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 Leseberichte zum Untier

 mit Dank an Frank Müller vom Untier.de 

 

Zum Untier-Hörbuch 2012 von Georg Lichtenberg bei Amazon 

Das ist ein intellektueller Paukenschlag – ein Text aus einer gänzlich anderen Perspektive, nämlich der „anthropofugalen“ Perspektive, die man durch die eigene Sozialisation nicht erwartet und auch nicht kennengelernt hat. 

Es ist schwere Kost, schmackhaft gemacht durch einen begnadeten Sprecher, der es versteht, komplexe historische und philosophische Zusammenhänge ironisch-sarkastisch, aber auch derart anschaulich zu vermitteln, dass es ein Genuss ist, den kühnen Thesen, den z.T. grotesk dargestellten geistesgeschichtlichen Zusammenhängen amüsiert zu folgen. 

Die Nuancen intellektueller Argumentation werden plastisch, die Stimme zeigt sich wortgewaltig allen sprachlichen Feinheiten und komplizierten fachlichen Begriffen des Textes gewachsen.

Worum geht es? „Ungeheuer ist viel. Doch nichts ungeheurer, als der Mensch“ (Sophokles, Antigone). Ausgangspunkt ist die Mythologie, das Wesen des Menschen als eines Untiers, eines Scheusals, dessen Schicksal bzw. Bestimmung der eigene Untergang zwangsläufig sein muss.

Aus dieser Perspektive reflektiert der Autor, ironisch-feinsinnig gebrochen durch den Sprecher des Hörbuchs, wesentliche philosophische Epochen – immer unter dem Aspekt der Hybris bzw. des unterschwellig vorhandenen Strebens nach der Apokalypse.

 


Das Untier erhebt das Wort      2008 Von Borrible  amazon

Ohne Falsch wider sich selbst. Und wohlfeil ist seine Rede noch dazu. Selten noch erklingt ein so reiner Ton in der betäubenden Stille menschlicher Kakophonie. Lasst uns nun also dem Ende fröhlich entgegengehen.


Ferkelei -  2007 Von Kris Kelvin   - amazon

Das Buch ist genial, aber eine Ferkelei. Sicher, man kann so denken und man muss auch das gedacht haben. Aber nicht jeder verträgt es; es ist eine Speise, die junge selbstverliebte, gekränkte und überdrüssige Hobbyphilosophen zum Erbrechen bringen kann. Und zwar im Schwall in den Kragen ihres Vordermannes. Igitt. Es kann missverstanden werden als Rechtfertigung für Vernichtung und Gewalt. Deswegen nur 4 Sterne. Wenn ich meinen würde, die Kunst dürfe alles, dann gäbe es 5 Sterne. Aber ein bisschen Verantwortungsgefühl muss einfach sein.


So viel gebündelte Wahrheit   -  2003 Von sebloboy - amazon

Und wenn Nietzsche Schlafstörungen hatte, was hat dann Horstmann.. Ein Buch wie eine Offenbarung. Und wer sich mal wieder über die Kränkungen im Leben aufregt... (unsere Leiden) und sich fragt: Wie dem ein Ende machen? Hier ist die Antwort: Nur durch die totale Vernichtung, die totale Auslöschung dieses Planeten. Nichts anderes hat der Mensch seit jeher verfolgt. Aber bis dahin dürfte es wohl dauern und der Mensch wird in bestialischen Kleinkriegen, mittelgroßen Epidemien, zu Ende siechen, wie er es bisher getan hat. 


In die Knie gedrückt  - 2003 von Viktoria  - amazon

Wenn auch weniger detailliert als U. Horstmann, lassen sich im 19. Jahrhundert Schopenhauer, Nietzsche und Mainländer aus zu der Thematik: der Mensch als ephemere, unnütze Erscheinung auf dem Planet Erde.

Sind deren Ausführungen oft schon belastend und deprimierend genug, so übertrifft Horstmanns "Untier" sie alle. Obwohl dieses Buch sicher auch als Satire gemeint ist, hat es mich in die Knie gedrückt und zum Zittern gebracht.

1999 habe ich es bis gut zur Hälfte gelesen; seitdem wage ich nicht, es zu Ende zu bringen. Warum dennoch 5 Sterne? Weil uns unsere Situation rücksichtslos, ohne Schönfärberei vor Augen geführt wird. Nur so ist vielleicht noch ein Aufhalten des Schrecklichen möglich.


"Der wahre Garten Eden - das ist die Öde..." - 2001 Von Herbert Ferstl (Wendelstein)- amazon

"Das Ziel der Geschichte - das ist das verwitterte Ruinenfeld. Der Sinn - das ist der durch die Augenhöhlen unter das Schädeldach geblasene, rieselnde Sand."

Ob es schlussendlich der "atomare Weg" ist, der zwingend diesen Planeten zum globalen Schlachthof, zur "sublunaren Wirklichkeit" befördert oder das Gespenst der Überbevölkerung oder der Schrecken neuer Pestilenzen, oder, oder... bleibt sich egal.

Ebenso irrelevant ist die Frage nach einem (Lebens-) Sinn des von religiösen Mythen befreiten homo (sapiens) bestialis'.

"Die Perle des Universums" hat nur wenige Optionen, die kommenden Millenien zu überdauern. Eine davon ist die Dezimierung der Menschheit auf ein der Erde verträgliches Niveau oder die finale (Selbst-) Vernichtung des Untiers.

Was sollte an diesem anthropofugalen Gedanken - außer die vermeintliche Kränkung des menschlichen Bewusstseins - erschreckend sein? 

Eine nicht ganz einfach zu lesende Lektüre, die sich dennoch - oder gerade deshalb - lohnt. Einfach genial!


SZ

Der flüchtige Mensch - "Das Untier"   #  Marleen Stoessel,  Süddeutsche Zeitung vom 11.6.1983

Noch scheinbar Unvereinbarstes vermag aus solcher <orbitalen>, distanzierten, angeblich vorurteilsfreien Sicht sich zu verknüpfen (...). Schopenhauer und Hartmann, Nietzsche und Freud und später freilich auch Spengler und Klages folgen in dieser einsinnig-sinistren Kette, deren Beschreibung in ihrer polemischen Verknappung, in der satirischen Übertreibung und Verkehrung zuweilen auch das Vokabular des Unmenschen (<Endlösung>, <Entartung> usw.) streift.

Indessen fragt es sich, ob z.B. die Überspitzung, mit der Horstmann an Spenglers Verfalls-Vorstellung den abendländischen ‚Partialismus' rügt, solchem Denken nicht wirklich die Spitze bricht. Warum nicht gleich den Unmensch selber nennen und mit anthropofugaler Gründlichkeit dessen bloß partialen Rassismus kritisieren? (...)

Als begabter Satiriker hat Horstmann die Widerstände eingebaut, ohne die allzu leicht hinterm zynischen Ketzer der warnende Menschenfreund sich vernehmen ließe. Als schmalbrüstiger Philosoph allerdings kehrt er eher den Reaktionär hervor, der seine anthropofugale Satire nur im ontologischen Sumpf, in der flauen Beschwörung des ‚Eigentlichen' zu begründen weiß. Und nicht viel mehr als epigonal wirkt, wo er das lyrische Pathos eines Nietzsche nachspricht.

 


 

Alles Schlechte! -  Ulrich Horstmanns Abgesang auf <Das Untier> Mensch.  Ulrich Irion, Frankfurter Rundschau vom 5.7.1983

Schon im Motto wird die Ambiguität des gedanklichen Unternehmens offenbar: Pascals Aperçu, der Philosophie spotten heiße wahrhaft philosophieren, figuriert als Polarstern der Reise. Gewidmet ist das Buch dem Ungeborenen sowie, mit überdeutlichem Hinweis auf Swift, 'jenen Yahoos' (...), ‚die Wissenschaft von Satire wohl zu unterscheiden vermögen'.

Damit wird humanistischen Kritikern, die das Ganze als Satire vereinnahmen oder als Zynismus abtun wollen, von vornherein eine lange Nase gemacht. Das funktioniert perfekt, weil Horstmann, wie der Hase mit seiner Frau gegen den Swinegel, ein doppeltes Spiel spielt. So erscheint die gesamte Menschheitsgeschichte zwar – antiteleologisch – als sinnloses Morden und Schlachten; zugleich jedoch werden die bisherigen Kriege – teleologisch – als Vorübungen für das Endziel gesehen, alles Leben willkürlich auszulöschen. So lehnt Horstmann – antihumanistisch – jeglichen Anthropomorphismus ab, plädiert sogar dafür, jenseits allen Gattungsnarzißmus selbst die Insekten mitauszurotten; Grundlage dieses Plädoyers ist aber – humanistisch – Mitleiden mit der unglücklichen Kreatur. (...) Die todessüchtige Optik des Buches beruht auf einem raffinierten Verwirrspiel mit Prämissen abendländischen Denkens, mit dem vorherrschenden Glauben an eine vernünftige Entwicklung der Welt und an den Menschen als erhabenes Wesen.

Wie sein wichtigster Gewährsmann E. M. Cioran findet sich Horstmann nicht achselzuckend mit dem banalen Ende verbindlicher Moralität und rationalistischer Fortschrittsmetaphysik ab, sondern kehrt diese hehren Ideen gegen sich selbst, ständig changierend zwischen positiver und negativer Utopie, zwischen gnadenlos realistischer und glücksverheißend satirischer Ebene. (...)

Horstmann weiß genau, daß das Einlösen dieser Forderung (nach dem Untergang) durch die restlose Apokalypse den Menschen als animal rationale voraussetzen würde. Weil das humanistische Fiktion ist, kann der Satiriker par excellence sich guten Gewissens, da folgenlos, für das Ende der Erde als Lebens-Welt aussprechen und zugleich den Einwand höhnisch erledigen, das alles sei ja nur extremer Sarkasmus, verzweifelte Parteinahme für das Leben.

Das Wissen darum, daß der nächste Krieg höchstwahrscheinlich gigantisch, aber nicht total sein wird, ähnelt das Hoffen auf die Endbefriedung der semantischen Struktur des lateinischen ‚timeo, ne' an: ich fürchte, damit nicht.

Das Wesentliche über den rationalistischen Mythos von der bannenden Kraft des Wortes ist in der 'Dialektik der Aufklärung' gesagt. In deren unendlichen Spiralen kreist auch Horstmann und genießt, was philosophisch noch zu genießen ist: den luziden Wahnsinn von Unentscheidbarkeit."

 


FAZ

Daß wir besser nicht da wären - Günter Maschke, FAZ 16.08.1983

Die Friedensbewegung und die immer noch zu ängstlichen Politiker und Militärs stehen dem (der totalen Erlösung) immer noch im Wege, aber auch sie werden dem geheimen Wunsch aller, den alle leugnen, nicht mehr lange widerstehen können.

Letzteres ist in etwa die Quintessenz des jungen Münsteraner Philosophen Ulrich Horstmann, dessen Essay in der moralparfümierten geistigen Landschaft der Bundesrepublik durch seine Radikalität und seine elegante Schnoddrigkeit auffällt.

Der gelegentlich dekadent-pathetische Ton (...) mindert das bösartige Lesevergnügen ein wenig. Und ist es nötig, daß Horstmann, ganz braver Sohn der Alma Mater, all die Scharteken der Außenseiterphilosophen mitschleppt?

Doch so leistet er immerhin eine Anthologie der Sehnsucht nach dem Ende. (...) Ist denn das Zuendeführen des Werkes in Horstmanns Sinn ohne solche Spekulationen denkbar? Die Ausrottung der Menschheit wird unter humanitären Parolen erfolgen oder sie wird nicht gelingen.

Horstmann scheut leider den Gedanken, ob nicht die von ihm geforderte Ausbreitung des anthropofugalen Denkens – aufgrund der dann entstehenden Gleichgültigkeit – das größte aller Hindernisse für die anthropofugale Sehnsucht wäre. (...) Die Pointe ist (...), daß das anthropofugale Denken gerade keine Garantie dafür bietet, daß 'unsere Spezies bis auf das letzte Exemplar' vertilgt wird. Wer will, daß die Qual aufhört, legt sich eher aufs Sofa, als daß er den Helmriemen festzieht.

Horstmanns Programm wird nicht von seinesgleichen verwirklicht werden, sondern von den Täternaturen, die es immer noch gibt.


NZZ

Das Untier und der Narzißmus der letzten Worte.  Georg Kohler, Neue Zürcher Zeitung, 1.1.1984

Unbekümmert um die Präzisionsansprüche ans Reflektieren, an die sich nach dem vorläufigen Ende der klassischen Metaphysik die kühl und etwas ängstlich gewordene Universitätsphilosophie gewöhnt hat, kann man nun wieder mit Aussicht auf öffentliche Resonanz die ganz großen Thesen und Themen der Tradition traktieren. Daß unter den Messerchen der Rationalisten die raffinierten Oberflächen sich allzu rasch auflösen und damit das Ganze ruiniert wird, hat man nicht zu befürchten.

Gute Zeiten also für glänzende Rhetorik und schlechtere für kritische Argumentation. Einwände gegen schreckliche Simplifikationen á la Horstmann findet nach kurzem Nachdenken jeder. (...) Wer gegen ihn den Doppelcharakter der menschlichen Existenz hervorkehrt, die Tatsache, daß der Mensch beide Tendenzen in sich trägt, die zum 'Untier' und die zum 'Engel' (...), ist, so Horstmann, 'humanistisch deformiert', verblendet und behext von der 'anthropozentischen Inquisition'. (...) Also: Wer die Einsicht in den notwendigen und notwendig letalen Sinn der Geschichte verdrängt, verhilft diesem erst recht zur Vollendung.

Horstmanns Argumentationsgang basiert auf der Annahme eben der Prämisse, die sie der kritischen Befragung entzieht: daß alles zum Zweck des Untergangs geschehe. Derartige Apologetik ist unwiderleglich: sie hat sich die Nichtfalsifizierbarkeit spekulativer Grundsätze immer schon garantiert. So freilich kann man alles beweisen; Dänikens Theorie intergalaktischer Gründung terrestrischer Frühkulturen folgt etwa demgleichen Muster. 

Unser furchtlos 'anthropofugal' denkender Denker entflieht zwar den Regeln sinnvoller Diskurse, aber er beherrscht das Repertoire sophistischer Dialektik. Sein letzter Trick ist das Wort zu Beginn des Buchs: jenen nämlich sei seine Schrift gewidmet, die 'Wissenschaft von Satire' wohl zu unterscheiden wüßten. Will also Horstmann der schwarzen Larve seines Untiers doch noch den Schmetterling Hoffnung entschlüpfen lassen? Soll seine Kritik der Gegenwart schließlich doch die Zukunft des Menschen und eine menschliche Zukunft retten? Wer weiß es? Niemand. Der redliche Horstmann sorgt dafür, daß er nicht zu fassen ist. (...) 

Wie immer man auslegt, Horstmann verhält sich zu seinem Leser wie der legendäre Hase zum Igel: er ist immer schon auf beiden Seiten und behält so stets das letzte Wort. Horstmanns 'Narzißmus der letzen Worte' ist symptomatisch. Für ihn ebenso wie für die Wendung gegen alle Rationalität, die unsere wissenschaftlich-technische Zivilisation seit einigen Jahren bestimmt. Scheinbar von luzider Rationalität, die alle Naivität verdampft hat, ist Horstmanns Spekulation über die Nichtigkeit vernünftigen Fortschritts nur das Dokument einer Unfähigkeit zur Selbstdistanzierung: einer Unfähigkeit, mit der unvermeidlichen Einsicht in die Hinfälligkeit der menschlichen, also der eigenen Vernunft auch den Wunsch nach restlos allmächtigem Wissen zu verwinden, der die Versuchung jedes Denkens ist, das endlich ans Ganze gehen, also philosophisch sein möchte. Die absolut gewordene Vernunftskepsis, die im geschichtlichen Prozeß nur mehr den dunklen Trieb nach Macht und Selbstzerstörung zu erkennen vermag, ist die in die totale Negation verkleidete Wiederkehr einer narzißstischen Rationalitätshoffnung, die ihren Omnipotenzträumen nicht entraten will. Schwarze statt weiße Magie; heillos, weil selbstverliebt.


SWR

Die Beseitigung der Probleme der Menschheit durch die Beseitigung der Menschheit.  #  Gisela Elsner, Südwestfunk, 17.3.1984

Bei der Lektüre der Schrift über das sogenannte Untier, die anfänglich wie eine makabre Satire gegen das Wettrüsten anmutet, wird einem klar, daß Professor Horstmann einer von den Pseudophilosophen ist, die die sogenannte Wende dazu animiert hat, aus ihren Schlupflöchern zu kriechen.

Mit seiner Schrift kann man sich im Grunde nicht auseinandersetzen. Man kann sie nur in die Mülltonne werfen. Wer diese Schrift dennoch liest, der sollte sie als nichts anderes als für ein Symptom für das nahe Ende der herrschenden Klasse betrachten, die die Menschheit rachsüchtig in den Sog ihres selbstverschuldeten Untergangs zu zerren sucht.


DER SPIEGEL: Blutige Revue.  2.2.1987

Mit seiner aberwitzig wirkenden Idee, die atomare Apokalypse gleichsam als universale Erlösungstat ins Werk zu setzen, hat Horstmann bislang keine öffentliche Empörung auslösen können. Der Autor jedenfalls glaubt zu wissen, weshalb: In der offenbaren Gemütsruhe seiner Zeitgenossen, die sorglos auf nuklearen Pulverfässern sitzen, drückt sich für ihn die geheime Bereitschaft zur lustvollen Selbstvernichtung aus – die Einsicht, 'daß wir ein Ende machen müssen mit uns und unsresgleichen, so schnell und so gründlich wie möglich'.

Bei den Kritikern hat Horstmann mit dieser Diagnose bislang kaum Anklang gefunden. In seinen rabiaten Endzeit-Szenarien, meint etwa der Heidelberger Publizist Hans-Martin Lohmann, habe sich Horstmann letztlich von der herrschenden 'Gewalt korrumpieren lassen'.

Weiter östlich, in der DDR, klang die Reaktion auf den Untier-Autor noch gereizter: <Wann Professor Horstmann seinen Nervenarzt zuletzt konsultiert> habe, wollte das 'Neue Deutschland' wissen. 

Die Frage dürfte den Adressaten eher amüsiert haben. Was er von den Seelenärzten hält, schreibt er in einem SPIEGEL-Essay – er zählt sie zu den notorischen Feinden des 'Zu-Ende-Denkens'.

 


 

Heino Bosselmann  --  3,0 von 5 Sternen Finsterpredigt   -  Rezension aus Deutschland vom 21. Februar 2014

Horstmann legt den Abriß einer Geschichte der von ihm bevorzugten „anthropofugalen Weltwahrnehmung“ vor – im Sinne eines Schwarzbuches, das zum einen die Untaten des „Untiers Mensch“ versammelt, zum anderen jene philosophischen Gewährsmänner aufruft, die Horstmann „Revokation der Schöpfung“ im Sinne seines radikalen Anti-Humanismus geistesgeschichtlich stützen.

Von Seneca über Jean Meslier und d’Holbach bis v. Hartmann und Klages wird so eine Menge Zitat-Material zusammengeklebt, das Horstmanns Plädoyer für die Abschaffung der Menschheit zugunsten eines erneuerten Natur-Paradieses autoritätsbeweislich stärkt. Selbstverständlich räumt der Autor vorzugsweise Schopenhauer und Cioran besonders viel Platz ein, wobei dieser als Vollender von jenem dargestellt wird, da Schopenhauer mit seiner Willensmetaphysik, die hinter aller Erscheinung ein blindes und sinnfreies, wenngleich omnipotentes Wirkprinzip am Werke sieht, nach Horstmanns Geschmack immer noch zu sehr dem deutschen Idealismus verhaftet blieb.

Überhaupt sieht der Autor schon den Urmythen eine Genetik der letztendlichen Vernichtung eingeschrieben, die es wiederzuentdecken gilt, um endlich das „Vermonden des stoffwechselsiechen Planeten“ zu realisieren.

Das alles ist geistreich und bildsam beschreiben und wirkt ferner sehr beredt, erscheint jedoch nicht frei von Stereotypen und Redundanzen. Mehr als daß Horstmann wahrhaft philosophisch analysieren oder auch nur argumentieren würde, schwelgt er predigend in Armageddon- und Overkill-Phantasien. Hier und da klingt Nietzsches Apostel-Rhetorik des Anti-Apostels durch. Was er ausdrücken möchte, reichte statt für ein ganzes Buch schon für einen Essay; deshalb stagniert die Darstellung und dreht den einen Gedanken mehrfach um.

Daß das Buch 1983, also in der letzten Phase des Kalten Krieges und der Masservernichtungsmittel-Hochrüstung von Super-Mächten erschien, lädt es mit einer zusätzlichen Hintergrundstrahlung auf: Die Vernichtung der Menschheit schien nicht nur erstmals technisch möglich, sondern in Ergebnis der militärischen Konfrontation der Blöcke sogar wahrscheinlich. Was den meisten Zeitgenossen folgerichtig Angst verursachte, darin sah Horstmann offenbar eher eine große Chance von ganz besonderer Ästhetik im Stil der Apokalypse des Johannes:

„Und das Blitzen der Detonationen und der sich über die Kontinente fressende Brand wird sich spiegeln in den Augen des Letzten unserer Art und sein Antlitz erleuchten und verklären. Und alle Geschöpfe werden niedersinken in der Glut und dem Untier huldigen in der Stunde ihres Untergangs als dem Heilande, der sie erlöst hat zum ewigen Tode.“

Man hat schnell begriffen, worum es Horstmann geht. Non multa. Freilich ohne echten Erkenntnisgewinn. So gewaltig der Gestus, so banal die Botschaft: Denn wir wissen schon mit Sophokles, dass vielerlei ungeheuerlich ist, aber nichts ungeheurer als der Mensch. Wir wissen um den „Mord-Affen“ Homo Sapiens, den Horstmann endlich verurteilt und von sich selbst gerichtet sehen will, wissen, daß der Fortschritt jener blutige Götze ist, der seinen Nektar aus den Hirnschalen Erschlagener trinkt. Der Mensch war immer, aber doch nie ausschließlich!, Vernichter, nur das ihm zur Verfügung stehende Besteck wandelte sich von der urzeitlichen Keule tatsächlich zur Atombombe und hochtechnisierten Killer-Drohne.

Im Nachwort verlangt Frank Müller eine komplexere Sicht auf Horstmanns Pamphlet. Soll das alles wirklich Ironie sein? Das müßte man dann wohl eigens dazuschreiben. Das vorangestellte Motto von Pascal („Der Philosophie spotten heißt wahrhaft philosophieren.“) deutet zwar darauf hin, aber als Satire wäre das Bändchen nun wieder literarisch zu wenig wert. Es liest sich passagenweise schon wie eine hochtransformierte Litanei. Und wie bei der Lektüre vieler Vielwisser haben wir es mit einer Menge Fußnoten zu tun, mit denen die Verurteilung des Menschen abgesichert werden soll. Schlüssiger erscheint mir die Vermutung, hier mag es einer besonders kraß, weil das schockiert und sich aufgedreht hinschreiben läßt, einer, der andererseits die Sicherheit und den Überfluß der fatalen Supermarkt-Gesellschaft und ihre medizinische Totalversorgung zu schätzen weiß, aber mal so richtig gegen die schlimmen Artgenossen ausholen möchte, um den finsteren Kapiteln der Philosophiegeschichte noch ein besonders schwarzes hinzuzufügen. Aber auch ein besonders kurzes und eher unerhebliches. Lesen? Ja. Dann wegstellen. Für den Giftschrank, der die richtig bösen Denker versammelt, wirkt es zu inszeniert und zu artifiziell aufgesetzt.

 


 

Aus Deutschland von K.  -- 5,0 von 5 Sternen

Lasst uns die Erde nukieren!
Rezension aus Deutschland vom 16. Juni 2021
Dieses Buch war erstaunlich... Zumindest würde ich das wahrscheinlich sagen, wenn ich Deutsch lesen könnte... was ich nicht kann (zumindest nicht sehr gut). Angesichts seines Rufs und der Möglichkeit, mein Deutschstudium jemals zu beenden, habe ich beschlossen, es zu kaufen. Wenn für nichts anderes, als es einfach in meinem Bücherregal zu bewundern.

Falls Sie dies lesen, Herr Horstmann, erwägen Sie bitte, dass das Buch ins Englische übersetzt wird. Ich versichere Ihnen, dass es ein Publikum dafür gibt.


5,0 von 5 Sternen  - Wenn ISIS die Köpfe absäbelt
Rezension aus Deutschland vom 1. Oktober 2014 

... und der kalte Krieg reloaded wird, dann merkt man wie aktuell Ulrichs Horstmanns Konturen einer Philosophie der Menschenflucht auch mehr als 30 Jahre nach deren Erscheinen noch sind.
Der Mensch bleibt ein Untier. In der "zivilsierten Welt" hat er allenfalls in den letzten Jahren etwas Kraft getankt und durchgeschnauft. Nun macht er sich aber wieder daran, sich dem Endziel der Geschichte weiter zu nähern. Wobei es unklar ist, ob die nötige Konsequenz im Handeln und Nachhaltigkeit der Mittel wie von Hortsmann damals beschrieben, derzeit gegeben sind. Da gingen möglicherweise Fähigkeiten verloren ;-)
In jedem Fall ist das Untier für micht immer eine schöne Lektüre, wenn es "draußen" mal wieder schlecht läuft und irgendwer, irgendwem den Schädel spaltet oder was in die Luft sprengt. Auch barbarische ISIS-Horden machen im Kontext des Untiers wenigstens etwas Sinn.

 


 



Sonne Mond und Sterne
5,0 von 5 Sternen Außergewöhnliches Buch
Rezension aus Deutschland vom 22. August 2013
Verifizierter Kauf
Für diese Schrift gibt es nur eine Bewertung: 5 Sterne
Zugegeben, dieses Machwerk ist schwer zu lesen und wirft aufgrund der geballten
Wortgewalt von Ulrich Horstmann unzählige Fragen auf.
Allein dadurch, dass man viele Begriffe nur versteht, wenn man sich weiter kundig macht,
den Text mehrfach liest und nochmals quer liest erschließt sich dem Leser eine völlig
alternative Sicht auf den Homo Sapiens und seine Geschichte. Es ist die Geschichte des "Hauens, Stechens
und Schädelspaltens" die seit "unerdenklicher Zeit" so abläuft und heutzutage mit dem Weizenbier auf der Terasse
unter guten Freunden einstweilen noch gearde so auszuhalten ist. Horstmann nimmt das Unvermeidliche vorweg, dennoch läßt er es offen, dass die Menschheit erkennt auf welchem Weg sie sich befindet. In der Erkenntnis des Grauens, im Trost des ewigen fruchtlosen Ödlands und eines verdorrten Planeten zeigt sich, dass die Philosophie die erste und letzte Wissenschaft ist. Sein Buch hilft zu erkennen, wir halten die Geschichte in der Hand ...
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Heino Bosselmann
3,0 von 5 Sternen Finsterpredigt
Rezension aus Deutschland vom 21. Februar 2014
Verifizierter Kauf
Horstmann legt den Abriß einer Geschichte der von ihm bevorzugten „anthropofugalen Weltwahrnehmung“ vor – im Sinne eines Schwarzbuches, das zum einen die Untaten des „Untiers Mensch“ versammelt, zum anderen jene philosophischen Gewährsmänner aufruft, die Horstmann „Revokation der Schöpfung“ im Sinne seines radikalen Anti-Humanismus geistesgeschichtlich stützen.

Von Seneca über Jean Meslier und d’Holbach bis v. Hartmann und Klages wird so eine Menge Zitat-Material zusammengeklebt, das Horstmanns Plädoyer für die Abschaffung der Menschheit zugunsten eines erneuerten Natur-Paradieses autoritätsbeweislich stärkt. Selbstverständlich räumt der Autor vorzugsweise Schopenhauer und Cioran besonders viel Platz ein, wobei dieser als Vollender von jenem dargestellt wird, da Schopenhauer mit seiner Willensmetaphysik, die hinter aller Erscheinung ein blindes und sinnfreies, wenngleich omnipotentes Wirkprinzip am Werke sieht, nach Horstmanns Geschmack immer noch zu sehr dem deutschen Idealismus verhaftet blieb.

Überhaupt sieht der Autor schon den Urmythen eine Genetik der letztendlichen Vernichtung eingeschrieben, die es wiederzuentdecken gilt, um endlich das „Vermonden des stoffwechselsiechen Planeten“ zu realisieren.

Das alles ist geistreich und bildsam beschreiben und wirkt ferner sehr beredt, erscheint jedoch nicht frei von Stereotypen und Redundanzen. Mehr als daß Horstmann wahrhaft philosophisch analysieren oder auch nur argumentieren würde, schwelgt er predigend in Armageddon- und Overkill-Phantasien. Hier und da klingt Nietzsches Apostel-Rhetorik des Anti-Apostels durch. Was er ausdrücken möchte, reichte statt für ein ganzes Buch schon für einen Essay; deshalb stagniert die Darstellung und dreht den einen Gedanken mehrfach um.

Daß das Buch 1983, also in der letzten Phase des Kalten Krieges und der Masservernichtungsmittel-Hochrüstung von Super-Mächten erschien, lädt es mit einer zusätzlichen Hintergrundstrahlung auf: Die Vernichtung der Menschheit schien nicht nur erstmals technisch möglich, sondern in Ergebnis der militärischen Konfrontation der Blöcke sogar wahrscheinlich. Was den meisten Zeitgenossen folgerichtig Angst verursachte, darin sah Horstmann offenbar eher eine große Chance von ganz besonderer Ästhetik im Stil der Apokalypse des Johannes: „Und das Blitzen der Detonationen und der sich über die Kontinente fressende Brand wird sich spiegeln in den Augen des Letzten unserer Art und sein Antlitz erleuchten und verklären. Und alle Geschöpfe werden niedersinken in der Glut und dem Untier huldigen in der Stunde ihres Untergangs als dem Heilande, der sie erlöst hat zum ewigen Tode.“

Man hat schnell begriffen, worum es Horstmann geht. Non multa. Freilich ohne echten Erkenntnisgewinn. So gewaltig der Gestus, so banal die Botschaft: Denn wir wissen schon mit Sophokles, dass vielerlei ungeheuerlich ist, aber nichts ungeheurer als der Mensch. Wir wissen um den „Mord-Affen“ Homo Sapiens, den Horstmann endlich verurteilt und von sich selbst gerichtet sehen will, wissen, daß der Fortschritt jener blutige Götze ist, der seinen Nektar aus den Hirnschalen Erschlagener trinkt. Der Mensch war immer, aber doch nie ausschließlich!, Vernichter, nur das ihm zur Verfügung stehende Besteck wandelte sich von der urzeitlichen Keule tatsächlich zur Atombombe und hochtechnisierten Killer-Drohne.

Im Nachwort verlangt Frank Müller eine komplexere Sicht auf Horstmanns Pamphlet. Soll das alles wirklich Ironie sein? Das müßte man dann wohl eigens dazuschreiben. Das vorangestellte Motto von Pascal („Der Philosophie spotten heißt wahrhaft philosophieren.“) deutet zwar darauf hin, aber als Satire wäre das Bändchen nun wieder literarisch zu wenig wert. Es liest sich passagenweise schon wie eine hochtransformierte Litanei. Und wie bei der Lektüre vieler Vielwisser haben wir es mit einer Menge Fußnoten zu tun, mit denen die Verurteilung des Menschen abgesichert werden soll. Schlüssiger erscheint mir die Vermutung, hier mag es einer besonders kraß, weil das schockiert und sich aufgedreht hinschreiben läßt, einer, der andererseits die Sicherheit und den Überfluß der fatalen Supermarkt-Gesellschaft und ihre medizinische Totalversorgung zu schätzen weiß, aber mal so richtig gegen die schlimmen Artgenossen ausholen möchte, um den finsteren Kapiteln der Philosophiegeschichte noch ein besonders schwarzes hinzuzufügen. Aber auch ein besonders kurzes und eher unerhebliches. Lesen? Ja. Dann wegstellen. Für den Giftschrank, der die richtig bösen Denker versammelt, wirkt es zu inszeniert und zu artifiziell aufgesetzt.

 



hohlerzahn
3,0 von 5 Sternen Nicht schlecht...
Rezension aus Deutschland vom 29. Mai 2016
Verifizierter Kauf
...aber dafür den Büchner-Preis kriegen? Das zeigt halt, das eine Nation einen neuen Büchner nicht am Fliesband produzieren kann. Alles so ziemlich bei E M Cioran abgekupfert und mit der Angst vor der atomaren Vernichtung up-gedated! Eher ein Zeitdokument als große Literatur.



Contessa di Addar
2,0 von 5 Sternen Das Sein zur atomaren Auslöschung - Existentialphilosophisch aufgebrezelter Herr Karl
Rezension aus Deutschland vom 4. April 2017
Zu Ulrich Horstmann: Das Untier. Konturen einer Philosophie der Menschenflucht (Neuauflage mit einem Nachwort 2005, Erstauflage 1983/85)

 

„…selbst wenn die Atombomben der USA so mächtig wären, dass sie, über China abgeworfen, den Erdball durchschlagen oder ihn sogar in die Luft sprengen würden, so wäre dies zwar ein größeres Ereignis im Sonnensystem, aber für das ganze Weltall kaum von Bedeutung.“
(Mao Tsetung, Das chinesische Volk lässt sich durch die Atombombe nicht einschüchtern, 28. Januar 1955, in: Ausgewählte Werke Band V, Peking 1978, S. 170)

1
1985/86/87 - die Führungsmacht und die eifrigen Mitmacher der NATO hatten offensiv die Entscheidung der „Systemkonkurrenz“ mit den nicht letzen, sondern immer schon ihr zugrundeliegenden Mitteln vollrohr im Visier. Der Vorsitzende des zur Vernichtung auserkorenen „Reichs des Bösen“ versuchte noch mit einem revitalisierenden Glas Nost, den eigenen Laden unter staatsmoralischer Beschwörung des Elans der revolutionären Staatsgründung dafür flott zu kriegen, als politisches Subjekt der Staatenwelt gegen das kompromisslos angetragene „letzte Gefecht“ bestehen zu können. Weltkrieg No. 3 lag somit mehr als nur in der Luft.

Die, die als lebendes Inventar für die Weltherrschaft der totalitären westlichen „Werte“ als einkalkulierter „Kollateralschaden“ nicht verheizt werden wollten, brachten gegen das fundamentalistische Treiben ihrer politischen Herrschaft schnell nicht mehr als aufgeregten devoten alter-nativen Nationalismus und den Schlächtern gegenüber lammfromme Bonhommie auf die Füße. Ist doch einfach nicht schön, wenn die schwarzrotgoldene Heimat als Frontstaat nicht un-demoliert aus der Sache herauskommt. Könnt ihr das Raketenzeugs bittschön nicht woanders, wo`s nicht so stört, platzieren ? Und während vom Fußvolk noch vom Schuhplattler bis zum durch die Tür gehen noch jede banale Alltagshandlung per se einfach zur Friedensaktion um-definiert wurde (was natürlich den Eindruck einer unglaublichen massenhaften Bewegung vermittelte), war`s exponierten Trittbrett-zur-Karriere-Figuren aus der ehemaligen K-Szene wie Fischer & Co. längst nur die günstige Gelegenheit, inmitten der Republik und bei Machtteilnahme und Pfründen „anzukommen“.

2
In dieses Klima der öffentlichen Aufgeregtheit kreuzbraver Untertanen, denen die gute Meinung zu Schwarzrotgold als ambinioniertem NATO-Mitmacher nicht grundsätzlich abhanden kommen wollte, passte als begleitend-sinnhubernde Gesamtschau aus dem philosophisch-kulturalistischen Überbau Horstmanns prätentiös als dysutopische schwarze Ontologie aufgemachtes Heftchen ganz prächtig.

Für so was im „Zeitgeist“ Liegendes (bzw. Unterbringbares) hat suhrkamp (erst damit rückte das schon 1983 bei Medusa erstaufgelegte Bändchen ins Rampenlicht der Kulturöffentlichkeit) ein untrügliches Verlagsgespür, hatte man mit Sloterdijks „Kritik der zynischen Vernunft“ 1983 ja schon „als Ereignis“ erfolgreich durch. Und dem „Spiegel“ war`s sogleich ein feuilletongeschmäcklerisches Abschmatzen des „kalten Schmisses“, mit dem das vorgetragen wurde, allemal wert. Und Verbandelung mit Kleist-Nachfahren als Promotoren tat ein Übriges. Preisnominator Gunter Kunert lobhudelte besinnungslos backcovertauglich: „Es handelt sich um den geistesgeschichtlichen Nachweis, dass die Menschheit vom Beginn an nichts anderes anstrebe als die Rückkehr in den Zustand des Anorganischen…Im Grunde lohnen nur solche Bücher.“ Beide Sätze sind, es wird sogleich ausgeführt, falsch.

Mit nietzscheanischem, gelobt-sei-was-hart-macht „Ja“ bzw. „Nein zum Leben ohne Wenn und Aber“ also gegen windelweiches Lamento, vorgetragen, nein leidend-demütig: -gesungen, mit der vibrierenden Kirchenchorstimme der Antje Vollmar. Mit Heidegger in Seinsandacht, was immer für ein garantiertes Ungemach solche metaphysische Gesamtschau-Entrückung einem einbringt. Horstmanns Bart (Nietzsche !) und Outfit (Heidegger !) machten bei seinen Fernsehauftritten in der Kulturecke selbst dem blödesten Auge klar, woher der Wind pfiff. Eine kalkulierte Masche, berechnet darauf, resignierenden Protestlern mit Sinnkrise ein pessimistisches Kuschelkissen zu verschaffen. Oder die beleidigt-gehässige Reaktion des frustrierten Möchtegern-Sozialingenieurs: „Ihr habt nicht auf mich gehört ? Recht geschieht`s Euch also !“ fundamentalontologisch aufzumörteln. Die Botschaft ist schlicht: das „große Umsonst“ ist NOTWENDIG, die kollektive Autodestruktivität des „Untiers“ schon mit der zellularen Ursuppe angerührt. Die Grundidee der terristrischen „Vermondung“ aus einem science fiction geklaut, ließ Horstmann reichlich (Freud, Schopenhauer, Mainländer, Cioran…) aufmarschieren, was angesichts jahrhundertelangem Gekämpfes und Gewürges des „sprechenden Tiers“ von existentialphilosophisch kommentierenden jeweiligen Zeitgenossen quintessenzlich und blitzgescheit in der Art von Helmut Qualtingers famosem Herrn Karl auf den fulminanten Allzweck-Begriff gebracht wurde: „Eins weiß I genau, der Mensch is a Sau“. Und das inhaltsleer-tautologisch begründet mit Freud: worauf lässt organisierter Krieg , - also akribisch-systematisch geplanter und durchgeführter Mord und Totschlag in großem Stil, mit dem ein staatspolitischer Wille einen anderen, ihm entgegenstehenden ganz prinzipiell bre-chen will und in der Tat ein auffälliges soziales Phänomen, kaum dass der homo sapiens sich durch Busch und Bäume hangelt und sich von Domestizierung vortäuschendem Hund und Katz ausbeuten lässt -, schließen ? Auf die von ihm aparte Urbereitschaft, ihn zu führen. Für-wahr: ohne kollektive Bereitschaft, ihn zu führen und mitzumachen, gäb`s ihn wohl nicht, er „bricht“ nicht aus wie ein Vulkan (wenngleich seine destruktiven Resultate dem gleichkom-men oder sie noch weit übertreffen mögen). Und was beweist aber, dass es die einfach so ur-wüchsige Bereitschaft, ihn zu führen, den „Autodestruktiontrieb“, unabhängig von ihm bzw. den Zwecken, die mit ihm verfolgt werden, gibt, quasi als eine immerwährende und sich stets gleichbleibende ontologische Substanz ? Nach (miserablem) existitalphilosophischem Seins-befund: dass er (immer wieder) geführt wird. Immer wieder halt Gleiches, dem eine durch-wesende GleichHEIT, eben jener Kollektivtrieb, zugrundeliegen soll. Weil gäb`s die Bereit-schaft nicht, würd er ja nicht geführt werden...Dieser tiefgründige zirkuläre Blödsinn hat offenbar Charme. Denn er erspart einem, auch nur einen durchdachten Gedanken darauf zu verschwenden, welche Zwecke denn da sich jeweils kriegerisch geltend machen wollten und wollen. Und wieso die, die dafür als Menschenmaterial der jeweils heiligen Sache (gehören immer mindestens, das wusste schon der alte Clausewitz, zwei dazu, die sich „wechselseitig das Gesetz geben“, also von wegen ein homogenes Subjekt namens „Untier“) draufgehen, sich das nicht nur verordnen lassen. Sondern auch noch mit „Hurra“ zwei Meter vorwärts-stürmen, bevor sie die erste Kugel niederstreckt (ist also nicht so, dass es da nichts zu ergründen gäbe; nur ist da eben nichts NOTWENDIG und deterministisch gemeißelt. Selbstreflektiert laut und vernehmlich Nein-sagen und Nein-tun zu können ist eine Eigenart der kreativen menschlichen Freiheit).

3
Dem affirmativ-geistlosen „Es ist so weil`s so ist und es ist schlecht und damit gut so“ Weltsinnsbefund, der einfach misantrophisch VIELES abstrakt in EINEN Topf wirft und es zu einer Fits-for-all-Meta-Konstruktion verrührt, hat Horstmann dann noch die Idee der Veranstaltung einer apokalyptischen Abschlußparty (vom Friedens- ins Untergangshappening) drangehängt. Für friedensbewegte Bonhommie-Optimisten mag das Heftchen damals da und dort „schocking“ gewesen sein: „Aber man müsse doch auch „das Gute“ sehen“ usw. blah blah blah…

4
An den kulturindustriellen Erfolg von Sloterdijks „Angebot“ eines postmodernen platten Opportunismus, - dem „Großentwürfen“ entsagenden Mitmachen und, vor allem, Mitnehmen, das sich, in kulturindustriell-akademischen „Netzwerken“ organisiert, als abgeklärt-kritischer Zeitgeistvoyeurismus spreizen konnte (eine philosophische Begleitmusik des DenkHandelns der Fischer & Co. also) -, kam Horstmanns Bändchen jedoch bei weitem nicht ran; obwohl sein Zeugs, das muß man ihm lassen, weitaus geschliffener als Sloterdijks assoziativer La-berschwurbel (nur eine freche Simulation von Heideggers „echtem Fragen“) geschrieben war. Wenngleich er mit „Das Untier“, mit Schopenhauer gesprochen, „nichts wirklich durchdacht Gedachtes“ geschrieben hatte, machte Horstman wenigstens diesen Resteindruck formaler Eleganz dann allerdings mit folgenden, unsäglich platten Aphorismenbändchen (zwischenzeitlich deren vier) auch noch zunichte: „Ein Skandal, wie die Empörungsbereitschaft schwindet !“ usw. usf. Denkeintagsfliegen. Nichts als ranzige Pseudo-Oscar-Wilde-Thaliabuchhandlungs-Kalenderzoten für ins Alter kommende Deutschgymnasiallehrer, die ihre sinnsprucharchivierende Denkvertrocknung partout und penetrant mit Esprit verwechseln möchten . Und sein Romanversuch „Patzer“ (1990 erschienen bei Haffmanns, wo man wohl meinte einer immerhin sehr ordentlichen Schopenhauerwerkausgabe gleich das zähe Gewürge eines kleistmafiabepreisten „späten Schülers“ des Meisters dranflanschen zu müssen) ist literarisch nur mehr einzig und allein…genau das.

5
Daß sich sein „Begrüßen wir seinsbejahend den atomaren Weltuntergang, wir haben dann das Gekrampfe endlich tutti quanti hinter uns“-Pamphlet mit dem (vorerstigen) Ausbleiben des dritten Weltkriegs als schwarze Prophetie eines ontologischen Gauklers peinlich erledigt hatte, hat er – alle Achtung vor dieser Marketing-Chuzpe ! - zwischenzeitlich für`s Weiterspinnen der Masche produktiv gemacht. Denn das Heftchen wurde a) neu aufgelegt und nunmehr in die Tradition von Jonathan Swifts „Bescheidenem Vorschlag“ (Anmerkung), einem schwarz-humorigen Klassiker, gestellt. Und b) folgte dem so anders „kontextualisierten“ Traktat ein Büchlein, in dem Weltuntergangsphantasien als DAS Mittel ausgelobt werden, diesen gerade (vorerst) zu verhindern. So übertrifft das pessimistische Menetekeln sogar noch das einstige Pascalsche Kalkül zur Nützlichkeit des Gottesglaubens gegenüber dem Nicht-Glauben. Kommt das Schlimmste (vorerst) nicht, hat gerade die Prophezeiung, es komme unausweichlich, sein Kommen verhindert. Da das aber nur „vorerst“ gilt, muß natürlich weiter das Schlimmste als notwendig kommend prophezeit werden, damit`s auch weiterhin nicht kommt. Und wenn`s dann doch irgendwann, joh mei (Franz Beckenbauer), halt dann doch kommt, dann hat der Prophet es ja immer schon gesagt (und es half auch nicht mehr, es als kommend zu prophezeien, um es zu verhindern). Erfüllt oder nichterfüllt: man hat also immer was davon. Zur Immunisierung ihrer verrückten Meta-Konstrukte könnten die Mainstream-Ökonomen von dieser Art der Prognosik noch was lernen. Denn den Nutzen ihrer stets und notwendig fehlgehenden Prognosen haben sie bisher nur kindsköpfig trotzig (aber bestens dotiert) so erklären können, dass ihre Theorie 100 pro stimmt, nur nicht die Wirklichkeit. Al-so, Ökonomenkasper: einfach nicht immer das Beste (das blöde: Mehr Mehr Mehr) prognostizieren, sondern das Schlechteste (Nichts).

6
A propos „Nichts“: wer im übrigen ernsthaft etwas existentialphilosophisch/ontologisch recht Gescheites (und auch stilistisch sehr gut Lesbares) studieren will, das würdig in der sprachklaren Tradition Schopenhauers und metaphysikkritisch darüber hinaus gedacht ist, der lese Ludger Lutkehaus, Nichts. Erstaunlich, was sich darüber auf 766 Seiten sagen lässt, obwohl „nichts“ nicht als das Dual zu einem Sein, als ein „abstrahiertes“ Sein, gedacht werden kann. Deshalb ist nichts aber nicht einfach nichts…Dagegen jedenfalls ist Horstmann nur philosophische Trivialliteratur, Feuilleton halt…(und klar, es gäb` bei Lutkehaus natürlich auch was Grundlegendes zu kritisieren; aber nicht hier)
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(Anmekung): siehe im Kommentarteil
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Gerald Wieland
5,0 von 5 Sternen Sehr gutes Buch
Rezension aus Deutschland vom 5. September 2013
Verifizierter Kauf
Ulrich Horstmann ist genial.
Er hat hiermit ein unvergleichliches Werk in die bisherige Welt der Literatur gesetzt.
Dieses Buch sollte man gelesen haben.


 



PD Dr. Uwe Wolff
5,0 von 5 Sternen Logbuch für Klimakatastrophen
Rezension aus Deutschland vom 6. Juni 2019
Ulrich Horstmanns Buch "Das Untier" erschien 1982 im Suhrkamp Verlag. Gegen den überzogenen Optimismus in Pädagogik, Soziologie, Psychologie und Politik setzte der Marburger Professor für Angelistik diese Philosophie der Ernüchterung. Ein unerlässlicher Wegbegleiter im angebrochenen Zeitalter der Klimakatastrophen. Pflichtlektüre für die Generation Greta Tunberg!


 

 



Johannes Lueck
4,0 von 5 Sternen Entgleisungen sind leider das Gleis
Rezension aus Deutschland vom 5. Mai 2020
Horstmann sagt: menschliches Verhalten ist geprägt von Entgleisungen und wahrscheinlich sind diese Entgleisungen das Gleis. Ab einem bestimmten Punkt gehören wir einfach nicht mehr zur Schöpfung mit dazu. Im Gießener Philosophikum drehte sich förmlich alles um ihn, räumlich betrachtet.


 



Herbert Ferstl
5,0 von 5 Sternen "Der wahre Garten Eden - das ist die Öde..."
Rezension aus Deutschland vom 18. Juni 2001
"Das Ziel der Geschichte - das ist das verwitterte Ruinenfeld. Der Sinn - das ist der durch die Augenhöhlen unter das Schädeldach geblasene, rieselnde Sand."
Ob es schlussendlich der "atomare Weg" ist, der zwingend diesen Planeten zum globalen Schlachthof, zur "sublunaren Wirklichkeit" befördert oder das Gespenst der Überbevölkerung oder der Schrecken neuer Pestilenzen, oder, oder... bleibt sich egal. Ebenso irrelevant ist die Frage nach einem (Lebens-)Sinn des von religiösen Mythen befreiten homo (sapiens) bestialis`. "Die Perle des Universums" hat nur wenige Optionen, die kommenden Millenien zu überdauern. Eine davon ist die Dezimierung der Menschheit auf ein der Erde verträgliches Niveau oder die finale (Selbst-)Vernichtung des Untiers. Was sollte an diesem anthropofugalen Gedanken - ausser die vermeintliche Kränkung des menschlichen Bewusstseins - erschreckend sein?
Eine nicht ganz einfach zu lesende Lektüre, die sich dennoch - oder gerade deshalb - lohnt. Einfach genial!

 

 

 

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