Vereshack

Kurs 2006:

Der Kurs für klares Zuhören und genaue Intervention in der Tiefenpsychotherapie

 

 

 

Die Tiefe der gefühlsorientierten Psychotherapie hängt davon ab, dass sie mit dem Prozessfluss unseres Patienten so weit synchronisiert ist, dass ein hohes Kongruenzniveau erreicht wird. Von daher hängt der Erfolg unserer Interventionen auch davon ab, was wir sagen, und wie wir es sagen.

Unsere Kommentare müssen frei von Projektionen sein und so einfach, dass sie innerhalb des tiefen Flusses des Materials unseres Klienten liegen. Was wir einem Patienten sagen, muss innerhalb des Bereichs des Vorbewussten liegen, d. h. es muss so sein, dass er es wirklich hören und integrieren kann. Auch müssen wir lernen, alle Prozesse in Gefühlen und Körperempfindungen zu erden.

Der Kurs umfasst eine kleine Gruppe von Personen, die um eine Matte herum sitzen, auf der eines der Mitglieder der Gruppe liegt, um als Testperson zu dienen. Die inneren und äuβeren Reaktionen und die therapeutischen Interventionen werden vom „Patienten", von der Gruppe und von mir verfolgt und korrigiert. Dabei gilt unsere Aufmerksamkeit den Gruppenprozessen.

Der Kurs kann so oft wiederholt werden, wie ein Mitglied der Gruppe es wünscht, und danach kann der „Patient" individuelle oder Gruppen-Unterstützung erhalten, ebenso wie Hilfe über E-Mail oder Telefon.

Es gibt auch eine Vorlesung zu Theorie und Praxis des therapeutischen Vorgehens, und wir treffen uns hier in Toronto oder auch sonst wo täglich sechs Stunden, und das während sieben bis zehn Tagen.

Die Kosten belaufen sich auf ca. 1000 kanadische Dollars, je nach Dauer.

Der Kurs findet statt, wenn sich mehr als sechs Personen in Kanada, oder zehn Personen auβerhalb Kanadas, angemeldet haben, wobei zwölf Personen ein Optimum darstellen.

Der Kurs setzt voraus, dass die Teilnehmer mein Buch, das online verfügbar ist, sorgfältig gelesen haben und sich ernsthaft mit Tiefenarbeit an sich selbst befassen. Es ist nicht notwendig, dass sie eine Ausbildung als Therapeuten machen.

Diejenigen Menschen rund um die Welt, die sich im Augenblick gegenseitig bei ihrer Tiefenarbeit unterstützen (buddying), könnten durchaus von einem Kurs wie dem, den ich hier anbiete, profitieren.

 

Email: emotionalsupport @ paulvereshack.com        Telefon: Kanada (416) 606-3117, (416) 686-4481

 

 

Frage:
Wenn du von einem Kurs mit dem Titel "Klares Zuhören und genaue Intervention in der Tiefentherapie" sprichst, was genau unterrichtest du da, und was machst du dabei?

Antwort:
Zuerst stelle ich die Hauptprinzipien dar, nach denen die Körper-Seele-Achse sich während der Therapie entwickelt. Dann gebe ich eine ausführliche praktische Anleitung mit Supervision, wie man die therapeutischen Reaktionen hervorruft, die mit diesen Prinzipien voll kongruent sind.

 

 

Entwicklungsprinzipien:

 

Die Psyche ist unendlich vielschichtig, und doch gibt es bestimmte Hauptpfade durch ihren Dschungel, die meiner Meinung nach jederzeit gelten. Wir wollen uns jetzt einige davon anschauen und sehen, was wir dabei finden.

Das Gehirn ist bestrebt, bisher nicht gesehene und nicht bearbeitete Themen abzuschlieβen, ebenso wie den Schmerz, der damit verbunden ist, und zwar, indem es Verknüpfungen zwischen ihnen und unserem Bewusstsein schafft. Diese Verknüpfungen nehmen die Form zarter Assoziationsketten an, die nicht den Regeln der Alltagslogik entsprechen, obwohl sie am Schluss immer auch „logisch" stimmig sind, wenn wir sie einmal entwirrt haben. Und weil sie zuerst nicht logisch scheinen, nennen wir diese Assoziationen „frei", d. h. frei von Logik.

Diese Assoziationsketten bilden sich, wenn wir einem Patienten genau zuhören und ihm dann genaues Feeback über das geben, was wir hören. Das nenne ich „spieglendes Zuhören".

Leider kann es vorkommen, dass diese zarten Assoziationen, die sich neu bilden, immer weniger mit der tiefen Quelle des Leidens, das sie hervorbringt, verknüpft sind. Wenn sie dann ohne Führung umherirren, „schwebt" der Patient mit ihnen nach oben in seinen Kopf und gewinnt dabei eine Art intellektuelles Wissen über sich, das allerdings nicht zu einer Veränderung führt.

Aus diesem Grund benutzt die gefühls- und körperorientierte Psychotherapie die Technik, den Patienten in seinen Gefühlen und seinen Körperempfindungen zu halten, während er seine freien Assoziationen zulässt.

Wenn man in einem Gefühl bleibt, erzeugt das ein Energiefeld, welches wie ein Magnet wirkt und unbewusstes Material an die Oberfläche des Gehirns zieht. Es sorgt auch dafür, dass wir eine „geerdete" (gefühlte) Erfahrung der Wahrheit dieser tieferen Themen haben, wenn sie ins Oberflächenbewusstsein treten. Dieses Geerdetsein, d.h. das Gefühl, dass wir die tieferen Themen wirklich fühlen, wird noch durch eine spürbare Veränderung in unserem Körper und unseren Gefühlen bestätigt. Tatsächlich können wir fühlen, dass sich in uns etwas verändert, und zwar auf einer Ebene, die wir nicht direkt beeinflussen können.

Damit Gefühle und Körperempfindungen tieferes Material an die Oberfläche der Psyche ziehen können, dürfen wir nichts tun, was das Hochkommen dieser zarten Verknüpfungen oder Assoziationen stören könnte. Wenn wir diesen Fluss in seinem Verlauf stören, dann scheitert dadurch der gröβere übergreifende Abschlieβungsprozess, den das Gehirn zu erreichen sucht.

Wir müssen deshalb im Therapieraum etwas schaffen, das ich ein „weites, offenes Feld der Erlaubnis" nennen möchte.

Diese weite, offene Feld der Erlaubnis entsteht zuerst dadurch, dass wir dem Patienten zeigen, wie er in einem Gefühl bleiben kann, ohne es durch Reden zu verwässern. Die Erlaubnis besteht hier darin, dass er sowohl gefühlsorientiert als auch nicht-logisch sein darf.

Danach lernt der Patient, wie er es Lauten, Wörtern, einfachen Sätzen und Körperbewegungen erlauben kann, aus dieser Gefühlserfahrung heraus hoch zu kommen. Wir versichern dem Patienten, dass alles, was hoch kommt, am Schluss für ihn einen Sinn ergibt.

Der Patient lernt auch: Wenn ich auβen zu dem werde, was ich innen als meine Wahrheit fühle und spüre, dann werden die Spannungen, die in mir verschüttet lagen, optimal externalisiert. Wenn wir wirklich mit unseren äuβeren Ohren hören, wie unser Schmerz sich in Worten und Lauten ausdrückt, wenn wir bewusst die Bewegungen unseres Körpers fühlen, wie er durch diesen Schmerz getrieben wird, dann wird das, was wir immer versteckt haben, vollständiger entladen und integriert. Wird diese Aktivität der Externalisierung genau durchgeführt, so nenne ich sie Kongruenz. Ein anderer Name dafür ist Ehrlichkeit.

Der Patient wird angehalten, langsam zu arbeiten und keinesfalls die Phasen von Schweigen zu überspringen, denn diese erlauben wirklich eine Reifung des tiefen Materials, und dies wiederum führt dazu, dass das Material hoch kommen kann. Und das nennen wir „auf die Fülle warten".

Wenn irgendetwas diesen empfindlichen Prozess unterbricht, dann bleiben Reste von unbearbeitetem Material in den Tiefen unseres Unbewussten zurück, und wir gehen durch unsere Therapie hindurch, indem wir wie ein Schweizer Käse wachsen – wir sind dann voller Löcher in unserem Bewusstsein und in unserem Funktionieren.

Wenn wir unseren Patienten hetzen oder eigene Lieblingsüberzeugungen in seine Reise einschleusen, wie etwa: „Jetzt wäre es an der Zeit, ein Geburtserlebnis zu haben", dann schlieβen wir die Assoziationsketten, die als Nächste kommen sollen, kurz und beenden so die übergreifende und offene Entwicklung des Gehirns. Damit frieren wir das Gehirn in starren Bahnen ein und versperren ihm so sein eigenes, Ehrfurcht gebietendes Integrationspotenzial.

Dies sind für mich die Grundprinzipien des Wachstums in der Tiefentherapie.

 

Folgende Therapeutenverhaltensweisen sind mit diesen Wachstumsprinzipien kongruent:

 

Aufgabe des Therapeuten ist es, ruhig und geduldig zuzuhören und dem Patienten zurückzuspiegeln, was er sagt. Das löst die Verwirrung auf und klärt den Geist.

Der Therapeut muss lernen, ein Gespür dafür zu entwickeln, was der Patient wirklich hören und integrieren kann, und dies in seinen spiegelnden Äuβerungen berücksichtigen.

Direkt auβerhalb des bewussten Stroms der Gedanken des Patienten liegt ein Bereich mentaler Prozesse, die der Therapeut dadurch bewusst machen kann, dass er er sie erwähnt. Dieser Bereich, den man das „fast Bewusste" nennen könnte, ist der Bereich, in dem der Therapeut lernen muss zu arbeiten. Die Psychiatrie nennt diesen Bereich das „Vorbewusste", doch ich finde diesen Begriff irreführend.

Wenn der Therapeut dem Patienten das Offensichtliche zurückspiegelt, dann kann das durchaus klärend wirken, doch unsere gröβte Kunst liegt im Zurückspiegeln von fast bewusstem Material, und dies führt dann auch beim Patienten zu dem so genannten „Aha"-Erlebnis, weil er jetzt etwas Neues über sich gehört hat, das er wirklich fühlen kann.

Wenn wir als Therapeuten aus dem tief Unbewussten zurückspiegeln („das hast du getan, weil deine Mami dich nicht genug genährt hat"), stimmt das, was wir sagen, vielleicht, doch der Patient kann es nur intellektuell aufnehmen, und dann ist er nicht mehr geerdet, veliert die Verbindung zu seinem realen Erleben, und die ist es ja, die zu Wachstum führt.

Das Zurückspiegeln darf den Patienten nie von seinen Gefühlen trennen, die seine freien Assoziationen hervorbringen. Deshalb müssen wir als Therapeuten strikt bei dem bleiben, was spontan beim Patienten hoch kommt, und wir dürfen nie eigene Vorstellungen einbringen oder den Patienten bitten, etwas zu tun, ehe es nicht ganz von selbst hoch kommt.

Für mich besteht die höchste Kunst in der Tiefentherapie darin, dem Klienten seine Gedanken und Gefühle zurückzuspiegeln, um so den Fluss und die empfindliche Integrität der aufsteigenden freien Assoziationen aufrecht zu erhalten.

Das Material, das der Klient produziert, kommt von vielen Stellen innerhalb der Psyche-Körper-Achse.

Zunächst hat das Material des Klienten immer einen realen, gegenwärtigen Inhalt, den wir berücksichtigen müssen, bis das Gehirn ihn integriert und damit organisch zum nächsten Gegenstand übergehen kann.

Der Satz: „Ich musste hinunter in die Tiefgarage, um meinen Wagen zu holen" ist im Gespräch des Klienten eine Aussage mit einem realen gegenwärtigen Inhalt, den wir so zurückspiegeln könnten: „Du bist also in die Tiefgarage gegangen."

In dem und um das herum, worüber der Klient spricht, liegen Gefühle und Körperempfindungen.

Diese Prozesse nennen wir den emotionalen Inhalt.

Als gefühlsorientierte Therapeuten wollen wir ja allmählich die Gedanken und Gefühle des Kleinten an seine Gefühle anbinden; deshalb fragen wir vielleicht: „Wie fühlte es sich an, in diese Garage zu gehen?"

Die Antwort könnte lauten: „ Ich hatte ein wenig Angst, obwohl ich ja ein Mann bin."

Jetzt können wir die Gefühlsebene des Konflikts zurückspiegeln und unseren Magneten für tieferes unbewusstes Material einsetzen, und zwar deshalb, weil der Gefühlsinhalt ja ganz von allein kommt. Wir könnten jetzt z. B. sagen: „Du hast ein bisschen das Gefühl, dass du ja keine Angst haben solltest, weil du doch ein Mann bist."

Hier haben wir es mit der fast bewussten Ebene therapeutischer Arbeit zu tun. Wir befinden uns jetzt in dem Bereich, wo der Klient tatsächlich die Richtigkeit der Verknüpfung fühlen kann, die wir ihm spiegeln, denn obwohl er diese im Augenblick noch nicht bewusst erlebt, ist sie doch nahe genug am Bewusstsein, sodass er sie, wenn er sie hört, ganz aufnehmen kann.

Das gegenwärtige Thema des Klienten, dass er nämlich in die Garage geht, darf nicht übergangen werden – das gilt übrigens für alle aktuellen Themen. Es ist eine der wertvollen kleinen freien Assoziationen, die den Weg zu tieferem Material ebnen.

Übrigens muss, während wir tiefer gehen, unsere Sprache immer kongruent mit der Tiefe sein, auf der wir arbeiten. Unsere Sprache muss das Kind im Klienten auf seiner Entwicklungsstufe erreichen, sonst koppeln wir das Reden vom Fühlen ab, und der Klient ist wieder in seinem Kopf.

Jetzt, wo der Klient seine freien Assoziationen haben und äuβern darf, sagt er vielleicht: „Weiβt du, das erinnert mich daran, wie sehr ich mich immer fürchtete, wenn ich abends in mein dunkles Schlafzimmer ging, als ich noch klein war."

Jetzt müssen wir als Therapeuten den Gang wechseln und so reden, wie man mit einem Kind redet, um die Regression zu fördern. So könnten wir etwa sagen: „ Dein Schlafzimmer hat dir wirklich Angst gemacht." (Wir müssen kurze Wörter und kurze Sätze gebrauchen, genau wie die, welche ein Kind benutzen würde.)

Der Klient sagt dann vielleicht: „Oh ja, das hat mir wirklich Angst gemacht, besonders dann, wenn mein Onkel auf mich wartete, um mir einen Gute-Nacht-Kuss zu geben."

 

Indem wir also vermeiden, die gegenwärtigen Gedanken (die Garage) zu überspringen, geben wir den zarten Assoziationsketten die Gelegenheit, hoch zu kommen, und wir verhalten uns dann gefühlsorientiert und gehen dabei ein wenig tiefer als das, was der Klient sagt. Gehen wir zu tief, so entfernen wir uns von der Ebene, die der Klient noch verstehen kann (der fast bewussten Ebene), und so trennen wir den Prozess, von dem der Klient gerade redet, von dem alles entscheidenden Gefühl. Es ist das Gefühl, das wie ein Magnet wirkt und die nächste verknüpfte Einsicht ins Sichtfeld zieht, und es ist auch das Gefühl, das dafür sorgt, dass der Fluss des Materials unseres Klienten real und nicht lediglich intellektuell ist.

 

Zum oben erwähnten Beispiel bleibt noch zu sagen, dass nicht alle Angst erregenden Erlebnisse aud die Kindheit zurückgehen.

Therapie ist ein Prozess, der sich selbst korrigiert. Liegen wir als Therapeuten falsch, dann geschieht Folgendes: Entweder der Klient geht in seinen Kopf, er wird verwirrt, oder er hört ganz auf zu sprechen. Der Fluss stockt.

 

 

Nun sind wir damit aber erst ganz am Anfang der Interventionskunst in der gefühlsorientierten Therapie. Zusätzlich dazu kommt z. B. Material des Klienten aus unterschiedlichen Teilen des Gehirns hoch. Ein paar Beispiele dazu:

 

 

In der Therapie werden uns viele Dinge präsentiert. Wo setzen wir mir unserer Reaktion an? Woran richten wir uns bei einer gegebenen Reihenfolge von Gedanken und Gefühlen aus? Was liegt unter einer bestimmten Oberfläche, und wie können wir unsere Klienten zu jedem der tieferen Prozesse in ihnen hinführen?

 

In Wirklichkeit gibt es einen Kompass, den wir in solchen verwirrenden Situationen benützen können. Und in jedem Kurs, der sich mit klarem Zuhören und genauer Intervention befasst, muss es darum gehen, diesen Kompass zu verstehen.

 

Ich muss aber hinzufügen, dass klares Zuhören und genaue Intervention allein bei dem Job, Klienten zu heilen, noch nicht ausreichen,

 

Entscheidend für eine gute Therapie ist die Antwort auf die Frage, was es heiβt, für einen Klienten „ganz präsent" zu sein, und nicht nur eine intellektuelle Therapie-Maschine, welche all die richtigen Dinge sagt. Kinder werden nicht durch Maschinen groβ gezogen, und sie werden später im Leben auch nicht von Maschinen geheilt. Wie kann ich voll präsent sein? Das ist ein Thema für sich, und es muss in jeder Situation diskutiert und in der Therapie gelehrt wird. Einen Aspekt diese Themas kann ich hier kurz erwähnen: Wenn wir ein hohes Niveau von Kongruenz und Spiegeln bei unseren Klienten erreichen, dann sind wir schon weit auf dem Weg zur vollen Präsenz gekommen. Vieles, allerdings nicht alles, am Voll-Präsent-Sein ist schon vorhanden, wenn wir diese Zuhörfertigkeiten korrekt anwenden.

 

Wie kann ich all diese Prinzipien im Bereich kongruenter und lebensfördernder Therapeutenreaktionen lehren?

 

Ich würde sechs bis acht Erwachsene zusammen bringen. Dann würde ich sie fragen, ob sie, wenn sie Therapeuten werden wollen, selbst bereits zwei Jahre persönliche Tiefentherapie einschlieβlich Supervision und Feed-back hinter sich haben. Wir alle haben ja die Fähigkeit, uns endlos selbst zu täuschen und unsere therapeutische Arbeit durch Missverständnisse zu trüben.

 

Will jemand bloβ einem Freund bei seinen Schwierigkeiten wirksamer helfen, dann würde ich auf einem Anfängerniveau etwas weniger verlangen.

 

Trotzdem, und ganz egal, weshalb wir zu einer Trainingsgruppe kommen, wir brauchen ein bestimmtes Niveau an grundsätzlicher Klarheit über uns, und zusätzlich die ernste Bereitschaft, uns Feed-back anzuhören und an uns zu arbeiten, wenn wir Feed-back bekommen, das nicht mit unserem Selbstbild übereinstimmt.

 

Ich bitte die Gruppe, sich um eine Matte herum zu setzen, und fordere reihum jeden Teilnehmer auf, Versuchssubjekt zu sein.

 

Ich beginne langsam und bitte die Person, aufrecht sitzen zu bleiben und anzufangen, über ihr Problem auf einer intellektuellen Ebene zu reden.

 

Dann bitte ich jedes Gruppenmitglied, auf das zu reagieren, was bei der Versuchsperson auf der Inhaltsebene und auf der Ebene der Gefühle abläuft, welche diesen Inhalt begleiten. Ich bitte auch um Kommentare über mögliche tiefere emotionale Themen.

 

Nachdem jeder seinen spiegelnden Kommentar gemacht hat, bitte ich die Versuchsperson um korrektives Fedback, um zu klären, wie genau die Spiegelungen waren. So kann die Gruppe, die auch um ein allgemeines Feed-back gebeten wird, sich selbst korrigieren. Auch der Lehrer erwartet, dass er korrigiert wird, wenn er Fehler macht.

 

Mit dieser Ebene der Therapie (Therapie im Sitzen) machen wir so lange weiter, bis ein hohes Niveau an Kongruenz zwischen Beobachtern und Versuchssubjekt regelmäβig erreicht wird.

 

Danach bleiben die Teilnehmer sitzen, sind also noch immer im intellektuellen Modus einer einfachen Gesprächstherapie. Jetzt fokussieren wir uns auf das, was dem Klienten noch nicht bewusst ist, was er aber bereit ist, tief zu hören, wenn es ausgesprochen wird (das fast Bewusste).

 

Wir suchen dann zu erspüren, ob der Fluss des Klienten stockt, seichter wird, oder sich effektiv vertieft.

 

Am zweiten Tag beginnen wir damit, dass Teilnehmer sich hinlegen und Gefühlsarbeit machen können, und wir bitten wiederum jeden darum, zu versuchen, kongruent auf dieser tieferen Ebene zu spiegeln.

 

Wir suchen nach Wegen, wie wir die Arbeit in Gefühlen und Körperempfindungen geerdet halten können.

 

Wir berücksichtigen dabei das Timing, die Wortwahl, Ton und Qualität unserer Sprache sowie den Rhythmus, den wir bei unseren Reaktionen benutzen.

 

Ziel dabei ist es nicht, vorzuführen, wie gut wir primaln können. Der Schwerpunkt liegt auf dem Unterricht und darauf, wie wir dem Klienten helfen können, in seinem Fluss zu bleiben und ihn zu vertiefen.

 

Die Versuchsperson muss dabei fähig sein, seine Arbeit an sich praktisch jederzeit zu unterbrechen, damit wir alle Aspekte des Prozesses untersuchen können. Das kann manchmal schwierig sein, und wir kümmern uns um das Problem.

 

Während fünf Tagen, jedes Mal mehrere Sunden lang, sind wir voll mit dem Prozess beschäftigt und fokussieren uns sehr stark darauf, um nicht in andere Themen abzugleiten.

 

Dabei braucht es schon viel Vertrauen in das, was der Lehrer sieht und lehrt. Das wird natürlich stetig von Gruppenfeedback begleitet, um so die Genauigkeit unserer intuitiven Prozesse zu bestätigen oder zu entkräften.

 

Es kann jederzeit vorkommen, dass einer von uns, ich natürlich auch, eine Pause machen und nach innen gehen muss, um Missverständnisse aufzulösen. Diese Momente der Selbstklärung, nachdem man Feed-back bekommen hat, werden auch als pädagogische Momente genutzt. Wir wollen dabei unseren Fokus nicht verlieren, der ja darin besteht, zu lernen, wie man klar und genau, und in der richtigen Tiefe, zuhört und eingreift.

 

So etwa würde ich die Kunst der „gefühlsorientierten Tiefentherapie" lehren.

 

Paul Vereshack

 

 

Frage: Kannst du über ein paar wesentliche Gebote und Verbote beim Zuhören in der gefühlsorientierten Tiefen-Psychotherapie sprechen?

 

Antwort:

 

Ich glaube, eines der grundlegenden Gesetze der Tiefen- Psychotherapie lautet so:

 

Das Vertrauen des Klienten steht in direktem Zusammenhang

mit der Kongruenz des Therapeuten mit dem Prozess seines Klienten.

 

Ohne dieses Vertrauen kann kein Klient effektiv arbeiten, und für viele besteht ein Groβteil der benötigten Heilung genau darin, ein solches Vertrauen entwickeln zu können. Die folgenden Beispiele zeigen, wie der Therapeut bei seinem Klienten das Grundvertrauen in die Beziehung zu seinem Therapeuten aufbauen oder, wenn die Aussage nicht stimmig ist, stören kann:

 

  1. Genaue Reaktion auf den Inhalt: „Bekamst du Angst, sobald du den Raum betratst?"

  2. Genaue Reaktion auf den Gefühlston im Kommentar: „Ich höre Liebe in deiner Stimme, wenn du von ihm sprichst."

  3. Genaue Aussage über das, was in der Interaktion des Klienten fast bewusst ist: „Das klingt so, als hättest du gar nicht hingehen wollen."

  4. Genaue Aussage über fast bewusste Gefühle: „Du scheinst schlecht damit zurecht zu kommen."

  5. Frage nach mehr Information: „Kannst du dazu etwas mehr sagen?" – „Bist du gerade in einem Gefühl drin?"

  6. Den zarten Fluss der freien Assoziation des Klienten nicht durch Therapeutenvorstellungen unterbrechen: „Damit wollen wir uns im Augenblick nicht befassen, die Arbeit an deiner Wut ist im Moment wichtiger."

  7. Vermeiden, Therapeuten-Überzeugungen einzubringen: „Wenn du an deine Geburt herankommst, dann wird das alles klar."

  8. Vermeiden falscher Empathie: „Ich leide mit dir, wenn du darüber sprichst."

  9. Vermeiden von Reaktionen, die an sich richtig sind, doch auf einer falschen Ebene liegen: „Das heiβt für mich, dass du deine Mutter gehasst hast."

  10. Der Einsatz von ungewollter Berührung und unerwünschtem Halten stört den Heilungsprozess, statt ihn zu erleichtern.

  11. Zu starkes Interesse an peinlichen Details.

  12. Nicht genug Interesse an allen notwendigen Details und den damit verbundenen Gefühlen.

  13. Unfähigkeit zu spüren, welche Sprache im Moment angebracht ist.

    1. Die eigene Sprache an die kindhaften Worte und Sätze des inneren Kindes im Klienten anpassen: Statt zu sagen: „Du hast dich geekelt, als dein Vater dich so berührt hat" ist es günstiger zu sagen: „Du hast ihn gehasst, als er das tat."

    2. Statt zu sagen: „Als dein Bruder intim mit dir werden wollte, hast du dich dagegen gewehrt, obwohl ein Teil von dir seine Nähe gern hatte" ist es günstiger zu sagen: Du hast ihn zurückgestoβen, auch wenn du seine Nähe gern hattest."

     

    Denke immer daran: Eine Sprache, die zu erwachsen und zu wortreich ist, führt dazu, dass der Klient den Zugang zu seinem Material verliert und vermittelt ihm meist, dass der Therapeut dieses Material nicht mag.

     

  14. Setz dich bzw. leg dich nicht zu nahe an den Klienten heran. Denke daran: Der Raum des Klienten auf der Matte ist heilig.

  15. Vergiss nicht, an die Beziehung des Klienten zu seinem Therapeuten zu denken, indem du von Zeit zu Zeit fragst: „Gibt es etwas in unserer Arbeit, irgendetwas, und sei es auch noch so unbedeutend, was du ansprechen möchtest?"

  16. Erkenne immer die Intuition des Klienten an, wenn er einen Fehler von dir als Therapeuten anspricht: Statt zu sagen: „Nein, ich war dir letztes Mal nicht böse" ist es günstiger zu sagen: „Ja, ich muss zugeben, ich war ärgerlich, als du mich letztes Mal kritisiert hast."

  17. Sei immer wahrhaft, auch wenn es noch so schwierig ist, und es dir Angst macht: „Ja, ich hab letzte Woche in unserer Arbeit einen Fehler gemacht, und ich möchte, dass wir darüber reden."

  18. Nicht in Einklang mit dem leben, was du theoretisch vertrittst, z. B. ein teures Auto fahren, wenn deine Klienten es sich kaum leisten können, dich zu bezahlen, oder in deinem privaten Leben unehrlich sein.

  19. Verankere die Prozesse deines Klienten immer sanft in den Körperempfindungen seiner Gefühle, und bringe ihn dazu, am Ende einer Gefühlssequenz zu diesen zurückzukehren, sodass er spürt, dass sie sich verändert haben. Dieser Vorher-Nachher-Vergleich bei den Körperzuständen erlaubt es uns zu wissen, was abgeschlossen ist, und was noch weiter bearbeitet werden muss. Besonders für Anfänger ist es wichtig, diese Veränderungen tief zu fühlen, weil dies für sie auch unsere Arbeitsmethode bestätigt und uns allen die Gewissheit gibt, dass die Methode funktioniert.

  20. Einer der wichtigsten Aspekte unserer Therapie ist das Thema Zeit. Wenn wir einen Klienten bitten, sich hinzulegen und sich auf ein Gefühl oder eine Körperempfindung zu fokussieren, dann versetzen wir sowohl uns wie ihn in etwas, das ich als „verlangsamte Zeit" verstehe.

 

Es dauert eine Weile, bis die Achse Psyche/Körper bzw. Bewusstes/Unbewusstes sich von der zerebralen Logik und dem Alltagsbewusstsein wegbewegt und sich neu orientiert.

 

Erst einmal braucht es Zeit, das Gefühl zu lokalisieren, seine Lage und, was am wichtigsten ist, seine Eigenart zu spüren, und dann braucht es wiederum Zeit, uns auf das Gefühle einzulassen und mit ihm zu verschmelzen.

 

Zweitens braucht auch das Gefühl bzw. die Körperempfindung Zeit, um sich allmählich auf den wohl wichtigsten Teil der Arbeit einzustellen, nämlich zu einem Magneten für tieferes Material zu werden.

 

Drittens dauert es wiederum eine Weile, bis das Material ins Bewusstsein strömt.

 

Viertens braucht es Zeit, um die Skelettmuskeln des Körpers so zu aktivieren, dass sie die richtige Bewegung bzw. Position finden, die das innere Thema kongruent nach auβen trägt.

 

Fünftens braucht es Zeit, um die richtige Stimme zu finden, sodass die Laute, die aus uns herauskommen, ein kongruenter Spiegel unseres inneren Zustands sind und dadurch den Schmerz in genau der Qualität nach auβen bringen, wie wir ihn innen fühlen.

 

Sechstens dauert es eine Weile, bis das nicht-logischen Material seine kontinuierliche Bewegung nach oben und in die Auβenwelt beginnt, sodass die Ohren des Klienten, der sich selbst ganz neu hört, und die Ohren des Therapeuten, der es zum ersten mal hört, es aufnehmen können.

 

Siebtens braucht es Zeit, bis die Körper/Psyche-Achse des Therapeuten das, was der Klient hervorbringt, hört und sich auf der körperlichen Ebene darauf ausrichtet, um so die völlig kongruenten Reaktionen zu produzieren, von denen ich oben gesprochen habe.

 

Ein Klient, der in der Tiefe arbeitet, äuβert gewöhnlich nur wenige, meist sehr kurze Sätze. Es ist entscheidend, dass der Therapeut sich in diese kurzen Mitteilungen des Klienten nicht einmischt. Die Worte des Klienten sind das äuβerst zarte „Gesprudel", dem es erlaubt sein muss, im Wind des hochkommenden Bewusstseins zu treiben, ohne dass der Therapeut sich einmischt.

 

Zeit und Timing sind alles. Gib deinem Klienten eine Unmenge davon, aber achte gleichzeitig auch auf Momente, wo er nicht mehr geerdet ist und sich in in unproduktiven Träumereien verliert.

 

***

 

Ich glaube, die folgenden Grunprinzipien ergeben sich aus all den oben beschriebenen Prinzipien für das Zuhören und die Interaktion des Therapeuten.

 

Der Regressionstherapeut muss:

 

Frage:

Können in einer intensiven Ausbildungsgruppe in Tiefentherapie sowohl Therapeuten wie Klienten sein?

 

Antwort:

 

Ich habe herausgefunden, dass das ganz gut funktionieren kann, solange ein bestimmtes Grundverständnis von der Natur und dem Ziel der Gruppe für alle klar ist.

 

Erstens müssen die Klienten, und die Therapeuten ebenfalls, gut verstanden haben, worum es in der Tiefentherapie geht. Dieses Verständnis kann man sich aneignen, indem man mein Buch „Hilf mir, ich habe es satt, mich schlecht zu fühlen", online liest – es ist ganz verfügbar auf der Web-Seite XX

 

Zweitens muss jeder in der Gruppe verstehen, dass das Ziel der Gruppe nicht vorrangig darin besteht, Tiefenarbeit (Primaling) zu machen, auch wenn es in der Realität viel Tiefenarbeit gibt. Das Ziel der Gruppe besteht zuallererst darin, zu lehren und zu zeigen, wie wir als Tiefentherapeuten Klienten helfen, in ihre eigenen Tiefen zu gelangen. Mit diesem Wissen lassen sich die Mitglieder der Gruppe auf den Prozess ein.

 

Um dies zu erreichen, bitten wir einen Teilnehmer, sich in der Mitte des Raumes auf eine Matte zu legen, und dann machen wir effektiv diese Therapie. Wir alle beobachten den Leiter und auch andere Mitgleider der Gruppe, die jetzt als Hilfstherapeuten arbeiten. Danach können wir besprechen, was gut gelaufen ist und was nicht, und wieso es nicht funktioniert hat. Von der Versuchsperson erwarten wir natürlich, dass sie unter diesen hilfreichen Bedingungen regressive Arbeit macht, aber gleichzeitig erwarten wir von ihr, dass sie aus ihrem tiefsten Selbst innerhalb einer akzeptablen Zeit, d.h. binnen 30-45 Minuten, in die Gegenwart zurückkehrt; danach soll sie sich dann hinsetzen und wieder in der Runde dabei sein, oder sich ruhig etwas abseits hinlegen, mit oder ohne einen „buddy" (einen Hilfstherapeuten).

 

Unter diesen Umständen können wir uns nicht längere Zeit mit einer einzelnen Person befassen, denn wir sind ja hier, um die Techniken zu demonstrieren, und eigentlich nicht, um eine Primärgruppe zu betreuen.

 

Mir ist meine Aufgabe als Lehrer sehr wichtig, ich sehe dies in einer Ausbildungsgruppe als mein Hauptziel an, und es liegt mir viel daran, dass wir jeden unser Arbeitspensum bewältigen, allerdings in einem vernünftigen und nicht zwanghaften Tempo. Der letzte Kommentar auf meiner Web-Seite, von einem Teilnehmer an dem Training in Australien im Jahr 2003, betont diesen Punkt, dass ich nämlich ein starkes Bedürfnis habe, mit dem Lehren voranzukommen.

 

Aus diesem Grund fand ich es während der sechs Tage in dieser australischen Lerngruppe einmal notwendig, die Arbeit eines erfahrenen Primalers zu unterbrechen, und ich bat ihn, wenn möglich aus seiner sehr lauten Arbeit zurückzukommen, die schon mehr als eine Stunde gedauert hatte. Bei diesem Lärm konnte ich den Unterricht unmöglich fortsetzen. Unter normalen Bedingungen ist das Unterbrechen der Primärarbeit eines Klienten natürlich nicht akzeptabel. Doch auch dann wird es irgendwann Abend, und auch dann müssen wir die Arbeit irgendwann zu Ende bringen. In einer Ausbildungsgruppe ist Flexibilität sicher nötig, doch letztlich habe ich den Eindruck, dass hier die Ausbildung Vorrang hat, und ich erwarte von den Teilnehmern an solch einer Gruppe, dass sie das verstehen.

 

Tatsache ist, dass die Gruppe in der Regel einen natürlichen Rhythmus findet, und das ermöglicht sowohl Therapeuten wie auch Klienten eine tiefe Lernerfahrung und ein tiefes Verstehen der grundlegenden Prinzipien dieser Therapie. Unter diesen Bedingungen sollte dieser Prozess eigentlich nicht funktionieren, doch in der Wirklichkeit funktioniert er sehr gut.

 

Paul Vereshack

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