Hans-Joachim MaazDie neue LustschuleSexualität und Beziehungskultur
2009 bei Beck, München 2012 dtv |
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2009 240 Seiten Bing.Buch Goog.Buch
detopia:
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INHALT Vorwort (7) Einführung (11)
Zusammen-
Rücktext: |
I. Der Wille zur Lust (19)
II. Körperlust und Beziehungslust (82)
III. Kleiner Ratgeber «LUSTSCHULE» (181)
Innentext: Für Hans-Joachim Maaz ist dies nicht eine Frage von Techniken und Erfahrung. Vielmehr hängt unser Vermögen, uns selbst und unserem Partner Lust zu verschaffen, stark davon ab, inwiefern unsere Beziehung zu ihm von Gleichrangigkeit, Gefühlsoffenheit und Vertrauen geprägt ist. Sexualität ist ein ganzheitliches Geschehen, das körperliche, psychische, soziale und spirituelle Aspekte umfasst. Maaz zeigt, auf wie vielfache Weise diese Aspekte miteinander verknüpft sind. Dabei entsteht ein neues Bild unseres Sexlebens, das lustbetont und zutiefst human ist. Zärtlichkeit hat darin ebenso Platz wie die Frage «Wie komme ich zum Orgasmus?», der Umgang mit seelischen und sozialen Störungen genauso wie die Abstimmung der Vorlieben, Bedürfnisse und Abneigungen mit dem Partner. Geschrieben ist diese Lustschule in einer so zupackenden und unverkrampften Sprache, dass es eine Lust ist, von ihr belehrt zu werden, und sei es auch über die Probleme und Grenzen, von denen selbst guter Sex nicht frei ist. Hans-Joachim Maaz, seit 40 Jahren praktizierender Psychiater und Psychoanalytiker, war lange Zeit Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Diakoniekrankenhauses Halle. |
Vorwort
Autor, 2009
7-10
Es gibt unzählige mediale Angebote zum Thema «Sexualität». Manchem mag es vorkommen, als lebten wir in einer sexualisierten Gesellschaft. Aber das ist nur der äußere Schein. Die sogenannte Aufklärung und das hergebrachte Wissen über Sexualität vernachlässigen weitgehend die Lustfähigkeit und die Beziehungskultur.
Der boomende Sexmarkt ist für mich eher ein Indiz für umfassende Lust- und Beziehungsstörungen; was im Gefühl und im Kontakt nicht mehr gelingt, soll auf dem Weg über Techniken und Pharmakologie, durch eine «hysterisierende Geilheit» ausgeglichen werden.
In meiner psychotherapeutischen Praxis bin ich erschüttert darüber, wie weit verbreitet immer noch Scham- und Schuldgefühle, ungenügendes Wissen, falsche Vorstellungen und Erwartungen in sexuellen Angelegenheiten sind, was immer auch mit Lust- und Beziehungsstörungen verbunden ist.
Die gesellschaftliche Liberalisierung der Sexualität hat noch längst nicht zu lustvollen sexuellen Beziehungen geführt. Mitunter ist sogar das Gegenteil eingetreten, wenn idealisierende oder fragwürdige sexuelle Darstellungen normativen Charakter annehmen und die individuelle Realität dann nur noch als minderwertig erlebt wird. So, wie der pervertierte Schlankheitswahn selbst Normalgewichtige in die Diätfalle treibt, so trägt die vermarktete Sexualität zur Verleugnung der wirklichen Lustbehinderungen bei, die sich gerade nicht mit «Beate Uhse» beheben lassen.
«Sexuelle Reife» ist ein ganzheitliches und integriertes Geschehen, das neben der körperlichen auch eine seelische, soziale sowie spirituelle Dimension hat. Die Beantwortung der Frage, wie viele Menschen in einer Gesellschaft sexuelle Reife erreichen, zeichnet immer auch ein Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse; denn viele dafür charakteristische Faktoren wie die materiellen Grundlagen, der Grad sozialer Anerkennung, die Kultur des Zusammenlebens und ethische Normen und Werte üben auch auf den Gesamtkomplex «Sexualität» unmittelbaren Einfluss aus.
Mein publizistischer Werdegang nach der Wende in der DDR folgt insofern einer Entwicklungslogik, als nach der Abrechnung mit einer erneut pervertierten Gesellschaft — in den drei Büchern <Der Gefühlsstau>, <Das gestürzte Volk> und <Die Entrüstung> — die Fragen nach den tieferen Ursachen gesellschaftlicher Fehlentwicklungen immer drängender wurden.
Eine Gesellschaftspathologie setzt voraus, dass eine Mehrheit der Bevölkerung daran beteiligt ist. Der beruhigende Gedanke, dass nur eine kleine verdorbene, korrupte und böse Obrigkeit ein Volk aus anständigen, guten und ehrlichen Bürgern drangsaliert, ist eine Wunschfantasie. Das Zusammenspiel der Mächtigen mit den Massen spiegelt immer die vorherrschende psychosoziale Ausstattung der Menschen wider, die sie in ihrer Entwicklung erworben und ausgestaltet haben.
Aus der Frage nach den entwicklungspsychologisch begründeten Frühstörungen, die ich erstmals in dem Buch <Der Lilith-Komplex> (2003) behandelt habe, ergibt sich die nach deren späteren Folgen in Partnerschaft und Elternschaft (das Thema von <Die Liebesfalle>, 2007).
Die Störungen werden an die Kinder weitergegeben, die später über die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmen.
Und in der Sexualität bilden sich schließlich die Möglichkeiten und Behinderungen des Soziallebens wie in einem Brennpunkt ab. Die Zukunft einer Gesellschaft hängt ganz wesentlich davon ab, wie Kinder betreut werden, auf welche Weise das Gefühls- und Sexualleben gefördert und inwiefern Beziehungskultur verstanden und gepflegt wird.
Thematisch haben meine Publikationen einen Weg vom Gesellschaftlichen zum Intimsten zurückgelegt, und das vorliegende Buch dreht sich vollständig um den letzteren Bereich. Gerade das Intime ist jedoch als Basis für die Qualität der Gesellschaft zu verstehen.
Ich habe hier mein Erfahrungswissen aus etwa 40 Jahren ärztlicher und psychotherapeutischer Tätigkeit zusammengefasst. Dabei war die Plattform des CIT (Choriner Institut für Tiefenpsychologie und psychosoziale Prävention), das ich seit seiner Gründung leite, mit seinen Angeboten für die Arbeit mit Männern und Frauen, für Partnerschaft und Sexualität und als Elternschule eine unschätzbare Bereicherung an intimsten Erfahrungen.
So habe ich allen Mitgliedern des CIT und allen Workshop-Teilnehmern aufs Herzlichste für ihre Arbeit und für ihre Ehrlichkeit und Offenheit der Selbstreflexion und der Erkenntnisbereitschaft in kritischen Analysen zu danken.
Ganz besonders will ich meine Partnerin, Dr. Ulrike Gedeon, hervorheben, die mit ihren engagierten Angeboten für Frauen und Mütter wesentliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem «weiblichen Sektor» von Sexualität und Beziehung für dieses Buch beigetragen hat. Ohne sie wäre <Die neue Lustschule> nicht möglich geworden.
10
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Hans-Joachim Maaz (2009) Die neue Lustschule - Sexualität und Beziehungskultur