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Sex und das Geburtstrauma

 

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Sex ist für viele von uns eine Methode, mit dem Geburtstrauma fertig zu werden. Während die sexuellen Empfindungen keine Empfindungen aus dem Geburtsvorgang sind, könnten es die konvulsiven Tendenzen des Geschlechtsverkehrs sehr wohl sein. Es gibt Menschen, die konvulsive Entspannung durch zwanghaften Sex suchen. Ihr Urschmerz ist so groß, daß nur zwanghafter Sex mit seiner massiven Entladung durch den Orgasmus ausreicht, um die Überbelastung auf einem beherrschbaren Niveau zu halten, das ihnen zu funktionieren erlaubt. Wenn sie dazu nicht imstande sind, haben sie nichts anderes im Kopf als Sex.

Was sie aber wirklich <im Kopf haben>, ist ein Druck der ersten Ebene, der durch den Teil des Gehirns umgewandelt wird, der für Druck zuständig ist — den Hypothalamus. Sobald diese Umwandlung von Primärenergie in sexuelle Energie stattgefunden hat, setzen die Gedanken an Sex und den Sexualtrieb ein. Es handelt sich wieder um die richtigen Empfindungen im falschen Kontext. Da Sex als angenehm empfunden wird und ein so offensichtliches Bedürfnis ist, haben die meisten Neurotiker, die zwanghaft sexuell sind, keine Ahnung von ihrer Neurose. Sie halten sich eben nur für sexuell überaktiv. Was sie dann aber schließlich in ihren Geburts-Primals entdecken, ist, daß ihre zwanghaften sexuellen <Bedürfnisse> in Wirklichkeit Urschmerzen der ersten Ebene sind, die verwandelt und sexuell entladen werden.

Eine Patientin, die in sexueller Hinsicht unersättlich war (und auch ein enorm hohes Spannungsniveau hatte), litt an erhöhtem Blutdruck, sooft sie <nicht genug bekam>. Der Druck schlug einfach einen biologischen Umweg ein. Abgesehen von Epilepsie, ist Sex die einzige Möglichkeit, physische Konvulsionen zu produzieren und eine große Menge konvulsiver Spannung sehr rasch zu entladen. Sehr oft erfordert konvulsiver Schmerz häufigen konvulsiven Geschlechtsverkehr. Ist er nicht möglich, so kann die massive Energie bruchstückweise entladen werden — beispielsweise durch Tics oder durch Stottern. Menschen mit einer Reihe von Geburts-Primals haben beträchtlich reduzierte sexuelle Bedürfnisse. Wer keine Therapie durchmacht und keinen Geschlechts­verkehr haben kann, wenn er ihn wünscht, kommt seinem Urschmerz unangenehm nahe, weil ihm für den Augenblick das Ventil fehlt.

(Etwas Ähnliches geschieht mit dem Raucher, der raucht, sobald irgendeine Spannung auftritt. Das Rauchen nimmt dem Schmerz die Schärfe und hindert den Betreffenden daran, jemals zu erkennen, daß eine Beziehung zwischen dem Bedürfnis zu rauchen und eingeprägtem Urschmerz besteht.)


Es sind keine Theorien oder Hypothesen nötig, um die Beziehung zwischen Sex und dem Geburtstrauma zu »beweisen«. Für den Patienten, der ein Geburts-Primal gehabt hat und dann von einer großen und unerwarteten — und ich könnte hinzufügen: nicht suggerierten — Veränderung in seinem Geschlechtsleben berichtet, ist das Erlebnis Beweis genug. Verbesserungen im Geschlechtsleben nach Geburts-Primals treten regelmäßig bei vielen Hunderten von Patienten auf. Der Grund ist klar: Sex und Neurose betreffen beide den Körper, nicht nur den Geist. Das Sexualverhalten ist in die Neurose eingebettet und reflektiert sie. Je schwerer die Neurose ist, desto wahrscheinlicher ergeben sich auch sexuelle Probleme.

Der primitive Teil des Nervensystems, der für die sexuellen Funktionen zuständig ist, ist auch für das Geburtstrauma zuständig. Geburtstrauma und Geburts-Primal haben oft mit Konvulsionen zu tun, und die Blockierung dieser Konvulsionen bedeutet oft eine Verringerung der sexuellen Reaktion. Interessanterweise erfuhren wir von dieser Beziehung postfactum: die Freisetzung der Geburtskonvulsionen schien die reaktiven sexuellen Konvulsionen zu fördern. Das zeigte sich besonders bei Frauen, die berichteten, sie fühlten sich nach Geburts-Primals freier und sexuell stärker angeregt als nach allen anderen Primals — einschließlich derer, die sich direkt mit den von den Eltern auferlegten sexuellen Hemmungen befaßten. Die Erklärung ist einfach: es kommt zu einer weitgehenden Stillegung des Körpers, wenn bei der Geburt schrecklicher Schmerz auftritt. Diese Stillegung führt, wenn sie später durch sexuelle Zwänge verstärkt wird, zu verschiedenen Arten von Frigidität oder Impotenz, bei denen während des Verkehrs beinahe keine sexuellen Empfindungen auftreten.

Zusätzlich zu der allgemeinen Stillegung kommen noch die spezifischeren Beiträge des Geburtstraumas zu den sexuellen Funktionen. Eine Patientin hatte, zum Beispiel, ein Primal, in dem sie im Geburtskanal beinahe bis zum Tode kämpfte. Sie kam mit schwerem Sauerstoffmangel und blau zur Welt. Die eingeprägte Erinnerung/Erfahrung war, daß, bevor man lebendig wird, der Tod (oder beinahe der Tod) kommt.

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Die von ihr hergestellte Verbindung zu ihrem Sexualleben war, daß sie, wenn sie nahe daran war, den Höhepunkt zu erreichen — und wirklich lebendig zu werden und zu genießen —, »starb«. Sie schaltete plötzlich ab. Sie konnte nie verstehen, warum, denn ihre Eltern waren in sexuellen Fragen sehr liberal gewesen. Sie entdeckte auch, daß sie auf diese Weise mit ihrem ganzen Leben umging. Immer wenn sie mit ihrem Freund kurz vor dem Erfolg war, immer wenn es ihr gutging, mußte sie etwas tun, um alles zu zerstören.

Das Glück erschreckte sie; sie mußte zuerst leiden. Sie brach einen Streit vom Zaun, versöhnte sich wieder, fühlte sich wohl und begann die ganze Sequenz von neuem. Sie war in ihren Beziehungen ganz das Opfer ihrer Geburt. Die Ironie ihrer Situation lag darin: je näher sie dem Leben kam, desto näher war sie dem Tod. Sie war gefangen in einer Situation »ohne Ausweg«. Sie erkannte auch, daß ihre heftigen Kopfschmerzen das Ergebnis dieses unvermeidlichen Konflikts waren. Sie ließ symbolisch immer wieder ihre Geburtssequenz ablaufen, immer einen Schritt von sich selbst entfernt. Viele Frauen berichten, daß sie auf dem Höhepunkt der sexuellen Erregung plötzlich abschalten, gefühllos werden. Manche Frauen empfinden bis zur Penetration und schalten dann ab. »Es ist etwas am Schoß, das einen erinnert«, berichtete eine Frau. Eine andere hatte das Gefühl, daß der Reiz einfach zu groß war, und schaltete ab. Eine andere empfand die Penetration als Angriff, als Angriff auf ihre Person, wieder eine andere als Unterwerfung.

Das sind lauter Verbindungen des Geburtstraumas auf der zweiten Ebene, als alles für die Geburt fertig, das Kind sensorisch »erregt« und sein System im Zustand der Bereitschaft war. Dann wurde plötzlich alles abgeschaltet. Das Kind, das nahe daran war, Erfolg zu haben und sich lebendig zu fühlen, spürte, daß die Mutter (die ein Anästhetikum bekommen hatte) kein Leben mehr im Körper hatte. Das Kind war verwirrt und entsetzt — woraus später der Prototyp für das Abschalten beim Geschlechtsverkehr wird. Das Geburtstrauma kann dann im Laufe der Jahre noch verstärkt werden durch Eltern, die keine Begeisterung und Erregung dulden und deren Hauptreaktion auf jede Art von Ausgelassenheit darin besteht, dem Kind Schweigen zu gebieten. Die beiden Erlebnisse zusammen — das eine, das Minuten oder Stunden, und das andere, das Jahre dauert — synthetisieren die Repression zu einer äußerst starken Determinante des Fühlens und Verhaltens.

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Männer und Frauen werden unter den Schmerzen von Geburts-Primals oft zeitweise weniger sexuell. Wie schon bemerkt, läßt sich das Wiedererleben des Geburtstraumas nicht in einer einzigen Sitzung erledigen. Bei den meisten Patienten erstrecken sich Geburts-Primals über eine Periode von mehreren Monaten. Das bedeutet, daß die losgekoppelten Aspekte des Geburtstraumas eine starke Verdrängung erfordern, während die gekoppelten Aspekte integriert werden. Das System kann nur eine bestimmte Schmerzmenge aufnehmen. Der sexuelle Orgasmus führt während dieser Zeitperiode oft unmittelbar zu einem anschließenden Geburts-Primal. Gelegentlich kommt es vor, daß dem Orgasmus Begleiterscheinungen der Geburt wie Würgen, Husten, die Unfähigkeit, Atem zu holen etc. vorausgehen. Ein Patient schrieb:

»Ich habe festgestellt, daß der Schmerz um so stärker ist, je stärker der Orgasmus ist. Es ist, als ob diese Lust augenblicklichen Schmerz brächte. Ich merke oft, daß ich mich davor zurückhalte, den Orgasmus voll zu genießen, wegen des Schmerzes, den er so oft mit sich bringt.

Wenn ich mich auf das Feeling konzentriere, habe ich das Gefühl zu ersticken, und während ich ersticke, kämpfe ich darum, am Leben zu bleiben. Es fühlt sich wirklich so an, als ob ich sterben müßte, und ich habe solche Angst, weil ich weiß, daß niemand kommen wird, um mir zu helfen. Ich kämpfe und kämpfe und kämpfe, würge an meinem Schleim, und dann hört das Feeling auf — ich bin erschöpft.«

Für den Patienten, der eine Reihe von Geburts-Primals durchmacht, bedeutet der Geschlechtsverkehr in Wirklichkeit ein Spiel mit dem Verdrängungssystem, das sich eingeschaltet hat, um den Schmerz des vorausgegangenen Geburts-Primals zu unterdrücken und einen Aufschub bis zum nächsten zu gewähren. Das hält Patienten oft nicht von sexueller Betätigung ab, aber sie kann eine Zeitlang unangenehm sein. Je mehr man sich gegen das Geburtstrauma verschließt, desto mehr ist man anscheinend entweder frigid oder impotent. Je mehr man sich ihm öffnet, desto sexueller wird man.

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Sex ist in erster Linie eine körperliche Empfindung. Beim Menschen kommen Gefühl und Emotion hinzu. Wenn sowohl die Empfindung (erste Ebene) als auch die Emotion (zweite Ebene) verdrängt werden, sind die beiden wesentlichen Elemente nicht verfügbar. Alles, was übrigbleibt, sind Vorgänge auf der dritten Ebene und Interpretationen, wie jemand denkt, daß Sex sein sollte. Und Sex auf dieser Ebene ist eine Täuschung.

Es kann sein, daß es kein Geburtstrauma — keine Stillegung auf der ersten Ebene — gab, sondern nur sexuelle Verbote durch die Eltern und dergleichen auf der zweiten Ebene. In diesem Fall ist das Sexualproblem, sofern es existiert, nicht annähernd so gravierend. Seine Behandlung hat mit der Geburt nichts zu tun. Umgekehrt ist es möglich, daß eine schlechte Geburt in einer Familie vorkommt, in der das Kind später keine sexuellen Einschränkungen erlebt. Auch hier ist das Problem nicht so schwierig wie im Fall einer Verstärkung auf der zweiten Ebene. Dennoch wird man sich mit dem Geburtstrauma beschäftigen müssen, um es ganz aufzulösen.

Sex ist ein Trieb. Er ist nicht eine verbale Übung (außer für diejenigen, die Worte brauchen, um sexuell erregt zu werden). In mancher Hinsicht ist er qualitativ einem Primal ähnlich. Sowohl beim Geschlechts­verkehr als auch bei einem Primärerlebnis gibt es wenige Worte, einen großen Aufruhr von Empfindungen und Emotionen und einen Aufbau von Spannung, der zu einem Höhepunkt und zu einer Entladung führt. Beide Prozesse müssen sich natürlich entwickeln, kein Schritt kann vor dem anderen getan werden, und weder die sexuelle Entspannung noch die des Primais darf zu rasch erfolgen, oder das Gefühl kommt dabei zu kurz.

Aus allen diesen Gründen besteht eine Art von umgekehrter Beziehung zwischen Sex und Primais: je mehr Primais, desto geringer das Bedürfnis nach zwanghaftem Sex. Damit ist nicht nur das Offensichtliche gesagt, nämlich daß Primärenergie oft in Form von Sex entladen und in diesem Sinne von ihm »angesteckt« wird. Die Umleitung von Urschmerz in Sex ist eine so automatische Funktion, daß der einzelne nur selten gewahr wird, was geschieht. Er oder sie fühlt einen »sexuellen« Druck, wenn es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um einen umgeleiteten Primärdruck handelt. Die Entladung wirkt in jedem Fall befriedigend wie jede Entladung von Spannung.

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Die Beziehung zwischen dem Aufruhr eines Primals und einem sexuellen zeigt sich bei allen Patienten, die von Tränen und Weinen während des Orgasmus oder danach berichten. Sie wissen nun, was sie mit Sex an die Oberfläche bringen, und sie stellen auch fest, wie bemerkenswert ähnlich die Laute bei beiden Erlebnissen sind.

 

  Sex und Bedürfnis   

 

Ein großer Teil der Traumata der ersten Ebene tritt während der perinatalen Periode auf, das heißt unmittel­bar vor, während und nach der Geburt. Dies sind kritische Perioden für das Neugeborene, in denen Bedürfnisse befriedigt werden müssen wie niemals wieder. Zwei Bedürfnisse im besonderen stehen in Beziehung zu späteren Sexualproblemen. Das erste ist das Bedürfnis nach Berührung, das zweite ist das Saugbedürfnis. Das Kind muß unmittelbar nach der Geburt berührt und gestreichelt werden. Es braucht in dieser Zeit beinahe ununterbrochen die Wärme der Mutter, sonst ist alles Berühren nicht genug.

Warum? Weil Bedürfnisse zu bestimmen Zeiten in der Entwicklung des Menschen wirksam sind und dann — und nur dann — befriedigt werden müssen. Unmittelbar nach der Geburt allein gelassen und drei Wochen später viel im Arm gehalten zu werden, kann den Schmerz der anfänglichen — und kritischen — Deprivation nicht wiedergutmachen.

Das sagt uns, warum der Neurotiker nie genug geliebt werden kann. Er wurde nicht geliebt, als er hätte geliebt werden sollen. Das ganze übrige Leben ist nur ein kläglicher Ersatz; eine symbolische Aufforderung an das Unbewußte zu versuchen »vorzugeben«, es habe wirklich eine Erfüllung gegeben. Man kann dem Neurotiker niemals unsterbliche Liebe beweisen, denn sie müßte immer und immer wieder mit ständig verlangten Beteuerungen »bewiesen« werden. Was viele Menschen vom Sex verlangen, ist eher die Berührung als Sex. Sie wollen die Wärme, den Schutz, die Liebe, die Nähe und die Beruhigung durch die Berührung, und der Preis, den sie zu zahlen bereit sind, ist Sex.

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Das zweite mit Sex verwandte Bedürfnis ist das zu saugen. Das Kind braucht eine lange Periode, in der es an der Brust saugt, nicht nur, um sich zu ernähren, sondern auch, um das Saugbedürfnis zu befriedigen. Es gibt keinen Ersatz für die Erfüllung dieses Bedürfnisses zur rechten Zeit. Man kann sein Leben lang an Brüsten saugen, für immer auf sie fixiert sein, als Erwachsener saugen, soviel man will, und doch dieses ursprüngliche Bedürfnis niemals stillen.

Zwischen dem Mangel an Gestilltwerden und zwanghaftem Sex besteht eine direkte Beziehung. Sowohl Männer als auch Frauen, die dieses Bedürfnis wiedererlebt haben, entdeckten, daß für sie; der Anblick von großen Brüsten oder auch nur der Gedanke daran während des ganzen Lebens erregend war. Und was »erregend« im Sinne einer Stimulierung des Systems ist, ist natürlich ein unerfülltes Bedürfnis. Es reizt wie nichts sonst. Es läßt auch einen Rest der oralen Phase zurück, über die Freud schrieb — das Bedürfnis zu rauchen und an Zigaretten, besser noch an einer dicken Zigarre, zu saugen; das Bedürfnis zu viel zu essen und zu viel zu reden, sind offensichtliche Folgeerscheinungen. Zwanghafter oraler Sexualverkehr ist nicht die geringste dieser Restwirkungen früher oraler Deprivation. Da es für die Erfüllung von Bedürfnissen kritische Perioden gibt, ist das Saugen an der Mutterbrust — mit der Stimulierung der Zone um den Mund herum — ein sehr wichtiges Erlebnis.

 

   Geburt, Geschlecht, Identität   

 

Sex bedeutet nicht nur Geschlechtsverkehr. Es gehört ein kompliziertes Gefühl der Identität als Mann oder Frau dazu. Wir können beim Geschlechtsakt nicht voll funktionieren, wenn wir uns als das, was wir sind, nicht wohl fühlen. Eine Patientin schrieb:

»Ich fühlte mich bei meiner Geburt unerwünscht, weil ich nicht der Junge war, den sich meine Eltern wünschten — ich war nur ein Mädchen. Bis zu meinen Teenagerjahren gab ich mir Mühe, ein Junge zu sein. Dann begann mein Kampf darum, <eine Frau sein zu wollen>. Ich fing an, mich für Jungen zu interessieren. Aber ich war ein Versager als Junge und als Frau.

Seit der Therapie im Alter von neunundzwanzig Jahren haben sich endlich meine Brüste entwickelt. Ironischerweise geschah das in einer Zeitperiode, in der ich intensiv fühlte, daß ich ein Mann sein wollte. Seither hat sich mein ganzer Körper verändert. Ich wiege noch 115 bis 120 Pfund, aber ich bin als ganze entspannter, und meine Hüften sind weicher und voller. Ich gehe sogar anders — fließender.«

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  Vorzeitiger Samenerguß  

Der Mann mit vorzeitigem Samenerguß (Ejaculatio praecox) stellt einen weiteren Fall einer Verbindung zwischen Sex und Geburtstrauma dar. Die Ejakulation spiegelt die Menge des entladenen Drucks wider. Wenn die Gesamtsumme der elektrischen Impulse, besonders der sehr starken, von der Geburt herrührenden, beim Geschlechtsverkehr wachgerufen wird, ist der nach Entladung drängende Druck enorm.

Männer mit ungenügender Beherrschung auf der höheren Bewußtseinsebene ejakulieren zu rasch. Ein Grund für diesen Mangel ah Beherrschung ist eine fehlende Festigkeit der dritten Ebene aufgrund eines lebenslangen Eindringens von Geburtserlebnissen der ersten Ebene. Dieses fortdauernde Eindringen verhindert aufgrund seiner ursprünglichen Kraft den richtigen Zusammenhalt der dritten Ebene im Erwachsenenalter. Daher wird die Energie aller Traumata von der Geburt an entladen — im Sex.

Offensichtlich enthält der vorzeitige Samenerguß auch solche Komponenten der zweiten Bewußtseinsebene wie Angst vor Frauen, aber zum großen Teil hat das Problem gar nichts mit Sex zu tun. Man kann es analysieren als Angst vor Frauen, Angst vor dem Geschlechtsverkehr, Angst davor zu mißfallen, Angst vor der Mißbilligung der Leistung etc., und dennoch dieses Problem niemals ganz lösen. Man kann allerdings ein wenig helfen, indem man sich mit einigen späteren Kindheitsaspekten befaßt. Man kann einer schlechten Sexualerziehung entgegenwirken, aber eine gründliche Methode ist das nicht.

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Beschneidung

Der ursächliche Prototyp des Geburtstraumas beschränkt sich nicht immer auf die Geburt selbst. Auch die Beschneidung kurz nach der Geburt kann prototypischen Urschmerz verursachen. Spätere Drohungen oder Streß können Angst oder Schmerz auslösen, die auf den Penis konzentriert sind. Auf unbewußte Weise kann ein Mann versuchen, seinen Penis für die Entladung von Spannung zu gebrauchen. In der frühen Kindheit kann das die Form von Bettnässen annehmen, später die der zwanghaften Masturbation und Sexualität. Oder der Mann stellt eine unbewußte Verbindung her, daß er durch Manipulation des Penis Angst vermeiden kann. So kann er es vermeiden, Geschlechtsverkehr mit einer Partnerin zu haben. Das trifft vor allem dann zu, wenn Verstärkungen auf der zweiten Ebene zu Angst vor der Mutter und später Angst vor Frauen führen. In diesem Falle wäre die beste Methode, Angst zu vermeiden, die Ablehnung heterosexueller Erlebnisse.

Das Entscheidende ist, daß ein prototypisches Trauma wie die Beschneidung den Schmerz und die Schmerzreaktionen auf den Penis konzentrieren kann. Der Penis wird zum Symptom. Kliniker oder andere die Symptome behandelnde Fachleute können die Behandlung auf den Penis konzentrieren, ohne die Verbindung zu sehr frühem Urschmerz zu erkennen. Das ist etwas, was weder der Patient noch der Therapeut auch nur ahnen kann, ohne Zugang zu den tieferen Ebenen des Bewußtseins zu haben. Der Prototyp schafft einen permanenten Fokus — in diesem Fall den Penis — ebenso wie eine charakteristische Reaktionsweise. Die prototypische Reaktion hat eine bleibende lenkende Wirkung, was bedeutet, daß keine tiefgehende Persönlichkeitsänderung möglich ist ohne die Auflösung des Prototyps.

Ein Patient schrieb:

»Ich hatte ein Feeling auf der ersten Ebene nach einer Therapie von etwa fünf Monaten. Der Auslöser war ein Schnitt, den ich mir an der Kante einer Pappschachtel geholt hatte. Für den Rest des Tages war ich von dem Gedanken besessen, daß ich im Krieg gefangengenommen werde und daß man mir den Penis der Länge nach, von der Spitze nach unten, zerschneidet.

Nach der Arbeit legte ich mich nieder und ließ mich eine Empfindung um meinen Penis herum fühlen, obwohl ich nicht sagen würde, daß es genau ein Gefühl des Schneidens war. Aber danach machte ich mir keine Sorgen mehr, geschnitten zu werden. Meine Angst betraf das Abschneiden der Spitze des Penis, während das Primal ein Gefühl rundherum mit sich brachte — etwa zweieinhalb Zentimeter weiter hinten.«

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Homosexualität  

Niemand kann bisher sagen, daß das Geburtstrauma Homosexualität »verursacht«, aber wir haben die Beobachtung gemacht, daß die Homosexuellen, die wir in der Therapie sahen, katastrophale Geburten hatten. Erlebnisse in utero zusammen mit dem Geburtstrauma können männliche und weibliche Geschlechtshormone permanent in einer Richtung beeinflussen und gewisse Neigungen oder Tendenzen hinterlassen. Diese Tendenzen können die Art, in der ein Mensch auf spätere Ereignisse reagiert, formen, so daß beispielsweise auf den Verlust des Vaters oder der Mutter anders reagiert werden kann — weiblicher bei einem Mann, männlicher bei einer Frau —, als seitens eines Menschen, der eine andere Geburt hatte. Die Implikationen sind nicht nur, daß das Schmerzniveau für die Homosexualität signifikant ist, sondern auch, daß das betreffende Trauma in vielen Fällen aus sehr frühen, ja sogar pränatalen Ereignissen stammen kann. Das würde dazu beitragen zu erklären, warum manche Homosexuelle das Gefühl haben, sie seien »so geboren«, und warum diese Menschen große Schwierigkeiten haben, die Ursprünge ihrer Homosexualität zu fühlen und aufzulösen.

Tatsächlich reichen die Wurzeln der Homosexualität tief hinunter, und es ist oberflächlich zu denken, man könne sie bei einem Erwachsenen behandeln, indem man ihn auffordert, mit einem andersgeschlechtlichen Partner zu schlafen. Wir wissen auch, daß in irgendeiner beliebigen Familie zwei Kinder mit denselben Eltern ganz unterschiedlich auf die Elternsituation reagieren können. Ein Kind kann homosexuell werden, das andere nicht. Natürlich haben sie viele verschiedene frühe Erlebnisse, die sie formen, aber es steht fest, daß Kinder schon sehr früh unterschiedlich auf ihre Welt reagieren. Das kommt daher, daß das Kind schon eine ziemlich lange Geschichte von Erlebnissen hat, die seinen Beziehungen zu seinen Eltern vorausgeht. Diese frühe Geschichte im Mutterschoß und bei der Geburt kann für jedes Kind eine ganz andere sein und daher aus jedem eine andere Art von Person machen, bevor die beiden ihren Eltern in der Welt begegnen.

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Durch retrospektive Beobachtung wissen wir, daß die Hormonausschüttung schon sehr früh bestimmt wird. Wir sehen, wie bei Männern der Bartwuchs in ihren Dreißigern beginnt — als Ergebnis der Therapie und von Primals auf der ersten Ebene. Wir sehen bei Frauen die Entwicklung von Brüsten als Ergebnis ihrer Primais. Wir können annehmen, daß früher Schmerz Hormon­ausschüttung und -gleichgewicht beeinträchtigt hat, weil die Veränderung der Schmerzniveaus Änderungen der Hormonspiegel verursacht. Wir stellen auch fest, daß die Homosexualität in manchen Fällen durch die Entfernung von Primärschmerz umgekehrt werden konnte. Diese Umkehrung geschieht gewöhnlich erst nach einer langen Periode von Primais auf der ersten Ebene. Die logische Folgerung lautet, daß Homosexualität eine tief verwurzelte Tendenz ist, ein totaler Persönlichkeitszustand, der sich nicht auf das Sexualverhalten allein beschränkt. Ich habe schon seit langem behauptet, daß Homosexualität eher ein Problem des Bedürfnisses als der Sexualität ist. Sie stellt einen Fall dar, in dem ein Bedürfnis sexualisiert wird, und nicht umgekehrt. Bei einem pränatalen oder Geburtstrauma wird ein Bedürfnis auf die denkbar primärste Weise sexualisiert: physiologisch durch die Veränderung des Hormongleichgewichts.

Jeder von uns hat eine Persönlichkeit, die teilweise durch seine Geburtserlebnisse geformt wird. Als Teil unserer ganzen Entwicklungsgeschichte haben wir bestimmte sexuelle Neigungen, die zu unserer Physiologie gehören. Unsere Persönlichkeit, ob homosexuell oder nicht, findet sich in jeder Zelle und Membran, in jedem Muskel und Knochen. Wir werden organisch geformt, was bedeutet, daß wir nicht »normal« aufwachsen und dann die Homosexualität »wählen«. Diese Tendenz ist von den frühesten Tagen im Mutterschoß an eingeprägt.

In den meisten Fällen hat jemand, der sich als Erwachsener der Homosexualität zuwendet, sehr viel verstärkenden Streß und Schmerz im Laufe seiner ganzen Kindheit und Adoleszenz erlebt. Ein homosexueller Patient, zum Beispiel, hatte das zusätzliche Problem, daß er unter unzulänglichem Stillen und später unter einem Mangel an Liebe seitens seines Vaters gelitten hatte. Als Folge davon war er »süchtig« zu saugen, und zwar Penisse.

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Sooft er einen Mann sah, war sein erster Impuls saugen zu wollen. Außerdem wollte er, daß der Mann eine Ejakulation hatte. Bei einem seiner Geburts-Primals gewann er die Einsicht, daß er den Orgasmus des anderen Mannes als Milchsaugen an der Brust seiner Mutter erlebte. Indem er das unbewußt ausagierte, fand er die Erregung in der Ejakulation seines Partners.

Da die Geburts- und postnatalen Traumata in der Therapie nach einem Jahr aufzusteigen beginnen, fing er an, Alpträume zu haben, in denen sich ein Penis in eine Brust verwandelte. Diese Träume sagten kommende Feelings und Erinnerungen voraus. Als das ursprüngliche Bedürfnis, an der Mutterbrust zu saugen, an die Oberfläche kam, ließ das Bedürfnis, an Penissen zu saugen, nach. Das erforderte Monate von Primals, die sich mit der doppelten Deprivation befaßten dem Nichtgestilltwerden und dem Mangel an väterlicher Zuneigung , Bedürfnissen, die jahrelang nicht erfüllt worden waren und sich aus Tausenden von zu einigen intensiven Feelings verdichteten und komprimierten Erlebnissen zusammensetzten. Innerhalb der Einheit dieser wenigen Feelings lag die Vielzahl der Erlebnisse, die alle dasselbe sagten: »Du hast keine Mutter und keinen Vater ... Niemand will dich ... Niemand will dich in die Arme nehmen ... Niemand will dich lieben.«

Interessant ist, daß dieser Patient oft unbewußt mit den Lippen schmatzte, wenn er ein Primal über seinen Vater hatte. Ihm selbst unbewußt, übertrug er einfach den Saugreflex von seiner Mutter — die dieses Bedürfnis nicht befriedigte — auf seinen Vater, der das Bedürfnis befriedigen könnte. Seine Mutter war vom Beginn seines Lebens an krank gewesen. Bei ihr gab es keine Hoffnung. Sein Vater bot zumindest die Möglichkeit der Liebe. Unglücklicherweise blieb es nur eine Möglichkeit. Aber ein Bedürfnis läßt die Hoffnung nie sterben.

Wir können an diesem Saugbedürfnis sehen, wie nutzlos es ist, eine Störung wie die Homosexualität auf der verbalen Ebene behandeln zu wollen. Keine Ermahnung oder Einsicht, keine Konditionierung der Welt kann das ursprüngliche Bedürfnis ändern. Bedürfnisse entwickeln sich genetisch und sind wichtig für das Überleben. Die Homosexualität des Patienten war ein Versuch zu überleben, und es stand diese besondere Kraft dahinter. Deshalb war der Zwang so stark. Sie war ein Versuch, ein genetisch kodiertes Überlebensbedürfnis zu stillen, wenn auch nur symbolisch; der Körper strebt immer seinen Bedürfnissen zu, wenn auch andere Kräfte ihn in eine andere Richtung drängen wollen.

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Ein anderer homosexueller Patient berichtete von seiner lebenslangen Angst vor Frauen und, natürlich, vor seiner Mutter. Jedesmal, wenn er geschlechtlichen Verkehr mit einer Frau begann, bekam er Angst, wollte fliehen und hatte das Gefühl des bevorstehenden Todes. Bei seinen Geburts-Primals fühlte er die Verbindung zwischen der Verhinderung, den Schoß rechtzeitig zu verlassen, und dem Gefühl, daß seine Mutter »gegen« ihn war. In einem ganz buchstäblichen Sinne hatte ihr Körper seinen Anstrengungen, geboren zu werden, entgegengearbeitet. Beim Geschlechtsverkehr weckte die Annäherung an den Schoß die gleichen bedrohlichen Gefühle und trieb ihn von Frauen fort. Er war im Schoß beinahe gestorben, seine unbewußte Erinnerung war eine starke Kraft, die später noch verstärkt wurde durch mangelnde Wärme seitens seiner Mutter und sich zuletzt in Homosexualität manifestierte.

Es folgen zwei ausführliche Berichte von zwei französischen Patienten, die beide die Homosexualität und ihre Verbindungen zu einem frühen Trauma erlebten und erfuhren. Der erste stammt von einer Frau nach einer Therapie von dreizehn Monaten:

 

»Mein erstes Geburts-Primal fühlte sich an, als würde in mir ein Spalt ausgebrannt, und nun strömt alles mögliche heraus. Vor allem ist da ein Gefühl schrecklicher Einsamkeit. Ich erinnere mich an ein Buch über eine Lesbierin, Der Quell der Einsamkeit, und es ist eine treffende Beschreibung.

Bei meinem Primal gestern wurde mir bewußt, daß ich mich immer, wenn ich umarmt werde, wie ein kleines Kind fühle, das Kind, das vor langer Zeit hätte umarmt werden sollen. In dem Augenblick, in dem ich in den Armen meiner Geliebten liege (ja, es ist eine Frau), bin ich ich selbst — aber >ich selbst< als Baby und Kind. Ich wünsche mir Trost und Schutz. Ich möchte immer in der Umarmung bleiben. Gehalten zu werden, ist das, was ich mir mehr als alles andere gewünscht habe. Die Einsamkeit, daß ich das nicht hatte, fühlt sich an, als wäre sie mir auf die Haut geschrieben — dieser ständige Schmerz, nie berührt worden zu sein. Während dieses Feelings werden meine Hände eiskalt.

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Um mir mit diesem Feeling weiterzuhelfen, umarmte mich mein Therapeut. Plötzlich fühlte ich große Angst — kein Raum zum Atmen. Mir war, als müßte ich ersticken, und ich wehrte mich körperlich, um mich aus der Umarmung freizumachen. Ich hatte das Gefühl, von meiner Mutter erstickt zu werden, die mich später im Leben mehr brauchte, als ich sie brauchte und ein Leben lang, in dem sie mich nie berührt hatte, wiedergutzumachen versuchte, indem sie mich kräftig drückte und mich sehr fest hielt.

Ich fühlte mich plötzlich verwirrt — ich wollte berührt werden, war davon aber auch überwältigt. Aus der Verwirrung wurde Wut, Wut darüber, daß ich zuerst hatte entbehren müssen und dann erstickt wurde. Meine Stirn fühlte sich seltsam an, verwundbar. Ich legte mich auf den Bauch und begann mich unfreiwillig rhythmisch zu bewegen, wobei sich mein Kopf immer verwundbarer anfühlte. Ich begann mit dem Kopf gegen das Kissen zu stoßen, so daß ich eine Vertiefung machte. Daraus wurde das Feeling eines Schoßes. Ich wurde mitgerissen, erstickend, unfähig zu atmen. Mein Kopf fühlte sich an wie Gelee. Ich fühlte mich hilflos und gefangen. Ich war sicher, daß ich sterben mußte. Ich verspürte gleichzeitig den Drang zu stoßen und aufzugeben. Es war zu schmerzhaft. Das Feeling endete schließlich, und ich war erleichtert.

Ich kam heraus — es war mir beinahe wie ein tiefes Koma vorgekommen — mit der augenblicklichen Erkenntnis der Parallelen zwischen meiner Geburt und einigen der Strukturen, die ich um mich herum aufgebaut hatte — meine Lebensmuster. Ich erkannte, daß ich eine Reihe von Dingen in meinem Leben unerledigt gelassen hatte. Ich habe Kunst, Literatur und Psychologie studiert und beschäftige mich jetzt mit Keramik. Ich mache gewöhnlich gut, was ich anfange, aber dann baut sich in mir ein Druck auf, und ich gebe auf und gehe zu etwas anderem über. Bei der Geburt war der physische Druck so stark, so lebensgefährdend, daß ich zu schieben aufhörte, um zu einem Ende zu kommen und geboren zu werden. Ich mußte meiner Agonie physisch entkommen, mich in die Sicherheit flüchten, aber es war nicht möglich. Nun tue ich es symbolisch, wenn ich meine Projekte auf halbem Wege aufgebe. Es gab da auch zu viel körperliche Stimulierung ohne wirkliche Wärme oder Liebkosung während meiner ganzen Geburt.

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Und so ist es seither immer gewesen. Ich hatte nie einen körperlichen Kontakt, der beruhigend und tröstend war. Es war immer <Druck>, erstickend und lebensbedrohend.

Ich entwickelte eine Abneigung gegen jede Art von enger Umarmung, vor allem beim Geschlechts­verkehr, wenn der Mann auf mir liegt und ich unter ihm erdrückt werde — es ist absolut unerträglich. Bei der Liebe mit einer Frau zusammenzusein, ist viel sanfter für mich. Die Umarmung einer Frau ist leichter, weniger beengend, körperlich weniger überwältigend. Ich werde nicht von einem Mann beherrscht. Es scheint, daß ich in jeder Zelle meines Körpers die Einprägung des Entsetzens trage, bei der Geburt um mein Leben gekämpft zu haben.

Ich glaube, meine Sexualität wurde bis zu einem gewissen Grade bei der Geburt geformt. Sie wurde mein ganzes Leben lang verstärkt durch meine Mutter, die mich schlug, wenn ich als Kind masturbierte. Sie sagte, das würde mich verkrüppeln, ich würde geistig zurückbleiben etc. etc., alles, weil ich mich selbst berührte. Als ich mir im Alter von sieben Jahren den Appendix herausnehmen lassen mußte, sagte sie, das sei die Strafe für das Masturbieren. Ich wurde nicht berührt, und ich durfte mich selbst nicht berühren.

Ich erinnere mich, daß mich meine Mutter zu gewissen Zeiten warm berührte - immer, wenn sie mir die Windeln wechselte, legte sie mir die Hand wie eine Schale über die Vagina und sagte etwas Zärtliches zu mir. Ich brauchte mehr körperlichen Trost, als ich älter wurde, daher masturbierte ich; ich masturbierte und wurde geschlagen.

Ich bin voller Angst. Diese Verknüpfungen sind für mich lebensrettend, denn vorher bestand mein Leben nur aus lauter Bruchstücken. Ich hatte all diese Ängste, die sich in der Gegenwart bemerkbar machten, ohne ihre Ursprünge zu verstehen. Meine einzige Wirklichkeit war Angst. Ich glaube, aus dieser Angst heraus wandte ich mich Frauen zu, und seltsamerweise scheint die Angst bei der Geburt - die Beengtheit, die Überwältigung, das Zurückgehaltenwerden - wichtig zu sein für meine Abwendung von den Männern. Ich bin nie imstande gewesen, unter jemandes >Fuchtel< zu stehen. Ich glaube, diese Primals werden mich vor vielen unvollendeten Projekten, vor zu vielen Fehlschlägen und vielleicht vor einem abwegigen Geschlechtsleben retten.«

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Der nächste Bericht stammt von einem männlichen Patienten:

»Ich wurde 1951 als Sohn kleiner Bauern geboren. Wegen meiner Homosexualität begann ich vor ungefähr vier Jahren mit meiner Therapie am Primal Institute und arbeite jetzt als Wirtschafts- und Sozialkundelehrer in Europa.

Als ich ungefähr vier Jahre alt war, fragte ich meine Großmutter auf einem Spaziergang nach dem Unterschied zwischen Männern und Frauen. Sie erklärte ihn mir, und ich erkannte irgendwie, daß ich nicht in dieses Schema paßte, daß da in meinem Kopf etwas nicht stimmte. Ich brauchte etwas von einem Mann, das man eigentlich von einer Frau bekommen sollte. Damals wußte ich natürlich nicht, daß es dafür einen besonderen Namen gab, und ich machte mir deshalb keine allzu großen Sorgen.

Als ich in die Schule kam, wich ich den Mädchen einfach aus, was nicht schwierig war, weil wir in der Klasse nicht nebeneinander sitzen durften und auch in verschiedenen Teilen des Hofes spielen mußten. Ich war hauptsächlich am Unterricht interessiert und wollte meinen Eltern zuliebe der Klassenbeste sein. Mit anderen Jungen habe ich mich nicht sehr angefreundet. Ich fühlte mich anders, als etwas >Besonderes<. Sie sprachen viel über Mädchen, und das interessierte mich nicht. Auf diesem Gebiet fühlte ich mich ihnen unterlegen.

Dann entdeckte ich mit zehn Jahren ein Buch über sexuelle Abweichungen, dessen Titel ungefähr >Das dritte Geschlecht< lautete, und ich fing an, etwas besser zu verstehen, was mit mir nicht stimmte. Und ich machte mir Sorgen. In der Schule wollte ich, daß mir ältere Schüler halfen und sich um mich kümmerten. Außerhalb der Klasse kam ich mir verloren vor. Als ich zehn war, steckten mich meine Eltern in ein Internat. Mir war zum Sterben zumute.

Während der Pausen ging ich auf die Toiletten, wenn die älteren Jungen da waren, und es faszinierte mich, ihre Genitalien zu sehen. Von dieser Zeit an war ich Männertoiletten verfallen. Ich ging hinein, betrachtete Penisse, ging hinaus, lief eine Weile herum und ging wieder hinein. Ich war ein >Penis-Süchtiger<.

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Als ich einundzwanzig war, beging mein Vater Selbstmord. Der Hof ging zugrunde, und die Familie löste sich auf. Ich fing an, Beziehungen zu Männern in emotionaler und in sexueller Hinsicht zu haben. Es war ganz leicht für mich, eine Menge homosexueller Männer zu treffen, und ich hatte viele verschiedene Liebhaber. Manchmal dauerte die Beziehung nur eine Nacht, manchmal mehrere Wochen oder Monate.

Als ich zum erstenmal an einem Penis saugte, war ich sehr erregt, und ich fühlte mich wohl. Am Anfang waren diese Erlebnisse phantastisch. Ich fühlte mich so befreit. Mit einem Mann zusammenzusein, gab mir ein Gefühl der Ruhe, und davon hatte ich so lange geträumt. Später war es nicht mehr so gut, und etwas tief in mir sagte mir, daß etwas nicht richtig war, daß ich mich selbst zerstörte.

Dann hatte ich zwei Jahre lang einen Geliebten, Daniel. Wir mochten einander wirklich, aber es gab immer Spannungen zwischen uns. Wir trennten uns einige Male, aber dann führte unser Bedürfnis uns wieder zusammen. Er war ein netter und freundlicher Mensch, er war für mich wie ein Vater. Aber ich schien von ihm nie zu bekommen, was ich wollte. Selbstverständlich konnte er mir nicht geben, was mir mein Vater in der Vergangenheit nicht gegeben hatte. Mir wurde klar, daß ich das, was ich wollte, von keinem Mann bekommen würde, wenn ich es nicht von Daniel bekommen konnte, denn Daniel war von allen Männern, mit denen ich zu tun gehabt hatte, der gütigste.

Ich hatte durch eine Art Selbstanalyse erkannt, daß an meinem Leben etwas nicht stimmte. Ich stand vor einem Paradoxon, das mich hoffnungslos machte: ich suchte einen Mann, der maskulin und fähig und gewillt war, mir Zuneigung zu schenken; aber da er selbst homosexuell war, konnte er meine Bedürfnisse nicht befriedigen, denn er war selbst ebenso bedürftig!

Ich beschloß, die sexuellen Beziehungen zu Männern aufzugeben. Ich litt unter dieser Entscheidung, aber zum Glück konnten Daniel und ich Freunde bleiben. Dann las ich den Urschrei. Ich weinte und verstand in großen Zügen, warum ich homosexuell geworden war. Einige Monate später kam ich zur Therapie in das Primal Institute.

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Ich habe viele Feelings in bezug darauf gehabt, daß meine Eltern mich nicht liebten und nicht an mir interessiert waren. Meine Mutter war immer distanziert und behandelte mich sehr grob, obwohl sie ängstlich darauf bedacht war, in den Augen der Nachbarn als gute Mutter zu gelten. Eines Tages weinte ich in einer Sitzung über meine Mutter. Ich hatte ein starkes Feeling in meinem Körper, und meine Hand bewegte sich zum Mund, so als masturbierte ich einen Mann, um seinen Samen zu bekommen. Plötzlich verwandelte sich der Penis in meiner Vorstellung in die Brüste meiner Mutter. Erstaunt über diese Erkenntnis, hörte ich zu weinen auf. Ich hatte nur ein oder zwei Tage die Brust bekommen und danach die Flasche.

Ein andermal, als ein Freund bei mir saß, fühlte ich die Sequenz eines in die Länge gezogenen physischen Kampfes, so als würde ich geboren, und in meinem Mund fühlte ich ein schreckliches Bedürfnis zu saugen. Das Feeling war überwältigend. Ich packte meinen Freund und wollte ihn ganz ablutschen, was ich oft wollte, wenn ich mit Männern schlief. Das Feeling war: Ich habe ein so starkes Bedürfnis, daß ich alles ablutschen möchte.

Neulich bekam ich in der Schule einen schlechten Stundenplan, der ganz anders war als der, um den ich gebeten hatte. Ich fühlte mich von der Direktion abgelehnt. Ich ging in ein Zimmer, um das zu fühlen, und bald wurden daraus meine Eltern, die in meiner Kindheit gegen mich waren, dann war es meine Mutter gegen mich, diesmal im rein körperlichen Sinne, während der Wehen im Geburtskanal. Mein ganzes Leben lang habe ich die Außenwelt — andere Menschen, Ereignisse, Umstände — als gegen mich, als Druck empfunden. Es wird mir allmählich klar, daß ich mich durch das Leben bewegte wie damals durch den Geburtskanal, daß ich alles als eine Quelle von Druck erlebe, was es auch sein mag, und sogar Druck <um mich herum> nachschaffe, wenn gar keiner da ist. Es ist beinahe so, als brauchte ich ständig einen solchen Druck, um mich davor zu bewahren, den wirklichen, ursprünglichen Druck zu fühlen.

Eine Art von Teufelskreis entwickelte sich von Anfang an zwischen meinen Eltern und mir. Als meine Mutter schwanger war, setzte sie große Hoffnungen auf mich. Ich sollte einmal den Hof übernehmen. Für meine Eltern als Europäer mit einem Hof, den ihnen ihre Vorfahren hinterlassen hatten, war es sehr wichtig, einen Sohn zu haben, der ihn weiterführte. Und da war ich nun: weinend und fordernd von Anfang an.

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Sie meinten, ich sei kein normales Kind — und sagten mir das während meiner ganzen Kindheit —, was dieses Gefühl bestärkte, daß <alles gegen mich> sei. Als anderthalb Jahre später mein Bruder geboren wurde, zogen sie ihn mir vor, weil er ein glücklicheres, ruhigeres Kind war.

Die meiste Aufmerksamkeit erhielt ich als kleines Kind von meiner Mutter, wenn sie mich fütterte — und mir meistens Nahrung in den Mund zwang, da ich keinen Appetit hatte — und wenn sie meine Windeln wechselte und mich saubermachte. Ich hatte Feelings über meinen Wunsch, daß mich meine Mutter umarmen und überall berühren sollte, nicht nur am Gesäß. Dort berührt zu werden, erregte mich während meiner homosexuellen Beziehungen sehr. Ich begann mich auf meinen Mund und meinen Arsch zu konzentrieren, was nicht verwunderlich ist, da ich mehr wie eine Tube als wie ein Mensch behandelt wurde.

Als ich klein war, beschäftigte sich mein Vater mit mir, er spielte und sprach mit mir und trug mich auf seinen Schultern. Als sich aber seine Ehe verschlechterte, was sehr bald geschah, zog er sich in sich selbst zurück. Er wurde depressiv, geistesabwesend, verlor seine gesellschaftlichen Interessen und besuchte seine Freunde nicht mehr. Und er kümmerte sich nicht mehr um mich. Im Internat sah ich ihn dann nur noch an den Wochenenden. Mein Bruder blieb zu Hause und half ihm auf dem Hof. Eines Sonntagsmorgens stand mein Vater sehr früh auf, um mit meinem Bruder angeln zu gehen, und ließ mich in der Dunkelheit meines Schlafzimmers allein. Ich habe über diese Szene oft geweint, weil sie viele meiner Gefühle zusammenfaßt.

Obwohl ich sehr wenig von meinem Vater bekommen hatte, sehnte ich mich nach mehr von der Zuneigung, die er mir gezeigt hatte, als ich klein war. Und meine Mutter war so kalt, daß von ihrer Seite nichts zu erwarten war. Später war die Botschaft so deutlich, als hätte man sie mir ins Gehirn geschrieben: diese Nähe und Liebe war nur mit einem Mann möglich. Als sich mein Vater umbrachte, war ich verloren, traurig und in Not, und erst von da an begann ich, homosexuell auszuagieren.

In meinem jetzigen Leben fühle ich kein Bedürfnis mehr nach homosexuellen Beziehungen. Homosexuelle Phantasien können auftauchen, wenn ich angespannt bin, verschwinden aber, sobald ich die Quelle der Spannung gefühlt habe.

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Es ist mir nun ganz klar, daß ich, wenn ich einen Homosexuellen sehe, der meinen Phantasien entsprochen hätte, einen Mann voll Schmerz und Not vor mir habe, einen Mann, der offensichtlich mein Bedürfnis nach einem Vater nicht erfüllen könnte.

Meine Beziehungen zu Frauen haben sehr viel von der Therapie profitiert. Ich hatte noch nie im Leben Geschlechts­verkehr mit einer Frau gehabt. Ich hatte Angst, mit einer solchen Nähe nicht fertig zu werden und das Bewußtsein zu verlieren.

Nach zwei Therapiejahren fing ich an, Geschlechtsverkehr mit Frauen zu haben, und ich fand Freude daran. Jetzt sind gesellschaftliche und sexuelle Beziehungen zu Frauen alltägliche Erlebnisse. Ich wußte, daß das, was ich wollte, etwas Wirkliches war. Ich fange an, täglich mit meiner Freundin zusammenzuleben — eine Situation, die mir immer wie ein unmöglicher Traum vorgekommen war. Ich mag vielleicht noch lange Schwierigkeiten in meinen Beziehungen zu Frauen haben, vor allem, was das vollständige Sichgehenlassen beim Geschlechtsverkehr anbetrifft, aber diese Schwierigkeiten werden immer geringer, je mehr ich die damit verbundenen Feelings habe. Zumindest kann ich jetzt meine Zeit und Energie zur Befriedigung meines gegenwärtigen Bedürfnisses einsetzen. Ich brauche nicht nach einem Mann zu suchen, damit er mir gibt, was mir mein Vater nicht gegeben hat, oder Frauen zu meiden, weil mir meine Mutter weh getan hat. Ich erkenne jetzt, daß diese Homosexualität meine Methode war, einen Mangel an Liebe zu überleben.«

 

Kindheitstrauma und Sexualität des Erwachsenen  

Es gibt einige katastrophale Ereignisse in der Kindheit, die die gleiche Valenz wie ein Geburtstrauma oder eine noch größere in bezug auf die Entstellung späterer sexueller Reaktionen haben können. Dazu gehören Inzest und Vergewaltigung oder der Tod eines geliebten Menschen.

Inzest, der verdrängt wurde und ins Bewußtsein aufsteigt, hat dieselbe Kraft wie die Geburt, den Geist zu stören und entweder das Gefühl, verrückt zu werden, oder eine Geisteskrankheit selbst auszulösen. Aufsteigende Geburts- und Inzesterinnerungen haben dieselbe katastrophale, depressive Wirkung, die zu Selbst­mord­neigungen führt.

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Eine Frau hatte ihren geliebten Vater verloren, als sie fünf Jahre alt war. Sie war ihm sehr nahegestanden. Von diesem einen Erlebnis trug sie eine lebenslange Angst davon, nach einer offenen und engen Beziehung zu einem Mann verlassen zu werden. Je näher sie als Erwachsene einem liebenden Mann kam, vor allem in sexueller Hinsicht, desto mehr schloß sie sich ab. Dieses Erlebnis hatte für sie eine hohe Valenz. Das unerträgliche Feeling war, daß ihr Vater für immer von ihr gegangen war.

 

Soziale Implikationen des Geburtstraumas in der Sexualität

Die meisten Fachleute glauben heute, daß die Antwort auf sexuelle Probleme in der Sexualerziehung zu suchen sei. Aber sexuelles Verhalten hat in Wirklichkeit weniger mit Sexualerziehung (oder falscher Sexualerziehung) zu tun als mit nichtsexuellen Traumata, die ihre Spur im Körper hinterlassen haben. Das soll nicht heißen, daß die Sexualerziehung keine Rolle spiele, denn das tut sie sicherlich, aber im Hinblick auf die relative Valenz der Traumata, die die Körperfunktion beeinflussen und unterdrücken, kommt eine schlechte Sexualerziehung auf der zweiten Bewußtseinsebene — so traumatisch sie sein mag — nicht gegen das Geburtstrauma auf. Die Schmerzspannung einer Ermahnung, sich nicht »herumzutreiben«, kommt selten der (Ur-)Schmerz-spannung des Geburtstraumas gleich; und letzten Endes ist es die elektrische Spannung, die man im Körper durch erhöhte elektrische Aktivität im Gehirn und durch Änderung der biochemischen Schemata unterdrückt.

Wir müssen uns daran erinnern, daß ein frühes Primärtrauma buchstäblich einen elektrischen Sturm im Gehirn verursacht. Er wird »verdeckt« durch die verschiedenen repressiven Schleusenmechanismen des Zentralnervensystems, aber seine Energie bildet eine ständige im ganzen Körper verteilte Quelle. Der impulsive Mensch entlädt buchstäblich elektrische Impulse. Es ist schwer, sich das vor Augen zu halten, wenn wir über Menschen sprechen, denn wir glauben offenbar, daß wir mehr sind als bloß Materie mit elektrischer Energie.

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Der sexuelle Orgasmus bedeutet eine vollständige Freisetzung von Feeling. Bei einem unter Verdrängung leidenden Individuum ist diese Freisetzung nicht möglich: in seinem Körper kommt es, abgesehen von der sexuellen Komponente, zu einer ständigen Kollision zwischen Freisetzung und Hemmung. Die sexuelle Betätigung verstärkt nur diesen Konflikt, und wenn sie auch eine gewisse Freisetzung bringt, so ist sie doch nicht die volle Entladung, die eintritt, wenn keine Verdrängung vorhanden ist.

Da die Freisetzung ein Gesamtphänomen ist, neigt jede totale Freisetzung dazu, auch Urschmerz freizusetzen. Kein Wunder also, daß so viele von uns nach dem Geschlechtsverkehr rauchen, weinen oder eine leichte Angst oder Depression empfinden.

Sex ist nur eine verdichtete Version aller Neurosen und des ganzen Lebens eines Menschen. Er ist eine konzentrierte Dosis der inneren Realität, weil während des Geschlechtsverkehrs intensive Feelings aufsteigen und unmittelbar zugänglich sind. Dieselben Feelings haben wir mit oder ohne Sex in uns, aber was die Konzentration beim Geschlechtsverkehr bewirkt, ist, daß sie die ganze Sequenz und ihre Unaufgelöstheit innerhalb kurzer Zeit ans Licht bringt. Wie der Traum ist der Geschlechtsverkehr eine Art Zeitraffer. Tatsächlich ist er der »Königsweg zum Unbewußten«.

Ich glaube, ein Faktor der Trennung von Sex und Emotion bei so vielen Menschen ist die fehlende Verbindung zwischen den Bewußtseinsebenen. Wenn wir ganz mit dem Kopf leben, wird es uns schwerfallen, unseren Körper zu fühlen. Wenn wir in Geburts-Feelings steckengeblieben sind, leidet unsere Fähigkeit, emotionale Bindungen zu entwickeln. Die Unterdrückung unseres emotionalen Lebens läßt uns nur die rohen und teilweise unterdrückten Empfindungen der Sexualität übrig.

Die wenigen, aber intensiven Primal-Feelings zu fühlen, die sich an zahllose verschiedene Erlebnisse anknüpfen, schließt buchstäblich unsere »Erinnerungsbank« auf. In mancher Hinsicht stellen Primal-Feelings so etwas wie ein »schwarzes Loch« im Weltraum dar, das alles in seinen Anziehungs­bereich einsaugt. Das »schwarze Loch« des Primais saugt ein Erlebnis nach dem anderen ein, bis seine Kraft enorm ist. Deshalb kann man immer nur einen Teil davon erleben. Jede neue Szene zapft einen winzigen Teil des Primär-Feelings an.

Die Folge davon ist: Wir können nicht unterdrücken, was unser Körper enthält, und nicht sexuell leiden. Von lang verdrängtem Urschmerz konvulsiv sein, heißt endlich imstande sein, im Geschlechtsleben konvulsiv zu reagieren.

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Träume und die physischen Implikationen des Geburtstraumas  

Träume und Alpträume lassen uns besonders gut begreifen, wie Geburtsempfindungen in unserem System zurückbleiben. Hier finden wir oft die Gefühle, gewürgt, erdrückt, erstickt und zerquetscht zu werden oder steckenzubleiben. Wir können jahrzehntelang in unseren Träumen unter Geburtsempfindungen leiden, ohne zu wissen, warum. Der Traum enthält immer eine »Geschichte«, die die Empfindung rechtfertigt, doch das ist einfach das Werk der zweiten Bewußtseinsebene. Aber was für ein Symbol auch immer von einer höheren Bewußtseinsebene geliefert wird: die Empfindungen selbst spiegeln das wirkliche Ereignis in der Vergangenheit wider.

Ein Patient hatte, zum Beispiel, ständig Alpträume, in denen er das Gefühl hatte, zu sterben. Er mußte sich wecken, um sich zu vergewissern, daß er noch lebte. Das war eine Nachschaffung dessen, wie es sich anfühlte, von der Geburt her aus dem Schlaf zu kommen — zurück ins Leben, verwirrt und überwältigt von dem Erlebnis.

Dieser Patient hatte auch immer die Vorstellung, daß sein Kopf vom »Feind« über einen Zaun gezogen wurde. Er erfuhr dann, daß er in einer Lage geboren worden war, in der sein Kopf in den Nacken zurückgedrückt wurde. Diese Vorstellung wurde, ebenso wie die Alpträume, durch seine Geburts-Primals ausgelöst. Wir sehen daran, daß die tiefere Einprägung seine Empfindungen hervorbrachte, nicht die manifeste »Geschichte« seiner Alpträume.

Ein anderer Patient, der nach sehr langen Wehen durch Kaiserschnitt zur Welt kam, berichtete:

»Als ich noch sehr jung war, träumte ich oft, daß jemand auf meiner Brust saß. Der Druck in meiner Brust kehrt periodisch wieder, und dann weiß ich, daß der Geburtsschmerz durchbricht. Ich dachte immer, ich hätte ein Geschwür, so heftig war der Schmerz.«

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Bei der Geburt steht wenig deutungsfähiger Kortex zur Verfügung, um Traumata einen Sinn zu geben. Und wäre er auch da: was mit dem Neugeborenen geschieht, ist wirklich wenig sinnvoll. Mit der späteren Entwicklung des Kortex ist man gezwungen zu »raten«, was in der fernen Vergangenheit geschehen ist — einem anderen Bündel von Nervenzellen tief unten im Nervensystem. Gewöhnlich rät man das Falsche. Die Funktion der Träume ist wie dieses Raten. Rückblickend wird eine Geschichte zurechtgemacht, und die tatsächliche Funktion besteht nicht darin, die Wahrheit zu sagen, sondern sie zu verkleiden. Die wahre Geschichte ist zu schmerzhaft, um direkt erzählt zu werden.

Ich will nun einige der Alpträume besprechen, die zu irgendeiner Zeit einmal jeder zu haben scheint. Wenn sie uns vertraut vorkommen, müssen wir uns fragen, warum. Was ist der Grund für ihre Universalität? Was ist an unseren Erlebnissen, das uns alle ähnliche Alpträume haben läßt?

 

In einem Tunnel stecken 

Den Alptraum, in einem Tunnel oder Schacht zu stecken, haben viele von uns gehabt. Diese Empfindungen würden sich nicht in uns manifestieren, wenn es nicht einen Erinnerungsschaltkreis gäbe, der sie hervorbringt. Es ist die Erinnerung daran, im Geburtskanal zu kräftig gequetscht zu werden. Und wie den Alptraum haben viele von uns auch das erlebt.

Die Annahme, daß das diesem so häufigen Alptraum zugrunde liegende Erlebnis ein Geburtstrauma ist, scheint weit hergeholt zu sein, aber ich würde sie nicht äußern, wenn ich nicht so viele Hunderte von Patienten gesehen hätte, die die Schmerzen wiedererlebten und die Alpträume auflösten. Ich erinnere mich an meine eigenen Alpträume, in einer Waschmaschine zu stecken und mich in einer sehr dicken Flüssigkeit um das Zentrum der Maschine zu drehen. Ich konnte nicht Atem holen. Das war ein echter »Geburts«-Alptraum.

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Licht am Ende des Tunnels

Verbunden mit dem Traum, in einem Tunnel zu sein, sind oft das Gefühl, Licht am Ende zu sehen, und der Versuch, es zu erreichen. Der Symbolismus ist offenkundig. Man sieht buchstäblich das »Tageslicht« am Ende des Geburtskanals. So viele Kinder müssen irgendein Licht brennen sehen, wenn sie in einem dunklen Zimmer schlafen gehen, weil ihre Erinnerung an das Geburtstrauma nahe der Oberfläche ist.

 

Unfähigkeit zu schreien  

Viele von uns haben Alpträume gehabt, in denen sie weder sprechen noch schreien können. Man bringt tatsächlich nicht einen Laut hervor. Das kommt daher, daß die Organisationsebene des Gehirns, die während des Alptraums im Tief schlaf vorherrscht, keine Worte hat. Die zweite Bewußtseinsebene baut für uns eine Geschichte zusammen, die unsere Angst rationalisiert, und die erste Ebene sorgt dafür, daß wir nicht schreien oder den Mund aufmachen können. Das ist auch die Empfindung bei der Geburt — daß wir unfähig sind, den Mund aufzumachen. Das Leiden im Mutterschoß ist stumm. Das Kind kann treten und sich bewegen, aber es kann nicht um Hilfe rufen. Es wird dann vielleicht jahrelang wimmern, weil es im Schoß nicht direkt schreien konnte.

 

Keine Bremsen

Das Folgende ist ein klassischer Geburts-Alptraum eines unserer Patienten:

»Ich steuere meinen Wagen und stelle fest, daß ich keine Bremsen habe. Ich habe keine Gewalt mehr über den Wagen, und er fährt immer schneller. Ich fange an, mich völlig hilflos zu fühlen, und glaube, daß ich sterben muß. Der Wagen fliegt von der Straße, und ich falle und falle. Ich denke: <Welches ist die beste Lage, um zu verhindern, daß ich verletzt werde?>

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Ich nehme eine fetale Lage ein und habe das Gefühl, daß dies die letzte Sekunde meines Lebens ist. Der Wagen schlägt auf und beginnt mich zu erdrücken, aber er erdrückt mich sanft. Es ist, als wäre ich von Kissen umgeben, die mir keinen Platz lassen. Ich kann nicht atmen. Ich fühle mich in einer Falle. Ich wache atemlos und voll Entsetzen auf.«

 

Die Empfindungen, nicht atmen zu können, erdrückt zu werden, zu fallen, und die Angst sind den Geburts­empfindungen sehr ähnlich. Die Geschichte ist auch nicht weit von der tatsächlichen Geburtssequenz entfernt. Das Gefühl, »keine Bremsen« zu haben und zu fallen, spiegelt das Geburtserlebnis wider, durch kräftige Kontraktionen bewegt, regelrecht aus einer stabilen Lage losgerissen und abwärts geschoben zu werden. Die Traumempfindung, in der fetalen Lage sanft erdrückt zu werden, gibt die Geburtsempfindung beim Übergang von der Gebärmutter in den Geburtskanal wieder. Ein anderer Patient berichtete:

»In meinem Traum fuhr ich einen Wagen und wollte anhalten. Meine Bremsen reagierten nicht - ich trat immer wieder vergeblich auf das Pedal. Es war ein schreckliches Gefühl, nicht halten zu können. Irgendwie schien es, als fiele ich in den Raum, ohne mich festhalten zu können. All das geschah in einem Sekundenbruchteil.

Dann hatte ich das Gefühl, daß mich meine Mutter sehr schnell hinausstieß, bevor ich bereit war- bevor ich >abbremsen< konnte. Das hat mein Leben so beeinflußt, daß, wenn ich mit Menschen spreche, die Wörter aus meinem Mund kommen, wie ich aus meiner Mutter kam, außerordentlich schnell, ohne genug Zeit für sorgfältiges Denken und Überlegen. Meine ganze Persönlichkeit war immer impulsiv.«

Eine weitere interessante Parallele ist, daß die »Bremsen« im Traumzustand buchstäblich fehlen: das Brems- oder Hemmungs­system der dritten Ebene ist »eingeschlafen«. (Hemmung ist die Hauptfunktion der dritten Ebene.) Die Gefühle geraten außer Kontrolle, und man fühlt sich auch so. Gewiß ist das am meisten unkontrollierbare Erlebnis, das wir alle hatten, das Geburtserlebnis. Bei einer Geburt mit gleich welchem Trauma sind die vorherrschenden Gefühle des Fetus Hilflosigkeit und Angst. Genau diese Gefühle erscheinen auch im Alptraum wieder.

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Kampf

Im Kampf-Alptraum herrschen die Themen Angriff, Gejagtwerden und Feind vor. Ein Patient berichtete:

»Ich mache eine Fahrt in Disneyland. Da ist auf einem Gleise ein ganz langes Ding, das unaufhörlich Kurven und Windungen macht. Ich bin in dieser Maschine auf dem Gleise, und ich glaube, einen sicheren Platz gefunden zu haben. Draußen, außerhalb der Maschine, kämpfen die Deutschen gegen die Amerikaner. Ich bin der einzige, der in Sicherheit ist. Die Amerikaner wollen mich töten, indem sie versuchen, mich hinauszudrängen, um gegen die Deutschen zu kämpfen. Ich fühle den Druck, wie sie versuchen, mich dazu zu bringen, mich zu bewegen. Die Maschine fährt die ganze Strecke rundherum. Gerade als ich denke, die Fahrt ist zu Ende und nun wird alles in Ordnung sein, fängt sie wieder von vorn zu fahren an. Plötzlich bleibt sie stehen, und ich habe das Gefühl, wenn ich dort bleibe, werde ich sterben. Ich muß sie in Bewegung setzen, oder ich sterbe. Ich fange an, mich zu bewegen.«

 

Der Patient hatte diesen Traum immer wieder. Die Tatsache, daß er sich wiederholte und Angst auslöste, bedeutet, daß er eine unaufgelöste Situation mit starken Feelings und Empfindungen darstellte. Der Patient erlebte nach einem solchen Traum ein Geburts-Primal, bei dem er das Gefühl hatte, sich durch die ganze Rundstrecke kämpfen zu müssen, und einen sicheren Ort suchte, um aufhören zu können. Der Augenblick im Traum, in dem er nicht mehr sicher war, entsprach in seinem Geburtserlebnis der »Abtötung« des Körpers der Mutter durch Narkotika. Da blieb die Maschine (der Körper der Mutter) stehen, und er saß in der Falle. Er hatte das Gefühl, sterben zu müssen (seine Mutter war völlig bewußtlos), er wollte sogar sterben, konnte aber nicht. Er hatte keine andere Wahl, als weiterzumachen — »anzufangen, sich zu bewegen«.

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Der Druck seitens der Amerikaner, die versuchten, ihn dazu zu bringen, sich zu bewegen, ist ein interessanter Symbolismus, denn später versuchten die meisten Menschen seiner Umgebung, ihn dazu zu bringen, dies oder jenes zu tun, aber er konnte sich nicht dazu überwinden, etwas zu tun. Er fühlte sich sein Leben lang unter Druck und war zugleich lethargisch. In Angstsituationen fiel es ihm schwer zu atmen, denn der Druck konzentrierte sich auf die Brust. Im Grunde wird der Druck, sich zu bewegen, den er fühlte, symbolisiert durch den Kampf zwischen Amerikanern und Deutschen; er wird dazu getrieben, gegen große Widerstände zu kämpfen. Und bei seiner Geburt gab es große Widerstände gegen sein Entkommen.

Viele von uns, die diese Art von Alpträumen nicht kennen, haben dennoch gewisse »wunde Punkte«, die mit den gleichen Empfindungen zusammenhängen. Wenn, beispielsweise, etwas auch nur für einen Sekundenbruchteil über unseren Mund gelegt wird, kann augenblicklich eine Panik eintreten. Die alte Empfindung des Erstickens wird ausgelöst und führt zu einer übertriebenen Reaktion auf die vorübergehende Einschränkung der Atmung. Die gleiche Panik kann ausgelöst werden, wenn man entweder physisch (durch Festgehaltenwerden) oder psychisch (durch Versetzung in eine Lage, in der man nichts unternehmen kann) hilflos gemacht wird. Die meisten von uns sind sich nicht dessen bewußt, daß sie die Panikgefühle ihrer Geburt erleben. Kinder kommen mit vielen solchen Prädispositionen zur Welt. Den traumatischen Empfindungen zeitlich noch so nahe, können sie leicht in Panik geraten, wenn sie allein gelassen werden, oder sie können unfähig sein zu atmen. Wenn schließlich die Panik zu lange dauert, können sie sogar sterben.

Bemerkenswert ist, daß viele Patienten, die nie bewußt Geburtssymptome gefühlt oder nie mit Geburts­empfindungen verbundene Alpträume gehabt haben, im späteren Verlauf der Therapie, wenn sie viel weniger abgewehrt sind, damit beginnen. Die Zugänglichkeit des Geburtstraumas hängt von der Verstärkung ab. Wenn die Kindheit voll von Traumata war, die das ganze Abwehrsystem belasteten, wird das Kind ständig von Geburts-Alpträumen heimgesucht und bleibt diesen Empfindungen stets nahe. War die Kindheit nicht so traumatisch, bleiben die latenten Kräfte der ersten Ebene begraben und werden erst später zugänglicher.

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     Schlußfolgerungen     

 

Die Verdrängung traumatischer Geburtsempfindungen führt zu einer völligen Stillegung körperlicher Reaktionen. Danach werden Urschmerz und seine Verdrängung »erinnert«, so daß die guten Gefühle der Freude, des Wohlbefindens und Vergnügens durch den automatischen Ablauf der eingeprägten Reaktionstendenz blockiert werden. Deshalb setzt das Fühlen von Urschmerz Freude frei, indem es im ganzen System Verdrängungen reduziert. Empfindungen sind die Grundlage für eine emotionale Atmosphäre. Es gibt keine Emotion ohne Empfindung und keine Einstellungen oder Ideenbildungen, die nicht von irgendeiner Emotion abgeleitet sind, so schwach die Verbindung auch sein mag. Die Empfindung des bevorstehenden Todes bei der Geburt ist eine umfassende, und nicht minder umfassend ist die Verdrängung dieser Empfindung.

Es scheint ein großes Wissen des Körpers zu geben, das Urschmerzen in einer präzisen Sequenz darbietet, die von ihrem Gewicht, ihrer Kraft und ihrer Integrierbarkeit abhängt — eine vorausbestimmte Ordnung, entstanden in Millionen Jahren Evolution, deren Ergebnis eine physische Intelligenz ist, die nichts mit »Geist«, wie wir den Begriff verstehen, zu tun hat. Der Körper scheint zu »wissen«, was er verkraften kann und was nicht.

Im besonderen muß die Behandlung sexueller Probleme die dialektische Einheit von Urschmerz und Lust in Betracht ziehen. Beide sind Feelings. Um das eine zu fühlen, muß man auch fähig sein, das andere zu fühlen. Daher kommt es, daß Neurotiker, die einen plötzlichen Augenblick der Freude erleben, etwa wenn sie einen Wettbewerb gewinnen, oft weinen. Freude wühlt den Urschmerz auf. Deshalb können auch Menschen, die sich im Urschmerz befinden, den sie nicht zu fühlen imstande sind, auch keine Freude fühlen. 

Die Verdrängung von Schmerz kann manchmal zu einer trügerischen »Freude« führen, aber Freude oder Lust ist nicht einfach die Abwesenheit von unverdrängtem Schmerz. Sie ist ein aktives Feeling für sich selbst, ein ganz eigener Zustand, und das Geburtstrauma macht die meisten von uns völlig unfähig, sie zu fühlen. Das Wiedererleben des Urschmerzes läutert schließlich die Freude. Befreit von diesen Kräften, die uns in Agonien gestürzt haben, können wir etwas völlig Neues fühlen — echte Freude.

Primäre Dämonen halten uns davon ab, Freude zu fühlen, und verleiten uns gleichzeitig dazu, sie ständig zu suchen. Wir verfallen einer Dämonologie, weil wir glauben müssen, daß es eine Art magischer Kraft gibt, die uns treibt, besonders da es unser Vorstellungs­vermögen übersteigt, daß es die Kraft der Geburt ist, die uns antreibt. Diese Kraft, die immer aus ihrer ursprüng­lichen Quelle hervorsprudelt, läßt uns glauben, daß es eine mystische Macht geben muß, die unsere Dämonen austreiben und uns endlich befreien kann. 

Es gibt tatsächlich etwas, was uns befreien kann. Es ist weder mystisch noch magisch. Es ist einfach das Wiedererleben unseres Urschmerzes.

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Janov 1983