Ludwig Klages

Hans Kern, Hans Kasdorff, Herbert Grundmann

 

Vom Sinn des Lebens 

 

Worte des Wissens aus dem Gesamtwerk 

Ausgewählt von Hans Kern

 

Erweitert und neu herausgegeben von Hans Kasdorff 

1982 im Bouvier-Verlag, Herbert Grundmann, Bonn 

1982

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Vorwort des Herausgebers
(H. Kasdorff)

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Hans Kern wurde 1902 in Berlin geboren und ist 1945 dort gestorben. Er studierte in seiner Vaterstadt Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte. Im Jahre 1925 promovierte er bei Max Dessoir mit einer Arbeit über Die Philosophie des Carl Gustav Carus. Das war u.a. die Wirkung eines verständnisvollen Privatstudiums der Schriften von Ludwig Klages, der wiederholt auf Carus hingewiesen hatte. Kern war früh mit ihnen bekanntgeworden. 

Zusammen mit dem Basler Klagesschüler Christoph Bernoulli (aus der berühmten Gelehrtenfamilie) widmete er sich danach der romantischen Naturphilosophie und verwandten Erscheinungen und suchte sie der Öffentlichkeit durch zahlreiche Bücher, Broschüren, Aufsätze und vor allem auch durch Neuausgaben wieder näherzubringen.

An Volkshochschulen, besonders in Berlin und Stettin, wirkte Kern in vielen Vortragsreihen für dieses Ziel. Lebhaft in Erinnerung ist mir eine Reihe über Hölderlin, die Erwin Ackerknecht, der Klagesfreund, in Stettin veranstaltet hatte. Kern war ein fesselnder Redner und ein guter Interpret von Dichtungen. Seine letzte größere Arbeit gelangte nicht mehr in den Buchhandel. Sie hätte noch einmal Eigenart und Breite seiner Bemühungen gezeigt. Unter dem Titel "Vom schöpferischen Eros" sollte sie 1942 bei Diederichs herauskommen und ausgewählte Texte von Empedokles bis Klages bringen. 

Dazwischen standen u.a. Platon, Aristoteles, Cicero, Plotin, Augustin, Hugo von St. Victor, Minnesänger wie Walther und Reinmar von Zweter, dann Tristan und Isolde, Dante, Franz von Assisi, Meister Eckehart, Jan van Ruisbroeck, Giordano Bruno, Jakob Böhme, Shaftesbury, Herder, Goethe, Schiller, Franz von Baader, Schelling, Novalis, Hölderlin, Gotthilf Heinrich v. Schubert, Karoline v. Günderode, Görres, Arndt, Stendhal, Nietzsche.

Von Klages hatte Kern eine Auswahl aus dem Buch „Vom kosmogonischen Eros" angefügt. Kerns Arbeit war rund 400 Seiten stark. Die schon gedruckten Bücher sind aber vor der Auslieferung an den Buchhandel bei einem Fliegerangriff verbrannt. Nur zwei oder drei Exemplare der Umbruchkorrektur dürften den Krieg überdauert haben. Eines ist auf dem Wege über Kerns Freunde Werner Deubel und Heinz Döhmann in meinen Besitz gekommen. Von seinen Schriften ist heute nichts mehr im Buchhandel. Der Neudruck seiner Klages-Auswahl hat auch insofern ein besonderes Gewicht.

Kerns Veröffentlichungen sind nach ihrem Inhalt gekennzeichnet in meinen Büchern "Ludwig Klages. Werk und Wirkung" (Bonn, Bouvier 1969 und 1974), seine Arbeit für Klages ist gewürdigt in meinem Buch "Ludwig Klages im Widerstreit der Meinungen. Eine Wirkungsgeschichte von 1895 bis 1975" (Bonn, Bouvier 1978).

Kern hat seiner Dankbarkeit für die Anregungen von Klages oft Ausdruck gegeben, am stärksten in der vorliegenden Auswahl, die zuerst 1940 in einer einmaligen Vorzugsausgabe bei Kurt Saucke u. Co. in Hamburg erschien. Saucke gehörte zu den ältesten Klagesfreunden. Die Ausgabe war vergriffen, als Eugen Diederichs das Buch in seiner „Deutschen Reihe" 1943 herausbrachte.

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Wie Kerns Verzeichnis der Abkürzungen (S. 123) erweist, hat er alle Arbeiten von Klages herangezogen, die bis dahin erschienen waren. Aber das große Buch „Die Sprache als Quell der Seelenkunde" kam erst 1948 heraus. Im Auftrage der „Klages-Gesellschaft Marbach e. V." habe ich nun daraus einige Stellen angefügt und dabei nach Umfang und Gehalt Kerns Bemühungen so gut wie möglich zu entsprechen gesucht.

Der Abschnitt „Im Spiegel der Sprache" ist vor Kerns Nachwort eingeschoben, sein Inhaltsverzeichnis und das Verzeichnis der Abkürzungen sind entsprechend erweitert. An seinen Texten ist nichts geändert. Nur den Stellennachweisen Kerns habe ich die Seitenzahlen in der Ausgabe der „Sämtlichen Werke" von Klages hinzugefügt; bei zwei Stellen war das nicht möglich, da die betreffenden Texte in den Bänden der Ausgabe der „Sämtlichen Werke" nicht enthalten sind. Kerns Leistung muß vorzüglich genannt werden. Seine Fassung der Themen, die Reihenfolge im einzelnen und besonders ihre Auswahl zeugen von eindringlicher Kenntnis und feinem Takt. Die Texte sind geeignet, den Gedankenreichtum, die Tiefe und die Lebensfülle dieses Weltbildes vor Augen zu stellen.

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Klages ist neuerdings hier und da wieder als einer der großen Warner vor der Überschätzung des technischen Fortschritts und der Unterschätzung ihrer unbeabsichtigten "Nebenwirkungen" im Gespräch. Kerns Auswahl gibt aber den Blick frei auf das Ganze, das dahinter steht. Das ist ein Gedankenbauwerk vom Sinn und Wesen unserer "Welt" auf dieser Erde, in dem auch die Ergebnisse der großen europäischen Philosophie geprüft und erörtert werden und das den Problemen der Charakterkunde, der Ausdrucksforschung, der Sprachwissenschaft Raum gibt, ja, ihnen neue Grundlagen schafft.

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Von diesem philosophischen System aus sind solche Zeugnisse des Menschentums wie die Hinterlassen­schaften ostasiatischer Weisheit und europäischer Mystik so gut zu würdigen wie die Schöpfungen der Künstler aller Zeiten und Völker, von den Idolen der sog. Primitiven bis zu den fast "leeren" Bildern chinesischer Landschaftsmaler und der Gestaltenfülle Rembrandtscher Radierungen, von der Leichtigkeit japanischer Haiku bis zu den gedankenschweren Schöpfungen des späten Hölderlin.

Erst in diesem Rahmen aber wird die Gefahr in aller Schärfe erkannt, die heute im Zeitalter der Weltkriege, der Weltraumfahrten und des Welthungers von den Leistungen des europäischen Erfindergeistes und seiner Technik in den Händen des Willens zur Macht ausgeht: sie droht dem Leben der Erde und ihrer Geschöpfe mit der Vernichtung. Im Jahre 1913 hat Klages seine erste große Warnung noch mit dem Bilde eines neuen Anfangs geschlossen. 

 

Der Aufsatz Mensch und Erde wurde zuerst gedruckt in der Festschrift der Freideutschen Jugend zum Treffen auf dem Hohen Meißner, dann 1920 als Titelaufsatz eines danach noch sechsmal wiederaufgelegten Sammelbandes von Klages' Aufsätzen (1927, 1929, 1933, 1937, 1956, 1973), 1974 in Band 3 der <Sämtlichen Werke>, 1980 als Broschüre mit einem Vorwort von Bernhard Grzimek und einem Vortrag von Wolfgang Hädecke über die Lage der Jugend in der industriellen Gesellschaft (Bouvier Verlag Herbert Grundmann, Bonn).

Später sind Klages' Warnungen uneingeschränkt düster geworden. Von der Atombombe hat er vor seinem Tode im Jahre 1956 noch genug erfahren.

Wer heute das Gerede mancher Sprecher der großen Völker hört und liest, weiß nicht, ob der böse Wille oder die seelische Armut und die Verblendung größer sind. Das Schicksal wird danach nicht fragen.

Während der Drucklegung dieses Buches ist der Verleger Herbert Grundmann gestorben. Das Lebenswerk von Klages hat in ihm seinen Schutzherrn verloren. Nach dem Ende des Krieges, genauer seit 1948, hat Grundmann ein Buch von Klages nach dem andern neu aufgelegt. 

Die achtbändige Ausgabe der "Sämtlichen Werke", die er 1964 begann und die jetzt mit einem weiteren Band, dem Registerband, abgeschlossen vorliegt, ist das Denkmal einer jahrzehntelangen Arbeit für den Philosophen, dem er sich menschlich verbunden fühlte. In diesem Rahmen steht auch die erweiterte Neuauflage der Klages-Auswahl: ihr galt seine letzte Sorge.

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Kiel, den 9. Dezember 1981
Hans Kasdorff

 

 

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