Mariella Mehr Steinzeit Biografieroman
1981
by
Zytglogge Verlag Bern |
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1981 185 (190) Seiten Google.Buch
detopia: ( Ordner ) Nachwort von Marianne Pletscher 1986 |
Mariella Mehr, geb. 1947 in Zürich (Schweiz) als Tochter einer Jenischen (Zigeunerin -OD). — Kinderheime, Pflegefamilie, Erziehungsanstalten und schwere, psychiatrische Eingriffe kennzeichnen ihre Jugendzeit.
1975 beginnt Mariella Mehr zu schreiben. In verschiedenen Reportagen und Radiobeitragen setzt sie sich für Außenseiter — Zigeuner, Kinder, Frauen, Frauenhäftlinge und Psychiatriepatienten — ein. Mit ungezügelter Energie und Sachkenntnis nutzt sie ihre gewaltigen sprachlichen Mittel für die Opfer dieser Gesellschaft und gegen die Mächtigen, die diese Opfer fordern.
In ihrem Roman «Steinzeit» berichtet sie vom Erleben und Erleiden ihrer Jugendzeit, einer kontinuierlichen Katastrophe aus Lieblosigkeit, Gewalt, Sadismus und bürokratischer Sturheit, aber auch von ihren hilflosen Versuchen, dagegen anzukämpfen.
«Steinzeit» ist das Dokument, das unsere mitteleuropäische Wohlstands- und angebliche Menschenrechtsgesellschaft auf schonungslose, erschütternde Weise als Sadogesellschaft entlarvt, die für nicht der diktierten Norm entsprechende Menschen nur bürokratisch gedrillte Anstalten und Institute übrig hat.
Mariella Mehrs Aussagen sind, ob sie als Reportagen, als Gedichte, Film oder Theaterstücke erscheinen, immer eindrückliche, wirksame und höchst politische Aussagen, die stets für den Menschen und gegen Macht und Gewalt agitieren. ( H. U. Ellenberger )
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dieses buch ist allen ungeliebten babys gewidmet, allen heimkindern, allen anstaltszöglingen, allen an unserer gesellschaft ver-rückt gemacht wordenen, allen stummgewordenen und all jenen, die wissen, dass nur liebe unsere zukunft rettet.
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restaurant «zur heimat». jene Sehnsucht, unsichtbar zu sein. jenseits aller grenzen die stille des todes im bauch. silvana, unauffindbar für den schmerz. angst, unverdaut wie schlechte hamburger. am schnapsglasrand ein geruch nach Verwesung.
mit einem gelben bleistift kritzle ich meine angst auf die tischplatte.
dafür wird mir die beiz gesperrt. beim hinausgehen höre ich den wirt von der theke her blaffen: kreaturen wie dich hat hitler vergast ... ich weiss, die blonde serviertochter wird auch heute um mitternacht die tische mit Schmierseife fegen, ihre hände werden rot und rissig sein. damit aber hat mein angstgekritzel nichts zu tun.die Stadt, die mich bewohnt, mich aus-nimmt, heisst zero. von den sandsteinmauern der häuser bröckelt die behäbigkeit falscher wohlanständigkeit, bröckelt traditionelle perfektion, souverän verwaltetes bürgertum. man merke sich kuppelhäuser und altstadtvillen. dort rechtet, was zum richten geboren, dort werden das dunkle überschwiegen, akten geführt, säuberlich numeriert über alles randnahe.
manchmal fällt ein stern und lächelt.
immerhin, zero gab mir zwölf jahre zeit, über silvia-silvio-silvana nachzudenken, über ihre unfreiwilligen aufenthalte in kinderheimen, erziehungsanstalten, psychiatrischen anstalten, über ihr unfreiwilliges versagen als erwachsene, über ihre angst.
gesichter beginnen sich abzuzeichnen, erst fratzenhaft, zu den gesichtern reihen sich ereignisse von absoluter tödlichkeit; geschehen in diesem seit Jahrhunderten über jeden verdacht erhabenen land, dessen bewohner sich, erzogen in einem verlogenen sozialen verständnis, allabendlich satt zur ruhe betten. weil jene schweigen, die um diese verlogenheit wissen, weil jene schweigen müssen, die man bis zur unkenntlichkeit seelisch verstümmelt hat.
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ich kann allein sein, eine über jahre dauernde unfreiwillige übung. vor zwei tagen habe ich eine therapie begonnen, die mir helfen soll, endlich leben zu lernen. seit 31 Jahren habe ich nichts anderes gemacht, als über-lebt. der preis dafür war hoch. silvana — früher silvia oder auch silvio — ist alkoholikerin, medikamentensüchtig, unfähig zur sozialen eingliederung, depressiv, verängstigt, wütend, zerstörerisch.
silvana ist schrei.
ich verbringe meine stunden in einem isolierten zimmer. winzig der raum, vorwiegend brauntöne, ein bauch voller wärme, ich nenne ihn brunos bauch. bruno ist der therapeut.
meine Wanderung zu mir selbst begann mit einem telefon an meine mutter. —
meine mutter ist zigeunerin. kaum fünf jahre alt, holte sie die polizei aus dem rotel* ihres vaters. für die hüter der sesshaften Ordnung und ihre büttel war das Zigeunerleben nicht lustig, sondern asozial und gesell-schaftsgefährdend. sie wurde einem karitativen werk überlassen, das sie bis zu ihrem 25. lebensjahr «betreute». eine amtsvormundschaft trimmte sie danach weiterhin ebenso unablässig wie erfolglos auf normen, die ihr nie gerecht werden konnten, sie erkrankte an einer paranoiden Schizophrenie und wird seit über dreissig jahren in verschiedenen psychiatrischen kliniken abwechslungsweise mit schlaf- und insulinkuren und elektroschocks dagegen behandelt. heute zählt sie zu den chronisch-kranken der klinik friedheim.
* Zigeunersprache: Wohnwagen
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dieses karitative hilfswerk ist auch für mein leben grösstenteils verantwortlich, es existiert heute nicht mehr. sein gründer, doktor eberhard sigrist, starb vor einigen jahren, seine nachfolgerin, frau wanzenried, hat inzwischen eine andere aufgäbe im sozialbereich gefunden. das hilfswerk betreute zigeunerkinder, was für viele soziale Institutionen dasselbe bedeutet, wie vaganten, bettler, arbeitsscheue und sozial verwahrloste elemente. seine gründungszeit fällt mit dem aufkommenden faschismus in europa zusammen. gewisse erscheinungen dieser sozialen praxis sind mir nur in diesem Zusammenhang verständlich. insgesamt betreute das hilfswerk über siebenhundert zigeunerkinder. diese verbrachten ihre jugendzeit in grösstenteils schlecht geführten kinderheimen, als verdingkinder bei bauern, in erziehungsanstalten, in gefängnissen und staatlichen psychiatrischen kliniken. einige hatten glück. für die meisten war es jedoch eine odyssee durch institutionen, deren aufgabe es war, die anpassung um jeden preis, auch um den preis der völligen selbstaufgabe, zu erzwingen.
etwa elfjährig, fragte ich dr. eberhard sigrist nach vater und mutter. «ach, weisst du, deine mutter ist eine arme, versoffene schlampe, dein vater ein säufer und penner.»
jetzt am telefon erfahre ich, dass meine mutter regelmässig depotspritzen bekommt, die die qualen ihres verfolgungswahns lindern sollen.
mühsam, stockend, schleppt sich das gespräch dahin. wir haben monate-, jahrelang nicht mehr miteinander gesprochen, uns auch nichts zu sagen gehabt, ich soll am 27. dezember 1947 als sturzgeburt zur welt gekommen sein.
meinen sohn habe ich vor vierzehn jahren in zero geboren. eine siebenundzwanzigstündige geburtszeit.
der geburtshelfer fluchte.
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fünfundzwanzig jahre habe ich mich wie ein berserker durch verbalität gekämpft, um der angst worte zu geben. die ersten fünf jahre blieb ich stumm, gefangen in dumpfer kontaktarmut. autismus: der welt begegnen und ihre botschaft mit schweigen erwidern.
heute sehe und fühle ich die angst. fratzenhafte gebilde, augen, glitzernde schwarze glaskugeln, augen wie saugnäpfe, sie durchdringen mich, bis es kalt und dunkel wird. dann konturen von krüppeln, von monstern, blaue kälte um diese konturen, eis. ich gebe die angst der kleinen silvia silvana der grossen. doch die mauer zwischen den beiden ist so hässlich grau wie jene, die mir hier in brunos bauch die sieht zum himmel versperrt, eine kahle brandmauer, unüberwindbar.
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ein schlafsaal, eine breite fensterfront, bäume davor. entlang den wänden zwei reihen gitterbettchen. nahe der türe liegt silvia, eine formlose masse fleisch, einsam in ihrer kontaktlosigkeit. silvia, ein paar wochen alt. man hat silvia zur intensivpflege in die Spezialabteilung des kinderspitals in rosen gebracht. zwei gesichter beugen sich über das weisse bett. zwei paar augen glitzern schwarz und bedrohlich. silvia bleibt starr, silvia wird bestraft, weil sie eine unbewegliche masse fleisch ist, unförmig, ohne gesicht. silvia nimmt bewegung wahr. es bedeutet gefahr, schmerz, wie tritte in den bauch. jemand streicht die weisse decke auf silvias körper glatt.
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Nachwort
<Steinzeiten> sind immer wieder möglich
Marianne Pletscher, September 1986
«Dadurch, dass die Jenischen sich gegenseitig stützen und sich helfen, werden sie zu einer gefährlichen Macht, an welcher die gutgemeinten Erziehungs- und Fürsorgemassnahmen der Gemeinden wirkungslos abprallen» (Zitat Dr. A. Siegfried, Leiter des Hilfswerks <Kinder der Landstrasse>, 1943).
Mariella Mehr hatte diese Stütze und Hilfe nicht, sie wurde schon als kleines Kind von ihrer Mutter getrennt. Die in Steinzeit beschriebenen «gutgemeinten Erziehungs- und Fürsorgemassnahmen» waren alles andere als wirkungslos. Trotzdem hat sie sich nach einer albtraumhaften Kindheit und nach einer schmerzhaften Phase des Erwachsenwerdens letztlich selbst geholfen.
Steinzeit ist viel mehr als ein Bericht über eine schreckliche Jugend oder ein Stück Literatur. Steinzeit war für Mariella Mehr schreiben, um zu überleben.
Sie hat das Buch 1979/80 geschrieben; seine Grundlage sind die Tagebuchnotizen, die sie während ihrer Therapie machte. Der Therapie, die, wie sie selbst sagt, ihr das Leben gerettet hat.
Als Steinzeit erschien, war die Öffentlichkeit schon seit einiger Zeit informiert über das traurige Kapitel Schweizer Geschichte, das sich <Kinder der Landstrasse> nennt. Schon 1972 hatte der <Beobachter> aufgedeckt, dass das Hilfswerk gleichen Namens während fast fünfzig Jahren, von 1926 an, über 600 Kinder ihren fahrenden Eltern weggenommen hatte, um diese umzuerziehen, sie «in gesundes Erdreich zu verpflanzen» (Siegfried). Die meisten von ihnen erlebten diese Umerziehung wie Mariella Mehr in Kinderheimen, psychiatrischen Anstalten und Gefängnissen. Sie alle haben eine <Steinzeit> erlebt.
Aufgrund der <Beobachter>-Veröffentlichungen und dem daraus folgenden Druck der Öffentlichkeit musste die Pro Juventute 1973 die Tätigkeit des Hilfswerks einstellen.
Als Steinzeit erschien, hatten sich die Betroffenen des Hilfswerks auch bereits seit 5 Jahren in der <Radgenossenschaft der Landstrasse> organisiert. Mariella Mehr selbst war bis kurz vor ihrer Therapie Sekretärin dieser Organisation der Fahrenden in der Schweiz. Trotzdem wagte sie es nicht, in Steinzeit Organisationen, Kliniken, Ärzte und Vormünder beim Namen zu nennen.
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Noch besass sie keine Akten aus jener Zeit, konnte sie sich <nur> auf ihre Erinnerungen verlassen. Wahrscheinlich ist das auch gut so: Jede Organisation und Person könnte im Buch gemeint sein; das Unvorstellbare bekommt Allgemeingültigkeit.
In den sechs Jahren seit der Erstausgabe von Steinzeit ist viel geschehen. Heute nennt Mariella Mehr Organisationen und Personen so deutlich beim Namen, schreit und brüllt sie die Namen der Verantwortlichen so laut in die Welt hinaus, dass sich viele am liebsten die Ohren zuhalten möchten, dass ihr Pro-Juventute-Verantwortliche und Politiker versteinert und scheinbar verständnislos gegenübersitzen.
Ihr Schreien und Brüllen hat gute Gründe: 1983 wurde ihre Erinnerung an ihre <Steinzeit> sozusagen amtlich bestätigt. Ein Teil ihrer Akten (rund 500 Seiten), aus ihrer und ihres Sohnes Mündel-Zeit bei der Pro Juventute, wurden ihr von anonymer Seite zugeschickt. Erst liess sie die Aktenordner liegen; der Mut fehlte ihr, ihre Vergangenheit aus der Sicht der Andern nachzulesen. Ein Jahr später schrieb sie dann als Trauerarbeit und weitere Überlebenstherapie das Theaterstück Akte M. Xenos-C. Xenos*.
Sie sagt dazu in einem Dokumentarfilm**, den ich über ihr Leben und das Stück gedreht habe: "Steinzeit habe ich für mich selbst geschrieben. Der Gedanke, dass man solche Sachen sagen und zeigen muss, damit es einer späteren Generation von Fahrenden nicht mehr geschieht, kam mir damals noch nicht. Xenos hingegen habe ich für alle Fahrenden geschrieben. Ich wollte allen eine Sprache geben, die selbst nicht darüber reden können."
Als ich die Xenos (Mehr)-Akten im Original las (Xenos ist tatsächlich der Name, den ein Dissertationsschreiber der Sippe Mehr als Pseudonym gab, «eine der bekanntesten und berüchtigsten unter den Vagantensippen», nennt er sie zudem***), begann ich noch besser als bei der Lektüre von Steinzeit zu begreifen, wieso Mariella Mehr nur noch mit Wut und Schmerz reagieren kann, wenn über das Schicksal ihrer Sippe und ihres Volkes gesprochen wird.
* Uraufgeführt im Frühling 1986, unter dem Titel <Die Kinder-der-Landstrassen-Show>,
vom Theater 1230 in Bern
** <Jenseits der Landstrasse. Mariella Mehr, ein jenisches Akten-Stück>,
Schweizer Fernsehen 1986
*** <Nomadentum und Sesshaftigkeit als psychologische und psychopathologische Verhaltensradikale>.
Med. Dissertation von Benedikt Fontana, 1968, Universität Bern
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Der Filter der möglichen Fiktion und der literarischen Sprache fällt bei diesen Akten weg; was bleibt, sind «Protokollnotizen des Unmenschen» über die langsame Ermordung der Seele eines kleinen Mädchens und einer jungen Frau. Erst als ich diese Akten von Mariella Mehr las, habe ich richtig verstanden, wieso den Jenischen die Herausgabe ihrer Akten so wichtig ist.
Der Kampf um die Akten hat die letzten Jahre geprägt: Seit Jahren verhandelt die Radgenossenschaft mit der Pro Juventute über die Herausgabe der rund 620 Dossiers, die bei dieser im Archiv liegen. Im Mai 1986 eskalierte dann der Streit: Die Pro Juventute gab bekannt, dass sie die Akten den zuständigen Kantonen zu übergeben gedenke. Damit wäre die Akteneinsicht für die Betroffenen erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht worden. Unter grossem Einsatz erreichten die Jenischen schliesslich, dass die Akten vorläufig vom Bund versiegelt wurden. Sie verlangen jetzt, dass sie von einer Stiftung verwaltet werden, die dann Akteneinsicht und -Herausgabe regeln soll.
Einer Stiftung, die sich zudem endlich mit der bisher vernachlässigten Wiedergutmachung des an den Jenischen verübten Unrechts beschäftigen muss. Die Angst vor einer Wiedergutmachungspflicht ist es übrigens, welche die Pro Juventute daran hindert, sich bei den Jenischen für die fünfzig Jahre Umerziehungsversuche mit ethnozid-ähnlichen Auswirkungen zu entschuldigen. Sie hat bisher lediglich «bedauert», was passiert ist. Eine grossc Genugtuung bereitete es den Jenischen deshalb, als sich Bundespräsident Alphons Egli im Juni 1986 vor dem Parlament bei den Jenischen für die Fehler der Vergangenheit entschuldigte.
Das genügt nicht. Noch immer kennen viele von der systematischen Familienzerstörung betroffene Jenische ihre Angehörigen nicht, können sie nur aufgrund der Akten kennenlernen. Mariella Mehr hat erst vor wenigen Wochen ihre Tante kennengelernt, eine Frau mit einem Schicksal, das noch schrecklicher tönt als das ihrige. Familienzusammenführungen sind das mindeste, was Behörden und Pro Juventute den Fahrenden schulden.
Im Gegensatz zu Steinzeit arbeitet Xenos nicht nur mit persönlichen Erfahrungen, sondern auch mit Zitaten Dritter über die Jenischen. So z.B. A. Siegfried, Gründer und langjähriger Leiter des Hilfswerks <Kinder der Landstrasse>: «Wir müssen sagen, dass schon viel erreicht ist, wenn diese Leute keine Familie gründen, sich nicht mehr hemmungslos fortpflanzen und neue Generationen verwahrloster und anormaler Kinder auf die Welt stellen werden».
Die Schriften A. Siegfrieds und einige Dissertationen, die alle die Jenischen als in ihrer grossen Mehrheit psychopatisch, triebhaft, debil, erbbiologisch schwer belastet usw. bezeichnen und die Sterilisation als «Lösung» diskutieren, machen die Angst der Fahrenden verständlich, dass das, was ihnen passiert ist, wieder geschehen könnte. Fast wäre schliesslich der kulturelle Völkermord, fast wäre die Ausrottung dieser ethnischen Minderheit gelungen: Heute gibt es noch rund 5000 Jenische in der Schweiz, welche fahren. In den zwanziger Jahren waren es rund 20.000. Im Gegensatz zu früher sind sie heute selbstbewusster geworden, stehen zu ihrer Kultur und ihren <andern> Gewohnheiten. Doch ihre Angst bleibt.
Wir sollten diese Angst mit ihnen teilen. Steinzeit und Xenos sind nicht nur die Geschichte der Mariella Mehr. Sie sind die Geschichte des Umgangs aller Mehrheiten mit allen Minderheiten, die Geschichte des Umgangs von Macht mit Ohnmacht. Und wer nicht glaubt, dass es wieder passieren könnte, soll daran denken, wie wir heute schon im Namen des Gesetzes und der Menschlichkeit mit Tamilen, Türken, Fixern und Punks umgehen.
«In eugenischer und kriminalpolizeilicher Hinsicht möchten wir deshalb die Sterilisation einzelner, schwer erkrankter Landfahrertypen befürworten», schrieb der Schweizer Jurist R. Waltisbühl 1944 in seiner Dissertation*. Mariella Mehrs Mutter wird in ihren Akten als eine solche, schwer erkrankte Type bezeichnet. Wäre der Rat zur Sterilisation in ihrem Fall befolgt worden, gäbe es heute keine Mariella Mehr, wäre Steinzeit nicht geschrieben worden.
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Marianne Pletscher, September 1986
* R. Waltisbühl: <Die Bekämpfung des Landstreicher- und Landfahrertums in der Schweiz.> Jur. Dissertation, Universität Zürich 1944
die autorin dankt der erziehungsdirektion des kantons bern und der Stiftung pro helvetia für die Unterstützung der arbeit an diesem buch.
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