Start     Weiter 

11.  Tod, die letzte Frage 

 

260-272

Ich kann nur von Hoffnung belebt werden, wenn ich mein engstirniges Eigeninteresse überwinde und mich groß­zügig dem großen Traum hingebe, eine Mitfühlende Republik errichten zu können. Ob ich nun hoffe oder an der Möglichkeit der historischen Transformation verzweifle — ich kann doch nicht umhin, mir Fragen über das Schicksal meines Geistes zu stellen. 

Das Universum mag sich endlos fortsetzen, und es kann sich in Äonen zu einer Liebes­geschichte formen (oder nicht). Doch was ist mein letztes Schicksal?
Zeit unseres Lebens bleibt die große Frage: Auf was darf ICH hoffen?

Wie Hiob fragen wir alle uns, ob der Tod das letzte Ende oder ein Neuanfang ist: »Denn ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen ist; er kann wieder ausschlagen und seine Sprößlinge bleiben nicht aus.... Stirbt aber ein Mann, so ist er dahin: kommt ein Mann um — wo ist er?«

Auslöschung oder Metamorphose? 

Von Anfang bis Ende sind Leben und Tod, Eros und Thanatos, siamesische Zwillinge. Doch was geschieht, wenn man Zwillinge trennt? Wird alles von mir sterben, oder überlebt etwas, eine Seele, der Geist? Ist der Tod wie Schlafen? Werde ich aus der langen Nacht des Grabes erwachen und wiedergeboren werden, wiederauferstehen oder reinkarniert?

Hören Sie genau hin, und zumindest einmal am Tag werden Sie die Uhr dreizehn schlagen hören, und alles, was davor lag, wird in Zweifel gezogen. Die Gegenwart des Todes verwandelt das Leben in ein Fragezeichen. Die Frage des Todes ist die Baßmelodie in der Symphonie der Fragen.

Erst gestern morgen brachte unser Jack-Russell-Terrier Junge zur Welt. Vier Welpen lebten, einer starb. Ich stählte mein Herz, diszipliniert und bereit, die Sterblichkeit zu akzeptieren, während meine dreizehnjährige Tochter Jessamyn trauerte und den vollkommenen kleinen Körper für die Beerdigung vorbereitete. Wissend, jedoch ungläubig, rief sie: »Daddy, können wir ihn nicht wieder lebendig machen?«

Letzten Monat starb meine Freundin. In dieser Woche ist Holly gestorben. Und eines Tages..., aber ich möchte nicht daran denken. Und Sie wollen es auch nicht. Und doch rät jede spirituelle Tradition das gleiche: Halten Sie den Gedanken an den Tod in der Nähe. Laufen Sie nicht vor ihm davon.

Nehmen Sie das Wissen des eigenen Todes früh im Leben an, und Sie werden viele Illusionen vermeiden. Das Ich bläht sich auf, wenn es den Tod verleugnet; der Geist wird stark und sanft, wenn er in seiner Gegenwart lebt.

Zwar ist es sinnvoll, über den eigenen Tod zu meditieren, doch glaube ich, daß Sharpers <Persönliche Lebens-Uhr> (99,95 Dollar mit dreimonatiger Garantie), die »Sie ermahnt, das Leben voll auszukosten, indem sie die Zeit und die Stunden, Minuten und Sekunden anzeigt, die Ihnen laut statistischer Lebenszeit verbleibt«, zu weit in die richtige Richtung weist. 

 

    Kurze Geschichte des Todes  

Treten wir einen Augenblick lang einen Schritt zurück, wenden wir uns von der quälenden Frage meines oder Ihres Todes ab und halten wir den knochigen Sensenmann auf Abstand, indem wir das Phänomen objektiv behandeln.

Der Tod ist die große Unbekannte, er prägt die Art, wie wir leben. Der Säkularismus ist eine militante Leugnung des Todes, die Religion ist eine organisierte Antwort auf die Drohung des Todes, die spirituelle Suche eine Anstrengung, in Gegenwart des Todes zu leben.

Wir sind aufrecht gehende Tiere, also können wir bis zum Horizont und zu den Sternen emporblicken, doch wie bei einem angepflockten Pferd ist eines unserer Beine an den Tod gefesselt. Wir leugnen, setzen uns zur Wehr und wollen die Fesseln loswerden, wobei wir die ganze Zeit in immer kleiner werdenden Kreisen auf das Unvermeidliche zulaufen. Doch der Pflock hält uns fest.

Wir haben ein Bewußtsein, weil wir uns des Selbst bewußt sind, und leben innerhalb einer elastischen Ausdehnung der Zeit, die sich zwischen der erinnerten Vergangenheit und der vorgestellten Zukunft erstreckt. Die nicht erinnerte Geburt und der unverstellbare Tod sind die Klammern, das Symbol der existentiellen Situation des einzelnen: ? (Geburt => Tod) ?

Alles, was vor meiner Geburt geschehen ist, ist offenbar ein unpersönliches Vorspiel zu meiner Existenz; alles, was danach geschieht, ein unergründliches Geheimnis. Daß jeder Mensch nur einen kurzen Moment in der Zeit existiert, macht uns perplex, wir finden es inakzeptabel. Zwar kann ich mir den Akt des Sterbens vorstellen, doch nur mittels eines Tricks kann ich mir mein Tot-sein ausmalen. Doch der Tod ist ein Faktum. Alles andere ist Spekulation, Theorie und Theologie.

Man könnte die Geschichte der Religion als die Geschichte der mannigfachen Methoden schreiben, mit denen die Menschen den Tod geleugnet und behauptet haben, daß wir auf irgendeine Weise unseren kurzen Augenblick in der Zeit überdauern.

261


Die Mythologie liefert zahlreiche Zeugnisse, was das fortdauernde Rätsel und das existentielle Paradox des Lebens betrifft. Der Tod ist der natürliche Abschluß des Lebens, und doch wird er allerorten als unnatürliches Ereignis betrachtet, als etwas, das einer Erklärung bedarf. Das Mythos jeden Volkes enthält Geschichten, die die Frage beantworten: Wie kam der Tod in die Welt?

Die ersten Gegenstände, die uns aus prähistorischer Zeit überliefert sind — Bärenschädel, die in ritueller Ordnung in Höhlen arrangiert sind, die Waffen, Nahrungsmittel und anderen Gegenstände, die mit den Toten begraben wurden —, deuten darauf hin, daß die Religion dem Bemühen entsprang, mit dem Tod durch die Leugnung seiner Endgültigkeit fertigzuwerden. Die Wandmalereien in den Höhlen von Lascaux lassen vermuten, daß unsere Vorfahren der Frühzeit möglicherweise ein metaphorisches Argument konstruiert haben, damit die menschliche Seele überlebt: So wie sich die Bisonherde trotz des Todes des individuellen Bisons, den der Jäger getötet hat, erneuert, so geht im Tod der Geist des Jägers in die kollektive »himmlische« Seele ein, aus der bei der Geburt dann neue menschliche Wesen entspringen.

Die Ära der Landwirtschaft begann und dort, wo noch heute bäuerliche Lebensformen herrschen, läßt der Rhythmus des Pflanzens und Erntens den Glauben an die metaphorische Einheit von Seele und Samen entstehen. So wie der Samen auf den Boden fällt und stirbt, um auf wundersame Weise mit dem Einsetzen des Frühjahres neu geboren zu werden, so schläft die menschliche Seele im Tod in der Erde, um in neuer Gestalt wiedergeboren zu werden. Wiedergeburt ist die Essenz des Seelen-Samens.

Sokrates hat das Argument für die Unsterblichkeit der Seele formuliert. Er sagte: Da die Seele ungeboren ist, muß sie auch unsterblich sein. Der Körper wird geboren, altert und stirbt, die Seele ist aber unkörperlich. Deshalb, so riet Sokrates, sollten wir den Tod nicht fürchten, sondern uns in der philosophischen Kunst des Sterbens üben, indem wir uns von den Empfindungen des temporären Körpers ent-identifizieren und uns mit dem ewigen, unsterblichen Geist identifizieren.

Während Sokrates die Idee der unsterblichen Seele im Westen entwickelte, schufen östliche Denker sowohl neue Theorien über die Seele als auch praktische Techniken, mit denen man die Todesangst meistern wollte. Ab dem Jahr 200 v.Chr. fanden in Indien Yogis, Asketen und umherziehende Mystiker heraus, daß sie durch Atemkontrolle und Meditation die Identitätserfahrung des menschlichen Geistes — Atman — mit dem göttlichen Geist — Brahman — machen konnten. Bringe das Plappern des Geistes zum Schweigen, gib die schmerzliche Illusion deiner Individualität auf, entdecke deine Identität mit dem Absoluten Geist und überwinde die Illusion der Endgültigkeit des Todes.

262


Buddha löste das Problem des Todes, indem er die Vorstellung vom substantiellen Selbst auflöste. Für Buddhisten ist die Individualität, die erst recht nicht im Leben nach dem Tode bewahrt bleibt, eine Illusion. Da wir uns an die Vorstellung eines stabilen, unwandelbaren Selbst klammern, streben wir danach, Leiden, Krankheit, Alter und Tod zu vermeiden. Das wiederum schafft eine Art Metaleiden. Der Ausweg besteht darin, die Illusion der Dauer aufzugeben, und dem »edlen, achtteiligen Pfad« zu folgen.

Nach dem Leben, dem Tod und der angeblichen Wiederauferstehung Jesu' führte das Christentum einen neuen Tonfall in die Zwiesprache mit dem Tod ein. Der jüdisch-christliche Gott wurde, im Gegensatz zu den begrenzt einflußreichen Göttern der Griechen, als Schöpfer ex nihilo von allem — von Stoff und Geist — betrachtet. Er schuf die Menschen mit Leib und Seele, als psychosomatische Einheit. Aus der jüdisch-christlichen Perspektive betrachtet gibt es keine unsterbliche, lautere Seele, die vom sterblichen Leib getrennt werden kann, keine körperlose Essenz, die vielleicht nach dem Tod überlebt. Hat der Atem den Körper verlassen, sind wir tot. Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Ob nun in einem parallelen Raum — dem Himmel — oder in einem Reich Gottes am Ende der historischen Zeit —, irgendwie wird der Schöpfer seine Kinder in einem wiederauferstandenen und glorifizierten Körper neu zur Welt bringen. Wir werden wieder erschaffen.

Allmählich haben die Säuren der Modernität den blinden Glauben an die biblische Autorität und die Hoffnung auf Wiederauferstehung weggeätzt. Der Säkularismus — die Vorherrschaft der urbanen und technokratischen Denk- und Lebensformen — hat unsere Füße in Beton gegossen, unseren Horizont auf das Hier und Jetzt begrenzt und uns die Hoffnung auf jede Transzendenz unseres kurzen Augenblicks in der Zeit genommen. Es gibt keine Seele, keinen Geist, der unsere biologische, soziologische, psychologische und politische Konditionierung transzendiert.

Das dreigeschossige Universum, mit Schatten-Höllen und Unterwelten, die von allen möglichen dämonischen Gastgebern bewohnt werden, und die sieben Himmel voller strahlender Engel und unvorstellbaren Lüsten ist zusammengebrochen und hat einem effizient gebauten Bungalow Platz gemacht. Was man sieht, ist, was man bekommt. Wer bei seinem Tod am meisten Spielzeug besitzt, hat gewonnen. Du machst nur einmal die Runde, also nimm sie mit Karacho. Im schicken postmodernen Zeitalter verschwenden wir natürlich keine Zeit damit, über die Existenz einer Seele oder eines Geistes zu diskutieren oder sie zu bestreiten. Der Gott, dem wir vertrauen, soll unser Wirtschaftswachstum sicherstellen und den amerikanischen »way of life« sanktionieren, nicht ein Argument für den Glauben an Transzendenz liefern.

263


Die moderne Eliminierung von Seele und Geist und die daraus folgende Weigerung, den Tod mit spiritueller Bedeutung aufzuladen, hat sowohl wohltätige als auch katastrophale praktische Folgen. Die gute Nachricht heißt: Wir haben den Tod zum Feind erklärt und deshalb eine Großoffensive gegen unsere Krankheiten gestartet. Mit beängstigender Regelmäßigkeit produzieren unsere neuen Priester — die Ärzte — Wunder. Krankheit um Krankheit wurde besiegt. Unsere Lebenserwartung erhöht sich durch Wundermedikamente, neue Operationsverfahren reparieren uns.

Die schlechte Nachricht lautet: Trotz unserer ungestümen, brillant geplanten Feldzüge gegen die Krankheiten schlägt uns der uralte Feind im letzten Gefecht. Letztlich verlieren die Ärzte 100 Prozent ihrer Patienten. Und weil wir Sieger sein müssen und keine guten Verlierer sein können, erschöpfen wir unsere Ressourcen im vergeblichen Kampf gegen den Tod. Man schätzt, daß wir heute mehr als die Hälfte unseres astronomisch hohen Haushalts für medizinische Aufgaben darauf verwenden, todkranke Patienten in den letzten Monaten am Leben zu erhalten, nachdem Freude und Hoffnung längst aus ihrem Leben verschwunden sind. Wir leugnen um jeden Preis die Herrschaft des Todes.

Am leichtesten erkennen wir uns im Spiegel des Gegensatzes. Wir können empfinden, was wir durch unsere zeit-gebundene, stadt-gebundene, technik-gebundene Lebensweise gewonnen und verloren haben, wenn wir uns in andere Kulturen einfühlen. Kürzlich haben sich im Iran Tausende islamischer Fundamentalisten auf das Martyrium vorbereitet und sind glücklich durch Minenfelder gegangen, in dem sicheren Wissen, daß diejenigen, die im heiligen Krieg, dem Dschihad, sterben, unmittelbaren Eingang ins Paradies finden.

In Bhutan ist der Glaube an die Reinkarnation und das Gesetz des Karma ebenso festverwurzelt wie der Fortschrittsmythos in den Industrienationen. Überall bildet das große Mandala des Feuerrades die Pilgerfahrt der Seele ab, während sie durch verschiedene Leben voranschreitet, aufsteigend in Richtung der Erleuchtung und der Befreiung vom Leid oder dem Absinken in verschiedene Reiche der Hölle, je nachdem, wieviel Verdienste man im Leben erworben hat. Priester wie Bauern glauben fest daran, daß die spirituellen und moralischen Disziplinen, die wir in diesem Leben ausgeübt beziehungsweise ignoriert haben, Einfluß darauf haben, in welchem Stand man wiedergeboren wird.

Was wird verloren, was gewonnen, wenn wir im kosmischen Drama der christlichen, islamischen oder buddhistischen Version der Pilgerfahrt leben ? Was ist der Preis, den wir für den Himmel entrichten müssen ? Kosten uns die Rezepte der Religion die Freude am Augenblick ? Kaufen wir Ewigkeit, indem wir unsere Ziele außer acht lassen? Produziert eine säkulare Gesellschaft, die den praktischen Dingen Aufmerksamkeit schenkt, ein Mehr an Glück, Gesundheit und Sorglosigkeit?

264


Und wenn uns nun keine theologische Autorität, die uns das ewige Leben verspricht, überzeugt oder tröstet? Was, wenn wir die Ersatz-Unsterblichkeit eines zukünftigen Utopias, das uns der Staat verspricht ablehnen ? Was, wenn wir uns weigern, uns mit Drogen, Medikamenten, Arbeit oder Konsum ruhigzustellen? Was, wenn wir aufhören, die Angst zu leugnen, daß wir sterben müssen? Wie können wir über den Tod nachdenken, ohne vorbehaltlos anzunehmen, was doch wohl tröstende Illusionen sind? Wie können wir mit der unannehmbaren Tatsache unserer Sterblichkeit fertig werden?

 

    Reflexionen über meinen Tod: Schrecken und Vertrauen   

 

Will ich mich der Frage meines Todes nähern, so muß ich den Schutz des anonymen Wir verlassen und mein verletzliches Ich erkunden. Die in uns allen wurzelnde Angst vor dem Tod ist nicht abstrakt, sondern persönlich.

Meine frühesten Assoziationen mit dem Tod wurden von Bildern des Himmels und der Hölle und von Gefühlen der Sicherheit und des Schreckens getönt. In der Sonntagsschule lernten wir den Satz: »Glaube an den Herrn Jesus Christus, und du wirst erlöst werden.« Predigten und Lieder waren voller lebendiger Bilder über die Alternative, die die Gläubigen und die Ungläubigen erwartete — ewiges Licht oder ewige Verdammnis. Schilder entlang den Highways und Landstraßen im Süden der USA stellten die Frage: »Wo willst du die Ewigkeit verbringen?« Innerhalb der Atmosphäre des evangelischen Christentums steht jeder Mann, jede Frau und jedes Kind immerwährend am Scheideweg, dort, wo die Entscheidung zwischen einem schmalen Pfad getroffen werden muß, der zum ewigen Leben führt, und einem breiten Weg, der zur Verdammnis führt.

Seit der Kindheit trug ich die Last meines angsterfüllten Wissens, daß ich eine Entscheidung zugunsten Christi zu treffen habe. Andernfalls — beim nächsten Mal das Höllenfeuer. Während dieser Zeit war ich mehr als nur ein wenig verwirrt von der calvinistischen Vorstellung, daß Gott einige Menschen zur Erlösung vorherbestimmt (insbesondere Presbyterianer) und andere zur Verdammnis. Auf den Knien meiner Mutter lernte ich, mir die Ereignisse des Tages in Erinnerung zu rufen und mein Gewissen zu erforschen, um herauszufinden, ob ich in Gedanken, Wort oder Tat eine Sünde begangen hatte. Wenn ich zu Bett ging, flehte ich, der Herr möge meine Seele bewahren, und — so ich vor dem Aufwachen stürbe — betete ich darum, der Herr möge meine Seele zu sich nehmen.

265


Mir wurde der furchterregende Trost gewährt, daß meine Sünden vergeben würden, wenn ich mich erinnern, beichten und aufrichtig bereuen würde. Aber wenn ich das notwendige Quantum Aufrichtigkeit für meine kleinen Sünden oder den erforderlichen Glauben an die stellvertretende Sühne durch Jesus nicht aufbrachte, spürte ich, daß ich den rutschigen Abhang in Richtung ewiger Höllenqualen hinabglitt. Viele Nächte lag ich da, geplagt von Zweifeln, starr vor Furcht und fragte mich, ob mein Appetit für die Freuden dieser Welt, mein rebellischer Geist und mein fragender Verstand bewiesen, daß ich mich nicht unter den Auserwählten befand.

Der Tod war ganz Theorie und Theologie — bis zu dem Tag, als unser Hund, Possum, nach Hause gehumpelt kam und, blutüberströmt nach einer Schußverletzung zum Sterben unter unser Haus kroch. Wir hörten das Gejaule der Hündin, aber ich konnte sie nicht erreichen. Schließlich rief mein Vater den Sheriff an, der sie mit einem einzigen Pistolenschuß tötete.

Tagelang trauerte ich und fragte: »Warum erschießt jemand unseren Hund? Was ist mit ihr geschehen, als sie starb? Ist sie in den Himmel gekommen ?« Meine Eltern fühlten sich nicht wohl bei den Fragen, weil sie keine Antwort darauf hatten. Weder die Bibel noch Calvin hatten mit der Frage des ewigen Schicksals bei Tieren gerungen. Aber die Dinge standen schlecht für Possum, weil sie keine persönliche Entscheidung zugunsten des Herrn Jesus Christus getroffen hatte.

Als Possums Körper dann im Grab lag, begann der Wurm des Zweifels an mir zu nagen. Mit kindlicher Klarheit fragte ich mich: Wenn Gott auf meinen geliebten Hund nicht aufpaßte, konnte ich Ihm dann mein ewiges Schicksal anvertrauen? Allmählich löschte ich die Hölle von meiner theologischen Landkarte. Ich überlegte: Wenn Gott Liebe war und man sich darauf verlassen konnte, daß Er mir ein Leben nach dem Tode sicherte, konnte Er auch eine Möglichkeit finden, Hunde in seinen ewigen Armen zu halten. Wie Er das vollbringen konnte, war mir nicht klar. Aber irgend etwas Geringeres war eines erstklassigen Gottes unwürdig. Jahre später, als ich mein Philosophie- und Theologiestudium begann, verschwand auch der Himmel von der Landkarte. Nun, da ich die Autorität der Bibel und der Kirche zurückgewiesen hatte, hatte ich keinen Fels mehr, auf den ich meinen Anspruch auf ein Leben nach dem Tode bauen konnte.

Abgeschnitten von einer Lehre über ein Leben nach dem Tode, verliert der Tod die Nebenbedeutung von Belohnung oder Bestrafung und erlangt den Status einer amoralischen Tatsache. Ich werde nicht sterben, weil »ich gesündigt und mich der Herrlichkeit Gottes unwürdig erwiesen habe«, sondern weil ich geboren bin. In vielerlei Hinsicht fällt mir der Umgang mit dem natürlich-neutralen Antlitz des Todes psychologisch schwerer als die religiös-magische Vorstellung, derzufolge der Tod die Folge von Sünde, Rebellion und eines Tabubruchs darstellt.

266


Die religiös-magische Sicht bietet zumindest eine Art mythischer Erklärung des irrationalen, aber hartnäckigen Gefühls, daß wir nicht sterben sollten. Daß der Tod einfach ein brutales Faktum ist, »etwas Naturgegebenes« (was immer dieses merkwürdig flehentliche Wort bedeutet), läßt uns in einem Universum verharren, in dem es keine befriedigende Erklärung für die beunruhigendste aller Tatsachen gibt. Der Tod stellt eine Frage, der wir weder ausweichen noch die wir beantworten können.

Wie stellen wir uns der gesichtslosen Leere, dem Ende, das in unserem Anfang eingerollt ist, der Bedrohung, die mit dem Versprechen des Lebens homogenisiert ist? Wie kann ich mir das letzte Schicksal derjenigen vorstellen, die ich liebe, die aber gestorben sind? Eines totgeborenen Welpen? Meiner Freundin? Beth? Meines Vaters?

 

Für viele Menschen konzentriert sich die Furcht vor der Sterblichkeit auf die Aussicht von Schmerz, Krankheit und den Sterbevorgang. Für andere konzentriert sich die Angst auf das Ergebnis — das Totsein. Gordon Sherman, ein Freund, der jahrelang bei wachem Verstand die Folgen einer Leukämie ertrug, sagte: »Ich würde mich auf den Prozeß des Sterbens und des Totseins freuen, wenn da nicht das Endergebnis wäre.«

Ich würde mich auf den Sterbeprozeß und das Totsein für eine vorübergehende Zeit freuen, wenn ich wiedergeboren, reinkarniert oder in irgendeiner Form wiederauferstehen würde, bei der ich weiter Erfahrungen und ein Bewußtsein der Kontinuität der Identität mit meinem vergangenen oder zukünftigen Leben hätte. Ich fürchte nicht die Transformation, sondern daß ich aufhöre zu sein. Berichte über Erlebnisse vom nahenden Tod von denjenigen, die das Bewußtsein wiedererlangten, deuten daraufhin, daß das Ende des Sterbeprozesses möglicherweise außerordentlich angenehm ist, eine Art totaler Körperorgasmus. Doch die Aussicht auf Auslöschung ist eine ungeheure Verschwendung einer kosmischen Ressource. Da kämpfen wir ein Leben lang darum, ein wenig Selbsterkenntnis, Weisheit und Mitgefühl zu erlangen; und dann sterben wir. Es ist eine Schande.

Als junger Erwachsener begegnete ich dem Tod in der Verkleidung der Angst, daß etwas mich davon abhalten könnte, meine Verheißung ganz zu erfüllen. Ich betete, ich möge nicht sterben, ehe ich viele Abenteuer bestanden hätte, eine mit Leidenschaft erfüllte Arbeit entdeckt, eine Frau geliebt, Vater eines Kindes geworden, ein Haus gebaut, Großmut entwickelt hätte. Heute, mit zweiundsechzig Jahren, ist das meiste, was ich mir mit Zwanzig vorgestellt habe, Realität geworden. Ich habe geschmeckt, wonach ich einst gehungert habe, mehr erreicht, als ich geplant habe, und wurde durch mehr Ereignisse überrascht, erweitert, geschlagen und bereichert, als ich mir vorgestellt hatte. Zwar bin ich immer noch eine Landmeile von einem ganz und gar mitfühlenden Herzen, das ich ersehne, entfernt, doch habe ich keine Angst mehr davor, ohne Erfüllung zu sterben.

267


Ich habe die meisten der erforderlichen Kurse (bis auf das Schlußexamen) beendet — der Rest sind Wahlkurse. Dennoch läßt mich der Gedanke an den Tod nicht kalt.

Der Tod meines Vaters im Jahr 1964 markierte eine Mitte in meinem Leben, die in keiner Beziehung zur Anzahl meiner Lebensjahre steht. Davor war ich ein Junge, geschützt vor der dunklen Sonne des Todes durch seine enorme Präsenz. Hinterher war ich ein Mann, abgehärtet durch das tragische Wissen, daß, selbst wenn die Liebe stärker ist als der Tod, kein helles Licht der Herrschaft der Dunkelheit entkommt. Vorher schien der Tod fern, ein theoretisches Problem, das sich durch einen ausreichend festen Glauben lösen ließ. Hinterher war keine Theorie aussagestark genug, der Tatsache des Todes zu widerstehen.

In den Jahren, die seither vergangen sind, wurde ich durch innere Widersprüche erweitert. Mein linearer Geist verwirft die Idee des Überlebens nach dem Tode, doch mein Vater lebt weiter in meiner Traumzeit. »Aber das ist nur ein Traum«, mögen Sie einwenden. Und ich müßte dem zustimmen. Aber ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob die zyklische Logik der Träume nicht ebensoviel über die Wirklichkeit enthüllt wie die lineare Logik der Zeit.

In letzter Zeit besucht mich der Tod in den späten, dunklen Stunden des Tages in der nackten Form blanken Schreckens. Kurz vorm Einschlafen gehen mir Szenen des vergangenen Tages und Gedanken darüber durch den Kopf, was der nächste Tag wohl bringen wird. Ganz kurz tönt eine bestimmte Traurigkeit mein Bewußtsein, daß ich wieder einen Tag weiter dem unvermeidlichen Ende nähergerückt bin. Manchmal wache ich um zwei Uhr morgens auf, und das Grauen des Nichtseins packt mich und preßt den Atem aus mir heraus.

Ich stelle mir den Tod vor, der die Tafel leerwischt und alles, was ich bin, auslöscht. Nichts bleibt von mir übrig. Null. Ich verschwinde im schwarzen Loch des Nichts. Dieses reiche Leben, dieser einzigartige Sam Keen, der mit soviel Mühen und Liebe gezeugt und erzogen wurde, fällt der Vergessenheit anheim. Eines Tages wird es mich nicht mehr geben. Wie das? Nein! Nein! Nein! Das kann nicht sein!

Die unbegreifliche und völlig natürliche Tatsache, daß ich nicht mehr sein werde, erfüllt mich mit Schrecken. Ich fange an zu laufen und versuche, diese unannehmbaren Gedanken zu verdrängen. Und dann erinnere ich mich daran, was ich aus den zahllosen Begegnungen mit den dunklen Mächten gelernt habe — laufe niemals vor einem Ungeheuer davon! Ich lasse die Wogen des Schreckens über mir zusammenschlagen, immer wieder, bis sich ihre Kraft verausgabt hat. Traurig und erschöpft drehe ich mich zur Seite und umarme meine Frau, dankbar für die Wärme und voll Freude, am Leben zu sein — noch.

268


Mir scheint es ratsamer, bereit zu sein, Augenblicken blanken Schreckens ins Auge zu sehen, als billigen Trost in religiösen Unsterblichkeits­versicherungen zu suchen. Warum?

Wenn wir offen für die Wunder des Lebendig-Seins leben wollen, müssen wir uns auch dem Schrecken stellen. Radikale Ehrlichkeit fordert von uns, anzuerkennen, daß wir nicht wissen, was uns nach dem Tode widerfährt. Weder können wir wissen, ob wir in irgendeiner neuen Gestalt überleben, noch, daß wir ausgelöscht werden. Es ist wichtig, mit dem zu leben, was wir wissen, und uns nicht zu betrügen. Die menschliche Würde hat etwas mit unserer Bereitschaft zu tun, freudig in Unkenntnis unseres letzten Schicksals zu leben. Wir wurden nicht geschaffen, damit wir allwissend sind. Ein paar Augenblicke blanken Schreckens pro Tag sind ein geringer Preis für die ungeheure Energiemenge, die man spart, wenn wir uns von der Tyrannei des Gehorsams gegenüber göttlich legitimierten Autoritäten befreien oder von der Notwendigkeit enthoben sind, uns irgendein Unsterblichkeitsprojekt auszudenken.

Stephen Batchelor urteilt in ähnlicher Weise über den spirituellen Agnostizismus, und zwar aus der buddhistischen Tradition heraus, in der die Vorstellungen von Karma und Wiedergeburt immer eine zentrale Rolle spielten. »Man hat oft das Gefühl, daß es zwei Wahlmöglichkeiten gibt: Man kann an die Wiedergeburt glauben oder nicht daran glauben.

Aber es gibt eine dritte Möglichkeit: die des Agnostizismus — in aller Ehrlichkeit anzuerkennen, daß man nichts weiß. Man muß sie weder bekräftigen noch leugnen; man muß weder die von der Tradition überlieferten, buchstäblichen Versionen übernehmen, noch ins andere Extrem verfallen und glauben, daß der Tod eine endgültige Auslöschung darstellt... Wie kann man etwas wissen über etwas, das die Abwesenheit eben diesen Apparates voraussetzt, der ein solches Wissen herstellt (den psychophysikalischen Komplex von Körper und Geist)?

Was immer ich darüber sage — was nach dem Tode mit mir geschieht, sage ich unvermeidlich vom Standpunkt dessen, was nach dem Tod aufhören wird... Eine agnostische Haltung zum Tod scheint mir leichter mit einer authentischen spirituellen Einstellung vereinbar... Sich für eine trostspendende, ja selbst eine beunruhigende Erklärung dessen zu entscheiden, was uns hierhergebracht hat oder was uns nach dem Tode erwartet, legt eben jenem Gefühl des Geheimnisses außerordentliche Beschränkungen auf, um das es der Religion im wesentlichen geht.«

 

    Wenn wir uns weigern, den Tod zu leugnen, auf was können wir dann hoffen?  

 

Alle Symbole für ein Leben nach dem Tode — Himmel, Reinkarnation, Wiederauferstehung des Leibes, Unsterblichkeit der Seele — fördern, wenn man in ihnen mehr erblickt als den stotternden Versuch, in der stillen Dunkelheit ein Lied der Hoffnung anzustimmen, Illusionen.

269


Selbst während meines radikalen Schreckens, wenn ich das Gefühl habe, daß der Tod Auslöschung bedeutet, weiß ich, daß ich nichts weiß. Sowohl die Leugnung des Todes wie die Behauptung, es gebe ein Leben nach dem Tode, sind gleichermaßen grundlos. Es gibt keine kognitive Basis — weder für Optimismus noch Pessimismus.

Manche Menschen sind der Meinung, daß sie oder andere entweder Erinnerungen an vergangene Leben oder Tranceerlebnisse haben, als körperlose Wesen Besitz von ihnen ergriffen hätten, was zeige, daß es ein Leben nach dem Tode gäbe. Bis vor kurzem haben lediglich einige wenige Theosophisten, Menschen, die sich für Forschungen im Bereich des Übersinnlichen interessieren, sowie tibetanische tulkus behauptet, über ein derartiges okkultes Wissen zu verfügen. Doch in letzter Zeit sind zahlreiche Therapeuten, die vom Leben nach dem Tode sprechen, und Chaneller auf den Plan getreten, die jedem, gegen Entgelt, helfen, sich an frühere Leben zu erinnern beziehungsweise mit dem Geist der Toten in Verbindung zu treten. Ich bleibe skeptisch, was die angeblichen Beweise angeht, die diese Menschen zur Stützung ihrer Behauptungen vorbringen, und werde von ihrem fadenscheinigen Optimismus nicht getröstet.

In den Monaten unmittelbar im Anschluß an den Tod meines Vaters im Jahr 1964 wurde meine Trauer durch eine geistige Agonie verstärkt, während ich verzweifelt nach Gründen suchte, an eine ewige und gütige Macht zu glauben, die man vielleicht Gott nennen könnte. Damals unterrichtete ich noch das Fach Philosophie der Religionen in Louisville, so daß es einen zusätzlichen Druck seitens meiner Kollegen gab, ein Glaubensbekenntnis abzulegen, das für die Gemeinde der Gläubigen akzeptabel wäre, die uns ja die Gehälter bezahlten. Doch je mehr ich den Himmel zu stürmen versuchte, desto größer wurde meine innere Unruhe. Ich fand einfach keine Antworten.

Eines Morgens, als ich durch einen Park zur Arbeit ging, inmitten der weiten Fläche stand, schien sich der Himmel zu öffnen. Eine Stimme aus dem unendlichen Schweigen im Inneren und jenseits von mir sagte: »Du mußt nicht wissen.« Ein ungeheures Gefühl der Erleichterung durchströmte mich — so, als sei ein tausend Pfund schweres Gewicht von meinen Schultern gehoben worden. Vielleicht zum erstenmal in meinem Leben war ich frei von dem Zwang, eine Erklärung für meine Existenz zu finden. Mein Geist entspannte sich — im Wissen, daß ich nie eine sichere Kenntnis des letzten Kontextes meiner Existenz haben konnte.

In Gegenwart des Todes war mein Geist an seine Grenzen gestoßen und hatte neue Freiheit geschöpft. Ich war desillusioniert und hatte die Hoffnung entdeckt. Hoffnung ist, im Gegensatz zur Illusion oder zum Optimismus, keine Vorhersage der kommenden Dinge.

270


Sie ist auch keine Behauptung, im Besitz eines Spezialwissens zu sein oder in einer verborgenen Zukunft erleuchtet zu werden, in der alles Böse erlöst und jeder Tod negiert wird. Wer hoffen will, muß wissen, daß wir die Grenzen des Ewig-Schöpfenden nicht kennen können, der alles, was ist, ins Leben gebracht hat, bringt und bringen wird. Darüber hinaus müssen wir dem unerschöpflichen Geheimnis vertrauen, das wir berühren, wenn wir entdecken, daß das Vermögen des Geistes, der Freiheit, uns zu transzendieren, die besten Hinweise auf das Wesen des Seins liefert.

Bei der Frage nach der Existenz Gottes geht es nicht um die Existenz irgendeines fernen, unendlichen Wesens. Es ist die Frage der Möglichkeit der Hoffnung. Die Bekräftigung des Glaubens an Gott ist die Anerkenntnis, daß es eine todlose Quelle der Kraft und des Sinns gibt, der man vertrauen kann, alles gut Geschöpfte zu nähren und zu bewahren. Die Existenz Gottes bestreiten ist gleichbedeutend mit der Leugnung, daß es überhaupt Grund zur Hoffnung gibt. Die Hoffnung beginnt mit der Erkenntnis, daß die menschliche Erfahrung letztlich nicht reicht, um mit allen Möglichkeiten, die die Wirklichkeit bereithält, fertig zu werden.

Ich merkte, daß ich Saul Bellows Romanfigur Herzog widersprach, der äußert: »Aber was lehrt die Philosophie dieser Generation? Nicht, daß Gott tot ist; diese Station liegt schon lange hinter uns. Vielleicht sollte man statt dessen feststellen, daß der Tod Gott ist. Diese Generation denkt — und das ist der Gedanke aller Gedanken —, daß keine Treue, Verletzlichkeit, Zerbrechlichkeit von Dauer sein und wahre Macht besitzen kann. Der Tod wartet auf diese Dinge wie der Zementfußboden auf die fallende Glühbirne.«

Die letzte Bestimmung aller treuen, verletzlichen und zerbrechlichen Dinge — einschließlich der Seelen von Vätern und Söhnen — ist mir unbekannt. Aber ich weise die verborgene Anmaßung der Allwissenheit zurück, sowohl der religiösen als auch der säkularen Art. Mein Geist kann nicht die Grenzen des Möglichen ausloten. Deshalb wähle ich, dem Geheimnis zu vertrauen, aus dem aller Segen entspringt. Ich hoffe, daß — auf eine Art, die mein Verständnis übersteigt —, das Licht bleibt, nachdem die Glühbirnen zerborsten sind.

Wenn ich der Quelle vertrauen soll, aus der ich stamme — diesem einzigartigen Sam Keen, der zugleich ein gewöhnliches Beispiel der Gattung homo sapiens ist —, muß ich auch dem dunklen Schicksal vertrauen, in das ich bei meinem Tode verschwinde.

Ich bin enthalten in einer Selbstwerdung, einem Gott, für den das fortdauernde Sterben ein Weg des ewigen Schöpfens ist. Daß dieses Wesen Milliarden von Individuen mit einzigartigen Fingerabdrücken und Autobiographien hervorgebracht hat, die nicht länger zu dauern scheinen als Träume — das ist die Tatsache, über die ich nicht aufhören darf mich zu wundern und dessentwegen ich mich daran erinnern muß, daß ich nicht verstehen kann.

Es ist sowohl die Agonie als auch die Schönheit der conditio humane, daß wir unseren letzten Ursprung und unser Ziel nicht kennen.

Im leuchtenden Dunkel, in dem wir auf die Reise gehen, sind wir oft einsam, aber nie allein. Der Straße überdrüssig, überwältigt von der Größe der Schwierigkeiten, denen wir uns in unseren kurzen Tagen stellen müssen, sind wir versucht, zu verzweifeln oder uns mit einem billigen Optimismus zu begnügen. 

Doch tief in unserem Geist werden wir bewegt und aufgefordert, dieses unablässige Abenteuer mit dem sich sehnenden, ruhelosen und schöpferischen Einen zu unternehmen, der sich — auch wenn er mit zehntausend verschiedenen Namen Gott genannt wird — immer noch in wundersames Schweigen hüllt.

272

#

www.detopia.de     ^^^^