigen Menschheit in bezug auf die meisten politischen Probleme.
Der Grund liegt darin, daß es der Philosophie des Rationalismus, die das moderne Denken des 17. Jahrhunderts beherrschte, langsam gelungen ist, alle Überzeugungen, welche nicht auf intellektuellen Einsichten beruhen, zu diskreditieren, einschließlich der Moraltradition, die, weil "die Gesetze der Moral nicht das Ergebnis unserer Vernunft sind", aus unserem moralischen Erbe eine autonome Begabung machen, einen Schatz, vom Verstand unterschieden und in mancher Beziehung ihm überlegen. Die Philosophie des Rationalismus erlaubt es uns, Rechenschaft abzulegen über die Wirkung unserer Taten, für die unsere Sinne und deshalb unsere individuelle Vernunft nicht verantwortlich sein können. Es waren also die unverstandenen Moraltraditionen des Menschen - und nicht rationale Kenntnisse über sie -, die die Ausformung einer weiten Ordnung der individuellen Interaktion ermöglichten, mit deren Hilfe es uns heute gelingt, eine ungleich größere Zahl an Menschen zu erhalten als vor 5000 Jahren.
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Ich bin überzeugt davon, daß diese Expansion der Menschheit und dessen, was wir als Zivilisation bezeichnen, nicht allein durch die Vermehrung des Wissens oder der Intelligenz möglich wurde, sondern auch durch die Etablierung einer Reihe bestimmter Moralvorstellungen.
Diese Entwicklung vollzog sich aber keineswegs dadurch, daß die Menschen von den Vorteilen dieser Moralvorstellungen immer mehr überzeugt worden wären, vielmehr geschah es aufgrund der Auswahl jener Gruppen, die durch ihr Festhalten an den Moralvorstellungen fähig wurden, die Gesellschaft besser zugestalten, als sie vernunftsmäßig dazu in der Lage waren. Sie hatten Erfolg, "fruchtbar zu sein und sich zu vermehren, die Welt zu bevölkern und sie sich untertan zu machen", wie schon das Buch der Genesis die Bestimmung der Menschheit umschreibt.
Die zwei fundamentalen moralischen Prinzipien, nach denen diese menschlichen Gruppen, die sie fortlaufend praktizierten, uni sich durch kulturelle Evolution zu vermehren, ausgewählt wurden, waren die Gesetze, die die Institutionen des Privateigentums und der Familie festlegen. Natürlich geschah dies nicht konfliktfrei, sondern immer wieder gegen das Aufbegehren der dem Menschen angeborenen Gefühle und seines rationalen Verständnisvermögens.
Da ich mich nicht für zuständig betrachte, die eigentlichen Probleme zu erörtern, welche in der Moderne die Veränderungen im Wissen um die Institution der Familie herbeigeführt haben, möchte ich mich hier auf jene Institution beschränken, die zum Hauptgegenstand der politischen Spaltung der Menschheit im 20. Jahrhundert geworden ist, nämlich die Institution des Privateigentums, insbesondere des Eigentums an den Produktionsmitteln. Oder, um mich mit David Hume präziser auszudrücken, der Mittel, die "die Stabilität des Besitzes, seiner Übertragung mit Zustimmung und der Durchführung von Zusagen sichern".
Wenn wir danach fragen, finden wir die Bedeutung dieser grundlegenden Konzeption für das Verständnis der Formation einer ausgedehnten Ordnung von menschlicher Interaktion schon deutlich ausgedrückt in dem Werk von Humes größtem Schüler, Adam Smith. Seine Worte sind uns so bekannt (oder sollten es wenigsten sein), daß es fast beschämend ist, sie zu zitieren. Trotzdem kann ich nicht widerstehen, die nächsten Schritte meiner Argumentation in der Ausdruckweise von Adam Smith zu formulieren. Wir erinnern uns: "Niemand hat jemals gesehen, daß ein Tier in seinen Gesten und natürlichen Schreien einem anderen gedeutet hat, das ist mein, das ist dein; ich will dies für das geben." Mit anderen Worten: Die unverkennbar menschlichen Aspekte des Eigentums und Tauschens beginnen die kulturelle Evolution zu leiten. Adam Smith: "Die Arbeitsteilung ... ist nicht ursprünglich die Folge menschlicher Weisheit", und "da es die Macht des Tausches ist, die die Möglichkeit zur Arbeitsteilung gibt, muß das Ausmaß dieser Macht begrenzt sein - durch das Ausmaß des Marktes".
Und dann, auf den ersten Blick scheinbar ohne Zusammenhang, aber doch sehr tiefsinnig: "Religion, sogar in ihrer undurchdachtesten Form, gab eine Sanktion für die Moralgesetze, lange vor dein Zeitalter des künstlichen Räsonnierens und Moralisierens." Die Moral des Eigentums und des Tausches wurden vom Menschen nicht angenommen, weil er die Vorteile verstand, die er daraus ziehen konnte. Es waren vielmehr mystische oder übernatürliche Überzeugungen, die bewirkten, daß Gruppen sich an die Traditionen von bestimmter Praxis lange genug hielten, um der natürlichen Selektion Zeit zu geben, aus der großen Vielfalt der Gruppen jene auszuwählen, deren Sitten am effektivsten das Wachstum ihrer Zahl begleiteten.
Das gibt uns wirklich die Antwort auf Humes Problem in den zitierten Zeilen. Wenn "die Gesetze der Moral nicht das Ergebnis der menschlichen Vernunft" wären, auf was wären sie dann zurückzuführen? Die Humesche Antwort, von Smith gegeben, ist selektive Evolution. Und das Resultat ist die entscheidende Einsicht, daß der größte Teil der gegenwärtigen Menschheit sein Leben der Einhaltung von überlieferten Regelungen verdankt - Regelungen, die die Menschen nicht mochten, weil sie aus Einschränkungen ihrer angeborenen Instinkte bestanden und über ihrer intellektuellen Rechtfertigungskraft lagen.
Intellektuelle, die sich vorstellen, sie könnten eine "bessere Moral" ausdenken, als deren Ergebnis der Menschheit dann eine angenehmere, schönere und gerechtere Welt zur Verfügung stehen würde, ignorieren nicht nur, wieviel wir der traditionellen Moral verdanken - als einem Leitbild für die Schaffung einer ausgedehnten Ordnung der menschlichen Interaktion, die die örtlichen und zeitlichen Grenzen der menschlichen Wahrnehmung weit überschreitet - sondern sie verstehen auch nicht, daß Gruppenauswahl eine Praxis bewahren und verbreiten konnte, die der Gruppe in ihrer Gesamtheit dienlich war, aber von vielen Individuen nicht erkannt werden konnte. Auch verstehen sie nicht, daß ohne die Führung, die die Marktordnung bewirkt, wir nicht einmal in der Lage wären, die gegenwärtige Weltbevölkerung zu ernähren.
Unser Jahrhundert ist gekennzeichnet von einem Konflikt zwischen zwei völlig unterschiedlichen Systemen der Moral, die aufgrund ihrer verschiedenen Ursprünge und Ziele wenig miteinander gemeinsam haben: Ein System von gewachsenen, überlieferten Moralüberzeugungen, geformt durch die Gruppenauswahl der kulturellen Evolution und dem Zweck dienend, weit zurückliegende Wirkungen von menschlichem Handeln, die unserer Vernunft nicht bewußt sind, zu bestimmen, und denen wir uns anpassen müssen, wenn wir die existierende Zahl der Menschen bewahren wollen; und ein konstruktivistisches Moralsystem, erdacht, um individueller Lust zu dienen, das heißt primitive Instinkte zu befriedigen - dabei aber unfähig, dieses Ziel zu erreichen. Wir treffen hier auf die atavistischen Wurzeln des Sozialismus.
Es läßt sich nicht ernsthaft bezweifeln, daß die Beschränkung des Instinktes, alles, was gefällt, sich anzueignen, die Evolution der Zivilisation ermöglicht hat. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich behaupte, daß das generelle, ich würde sagen, bezeichnende Charakteristikum des modernen Intellektuellen darin besteht, sich der überlieferten Moral zu widersetzen oder ihr eine legitime oder autonome Stellung Seite an Seite mit der Vernunft einzuräumen, sie aber keinesfalls in irgendeiner Beziehung über die Vernunft zu stellen. Er ist davon überzeugt, daß es der Intellekt des Menschen war, der es ihm ermöglichte, seine Moral zu entwerfen und, wenn die Resultate seine Wünsche nicht zufriedenstellen, sie durch eine bessere zu ersetzen. Es ist der Glaube, der sich im Titel eines berühmten, von einem sozialistischen Anthropologen verfaßten Buches ausdrückt: "Der Mensch schuf sich selbst" und den manche sozialistischen Ökonomen als ihre Leitlinie akzeptieren. Dieser Glaube, der letztlich nicht mehr darstellt als eine fatale Einbildung, hat einen großen Teil der "Intelligenz" zeitweilig zum Sozialismus geführt.
Die Erkenntnis, daß die auf Gruppenauswahl gründende Tradition die Menschheit mit moralischen Gesetzen versorgt und dadurch befähigt hat, sich Umständen anzupassen, die ihre Sinne nicht zu erkennen vermochten, setzt die Moral als eine zweite autonome Macht ein, von der wir genauso abhängig sind wie von unserer Vernunft. Zu allen Zeiten war die Erkenntnis, daß es Grenzen der individuellen Vernunft gibt, ein Ergebnis der Meditationen tiefsinniger Denker. Die Einsicht, daß noch andere unumgängliche Quellen der Führung existieren, die den Erfolg des Menschen möglich machten, war lange auf religiöse Überzeugungen beschränkt. Es erscheint mir, daß die wissenschaftliche Analyse des evolutionären Prozesses der Gruppenauswahl uns zu der Erkenntnis zwingt, daß religiöse Überzeugungen für uns unschätzbare Verhaltensregeln bewahrt haben, die es der Menschheit gestatteten, ihre gegenwärtige Größe und Macht zu erreichen, und deren Bedeutung die Wissenschaft - insbesondere die Ökonomie - nun retrospektiv aufdecken kann, während die menschliche Vernunft sie nie hätte erdenken können und die anzuerkennen sie sich ja auch lange Zeit geweigert hat.
Was uns also in die Lage versetzte, die erstaunliche Ordnung der menschlichen Kooperation oder die Kapazität der Führung, die bei weitem unsere Wahrnehmungsfähigkeit überschreiten, zu gestalten, war ein System von Beschränkungen unserer animalischen Instinkte. Dieses System von moralischen Beschränkungen hat sich einzig aufgrund seines Erfolges behauptet. Es wäre verhängnisvoll, ihm die Unterstützung zu entziehen. Die Konsequenzen davon könnten nicht nur ein sich ständig beschleunigender Niedergang unserer Zivilisation sein, sondern auch die numerische Dezimierung der Humanität zu einer Größe, für die die gesamtwissenschaftliche Erkenntnis nur noch geringen Nutzen bringen würde. Deshalb liegt mir so sehr daran, es den Menschen auf breiter Basis deutlich zumachen, daß die verführerischen Theorien des Sozialismus intellektuell nicht einmal halbrichtig, sondern ganz falsch sind.
"Wir müssen die Illusion zerstreuen,
dass wir bewußt
die Zukunft der Menschheit schaffen können."F. v. Hayek, zitiert nach Das Mephisto-Prinzip
Friedrich August von Hayek wurde am 8. Mai 1899 in Wien geboren. Nach Ende des ersten Weltkriegs schrieb er sich an der Universität Wien für Rechtswissenschaften ein. 1921 schloß von Hayek sein Rechtsstudium ab und entschied sich zum Studium der Staatswissenschaften, das er zwei Jahre später mit einem Dr. rer. pol. beendete. Vom April 1923 bis 1924 führte ein Rockefeller-Stipendium Hayek an die New York-University, wo er bei J. W. Jenks, dem damals führenden amerikanischen Wirtschafts- und Staatsrechtler, als Assistent arbeiten konnte. 1929 veröffentlichte er sein erstes Buch: ,,Geldtheorie und Konjunkuturtheorie". Hayek wurde in den dreißiger Jahren zu einem Hauptkritiker des Sozialismus. In London veröffentlichte er 1944 sein berühmtestes Buch: ,,The Road to Serfdom" (,,Der Weg zur Knechtschaft"). Viele halten für sein größtes Werk ,,The Constitution of Liberty" (,,Die Verfassung der Freiheit") von 1960, dessen Manuskript er an seinem 60. Geburtstag dem Verleger übergab. In diesem Werk entwickelt Hayek die ethischen, anthropologischen und ökonomischen Grundlagen einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Im Herbst 1974 wurde ihm zu seiner Überraschung der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen, den er ironischerweise mit Gunnar Myrdal, einem glühenden Sozialisten, teilen mußte. 1989 erschien sein letztes Werk ,,The Fatal Conceit" (,,Die verhängnisvolle Anmaßung. Die Irrtümer des Sozialismus"). Im Kreise seiner Familie starb von Hayek am 23. März 1992 in Freiburg. Er wurde in Wien begraben.
"Daß in die Ordnung einer Marktwirtschaft viel mehr Wissen von Tatsachen eingeht, als irgendein einzelner Mensch oder selbst irgendeine Organisation wissen kann, ist der entscheidende Grund, weshalb die Marktwirtschaft mehr leistet als irgendeine andere Wirtschaftsform."
Friedrich August von Hayek
Zitate zur Gesellschaftsphilosophie
Aus: Gerd Habermann (Hrsg.): Philosophie der Freiheit. Ein Friedrich-August-von-Hayek-Brevier Quelle: www.hayek.de
Definition Freiheit
"Dieser Zustand, in dem ein Mensch nicht dem willkürlichen Zwang durch den Willen eines anderen oder anderer unterworfen ist ..." (Die Verfassung der Freiheit, 3. Aufl., Tübingen 1991, S. 14)
Freiheit als Grundsatz-, nicht als Zweckmäßigkeitsfrage
"Daß der Zweck der Freiheit ist, die Möglichkeit von Entwicklungen zu schaffen, die wir nicht voraussagen können, bedeutet, daß wir nie wissen werden, was wir durch eine Beschränkung der Freiheit verlieren. ...
Wenn die Entscheidung zwischen Freiheit und Zwang als eine Zweckmäßigkeitsfrage behandelt wird, die in jedem Einzelfall besonders zu entscheiden ist, wird die Freiheit fast immer den kürzeren ziehen. ...
Sobald also die Freiheit als Zweckmäßigkeitsfrage behandelt wird, ist ihre fortschreitende Untergrabung und schließlich Zerstörung unvermeidlich. ...
Die Freiheit (kann) nur erhalten werden ..., wenn sie nicht bloß aus Gründen der erkennbaren Nützlichkeit im Einzelfalle, sondern als Grundprinzip verteidigt wird, das der Erreichung bestimmter Zwecke halber nicht durchbrochen werden darf....
Eine wirksame Verteidigung der Freiheit muß ... notwendig unbeugsam, dogmatisch und doktrinär sein und darf keine Zugeständnisse an Zweckmäßigkeitserwägungen machen."(Die Ursachen der ständigen Gefährdung der Freiheit, in: Ordo, Bd. 12, Düsseldorf und München 1961, S. 104 - 106)
Zum sozialistischen Freiheitsbegriff
"Für die großen Apostel der politischen Freiheit hatte dieses Wort Befreiung von Despotie bedeutet, Befreiung von der Willkür anderer, Befreiung von dem Gehorsam gegenüber den Befehlen eines Vorgesetzten, von dem es abhängig war. Die neue Freiheit dagegen, die in Aussicht gestellt wurde, sollte eine Freiheit von Not sein, eine Befreiung aus dem Zwang der Umstände, die uns alle nur eine begrenzte Wahl der Lebensgüter lassen, wenn auch für den einen sehr viel mehr als für den anderen ... Freiheit in diesem Sinn ist natürlich nur ein anderer Ausdruck für Macht oder Reichtum ... Worauf das Versprechen in Wahrheit hinauslief, war die Zusicherung, daß die bestehenden großen Unterschiede in den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Individuen beseitigt werden sollten. Wenn man also die neue Freiheit forderte, so meinte man damit nichts anderes als den alten Anspruch auf gleichmäßige Besitzverteilung."
(Der Weg zur Knechtschaft, 2. Aufl., München 1971, S. 46/47)
Weiteres zum Thema Freiheit
"Politische Freiheit im Sinne von Demokratie, <innere> Freiheit, Freiheit im Sinne des Fehlens von Hindernissen für die Verwirklichung unserer Wünsche oder gar <Freiheit von> Furcht und Mangel haben wenig mit individueller Freiheit zu tun und stehen oft im Konflikt mit ihr. Das Verständnis für und der Glaube an die Freiheit sind in hohem Maße dadurch zerstört worden, daß die Bedeutung des Wortes so ausgedehnt wurde, daß es jeden klaren Sinn verloren hat."
(Die Ursachen der ständigen Gefährdung der Freiheit, in: Ordo, Bd. 12, 1960/61, S. 106)
Freiheit und Unwissenheit
"Freiheit ist wesentlich, um Raum für das Unvorhersehbare und Unvoraussagbare zu lassen; wir wollen sie, weil wir gelernt haben, von ihr die Gelegenheit zur Verwirklichung vieler unserer Ziele zu erwarten. Weil jeder einzelne so wenig weiß und insbesondere, weil wir selten wissen, wer von uns etwas am besten weiß, vertrauen wir darauf, daß die unabhängigen und wettbewerblichen Bemühungen Vieler die Dinge hervorbringen, die wir wünschen werden, wenn wir sie sehen."
Die Verfassung der Freiheit, 3. Aufl., Tübingen 1991, S. 38
Freiheit und persönliche Verantwortung
"Freiheit verlangt, daß die Verantwortung des einzelnen sich nur auf das erstreckt, was er beurteilen kann, daß er in seinen Handlungen nur das in Betracht ziehen muß, was innerhalb des Bereichs seiner Voraussicht liegt und vor allem, daß er nur für seine eigenen Handlungen (und die der seiner Fürsorge anvertrauten Personen) verantwortlich ist - aber nicht für die anderer, die ebenso frei sind."
Die Verfassung der Freiheit, 3. Aufl., Tübingen 1991, S. 102
Freiheit und "Altruismus"
"Allgemeiner Altruismus ist .... sinnlos. Niemand kann sich wirklich um alle anderen kümmern; die Verantwortungen, die wir übernehmen können, müssen immer partikulär sein, sie können nur jene betreffen, von denen wir konkrete Tatsachen wissen und mit denen wir uns entweder durch Wahl oder durch besondere Umstände verbunden fühlen. Es gehört zu den fundamentalen Rechten und Pflichten eines freien Menschen, zu entscheiden, welche und wessen Bedürfnisse ihm am wichtigsten erscheinen."
(Die Verfassung der Freiheit, 3. Aufl., Tübingen 1991, S. 98)
Freiheit und Moral
"Es ist eine Tatsache, die all die großen Vorkämpfer der Freiheit, außerhalb der rationalistischen Schule, nicht müde wurden zu betonen, daß Freiheit ohne tief eingewurzelte moralische Überzeugungen niemals Bestand gehabt hat und das Zwang nur dort auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden kann, wo zu erwarten ist, daß die Individuen sich in der Regel freiwillig nach gewissen Grundsätzen richten."
Freiheit und "Egoismus"
"Das Ideal, daß es den Menschen erlaubt sein soll, ihre eigenen Ziele zu verfolgen, wird oft dahin mißverstanden, daß er dann ausschließlich seine egoistischen Ziele verfolgen wird oder sogar soll. Die Freiheit, seine eigenen Ziele zu verfolgen, ist jedoch für den altruistischen Menschen, in dessen Wertskala die Bedürfnisse anderer Menschen einen sehr hohen Platz einnehmen, ebenso wichtig wie für den Egoisten. Es gehört zu der Natur des Mannes (und vielleicht noch mehr der Frau) und bildet die Hauptgrundlage seines Glückes, daß er das Wohlergehen anderer zu seiner Hauptaufgabe macht. Das ist eine der uns offenstehenden Möglichkeiten und oft die Entscheidung, die im allgemeinen von uns erwartet wird."
Die Verfassung der Freiheit, 3. Aufl., Tübingen 1991, S. 97
"Mißbrauch" der Freiheit?
"Freiheit, die nur gewährt wird, wenn im voraus bekannt ist, daß ihre Folgen günstig sein werden, ist nicht Freiheit. Wenn wir wüßten, wie Freiheit gebraucht werden wird, würde sie in weitem Maße ihre Rechtfertigung verlieren. Wir werden die Vorteile der Freiheit nie genießen, nie jene unvorhersehbaren Entwicklungen erreichten, für die sie die Gelegenheit bietet, wenn sie nicht auch dort gewährt ist, wo der Gebrauch, den manche von ihr machen, nicht wünschenswert erscheint. Es ist daher kein Argument gegen individuelle Freiheit, daß sie oft mißbraucht wird ... Unser Vertrauen auf Freiheit beruht nicht auf den vorhersehbaren Ergebnissen in bestimmten Umständen, sondern auf dem Glauben, daß sie im Ganzen mehr Kräfte zum Guten als zum Schlechten auslösen wird." (Verfassung der Freiheit, 3. Aufl., Tübingen 1991, S. 40)
Wahrer und falscher Individualismus
"Daß der echte Individualismus den Wert der Familie und alle Zusammenarbeit der kleinen Gemeinschaften und Gruppen bejaht, daß er den Wert der lokalen Selbstverwaltung und freiwillige Verbindungen anerkennt und daß seine Argumente zum großen Teil auf der Meinung beruhen, daß vieles, wofür gewöhnlich die Zwangsgewalt des Staates angerufen wird, besser durch freiwillige Zusammenarbeit gemacht werden kann, braucht nicht weiter betont zu werden. Es kann keinen größeren Gegensatz dazu geben als den falschen Individualismus, der alle diese kleineren Gruppen in Atome auflösen möchte, die keinen anderen Zusammenhalt haben als die vom Staat auferlegten Zwangsgesetze und der trachtet, alle sozialen Bindungen zu einer Vorschrift zu machen, anstatt den Staat hauptsächlich zum Schutz des einzelnen gegen Anmaßung von Zwangsgewalt durch kleinere Gruppen zu verwenden." (Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 2. Aufl., Salzburg 1976, S. 36/37)
Freiheit und Tradition
"Ebenso wichtig für das Funktionieren einer individualistischen Gesellschaft wie diese kleineren Gesellschaftsverbände sind die Traditionen und Konventionen, die sich in einer freien Gesellschaft herausbilden und die, ohne einer Gewaltanwendung zugänglich zu sein, flexible, aber normalerweise befolgte Regeln schaffen, die das Verhalten anderer in hohem Maße voraussagbar machen. Die Bereitwilligkeit, sich solchen Regeln zu unterwerfen ... ist eine wesentliche Voraussetzung für die allmähliche Weiterentwicklung und Vervollkommnung der Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens; ... daß gemeinsame Konventionen und Traditionen eine Gruppe von Menschen in den Stand setzen, bei weitaus weniger formaler Organisation und weniger Zwang leicht und wirkungsvoll zusammenzuarbeiten als eine Gruppe ohne solchen gemeinsamen Hintergrund, versteht sich von selbst."
(Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 2. Aufl., Salzburg 1976, S. 37)
Marktwirtschaft und Moral
"Daß die Marktwirtschaft moralische Grundlagen hat und nur mit dem funktionieren kann, was ich früher schon die Moral des Eigentums, der Ehrlichkeit und der Vertragseinhaltung bezeichnet habe, dessen sind sie (die Leute) sich nicht bewußt. Aber bis vor etwa 100 Jahren war das einfach eine gemeinsame Tradition, die niemand bezweifelt hat. Die Frage, warum die Moral des Marktes verfallen ist, ist eine lange Geschichte; solange der Kleinbetrieb in Gang war, hat jeder, nicht nur der Führer des Geschäfts, sondern jeder Angestellte, die Moral des Marktes gekannt. Mit dem Großbetrieb und der Bürokratie ist ein immer größerer Teil der Gesellschaft herangewachsen, der die Moral des Marktes nie gekannt hat. Diese Leute haben damit eine traditionelle Moral verloren, und dies gerade zu der Zeit - und jetzt kommt der zweite Punkt -, in der ihnen die Philosophen sagen: ‘Ihr dürft nichts glauben, was ihr nicht rational begründen könnt!’ All dies hat zur Zerstörung der moralischen Grundlagen der Marktwirtschaft sehr stark beigetragen." (Interview in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Dezember 1981)
Zum "Konstruktivismus"
"Die ganze Idee beruht auf der falschen Vorstellung, daß der Mensch seine Zivilisation seiner Intelligenz verdankt. Das ist nicht richtig: Die Moral, die ich gerne als die Moral des Eigentums und der Ehrlichkeit nenne, ist entstanden, ohne daß der Mensch ihre Funktion je verstanden hätte, und das hat die Bildung der Großgesellschaft möglich gemacht ..., in der die Menschen in der Lage sind, sich an Ereignisse anzupassen, die sie nicht kennen, Menschen zu dienen, die sie nicht kennen, und selbst von Menschen versorgt zu werden, die sie nicht kennen. Das beruht auf einem Moralsystem, einem System von Eigentum, Ehrlichkeit und Vertragseinhaltung, das entstanden ist und sich durchgesetzt hat, weil es erfolgreich war. Es hat sich nicht der Mensch eine Moral gewählt, sondern es sind Menschen zur Vervielfältigung ausgewählt worden, die, ohne es zu verstehen, die geeignete Moral verfolgt haben. Nun, wenn man glaubt, der Mensch habe seine Zivilisation geschaffen, dann glaubt man natürlich auch: Ja, wenn er sie geschaffen hat und sie nicht ganz befriedigend ist, dann kann er sich eine bessere machen. Aber in Wirklichkeit hat er weder die bestehende Gesellschaft geschaffen, noch versteht er genug davon, um sich eine bessere einzurichten." (Interview in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Dezember 1981)
Kultur
"In viel größerem Maß als bisher muß erkannt werden, daß unsere gegenwärtige gesellschaftliche Ordnung nicht in erster Linie das Ergebnis eines menschlichen Entwurfs ist, sondern aus einem wettbewerblichen Prozeß hervorging, in dem sich die erfolgreicheren Einrichtungen durchsetzten. - Kultur ist weder natürlich noch künstlich, weder genetisch übermittelt noch mit dem Verstand geplant. Sie ist eine Tradition erlernter Regeln des Verhaltens, die niemals erfunden worden sind, und deren Zweck das handelnde Individuum gewöhnlich nicht versteht." (Die Anmaßung von Wissen. Neue Freiburger Studien, Tübingen 1996, S. 40)
"Gesellschaftsverbesserung"
"Wenn der Mensch in seinem Bestreben, die gesellschaftliche Ordnung besser zu gestalten, nicht mehr Schaden als Nutzen anrichten soll, wird er lernen müssen, daß er auf diesem, wie auf allen anderen Gebieten mit einer tief verflochtenen Organisationsstruktur, keine endgültigen Kenntnisse dessen erlangen kann, was ihm das Beherrschen der Vorgänge erst ermöglichen würde. Er wird sich deshalb des Wissens bedienen müssen, dessen er fähig ist. Er darf nicht die Ergebnisse formen wollen wie ein Handwerker sein Werk. Vielmehr wird er das Wachstum fördern müssen, indem er für eine angemessene Umgebung sorgt - ganz so, wie der Gärtner dies für seine Pflanzen macht. Es liegt eine Gefahr in dem überschwenglichen Gefühl einer unaufhörlich wachsenden Macht, die der Fortschritt in den Naturwissenschaften mit sich brachte und die den Menschen verlockt, ... nicht nur unsere natürliche, sondern auch unsere menschliche Umgebung der Herrschaft des menschlichen Willens zu unterwerfen. Die Erkenntnis von den unüberwindlichen Grenzen seines Wissens sollten den Erforscher der Gesellschaft eigentlich Demut lehren. Diese Demut sollte ihn davor bewahren, Mitschuldiger in dem verhängnisvollen menschlichen Streben nach der Herrschaft über die Gesellschaft zu werden - einem Streben, das ihn nicht nur zum Tyrannen über seine Mitmenschen macht, sondern ihn ebenso zum Zerstörer einer Zivilisation machen kann, die kein Geist erdacht hat, sondern die sich aus den freien Entscheidungen von Millionen von Menschen geformt hat." ("Die Vortäuschung von Wissen", in: Horst Claus Recktenwaldt (Hrsg.): Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft, 1969-1988, Düsseldorf 1989, Bd. 1, S. 397 f.)
Gerechtigkeit und "soziale" Gerechtigkeit
"Aber die nahezu allgemeine Verbreitung eines Glaubens beweist nicht, daß er gültig oder auch nur sinnvoll ist, so wenig wie der allgemeine Glaube an Hexen oder Gespenster die Gültigkeit dieser Begriffe bewiesen hat. Womit wir es im Falle der ‘sozialen Gerechtigkeit’ zu tun haben, ist einfach ein quasi-religiöser Aberglaube von der Art, daß wir ihn respektvoll in Frieden lassen sollten, solange er lediglich seine Anhänger glücklich macht, den wir aber bekämpfen müssen, wenn er zum Vorwand wird, gegen andere Menschen Zwang anzuwenden. Und der vorherrschende Glaube an ‘soziale Gerechtigkeit’ ist gegenwärtig wahrscheinlich die schwerste Bedrohung der meisten anderen Werte einer freien Zivilisation." (Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 2, Landsberg am Lech 1981, S. 98)
"Die ‘soziale Gerechtigkeit’ hat eigentlich keinen Sinn. ‘Gerechtigkeit’ sind Regeln des Handelns; Handeln kann nur ein Individuum. Man könnte bestenfalls Grenzen des Handels des Staates mit dem Namen ‘Gerechtigkeit’ (bezeichnen), aber nicht eine Zuteilungstätigkeit des Staates. Die ganze Idee, daß man bestimmen kann, was jeder haben soll, hat mit einem eigentlichen Gerechtigkeitsgedanken überhaupt nichts zu tun; es ist ein Mißbrauch des Wortes." (Interview in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Dezember 1981)
"Was ist ‘Soziale Gerechtigkeit’? .... Gerechtigkeit ist sehr wichtig, aber sie besteht aus Verhaltensregeln für den einzelnen. Man kann sich gerecht oder ungerecht verhalten (handeln). Aber Dinge wie die Verteilung der Einkommen können durch keine Verhaltensregel für das Individuum gelenkt werden.
Es ist genauso unsinnig, jemanden für die Einkommensverteilung verantwortlich zu machen wie jemanden für den Gesundheitszustand der Leute oder für ihre Dummheit oder den Mangel an Schönheit verantwortlich zu machen. Wir verdanken unseren Reichtum einem Preissystem, das den Menschen sagt, was sie tun sollen. Und diese Preise sind die Quelle der Einkommen. Preise aber, die den Menschen sagen, was sie tun sollen, können nicht mit irgendwelchen Verdiensten zusammenhängen. Sie müssen unterschiedlich sein. Wir haben entdeckt (nicht erfunden!), daß die beste Methode zur Erledigung unserer Angelegenheiten die Teilnahme an einem Spiel ist, das teilweise aus Glück, teilweise aus Geschicklichkeit besteht. Wenn wir aber das Spiel akzeptiert haben, weil es effizient ist, können wir hinterher nicht sagen, seine Ergebnisse seien ungerecht. Solange niemand betrügt, gibt es in diesem Spiel nichts Ungerechtes. Auch dann nicht, wenn man in diesem Spiel verliert." (Interviewfilm "Inside the Hayek-Equation", World Research Inc., San Diego, Cal. 1979, frei übersetzt von Roland Baader)
Gerechtigkeit und Chancengleichheit
"Eine wirkliche Chancengleichheit kann sich doch nur auf Chancen beziehen, die tatsächlich der Staat bestimmt; aber die große Mehrzahl der Chancen ist durch Umstände bestimmt, deren Verschiedenheit die Grundlage unserer Leistungsfähigkeit bildet - daß die Menschen verschiedene Begabungen haben, in verschiedenen Umgebungen leben, verschiedene Gewohnheiten haben, verschiedene Kenntnisse - alles das sind doch die Grundlagen der großen Nutzung aller Möglichkeiten. Die Menschen in Umstände zu versetzen, wo jeder die gleichen Chancen hat, ist extremer Totalitarismus." (Interview in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Dezember 1981)
Zum Anarchokapitalismus
"Ich nehme das nicht wirklich ernst. Vor allem muß man wissen, um eine Gesellschaft aufzubauen, welches Verhalten man von anderen erwarten kann. Das setzt voraus, daß gewisse Regeln allgemein eingehalten werden; nicht, daß jeder seine eigenen Regeln aussuchen kann ..." (Interview in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Dezember 1981)
Zum Thema Armut
"Die Situation der Armen war nie besser als in den Zeiten des freien Marktes. Wenn man aber erst mal damit anfängt, die zehn Prozent der Bevölkerung mit dem jeweils niedrigsten Einkommen ‘die Armen’ zu nennen, dann wird es immer Arme geben, weil einige immer diese zehn Prozent sein müssen. Jede Handlungsweise der Regierung aber, die sich dauerhaft als direktes Ziel die Wohlfahrt der Armen vornimmt, muß letztlich zur Zerstörung des Marktes führen und damit zur Zerstörung des Wachstums des Gesamteinkommens, von welchem die Hoffnungen der Armen wirklich abhängen." (Interview in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Dezember 1981)
Die beiden Ordnungstypen: Kosmos und Taxis
"Es stehen verschiedene Ausdrücke zur Verfügung, um jede Art von Ordnung zu bezeichnen. Die gemachte Ordnung, die wir auch schon als eine exogene Ordnung oder eine Anordnung bezeichnet haben, kann auch als eine Konstruktion, eine künstliche Ordnung oder, besonders wo wir es mit einer gelenkten sozialen Ordnung zu tun haben, als eine Organisation beschrieben werden. Die gewachsene Ordnung andererseits, die wir sich-selbst-erzeugend oder endogen genannt haben, wird am besten als eine spontane Ordnung bezeichnet. Das klassische Griechisch war in einer glücklicheren Situation, da es verschiedene einzelne Wörter für die beiden Arten von Ordnung zur Verfügung hatte, nämlich Taxis für eine gemachte Ordnung, wie etwa eine Schlachtordnung und Kosmos für eine gewachsene Ordnung, ein Ausdruck, der ursprünglich ‘eine richtige Ordnung in einem Staat oder in einer Gemeinschaft’ bedeutet." (Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 1, München 1980, S. 59)
Spontane Gesamtordnung als "Gesellschaft"
"Die Familie, der Hof, der Betrieb, die Firma, die Aktiengesellschaft und die verschiedenen Verbände und alle öffentlichen Einrichtungen einschließlich der Regierung sind Organisationen, die ihrerseits in eine umfassendere spontane Ordnung integriert sind. Es empfiehlt sich, den Ausdruck Gesellschaft dieser spontanen Gesamtordnung vorzubehalten, so daß wir sie von all den organisierten kleineren Gruppen unterscheiden können, die innerhalb ihrer bestehen, wie auch von solchen kleineren und mehr oder weniger isolierten Gruppen wie der Horde, dem Stamm oder dem Clan, deren Mitglieder zumindest in einigen Hinsichten unter einer zentralen Leitung gemeinsamen Zielen dienen." (Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 1, München 1980, S. 70)
Markt oder Befehl
"In einer komplexen Gesellschaft hat der Mensch keine andere Wahl, als sich entweder an die für ihn blind erscheinenden Kräfte des sozialen Prozesses anzupassen, oder den Anordnungen eines Übergeordneten zu gehorchen. Solange er nur die harte Schule des Marktes kennt, wird er vielleicht denken, daß die Leitung durch einen anderen vernünftigen Kopf besser wäre; aber wenn es zum Versuch kommt, entdeckt er bald, daß ihm der erstere immer noch wenigstens einige Wahl läßt, während ihm der letztere gar keine läßt, und daß es besser ist, die Wahl zwischen verschiedenen unangenehmen Möglichkeiten zu haben, als zu einer von ihnen gezwungen zu werden." (Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 2. Aufl., Salzburg 1976, S. 38 f.)
Der entscheidende Vorteil der Marktwirtschaft
"Daß in die Ordnung einer Marktwirtschaft viel mehr Wissen von Tatsachen eingeht, als irgendein einzelner Mensch oder selbst irgendeine Organisation wissen kann, ist der entscheidende Grund, weshalb die Marktwirtschaft mehr leistet als irgendeine andere Wirtschaftsform." (Freiburger Studien, Tübingen 1969, S. 11)
Gegen die unbeschränkte Demokratie
"Die heute praktizierte Form der Demokratie ist zunehmend ein Synonym für den Prozeß des Stimmenkaufs und für das Schmieren und Belohnen von unlauteren Sonderinteressen, ein Auktionssystem, in dem alle paar Jahre die Macht der Gesetzgebung denen anvertraut wird, die ihren Gefolgsleuten die größten Sondervorteile versprechen, ein durch das Erpressungs- und Korruptionssystem der Politik hervorgebrachtes System mit einer einzigen allmächtigen Versammlung, mit dem Wortfetisch Demokratie belegt." (Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 1, München 1980)
Demokratiereform
"Die Demokratie, die wir kennen, muß scheitern, und so viele Menschen werden enttäuscht sein, daß sie sich eventuell gemeinsam gegen die Demokratie wenden. Ursache ist aber nur ein ganz spezieller Fehler unseres demokratischen Systems. Es ist überhaupt nicht notwendig, daß Demokratie ein allmächtiges Parlament bedeuten muß. Die meiste Zeit der neueren Geschichte zeigt das Ringen um eine Beschränkung der Regierung. Es war eine unglückliche Entwicklung, daß die Leute glaubten, daß eine Beschränkung der Regierung hinfällig sei, wenn man die Macht der Repräsentanten der Mehrheit der Bevölkerung gegeben habe. So wurden all die langen Bemühungen um eine Beschränkung der Regierung weggespült. Die Macht wurde einer einzigen Gruppierung gegeben, die sowohl die Gesetze machen kann, die sie für ihre Zwecke wünscht, als auch regieren kann. So haben wir eine unbeschränkte Demokratie bekommen, wo die Mehrheit des gewählten Parlaments machen kann, was sie will. Und was sie will, deckt sich überhaupt nicht mit der Meinung der Mehrheit, weil der Prozeß der Mehrheitsbildung darin besteht, bestimmte Gruppen mit bestimmten Vorteilen zu bezahlen. Und solange die gewählte Versammlung die Macht hat, muß sie dies tun. Man kann in einer Vertreter-Versammlung keine Vertreter-Mehrheit bilden, wenn man die vorhandene Macht nicht dazu benutzt, bestimmten Gruppen bestimmte Vorteile zu gewähren.
Diese Art von Demokratie ist schädlich und wird zusammenbrechen. Eines meiner Hauptanliegen ist nun, den Menschen zu zeigen, daß Demokratie nicht diese Form annehmen muß. Wir können eine Demokratie haben, in welcher die Regierung - obwohl demokratisch geführt - unter dem Gesetz einer Körperschaft bleibt, die nicht regieren kann, sondern nur allgemeine Regeln festlegen kann. Die Macht der Regierung ist dann durch allgemeine Regeln limitiert und auf die Durchsetzung dieser allgemeinen Regeln beschränkt. Diese Regierung wird unfähig, bestimmte Gruppen bestimmte Vorteile zuzuschanzen. Um eine beschränkte Demokratie zu schaffen, müssen wir die Macht teilen zwischen einer gewählten Versammlung (die nicht über das Parteilinien gewählt wird), welche generelle Regeln festlegen muß, und einer Regierungsversammlung, welche den von ersterer festgelegten Regeln unterworfen ist. Eine solche Regierung könnte nach wie vor Leistungen aller Art erbringen, aber keine Zwangsherrschaft ausüben." (Interviewfilm "Inside the Hayek-Equation", World Research Inc., San Diego, Cal. 1979, frei übersetzt von Roland Baader)
Liberalismus und Demokratie
"Der Liberalismus befaßt sich mit den Aufgaben des Staates und vor allem mit der Beschränkung seiner Macht. Die demokratische Bewegung befaßt sich mit der Frage, wer den Staat lenken soll. Der Liberalismus fordert, alle Macht, also auch die der Mehrheit, zu begrenzen. Die demokratische Theorie führte dazu, die Meinung der jeweiligen Mehrheit als einziges Kriterium für Rechtmäßigkeit der Regierungsgewalt zu betrachten. Die Verschiedenheit der beiden Prinzipien wird am klarsten, wenn wir jeweils das Gegenteil suchen: bei Demokratie ist es eine autoritäre Regierung, beim Liberalismus aber der Totalitarismus ... Liberalismus ist also unvereinbar mit unbeschränkter Demokratie, genauso wie mit jeder anderen unbeschränkten Macht ... Obwohl also die konsequente Anwendung liberaler Prinzipien zur Demokratie führt, wird die Demokratie den Liberalismus nur dann und nur solange bewahren, wie die Mehrheit ihre Macht nicht dazu mißbraucht, ihren Anhängern besondere Vorteile zu verschaffen, die nicht allen Bürgern gleichermaßen geboten werden können." (Liberalismus, Tübingen 1979, S. 35)
Konservatismus und Liberalismus
"Es waren immer die Konservativen, die dem Sozialismus Zugeständnisse gemacht haben und ihm zuvorkamen. Als Befürworter des ‘Weges der Mitte’, ohne eigenes Ziel, waren die Konservativen von dem Glauben geleitet, daß die Wahrheit zwischen den Extremen liegen muß - mit dem Ergebnis, daß sie ihre Position verschoben, so oft sich an einem der Flügel eine extreme Bewegung zeigte." (Die Verfassung der Freiheit, 3. Aufl., Tübingen 1991, S. 483)
"Aber die Bewunderung der Konservativen für freies Wachstum gilt immer nur der Vergangenheit. Es mangelt ihnen bezeichnenderweise der Mut, dieselbe ungeplante Veränderung zu begrüßen, aus der neue Mittel menschlichen Bemühens entstehen." (a.a.O., S. 484)
"Diese Scheu, ungelenkten sozialen Kräften zu vertrauen, steht in engem Zusammenhang mit zwei anderen Wesenszügen des Konservatismus: seiner Vorliebe für Autorität und seinem Mangel an Verständnis der Wirtschaftskräfte. Da er sowohl abstrakten Theorien als auch allgemeinen Grundsätzen mißtraut, versteht er weder jene spontanen Kräfte, auf denen eine Politik der Freiheit beruht, noch besitzt er eine Grundlage zur Formulierung von Prinzipien der Politik." (a.a.O., S. 485)
"Mit dem konservativen Mißtrauen gegen das Neue und Fremde hängt auch seine Feindseligkeit gegen den Internationalismus und seine Neigung zu einem betonten Nationalismus zusammen. Hierin liegt eine weitere Ursache seiner Schwäche im Kampf der Ideen." (a.a.O., S. 489)
"Was ich suche ist ein Wort, das die Partei des Lebendigen bezeichnet, die Partei, die für freies Wachstum und spontane Entwicklung eintritt. Aber ich habe mir vergeblich den Kopf zerbrochen, um ein bezeichnendes Wort zu finden, das ich bieten würde." (a.a.O., S. 493)
Zur Kartellgesetzgebung
"Ich sehe eigentlich nur eine sehr geringe Notwendigkeit für ein spezielle Antikartellgesetzgebung und sehe eine große Gefahr darin, daß wir eine Anti-Großbetriebsmaßnahme erlassen. An sich ist Größe keine Gefahr, im Gegenteil: Die Wiederkehr der Konkurrenz ist gerade durch den ‘ungeheuren’ Großbetrieb entstanden." Interview in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Dezember 1981
Zum Geld
"Wir werden niemals Inflation verhindern können, solange wir der Regierung nicht das Monopol der Geldausgabe wegnehmen. Regierungen haben uns niemals gutes Geld gegeben, ja die Begründung für das Geldausgabemonopol der Regierungen war noch nicht einmal die, sie würden uns gutes Geld geben, sondern immer nur die, sie bräuchten es zu Finanzierungszwecken. Das Ergebnis war, daß wir zweitausend Jahre lang ein Monopol hatten, das niemand in Frage gestellt hat. Wenn wir also eine freie Gesellschaft erhalten wollen, müssen wir die Demokratie neu gestalten und der Regierung das Geldausgabe-Monopol nehmen." Interviewfilm "Inside the Hayek-Equation", World Research INC, San Diego, Cal. 1979, frei übersetzt von Roland Baader
Aus: Gerd Habermann (Hrsg.): Philosophie der Freiheit. Ein Friedrich-August-von-Hayek-Brevier
Friedrich August Hayek -- The Road to Serfdom (1944) serf: Leibeigener -- Der Weg zur Leibeigenschaft -- Der Weg zur Knechtschaft