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 3.  Die Natur der hypnotischen Suggestion

      Ü: Wagner

 

 

 

Nicht jeder kann in eine hypnotische Trance gehen, Speichel absondern beim "Anblick" von imaginärem Schaumgebäck oder hypnotisch in die Vergangenheit transportiert werden. Unter denen, die in eine Trance fallen können, gibt es große Unterschiede der Tiefe und des Typs der Trance, die sich kundtut. Was in erster Linie erzeugt eine Trance? Was ist verantwortlich für Ereignisse während der Trance und für Variationen, die sich in ihr zeigen? Wie sind des Weiteren Altersregression und sogenannte Vorleben-Regression in hypnotischen Subjekten zu erklären? Es scheint eine Sache der Suggestions-Gebung und des Grades der Reaktivität auf Suggestion, auch als Suggestivität oder Beeinflussbarkeit bekannt, zu sein.

Bei Hypnose bezieht sich Suggestion auf Aussagen, die der Hypnotiseur mit der Absicht macht, das hypnotische Subjekt zu beeinflussen. Am offensichtlichsten sind die Suggestionen, die eingesetzt werden, um die hypnotische Trance selbst herbeizuführen. Suggestion ist auch die Basis des Glaubens eines hypnotischen Subjekts, dass Hypnotismus ihm oder ihr in gewisser Weise helfen kann. Suggestivität wird von Yapko, einem führenden Hypnotherapeuten, als „eine Offenheit, neue Vorstellungen, neue Information zu akzeptieren" definiert.1) Sie bezieht sich auf die Fähigkeit, sich von einer anderen Person, von den Worten dieser Person oder von eingesetzten hypnotischen Techniken beeinflussen zu lassen. In der anhaltenden Kontroverse innerhalb der psychotherapeutischen Gemeinschaft über das Wiederaufspüren verdrängter Erinnerungen an Missbrauch in der Kindheit ist Suggestivität der zentrale Punkt in der Frage, wie man zwischen einer realen Erinnerung und einer "Pseudo-Erinnerung" unterscheidet, die vielleicht von einem Psychotherapeuten herausgelockt, "implantiert" oder suggeriert wurde.

In einer Studie von 1982 zeigte Robert A. Baker, wie leicht die meisten „normalen menschlichen Subjekte" hypnotisiert und ebenso „überzeugt" werden können, sich an ihre früheren Inkarnationen zu „erinnern". Sechzig Studenten wurden mit der Absicht hypnotisiert, sie altersgemäß auf frühere Lebenszeiten regredieren zu lassen. Sie wurden in drei Gruppen zu je 20 Personen eingeteilt. Bevor sie hypnotisiert wurden, sagte man den Mitgliedern jeder Gruppe, dass sie an einer Entspannungsstudie teilnähmen, und ließ sie auf Band aufgezeichneten Suggestionen zuhören, die die Idee einer Vorleben-Therapie entweder unterstützten oder verurteilten. Von der Gruppe, die den unterstützenden Kommentaren ausgesetzt waren, berichteten 17 von 20 später, dass sie unter Hypnose zu einem „anderen Leben" zurückgekehrt seien. Von den Gruppenmitgliedern, die der Tonband –Botschaft ausgesetzt waren, die Vorleben-Therapie lächerlich machte, taten dies nur zwei.

Bei der Besprechung dieser Studie kam Baker zu einer Reihe von Schlüssen:

Suggestion ist das Hauptwerkzeug des Hypnotherapeuten. Suggestivität oder Beeinflussbarkeit auf Seiten des Subjekts macht dieses „offen" für die suggestiven Ideen des Hypnotiseurs. In Abwesenheit von Suggestivität kann ein Hypnotiseur keine Trance induzieren und noch viel weniger den Trance-Zustand für spezielle Zwecke verwenden.

 

Der Gebrauch der Suggestion,
um eine hypnotische Trance einzuleiten

 

Während die neurologischen und psychologischen Mechanismen, die für ein erfolgreiches Ansprechen auf Suggestion verantwortlich sind, wissenschaftlich noch nicht bestimmt sind (obgleich wir mutmaßen können, wie beschaffen sie sind, wie weiter unten erörtert), können die äußeren Wirkungen der Suggestion stichhaltig beschrieben werden:

Das hypnotisierte Individuum scheint nur die Mitteilungen des Hypnotiseurs zu beachten. Es scheint auf eine unkritische, automatische Weise zu reagieren und alle Aspekte der Umgebung zu ignorieren außer denen, die der Hypnotiseur relevant macht. Offensichtlich ohne eigenen Willen, sieht, fühlt, riecht und schmeckt das Individuum in Übereinstimmung mit den Suggestionen und in offensichtlichem Widerspruch zu den Stimuli, die auf ihn oder sie einwirken. Auch Erinnerung und Selbst-Bewusstsein können durch Suggestionen verändert werden, und die Effekte der Suggestionen können auf nachfolgende Wachaktivität (posthypnotisch) ausgedehnt werden. [3]

Hypnose wird vermutlich durch Suggestionsgebung „eingeführt." Aufgrund dessen ist in den letzten Jahrzehnten viel Wirbel um die Entdeckung und Entwicklung effizienter hypnotischer Induktionstechniken gemacht worden. Von den führenden Hypnose-Forschern glaubt nur Barber, dass hypnotische Induktionsprozeduren irrelevant seien. Die häufigere Überzeugung ist, dass die Techniken eine wichtige Rolle spielen, um mit dem Subjekt in eine enge Beziehung zu treten [4], was wiederum dafür verantwortlich ist, wie gut das Subjekt auf die späteren Suggestionen des Hypnotiseurs anspricht.

 

Gewöhnliche hypnotische Einführungen beginnen mit einfachen Suggestionen zur Entspannung, die vom Subjekt leicht angenommen und ausgeführt werden. „Sie fallen in einen tiefen Schlaf" ist die Suggestion, die einem am leichtesten einfällt, wobei sich die Augen des Subjekts auf einen funkelnden Gegenstand konzentrieren, der an einer Schnur baumelt und hin und her schwingt. In der oben erwähnten Studie über Vorleben-Regression begann die Einführungsprozedur damit, dass man das Subjekt anwies, seinen Blick auf einen Punkt über einer Deckenlampe zu fixieren, während suggeriert wurde, dass eine „warme Lichtkugel" in der Mitte des Kopfes langsam und systematisch durch seinen Körper wandere und „in der Bewegung die Muskeln wärme und entspanne und die Spannung wegschmelze." [5] Ist die Entspannung offensichtlich eingetreten, versucht der Hypnotiseur, die hypnotische Trance zu „vertiefen", indem er zunehmende Verzerrungen in Wahrnehmung und Erinnerung suggeriert. Zum Beispiel kann eine frühere Suggestion an das Subjekt, dass „Ihre Augenlider schwerer und schwerer werden, bis sie schließlich zufallen", zu einer „Forderungs"-Suggestion werden, dass „Ihre Augenlider sich fest....fester…fester schließen. Sie können sie nicht öffnen, auch wenn Sie es versuchen."

 

Der nächste Schritt ist „Verwertung" oder der Gebrauch der Suggestion, um das Subjekt zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder in eine bestimmte Richtung transportiert zu werden, wie z. B. Regression in die eigene Vergangenheit. Vielleicht sagt der Hypnotiseur: „Ich möchte, dass Sie in Ihrer Erinnerung zurückgehen, zurück zu einer lange vergangenen Zeit, als Sie zum ersten Mal auf einem Rad fuhren, … gehen Sie zurück und zurück und zurück.." und so weiter. Bei einer Methode zur Einleitung von Altersregression, die als „Fernsehtechnik" bekannt ist, wird das Subjekt angewiesen, sich im Geist einen imaginären TV-Bildschirm vorzustellen, auf dem er (oder sie) gleich eine Aufzeichnung eines lange vergangenen Ereignisses in seinem Leben sehen werde. Er werde auch in der Lage sein, das Bild anzuhalten, wenn er wolle, das Ereignis im Schnellgang rückwärts oder vorwärts laufen zu lassen und besondere Einzelheiten ‚heranzuholen’. [6]

Um eine erwünschte hypnotische Wirkung zu verlängern, kann der Hypnotiseur dem Subjekt post-hypnotische Suggestionen geben, auf die es zu einem späteren Zeitpunkt reagieren soll. Posthypnotische Suggestion verbindet gewöhnlich Amnesie mit der Suggestion, sodass die Person, wenn sie später auf die Suggestion reagiert, kein bewusstes Verständnis hat, warum sie so handelt. Zum Beispiel kann das Subjekt angewiesen worden sein, immer dann wieder in eine Trance zu gehen, wenn es sieht, wie der Hypnotiseur sich am Kinn kratzt, wo und wann immer das geschehen mag. Erickson berichtet von vielen Fällen, in denen ein Subjekt oder Patient in eine Trance glitt, wenn er oder sie ihm zu einem späteren Zeitpunkt — manchmal nach mehreren Jahren — in gewissen unerwarteten sozialen Situationen wie einer Konferenz oder einer Cocktail-Party begegneten.

 

Ansichten über Suggestion  

 

Während Suggestion für eine Trance notwendig ist, geschieht sie auch außerhalb von Hypnose. Die meisten von uns reagieren bewusst und unbewusst tagtäglich und in ihrem ganzen Leben auf Suggestionen. Zum Beispiel kaufen wir bestimmte Produkte und wählen bestimmte Marken aus Gründen, derer wir uns nicht bewusst sind, da wir von hypnotischer Suggestion beeinflusst worden sind, die in der Werbung verwendet wird. Die meisten Kinderpersönlichkeiten formen sich aus direkter und indirekter elterlicher Suggestion. Die Eltern sagen dem Kind, es solle „brav" sein oder „Ruhe geben", oder werfen ihm einen Blick zu, der dieselbe Wirkung hat. Das Kind gehorcht, „falls es weiß, was gut für es ist." Da es versucht, seinen Eltern zu gefallen oder Bestrafung zu vermeiden, kooperiert es. Es ist nicht mehr spontan; stattdessen hält es sich mit seinem Verhalten an die Anweisungen der Eltern. Viele von uns sind nicht „sie selbst", wenn sie aufwachsen, und mehr darauf bedacht, „keinen Wirbel zu machen" und die Wünsche anderer Leute zu befriedigen, als ihre eigene Individualität auszudrücken.

 

Barber behauptete, dass die Tatsache, dass Suggestion im Alltagsleben funktioniert, genau der Punkt ist, der die Auffassung eines speziellen hypnotischen Zustands als ungültig erweist. Yapko stimmt zu: „Der Trance-Zustand ist ein Zustand, der sich von tagtäglicher mentaler Erfahrung nur dem Grad nach und nicht in seiner Art unterscheidet……es gibt keine klaren Abgrenzungen zwischen gewöhnlichem Zustand und Trance-Zustand." [7] „Trance-Logik" oder das ungeprüfte Akzeptieren der suggerierten Realität durch das Hypnose-Subjekt, gleichgültig, wie unlogisch sie sein mag, findet auch außerhalb der Neurose statt. Es geschieht, wenn einer Person die kritische Denkfähigkeit fehlt, um objektiv zu analysieren, ob etwas „real" ist oder nicht, wie wenn z.B. jemand inbrünstig an den Himmel glaubt oder an die Prophezeiung seines Gurus, dass Armageddon komme.

 

Gemäß Barbers Forschungen ist Trance nicht notwendig, um hypnoseartige Reaktionen auszulösen – aber Suggestion und Glaubwürdigkeit durchaus:

Wenn hypnotische Einführungsprozeduren hilfreich sind, dann nicht deshalb, weil das Subjekt im populären Sinn dieser Begriffe in einer „Trance" oder „hypnotisiert" ist. Stattdessen deutet die Beweislage darauf hin, dass sie hilfreich sind, wenn sie die kritische Haltung der Subjekte gegenüber den Suggestionen reduziert und ihnen somit hilft, die Suggestionen als glaubwürdig und in Einklang mit ihren eigenen fortlaufenden Kognitionen stehend zu akzeptieren. Obgleich hypnotische Induktionsverfahren wirkungsvoll kritische Einstellungen bei einigen Subjekten reduzieren, sind gewöhnlichere Prozeduren oft gleich wirksam. Nicht-hypnotische Prozeduren, die vermutlich durch Reduzierung kritischer Haltungen erwiesenermaßen einen hohen Grad an Reaktivität auf Suggestionen erzeugen, schließen ein, dass (a) die Subjekte ermahnt werden, sie sollen ihr Bestes geben, um sich die suggerierten Dinge vorzustellen, und das (b) die Subjekte gedrängt werden, ihre kritische Haltung abzulegen und sich selbst mit den suggerierten Themen „gedanklich mitgehen" zu lassen. [8]

 

Für Barber ist Glaubwürdigkeit die Essenz der Suggestion als das Verhalten formender Kraft, und Glaubwürdigkeit erfordert eine Reduzierung kritischer und bewertender Fähigkeiten. Somit könnte man jede Technik, die das erreicht – ob Ermahnungen, Drängen oder sanfter Rat – als hypnotische Induktionstechnik bezeichnen. Neben anderen können charismatische Politiker bei einigen Leuten eine Art Wach-Trance induzieren, die sie hoffnungsvoll stimmt, wenngleich eine nüchterne Analyse der Realität zu ganz anderen Emotionen führen könnte. Barber berichtet zusätzlich, dass Suggestion erwiesenermaßen erfolgreich die Hautreaktionen blockiert, die normalerweise durch giftigem Efeu ähnliche Pflanzen erzeugt werden; dass sie lokale Hautentzündungen auslöst, die das spezifische Muster einer früher erlittenen Verbrennung hatten; und dass sie Warzen heilt und bei erwachsenen Frauen die Brustentwicklung stimuliert. Er hypothetisiert, dass „ ‚geglaubte Suggestionen’, die fortlaufenden Wahrnehmungen einverleibt werden, die Blutzufuhr in den lokal begrenzten Bereichen beeinflusst" und die oben genannten Phänomene hervorruft. Der Schlüsselbegriff ist hier „geglaubte Suggestionen." In nachfolgenden Kapiteln werde ich die Rolle von Vorstellungen bei Verhaltensänderungen diskutieren.

 

Für Erickson war Suggestion ein wichtiges Element in der Einleitung der Trance. Er stimmte mit Barber überein, dass Suggestion geglaubt und verinnerlicht werden musste, um wirksam zu sein. Aber er konzentriert sich nicht so sehr drauf, das Subjekt glauben zu machen, sondern darauf, die eigenen angeborenen Potentiale des Subjekts hervorzurufen und zu verwerten

Im Gegensatz zu Barber sah Erickson hypnotische Suggestion als qualitativ verschieden von nicht-hypnotischer Suggestion – als ein Mittel, um neue, therapeutische Vorstellungen mitzuteilen, die alte, nichttherapeutische Vorstellungen blockieren oder ändern sollten:

Wir handeln nach gewöhnlichen alltäglichen nichthypnotischen Suggestionen, weil wir sie mit unserer normalen bewussten Einstellung bewertet und als annehmbaren Führer für unser Verhalten befunden haben, und wir führen sie freiwillig aus. Im Gegensatz dazu ist Hypnose darin anders, dass der Patient überrascht ist herauszufinden, dass diese Erfahrung und dieses Verhalten sich auf anscheinend autonome Weise ändern; die Erfahrung scheint außerhalb des normalen Sinns für Kontrolle und Selbst-Steuerung zu liegen. [9]

Für Erickson ist Trance ein besonderer Zustand, der das Annehmen der Suggestion erleichtert. Für Barber ist Trance ein irreführender Begriff für Vorgehensweisen, die kritische Fähigkeiten reduzieren und dadurch die Akzeptanz der Suggestion erleichtern. Jedoch sehen beide die Akzeptanz der Suggestion als einen Prozess, der auf die eine oder andere Weise die Verminderung bewusster mentaler Prozesse beinhaltet. Suggestion ist deshalb eine Sache der Pysche, bei der es darum geht, die kritische Denkfähigkeit des Subjekts zeitweilig außer Kraft zu setzen. Der Trick besteht darin, Suggestionen so in Worte zu kleiden und zu präsentieren, dass sie von der Psyche akzeptiert werden und dann von Psyche und Körper ausgeführt werden – sodass das Hypnose-Subjekt anfängt, Speichel abzusondern, wenn sie sich aufmacht, imaginäre ‚Götterquatsch’-Stücke von einem imaginären Tablett zu nehmen.

 

 

Ansichten über Suggestivität

 

Der Grad, in dem eine Person auf Suggestionen anspricht, wird abwechselnd als Suggestivität, Hypnotisierbarkeit, hypnotische Reaktivität und hypnotische Empfänglichkeit bezeichnet. Die Forschung in diesem Bereich hat zwei spezielle Richtungen eingeschlagen: Es gibt Anstrengungen, Skalen zu entwickeln, die Hypnotisierbarkeit zuverlässig „messen", und Anstrengungen, den Grad der Hypnotisierbarkeit mit besonderen Persönlichkeitsmerkmalen (wie Intelligenz, mentaler Status und Vorstellungskraft) zu korrelieren. Interessanterweise gab es einigen Erfolg bei der Entwicklung zuverlässiger Mess-Skalen aber nahezu keinen Erfolg bei der Korrelation von Persönlichkeits-Charakteristika mit Hypnotisierbarkeit.

 

Messungen anhand der Skalen, die entwickelt wurden, um „Hypnotisierbarkeit" zu messen – die ‚Stanford-Skala für hypnotische Empfänglichkeit’ und die ‚Barber-Empfänglichkeitsskala’ – scheinen darauf hinzuweisen, dass die meisten Menschen für kleinere hypnotische Phänomene empfänglich sind, während ungefähr 1 von 4 Personen zu einer tiefen hypnotischen Reaktion fähig ist. Das Geschlecht macht bei der Reaktivität keinen Unterschied, aber das Alter. Offensichtlich sind wir am leichtesten zu hypnotisieren, wenn wir Kinder sind, und somit müssen Merkmale, die speziell auf die Kindheit zutreffen (wie ein aktives Fantasieleben und die Bereitwilligkeit, Anweisungen zu folgen) bei Hypnotisierbarkeit eine Rolle spielen. Laut Hilgard trifft dies zu. Obwohl die Beweise unzureichend und widersprüchlich sind, scheint es, dass der Faktor der Imagination mit Hypnotisierbarkeit korreliert werden kann: Leute, die als Kinder hochgradig phantasiebegabt waren, lassen sich als Erwachsene leichter hypnotisieren. [10] Hilgard erklärt:

Die hypnostisierbare Person ist jemand, der reich an subjektiven Erfahrungen ist, in die er sich tief verstricken kann…..Er ist am Leben der Psyche interessiert…Er ist willig, von innen kommende Impulse zu akzeptieren und hat keine Angst davor, eine Zeit lang auf Realitätsprüfung zu verzichten. Er scheint keine schwache oder abhängige Person zu sein; die Beweise deuten darauf hin, dass eher sorgenvolle, zurückgezogene oder neurotische Individuen sich grundsätzlich nicht so gut als Subjekte eignen wie normale, aus sich herausgehende Individuen….

Interviews mit Hunderten von Subjekten vor und nach der Induktion von Hypnose haben die Wichtigkeit von Kindheitserlebnissen aufgezeigt. Erfahrungen besonderer Art scheinen die Fähigkeit, die in Hypnotisierbarkeit mündet, entweder zu generieren oder zu stützen. Die Fähigkeit, sich tief in imaginative Erlebnisse involvieren zu lassen, leitet sich von Eltern ab, die selbst tief in solche Bereiche wie Lesen, Musik, Religion oder ästhetische Wertschätzung der Natur involviert sind. [11]

Aber das ist nicht alles. Hilgard erwähnt (und „erwähnt" ist alles) im Weiteren, dass Erwachsene, die als Kinder misshandelt wurden ebenfalls leichter zu hypnotisieren sind:

Eine Geschichte voller Bestrafung kann auf eine oder beide von zwei Arten Hypnotisierbarkeit erzeugen: erstens durch das Einimpfen der Gewohnheit  automatischer und kritikloser Gehorsamkeit; zweitens durch die Tendenz, den Schikanen dadurch zu entkommen, dass man sich ins Reich der Phantasie entfernt und somit die Dissoziationen praktiziert, die später bei Hypnose verwendet werden sollen. [12] [Kursivschrift hinzugefügt]

Hilgards Gesichtspunkt liefert hier eine sehr interessante Polarität hinsichtlich Hypnotisierbarkeit. Auf der einen Seite steht das sehr gesunde Individuum, das „reich an subjektiven Erfahrungen ist, in die es sich tief verstricken kann." Auf der anderen Seite steht das schwer misshandelte Individuum, das Hypnose aus der Gewohnheit „kritikloser Gehorsamkeit" und dissoziativer Reaktionen erlaubt, die aus der Kindheit nachklingen.

 

Barbers Ansichten über Hypnotisierbarkeit sind ganz anders als die von Hilgard. Er legt dar, dass von den 60 oder mehr Studien, die Persönlichkeits-Merkmale in Bezug auf Hypnotisierbarkeit untersucht haben, die Ergebnisse entweder negativ sind (keine Beziehung zwischen Persönlichkeit und Hypnotisierbarkeit) oder widersprüchlich (eine Studie findet eine Beziehung, eine andere nicht). Zum Beispiel fand eine Studie eine positive Korrelation zwischen „Neurotizismus" und Hypnotisierbarkeit (d.h., je neurotischer eine Person ist, umso hypnotisierbarer ist sie), während eine andere Studie eine negative Korrelation fand (d.h., je neurotischer, umso weniger hypnotisierbar). Mehrere andere Studien fanden überhaupt keine Beziehung (d.h., Neurose beeinflusst die Hypnotisierbarkeit in keiner Richtung). [13] 

Darüber hinaus stimmt Barber nicht mit Hilgard überein, dass Imagination oder andere Persönlichkeits-Charakteristika zur Hypnotisierbarkeit beitragen. Für Barber zeigen die Forschungen nur auf, dass (1) zwei Leute mit sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten gleichermaßen hypnotisierbar sind und dass (2) zwei Leute mit sehr ähnlichen Persönlichkeiten in ihrer Empfänglichkeit für Hypnose drastisch voneinander abweichen können. Um dieses Dilemma zu erklären, schlägt Barber vor, dass wir entweder noch nicht die Instrumente haben, um die Aspekte der Persönlichkeit in Bezug auf Hypnose zu erschließen, oder dass die Persönlichkeit dabei nur eine sehr geringe Rolle spielt. Vielleicht, so legt er nahe, ist es vielmehr die Situation als die Persönlichkeit, die letztendlich den Grad der hypnotischen Reaktivität bestimmt.

 

Es scheint, dass Hilgard und Barber gegensätzliche Standpunkte präsentieren. Hilgards Sicht der Hypnotisierbarkeit ist eine intradynamische, statische: das innere Vorstellungsvermögen der Person bestimmt weitgehend einen Grad der hypnotischen Reaktivität, der über die Zeit ziemlich konstant bleibt. Auf der anderen Seite ist Barbers Ansicht interdynamisch und schwankend: Die hypnotische Situation bestimmt zusammen mit dem, was die Person in dieser Situation will, fühlt und erwartet, eine Reaktivität, die von einer Situation und Zeit zur nächsten variiert.

 

Ericksons Ansicht über Hypnotisierbarkeit verbindet Aspekte beider Standpunkte. Obwohl er behauptete, dass „jeder, der sozialisiert werden kann, auch hypnotisiert werden kann," glaubte er auch, dass äußere Faktoren wie das Können des Hypnotiseurs und die Zeit, die man für hypnotisches „Training" aufwendet, wichtige Erwägungen seien. Wichtiger jedoch war die Bereitschaft des Subjekts selbst, Hypnose zu erfahren. Diese Bereitschaft begründete den wichtigsten Einzelfaktor bei der Akzeptanz der Suggestion. In der Tat war Bereitwilligkeit hinsichtlich der Suggestivität oder Beeinflussbarkeit wichtiger als Trance. „Trance", schrieb Erickson, „garantiert nicht das Annehmen der Suggestion" [14] – Bereitwilligkeit dagegen schon.

 

Yapko diskutiert einen verwandten Faktor: die Beziehung zwischen Selbstachtung und Hypnotisierbarkeit. Nach dieser Ansicht gibt eine Person mit niedriger Selbstachtung einer anderen Person mit größerer Wahrscheinlichkeit die Macht, ihn oder sie zu beeinflussen - wie z. B. durch Anwendung von Suggestion - als jemand mit hoher Selbstachtung. Da ein starkes Selbstwertgefühl fehlt, erleichtert die hochgradige Beeinflussbarkeit des Individuums diesem, sich von Werten oder Geboten eines anderen stark beeinflussen zu lassen. [15] Yapko erwähnt auch das „Bedürfnis nach Akzeptanz", das bei Leuten mit niedriger Selbstachtung besonders stark sein kann und das sie zu guten (beeinflussbaren) Hypnose-Subjekten prädisponieren kann. Das Subjekt hat die Hilfe des Hypnotiseurs gesucht und glaubt stillschweigend, dass Hypnose helfen könne. Da er oder sie den Hypnotiseur als autoritatives Individuum sieht, das Perspektiven, Rat und möglicherweise Lösungen für seine oder ihre Leiden anbieten könne, ist er oder sie dafür prädisponiert, die Suggestionen des Hypnotiseurs zu akzeptieren.

 

Auch der Ruf des Hypnotiseurs ist in Betracht zu ziehen, der zur Suggestivität beitragen kann. Zum Beispiel kamen die Leute aus aller Welt, um von Milton Erickson hypnotisiert zu werden. Yapko sagt: „Viele von ihnen reisten Tausende von Meilen, um von ihm in eine Trance versetzt zu werden, und sie fallen in eine Trance!" Des Weiteren haben die Erwartungen des Individuums hinsichtlich Hypnose eine emotionale Komponente. „Je mehr Emotion die Person in diese Erwartungen investiert", schreibt Yapko, „umso unwahrscheinlicher ist es, dass sie etwas erlebt, das ihnen widerspricht….Wenn Leute Geld, Hoffnung und Zeit in etwas investieren, wünschen sie verzweifelt, dass es funktioniert, und sei es nur ein kleines bisschen." [16]

 

Meine Interpretation von 

Suggestion und Suggestivität  

 

Aussagen wie „ Sie fühlen sich müde", „Ihre Augen werden schwer" und „Sie fallen in einen tiefen Schlaf" haben keine inhärente Kraft, um Schläfrigkeit zu verursachen oder einzuleiten. Warum also haben sie diese Kraft in der hypnotischen Situation? Es scheint, dass eine Reihe von Bedingungen in Kraft sein müssen, damit dies geschehen kann.

Erstens muss das Subjekt der Person trauen, die die Suggestionen anbietet. Zweitens muss das Subjekt wollen, dass es funktioniert (Ericksons Bereitwilligkeits-Faktor, Yapkos „Investition" von Zeit, Geld und Hoffnung). Und drittens muss er oder sie glauben, dass die Verkündung des Hypnotiseur-Wortes die erwarteten Ergebnisse bringt. Es scheint, dass hypnotische Suggestionen nur akzeptiert werden, wenn eine Prädisposition besteht, sie zu akzeptieren.

Aber warum sollte eine Person sich wünschen, sich den Suggestionen eines anderen zur Verfügung zu stellen? Die meisten Neurotiker sind einfach furchtbar matt und träge. Die Chance, sich in der Sicherheit, die die Fürsorge eines anderen bietet, zu entspannen, ist einfach zu verlockend, als dass man daran vorbei könnte. In der Tat könnte es mehr Anstrengung erfordern, der hypnotischen Suggestion nicht zu erliegen, als ihr zu erliegen. Wenn das kritische Gehirn eine Autoritätsfigur vor sich hat, deren bloßes Benehmen unbefriedigte Bedürfnisse anspricht (es geht einfach um Besänftigung, Beruhigung und Anleitung), kann es ihm sehr schwer fallen, „außen vor" oder „oben auf" zu bleiben. Einem anderen das Denken und Vorschlagen zu überlassen, ist ein Vergnügen, auf das die meisten Neurotiker ein Leben lang gewartet haben.

 

Darüber hinaus ist das Akzeptieren eines Vorschlags oder einer Suggestion vielleicht alles, was viele Leute je getan haben. Hypnose stellt einfach eine andere Situation, in der sie ihre Suggestivität ( die in Wirklichkeit ihre Abhängigkeit ist), neu inszenieren und verewigen können. Sich einer elterlichen Figur zu überlassen, die Ihrem Gefühl nach die gleichsam magische Fähigkeit hat, für Sie etwas zu tun, ohne dass Sie selbst denken müssen, repräsentiert vielleicht die Chance, endlich etwas zu bekommen, das Ihnen verweigert wurde, als es ein angemesseneres Bedürfnis war – in der Kindheit. Tatsächlich beschwören die Handlungen und Suggestionen des Hypnotiseurs in mir das Bild eines aufmerksamen, fürsorglichen, liebevollen Elternteils herauf, der am Ende eines Tages am Bett des Kindes sitzt und ihm gut zuredet: „Schlaf ein…schlaf gut…süße Träume."

 

In der Kindheit ist der Schlüssel, weil die hypnotisierte Person kindlich ist. Wie Erickson früher bemerkte, ist das hypnotische Subjekt naiv, fügsam, offen für Anweisungen, wahrheitsgetreu, nicht-analytisch und unkritisch. Die entscheidende Frage ist, ob hypnotische Suggestion wirklich kindliches Verhalten erzeugt, oder ob sie einfach das Kind hervorholt, das dem Erwachsenen noch immer innewohnt? Ich nehme die letztere Position ein, weil man, wie ich argumentiert habe, zuallererst psychisch noch immer ein Kind sein muss, damit man hypnotisiert werden kann.

 

Noch immer ein Kind zu sein bedeutet, noch immer von Bedürfnissen der Kindheit angetrieben zu werden, die vernachlässigt, verleugnet oder missbraucht wurden. Es ist unbedeutend, wie erwachsen die Person vielleicht im Alltagsleben dem Anschein nach ist. In der Tat kann anscheinend erwachsenes Verhalten nur die Art sein, wie man sich gegen bedrückende kindliche Bedürfnisse verteidigt. Auch wenn zwei Menschen unterschiedlich auf Deprivation in der Kindheit reagieren und radikal verschiedene Persönlichkeiten haben, können sie beide aufgrund der Deprivation für Hypnose empfänglich sein.

 

Der Neurotiker ist in seinem alltäglichen Leben „nicht ganz da." Voll anwesend zu sein würde bedeuten, dass er seinen verdrängten Schmerz fühlt. Um das zu vermeiden, ist er schwer damit beschäftigt, die post-hypnotischen ( nach der Dissoziation erfolgten) Suggestionen seiner Kindheit auszuleben. Diese Suggestionen wurden in der Regel indirekt gegeben, manchmal ebenso durch das, was nicht gesagt wurde, als durch das, was gesagt wurde. Sie stecken in der Seele und stechen von innen auf uns ein: „Du bist wertlos," „Du wirst nie gut genug sein," Lüge, denn wenn du die Wahrheit sagst, wirst du bestraft," „Kümmere dich um Mami," „Kuscheln ist für Waschlappen," „Große Jungs weinen nicht" und so fort. Diese „postneurotischen" Suggestionen steuern unser Leben; sie lenken uns weiterhin, auch lange nachdem sie geäußert oder uns anderweitig mitgeteilt wurden. Empfänglichkeit für Suggestionen basiert auf einem Leben voller Erfahrungen mit der nachfolgenden Dissoziation oder Spaltung, die erforderlich war, um frühen Schmerz abzuwehren. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, eine Person zu hypnotisieren, die in vollem Besitz ihrer selbst ist, die sich eines Zustand innerer Verknüpfung erfreut, deren Gedanken nicht von ihren Gefühlen losgelöst sind, und die nicht darin verwickelt ist, Urschmerz und Bedürfnis durch Verdrängung zu bekämpfen. Eine solche Person befindet sich nicht in der Trance eines Neurotikers und kann deshalb für hypnotische Suggestionen nicht empfänglich sein.

 

 

Bewusstseinsebenen und Hypnose

 

Die dritte Bewustseinsebene ist der „formbarste" Bereich des Gehirns. Aufgrund dieser Plastizität kann sie leicht „getäuscht" werden. Sie kann eine von außen kommende Vorstellung – dass „Mami dich liebt" oder dass „Gott über dich wacht" – als wahr akzeptieren, auch wenn diese Vorstellung falsch ist. Die erste Bewusstseinsebene ist nicht so plastisch oder dehnbar; sie befasst sich mit Überlebensfunktionen und ist deshalb nicht so empfänglich für Veränderung, die durch Schwankungen in den äußeren Umständen auferlegt wird. Wenn es zum Beispiel möglich wäre (was es nicht ist), jemanden durch hypnotische Suggestion so zu programmieren, dass er einen anhaltenden Pulsschlag von 250 hat, würde diese Person bald sterben. Diese Unzugänglichkeit der ersten Ebene ist eindeutig ein Überlebensmechanismus. Wenn man sich jedoch die Bewusstseinsebenen aufwärts bewegt, werden die Funktionen veränderbarer, empfänglicher für äußere Einflüsse und anpassungsfähiger. Auch das steht im Dienst des Überlebens.

Es ist die Funktion der Prozesse der dritten Ebene, uns mit äußerer Orientierung zu versorgen. Das bedeutet, dass die dritte Ebene fähig sein muss, neue Bedingungen, Ereignisse und Ideen wahrzunehmen und sich ihnen auch anzupassen. Diese Anpassungsfähigkeit kann ebenso leicht gegen uns arbeiten wie sie für uns arbeitet, abhängig davon, woran wir uns anpassen müssen. Der Neurotiker ist gezwungen worden, sich an eine irreale Welt anzupassen, eine Welt, die uneins mit seinen tiefsten Bedürfnissen und Gefühlen ist. Er musste sich falsche Auffassungen von sich selbst und der Welt aneignen, um zu überleben. Zum Beispiel kann es für ein Kind, das sich von seiner Mutter aufgrund der Art, wie sie es behandelt, nicht geliebt fühlt, notwendig sein ihr zu glauben, wenn sie sagt, sie liebe es, weil die volle Erkenntnis, dass seine Mutter es nicht liebt, emotional erschütternd wäre. Viele von uns scheinen sich an falsche Vorstellungen und kranke Werte gut angepasst zu haben, aber es gibt immer verräterische Zeichen, dass es nicht wirklich zutrifft: Symptome und Krankheiten, nervöse Gewohnheiten und Zwänge, Depressionen, Ängste und Unglücklichkeit. In der Tat können wir uns anpassen, können wir weiterhin funktionieren – aber zu welchem Preis?

 

Die zweite oder fühlende Bewusstseinsebene agiert idealerweise als Schutz gegen die Plastizität des Intellekts. Durch unsere Gefühlsreaktionen können wir bewerten und unterscheiden, welche Ideen, Werte, Handlungsabläufe usw, wir akzeptieren wollen und welche wir ablehnen wollen. Aber die zweite Ebene „weiß es" nicht auf die gleiche Weise, wie die dritte Ebene „es weiß". Die zweite Ebene ist vielmehr intuitiv als kognitiv; sie ist vielmehr global als spezifisch; und sie ist vielmehr direkt als mittelbar. Wenn wir der zweiten Ebene die ihr eigene Funktion zugestehen, geschehen unsere Gefühle zuerst, und dann kommt lange danach unser Verstand, um diese Gefühle zu artikulieren. In vielerlei Hinsicht soll die dritte Bewusstseinsebene der zweiten dienen, denn es ist die zweite Ebene, die uns mit einem persönlichen Selbst-Gefühl ausstattet. Zum Beispiel versorgt sie uns mit einer Art „Bauch-Reaktion" auf solche Fragen wie: „Ist diese Person richtig für mich?"; „Will ich diese Laufbahn einschlagen?"; „Stimme ich dieser Idee zu und will ich danach handeln?"; „Will ich weiter so leben wie bisher?", und so weiter. Die dritte Ebene kann dann die Bauchreaktion mittels spezieller Gedanken und Begriffe artikulieren.

 

Wenn wir von unseren Bauchreaktionen abgeschnitten sind – wenn es einen Spalt zwischen zweiter und dritter Ebene gibt – haben wir keine innere persönliche Quelle mehr, um die Dinge zu beurteilen. Wir sind irgendwelchen Vorstellungen (Suggestionen) preisgegeben und haben wenig oder keine Möglichkeiten, sie zu überprüfen. Deshalb kann der Intellekt glauben, er sei gut angepasst, auch wenn er es nicht ist, und er kann glauben, die Bedürfnisse seines Besitzers werden erfüllt, auch wenn sie es nicht werden. Dieses Muster irreführender Anpassung ist gewöhnlich in der Kindheit gut etabliert. Als Kinder werden wir mit der Vorstellung abgefüttert, dass wir glücklich sind, wenngleich wir es nicht sind; dass die Familie ideal ist, wenngleich sie es eindeutig nicht ist; dass Papi uns liebt, obwohl er nie zuhause ist; dass Mami uns haben will, auch wenn sie sich nicht so benimmt. Aus der Notwendigkeit heraus akzeptieren wir diese Vorstellungen, die in Wirklichkeit Befehle sind, und trotz großen Schmerzes funktionieren wir weiterhin. Schließlich sind wir soweit, dass wir eher den Vorstellungen unserer Eltern über unsere Realität glauben als diesbezüglich unseren eigenen Erfahrungen zu trauen. Das geschieht, weil es einfach zu bedrohlich für das Kind ist, die Ansichten der Eltern herauszufordern (in diesen Dingen sind die meisten Eltern gewöhnlich ziemlich abgewehrt); und dann wird es für das Kind zu widersprüchlich, sich in der Schwebe zwischen seiner eigenen gefühlten Realität und der falschen Realität zu halten, die seine Eltern „suggerieren". An diesem Punkt gibt es persönliches Fühlen zugunsten sogenannter elterlicher Liebe auf. Es reagiert nicht auf Bauchgefühle, die verdrängt worden sind, sondern auf die Anweisungen seiner Eltern, was es denken und fühlen und tun soll.

 

Ohne eine gefestigte dritte Ebene – das heißt, ohne die Realitätsbegriffe, die Erwachsene haben – sind Kinder leicht in der Lage, die Realitätsversion eines anderen zu akzeptieren. Das ist genau der Grund, warum Märchen bei Kindern so wirkungsvoll sind: sie lieben es, Fantasiewelten zu betreten, in denen sich die Wirklichkeit mit jedem Wort ändert. Ob es harmlose Fantasie ist oder schädliche elterliche Einstellungen, das Kind ist weit offen und bereit, es zu glauben. Die Tatsache, dass Kinder hypnotisierbarer sind als Erwachsene legt auch nahe, dass Hypnose bei Erwachsenen von der Loslösung der dritten Ebene abhängt.

 

Dem Erwachsenen kann man eine falsche, die tatsächliche Realität überlagernde Realität mittels der gleichen Mechanismen ‚andrehen’, die Eltern ermöglichen, ihren Kindern falsche Familien-Realitäten aufzudrängen: Loslösung der dritten Ebene. [17] In der Tat wird der Erwachsene kindlicher, wenn er hypnotisiert wird, und zwar genau deshalb, weil der Hypnotiseur das intakte Kind-Gehirn ungestört vom realitätsorientierten Erwachsenen-Gehirn anspricht. Was das wirklich bedeutet, ist, dass die hypnotische Beziehung das neurotische Paradigma neu inszeniert: Der Hypnotiseur spricht zu dem Subjekt und bittet ihn oder sie, seinen Anweisungen und Suggestionen zu folgen, genau wie es die neurotischen Eltern taten, als die Person ein Kind war. Das ähnelt dem, was in jeder dominant-untergeordneten Führer-Anhänger Beziehung geschieht, in der die Autoritätsfigur fähig ist, an die unerfüllten Kindheitsbedürfnisse der Anhänger zu appellieren. Da sein kritisches Denkvermögen aussetzt und er von dem Bedürfnis getrieben wird, akzeptiert und geliebt zu werden und sich wertvoll zu fühlen, plappert der Anhänger die Ideen des Führers nach, gleichgültig wie bizarr sie sein mögen, und wird zu einem Werkzeug des Führerwillens. In extremen Fällen – Jonestown, Waco und so fort – haben Anhänger bekanntlich die hypnotischen Suggestionen ihrer Führer bis zu dem Punkt ausgeführt, dass sie ihre Ehegefährten weggaben und sogar auf Geheiß des Führers töteten. So sind die Taliban willig, eine arme hilflose Frau zu köpfen, die unabsichtlich vielleicht zuviel Knöchel oder Bein gezeigt hat. In einem bestimmten Sinn hypnotisiert das Militär, indem es monotones Verhalten reproduziert, vor und zurück marschiert, zusammen auf einem Groschenstück die Kehrtwendung vollzieht und bestimmte Phrasen immer wieder laut hinausschreit, die Soldaten dahingehend, dass sie sich benehmen und nicht nach dem ‚warum’ fragen. Es ist eine gute Parallele zur Hypnose. „Ihr sollt handeln und nicht nach dem ‚warum’ fragen."

 

Ein Punkt muss klargestellt werden. Obwohl unser Kindheitsgehirn innerhalb unseres sich später entwickelnden Erwachsenen-Gehirns enthalten ist, ist es nicht diese Tatsache allein, die uns hypnotisierbar macht. Es ist die Tatsache, dass das Kindgehirn durch Neurose die funktionale Eigenschaft der Kindlichkeit behält. Hypnose wendet sich an das Kind-Gehirn einer Person, die auf vielerlei Art noch ein Kind ist – und genau das macht es in erster Linie möglich, mit dem Kindgehirn in Verbindung zu treten oder es zu enthüllen. Bei einem Erwachsenen, der eine Geschichte gesunder Integration hatte, hätte es wenig oder keine Wirkung, würde man sich an das Kindgehirn wenden. Ein voll integriertes Selbst könnte man nicht entlang der Linien des Kind-Selbsts und Erwachsenen-Selbsts skizzieren. Jeder Aspekt des sich entwickelnden Selbst's wäre eingegliedert worden und würde ein nahtloses ganzheitliches Selbst formen, das als solches funktionieren würde. Somit würde das Kind-Gehirn, obwohl es seine neurologische Identität behalten würde, sich auf psychischer und verhaltensbezogener Ebene nicht als separat oder verschieden manifestieren.

Was der Kind-Psyche einer neurotischen Person durch den Hypnotiseur suggeriert wird, wird später genau deshalb einen unbewussten Effekt haben, weil das neurotische Paradigma, eine falsche Realität über die Wahrheit zu legen, so fest etabliert ist. Das erklärt, warum post-hypnotische Suggestion funktionieren kann: die neue Eltern-Autorität hat der zweiten Ebene oder dem Kind-Gehirn Information zugeführt, die es gehorsam entgegennimmt und gemäß der es später aus Gewohnheit handelt.

Weil sich das hypnotische Subjekt nicht bewusst ist, was um ihn oder sie herum vorgeht, haben wir die Vorstellung eines magisch veränderten Bewusstseinszustands. Vom primärtheoretischen Standpunkt aus jedoch ist er weder magisch oder speziell noch verändert; er ist einfach anders. Die hypnotisierte Person funktioniert aus einer tieferen (anderen) Bewusstseinsebene heraus als aus der im Wachzustand üblichen. Dieselbe Situation ereignet sich im Traumzustand. Wenn wir träumen, sind wir uns nicht bewusst, was in dem Raum geschieht, in dem wir uns befinden; wir sind uns des Surrens eines Ventilators oder der Geräusche aus dem Fernseher nicht bewusst.

Wir sind uns auch dessen nicht bewusst, was in unserem eigenen Körper passiert; wir spüren die Kopfschmerzen nicht, die wir hatten, als wir zu Bett gingen. Innerhalb weniger Minuten nach dem Aufwachen jedoch nehmen wir den Raum wieder wahr, fühlen wir wieder den Schmerz. Das ist so, weil die dritte Ebene während des Schlafs ‚ausgeklinkt’ wird, um äußere Wachrealitäten abzublocken. Wenn sie sich nach dem Erwachen wieder ‚einklinkt’, nimmt es seine Arbeit des Achtgebens, Wahrnehmens, Sortierens und Reagierens auf Wachrealitäten sofort wieder auf – und deshalb erleben wir eine Erneuerung von sensorischem Input und Schmerz. Schlafen gehen bedeutet, unbewusst zu werden, was auch bei Hypnose zutrifft. Wie ich sagte – wir können nicht unbewusst gesund werden.

 

Bei Neurose nutzt man die Anpassungsfähigkeit der dritten Ebene als Mittel der Verdrängung und Loslösung von Schmerz aus. Die Abtrennung der dritten Ebene hilft zu verhindern, dass der Schmerz gefühlt wird, weil man, wie ich dargelegt habe, für echtes Fühlen alle Bewusstseinsebenen braucht. Anstatt, wie es sein sollte, erwachsene Realitäten zu vermitteln, ist das neurotische erwachsene Gehirn noch immer schwer damit beschäftigt, die Realität eines Kindes zu vermitteln. Eine dritte Ebene, die für ein Kind arbeitet, wird von äußeren Situationen angezogen, die den Bedürfnissen eines Kindes gerecht werden, wie z.B. Psychotherapien oder Religionen, die beruhigen und frühen Kinder-Schmerz unterdrücken. Falsche Vorstellungen – wie z.B., dass Sie unter Hypnose ein Vergangenheitstrauma wiedererleben und auflösen können oder dass Gott Sie retten und beschützen wird – werden akzeptiert, weil sie gut zu diesen defensiven Zwecken passen und weil sich Verfälschung bereits fest etabliert hat.

Hypnotische Suggestion nutzt demnach eine angeborene Plastizität der dritten Ebene und einen etablierten Zustand der Trennung aus, den sie sowohl enthüllt als auch verstärkt.

 

 

Widerstand gegen Suggestion

Wir haben unsere Aufmerksamkeit der Frage der Empfänglichkeit für Suggestionen zugewendet, aber wir haben uns nicht mit dem Thema des Widerstands gegen sie befasst. Einige Leute besitzen einfach nicht die Bereitschaft „unterzugehen", die für die Einleitung eines Trance-Zustands so nötig ist. Interessanterweise rufen genau die Faktoren, die bei einigen Leuten zur Hypnotiserbarkeit beitragen, bei anderen Widerstand hervor. Einigen Leuten könnte nichts willkommener sein, als die Realität der Fürsorge eines anderen ‚auszuhändigen’, während andere mit eisernem Griff an ihrem Realitätsbesitz festhalten. Unterwerfung, Passivität, passive Akzeptanz der Suggestion und Abhängigkeit dienen den defensiven Zwecken der einen Art von Neurose, während sie für andere bedrohlich sind. Einige Leute wollen nicht die Kontrolle verlieren, indem sie sich in die Hände eines anderen begeben; es trägt zu allzu großer Verletzlichkeit bei. Vielleicht haben sie Angst, unfreiwillig gewisse Dinge zu enthüllen. Vorsicht bis zum Punkt der Paranoia kann hier im Spiel sein.

 

Genau wie Neurose einige Leute hochgradig empfänglich für hypnotische Prozeduren macht, macht sie somit andere hochgradig resistent.

Es gibt eine andere Sorte von Leuten, die nicht als resistent charakterisiert werden können, obgleich sie auch nicht empfänglich für Hypnose sind. Widerstand bezeichnet eine aktive Abwehr. Ein einfaches Fehlen von Empfänglichkeit kann jedoch bei einigen Leuten alle Anstrengungen zunichte machen, sie zu hypnotisieren. Wenn sich Hypnose nirgendwo festkeilen kann - wenn es keine schon vorher existierende Dissoziation gibt – dann ist es ein Fall des sprichwörtlichen Wassers, das vom Rücken einer Ente abläuft. Die Suggestionen haben nichts, woran sie sich festhaken könnten. Für ein integriertes Selbst – das frei von ungelöstem Schmerz und Verdrängung ist – macht hypnotische Suggestion keinen Sinn.

Es ist einzig das irreale Selbst, das zulässt, dass eine Person über die Realität getäuscht wird, weil das genau der Grund ist, warum das irreale Selbst existiert: es wurde durch Verfälschung der realen Welt des Kindes geschaffen. Das geschieht, wenn unsere Bedürfnisse unerfüllt bleiben, wenn wir klein sind. Zum Beispiel kann ein kleines Kind die Tatsache, dass seine Mutter es nicht liebt, nicht verstehen und gewiss nicht akzeptieren. Die Verdrängung eilt herbei, um den Schmerz der Ablehnung vom Bewusstsein fernzuhalten. Vielleicht bleibt das Kind fügsam und gefällig, aber tief drinnen schäumt und brodelt ein ganze andere Realität.

 

Hypnose ist nicht-dialektisch; sie befasst sich nicht mit dieser unterschwelligen Realität, die die Quelle der Neurose des Patienten ist und oft auch Erzeuger somatischer Symptome. Stattdessen nutzt sie die neurotische Bewusstseins-Spaltung aus. Wie ich dargelegt habe, zielt sie vielmehr auf die Symptome der Neurose ab als auf die Neurose selbst, und das macht sie letztendlich nicht-heilsam.

 

 

 

Quellen und Anmerkungen 1 – 17  


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