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3. Der Instinkt reicht nicht aus - die Evolution zum Bewußtsein 

 

 

Evolution zum Bewußtsein

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Die menschliche Freiheit, nach der die letzten Sätze des vorangehenden Kapitels fragten, schien bisher ein philosophisches, ein humanistisch-ethisches Problem. Damit lag es bei aller traditionellen Hochachtung für die Philosophie im Schatten mächtiger Handlungsbereiche des sozialen Lebens, die unbehindert von solcher Reflexion sich vollziehen. 

Die Erkenntnisse der Naturforschung in diesen Jahrzehnten haben die Fragestellung aber überraschend und jetzt viel unausweichlicher aktualisiert. Da den Naturwissenschaften mit ihrem unmittelbaren Bezug auf Lebensfragen in unserer Gesellschaft die führende Rolle zugefallen ist, setzen sich ihre Konzeptionen ungleich direkter in gesellschaftliches Bewußtsein um; oder, vorsichtiger ausgedrückt, sie beunruhigen dieses Bewußtsein stärker, weil die enthaltene Problematik zugleich anschaulich mit den Vitalfragen verknüpft ist.

Für die Naturforschung, besonders die Evolutionslehre, wird aber die im Menschen verwirklichte Fähigkeit zur bewußten, selbstentscheidenden Existenz deshalb so bedeutungsvoll, weil sich in ihr eine neue Stufe der Fortentwicklung des Lebendigen markiert. Wahrscheinlich ist es keine Überspitzung, wenn man sagt, daß alte theologische Definitionen vom Menschen als Ebenbild Gottes im Bezugsrahmen naturwissenschaftlicher Theorien eine neue Formulierung erfahren, in den Fragen nach Freiheit und Verantwortung ebenfalls enthalten sind. Sehr im Unterschied zu platten Auslegungen des Evolutionsgedankens um die Jahrhundertwende mit primitiv mechanistischen Vorstellungsmodellen zeigte sich jetzt ein ganz anderes Bild. 

Nachdem durch biologische Modifikationen eine bewußte Weltorientierung bei gleichzeitiger Entbindung von erbgenetisch fixierten Verhaltenszwängen ermöglicht war, konnte dem auf der funktionellen Seite nur entsprechen, daß dieser bewußten Weltorientierung eben die große Last der Entscheidung, der Verhaltenssteuerung zufiel. Damit verschärfte sich bei genauer Betrachtung die Verantwortlichkeit in einem konsequenten, geschichtlich


 

 

 


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