16. Die Zukunft liegt in den Sternen
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Vor mehr als 350 Jahren schrieb Johannes Kepler, der Schöpfer der modernen Himmelsphysik, sein Buch Der Traum vom Mond. Darin schlug er vor, man solle eine Raumfahrt zum Mond unternehmen, um herauszufinden, ob unser Erdtrabant bewohnt sei. Kepler prophezeite: "Schafft Segel, um das Weltall zu durchfahren, und es wird Menschen geben, die sich vor den weiten Öden nicht fürchten". Im letzten Jahrhundert beschrieb Jules Verne eine phantastische Mondreise. Als der amerikanische Präsident John F. Kennedy am 25. Mai 1961 ein Raumfahrtprogramm ankündigte, mit dem "vor Ablauf dieses Jahrzehnts Menschen auf dem Mond" landen und sicher zur Erde zurückgebracht werden sollten, da hielten das selbst unter den Spezialisten nur wenige für möglich. Am 21. Juli 1969 setzte der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond. Wenn wir uns in das Jahr 2050 begeben, um an einem Flug zum Planeten Mars teilzunehmen, ist das also kein übertriebenes Wagnis.
Eine Reise zum Mars
Wir starten von einem normalen Flugplatz mit einer Maschine, die einem heutigen Düsenjet gleicht. Der Jet bringt uns jedoch nicht nach Paris oder Washington; er trägt uns innerhalb von wenigen Minuten aus der Atmosphäre hinaus in eine Erdumlaufbahn. Während der Fahrt übertragen verschiedene Kameras direkt Bilder der sich entfernenden Erde auf große Videoschirme im Fahrgastraum. Auf zugeschalteten Monitoren kann man erfahren, welches Wetter in den gerade gezeigten Regionen der Erde ist und die neuesten Nachrichten von dort erfahren. Die Fahrt ist sehr kurzweilig, und ehe wir uns versehen, erreichen wir die Raumstation, einen riesigen Weltraumbahnhof, von dem aus planetare Raumschiffe starten.
Nach einem kurzen Anlegemanöver befinden wir uns in einer großen Halle. Nach der rasanten Fahrt des Jets kommt es uns hier trotz der Geschäftigkeit, wie wir sie von heutigen Bahnhöfen kennen, sehr ruhig vor. Die Raumstation besteht aus zwei riesigen "Bahnsteigen", die mit einem kilometerlangen Stahlseil verbunden sind und um den gemeinsamen Mittelpunkt rotieren. Wir spüren genau wie auf der Erde eine Schwerkraft von einem g nach unten, das heißt, wir haben jetzt wieder unser normales irdisches Gewicht. In Wirklichkeit gibt es kein Unten und Oben, unser Kopf zeigt immer in Richtung des Drehpunktes der Station und unsere Füße nach außen. Das merken wir jedoch nur, wenn wir durch eine der großen Luken die Erde, die Sonne oder den Mond rasch vorbeiziehen sehen.
Nach kurzer Wartezeit können wir an Bord des großen interplanetaren Raumschiffs gehen, welches uns zum Mars bringen wird. Die Passagierkabine ist etwa so groß wie ein achtstöckiges Haus und bietet allen Komfort eines früheren Ozeandampfers der Luxusklasse. Trotz seiner Größe ist die Kabine nur der kleinste Teil des Raumschiffs, dessen Motoren mit Kernfusionsenergie angetrieben werden. Sehr schnell erreicht das Raumschiff eine Beschleunigung von einem Sechstel der Erdschwere. Wir fühlen uns also genauso wie bei einem Aufenthalt auf dem Mond. Das ist den meisten Passagieren wohlbekannt, denn zum Mond gibt es billige Wochenendausflüge, die bei Kindern besonders beliebt sind.
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Als Passagiere des interplanetaren Raumschiffs merken wir nicht, daß unsere Geschwindigkeit immer größer wird. Der Kapitän informiert über Bordlautsprecher, daß auf unserer Route die Höchstgeschwindigkeit 345.000 Kilometer pro Stunde betragen wird und daß wir für die Fahrt zum etwa 80 Millionen Kilometer entfernten Mars nur fünf Tage benötigen werden. Genau nach der halben Flugstrecke dreht sich das Raumschiff um 180 Grad, und die Motoren bremsen das Raumschiff genauso stark ab, wie sie bis dahin beschleunigt haben. Auch dieses Manöver ist an Bord kaum zu spüren, es wird jedoch mit einer großen Party gefeiert, und Passagiere, die zum ersten Mal einen planetarischen Raumflug mitmachen, erhalten bei dieser Gelegenheit von der Raumfahrtgesellschaft eine kleine Anstecknadel mit den Daten des Raumschiffs.
Bei der Ankunft auf dem Mars steigen wir wieder in einem Weltraumbahnhof um und erreichen nach einem rasanten Landeanflug Kepleriana, die erste und größte Stadt auf dem Mars. Sie wurde nach dem Forscher benannt, der mit Hilfe seiner neuen Theorie über die Marsbahn die moderne Himmelsphysik entwickelte. Es gibt fünf Städte auf dem Mars, in denen fast eine halbe Million Menschen permanent wohnen. Die zweitgrößte Stadt ist Galileo-City und zwei weitere Städte sind im fortgeschrittenen Planungsstadium; die eine soll nach Olaf Römer [1644-1710;deto], die andere nach Albert Einstein benannt werden.
Die Städte auf dem Mars sehen aus wie wabenförmig aneinandergelagerte Kuppeln. In der Mitte ist eine große Zentralkuppel, von der spiralförmig nach allen Himmelsrichtungen verschiedene Reihen kleinerer Kuppeln ausgehen. Die gesamte Infrastruktur, der Verkehr und die Versorgung, sowie der Großteil der Produktionsanlagen liegen unterhalb der Oberfläche. Schon beim Landeanflug erkennen wir, daß in einem ringförmigen Bereich um das Zentrum die Kuppeln mit besonders vielen Fenstern ausgestattet sind. Aus ihrem Innern schimmert es grün; es sind große Gewächshäuser, in denen die Nahrung für die Stadt gezogen wird. Die anderen Kuppeln haben weniger Fenster, die über ein komplexes Steuersystem geöffnet und geschlossen werden, um in den Gebäuden optimale klimatische Bedingungen zu schaffen. Es wäre natürlich interessant, sich gleich zu einem Stadtbummel durch das Zentrum von Kepleriana aufzumachen, doch wir wollen unseren Ausflug hier beenden.
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Die wirklichen Probleme der Erde
War dieser Ausflug ein reines Hirngespinst, oder werden unsere Enkel und Urenkel im Jahre 2050 tatsächlich derartiges erleben? Ganz sicher, so ähnlich wird es sein, wenn sich die Menschheit in der Zwischenzeit nicht durch eigene Dummheit zugrunderichtet. Das kann man mit großer Gewißheit sagen, denn nachdem die Menschheit die letzten Winkel der Erde erkundet und fast alle Erdteile besiedelt hat, nachdem sie die Technik entwickelt hat, sich von der Erde selbst zu entfernen und den nächstgelegenen Himmelskörper, den Mond, bereits betreten hat, stellt sich nun eine konkrete Aufgabe: die Erforschung und Besiedelung der Planeten des Sonnensystems. Das nächste große und realisierbare Ziel ist der Mars. Ein Marsprogramm wird genau die Technologien und Wirtschaftsimpulse hervorbringen, die wir dringend zur Lösung der Probleme auf der Erde brauchen.
Die schlimmsten Auswirkungen hatte das Nullwachstumsdenken in den letzten drei Jahrzehnten auf Forschung und Wissenschaft. In dieser Zeit ist zwar sehr viel in der Wissenschaft geschehen, aber waren die neuen Entdeckungen und Entwicklungen wirklich relevant, haben sie eine Bedeutung für die Zukunft der Menschheit? Bei genauerem Hinsehen stellt man ernüchtert fest: Wir waren sehr erfolgreich bei der Beantwortung irrelevanter Fragen! Das ist ein hartes Urteil, aber entscheiden Sie selbst. Zur Zeit der Mondflüge war es unvorstellbar, daß ein Wissenschaftler Hunger und Elend in Afrika als unabänderlich hingenommen hätte: "Wenn wir einen Menschen auf den Mond bringen können und gesund wieder zurück, dann können wir auch die Probleme auf der Erde lösen."
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So hat man damals gedacht. Was ist die Reaktion der Mehrzahl der Wissenschaftler, wenn sie heute auf das gleiche Problem angesprochen werden? Es wird von "Überbevölkerung" gesprochen, von "unlösbaren politischen Problemen", von der "Gefahr, die Fehler der Industriestaaten zu wiederholen", oder es wird sogar gesagt, daß die Menschen in der Dritten Welt "besser heute als morgen verhungern" sollen. Wenn das eine "neue" Erkenntnis sein soll, dann kommt sie jedenfalls nicht daher, daß man klüger geworden ist, sondern nur unmoralischer als vor dreißig Jahren.
Nur wenn sich das wissenschaftliche Denken daran orientiert, die technologischen Voraussetzungen zu schaffen, mit denen die Welt so entwickelt werden kann, daß jeder Mensch leben und sein schöpferisches Potential entfalten kann, dann und nur dann stellt die Wissenschaft die relevanten Fragen, dann und nur dann sind die Ergebnisse der Wissenschaft zu etwas nutze. Fehlt diese Orientierung, dann wird auch die erfolgreichste Beschäftigung mit Grundlagenwissenschaften, mit Schadstoffdetektoren, mit mathematischen Wirtschaftstheorien, mit Biofallen für Borkenkäfer oder mit Windrädern wertlos.
Wo die relevanten Fragen liegen, das tritt ganz deutlich zu Tage, wenn man sich zwischen 5 und 10 Milliarden Menschen auf der Erde vorstellt, die einen Lebensstandard haben, wie er etwa Mitte der sechziger Jahre hier in der Bundesrepublik bestand; wenn man sich vorstellt, was es weltweit bedeuten würde, die gesamte südliche Welthalbkugel innerhalb einer Generation aus dem Nichts aufzubauen, wie es hier in der Bundesrepublik nach dem Weltkrieg geschehen ist. Dann treten erst die wirklichen wissenschaftlichen Herausforderungen zutage, welche die Nullwachstumsideologie heute aus den Köpfen der Wissenschaftler vertreibt und vernebelt.
Wirkliche Herausforderungen sind die Verdreifachung bis Verfünffachung der Energieerzeugung, die Begrünung von Wüsten, die technologische Erschließung der Meere, um den heutigen Fischfang durch gezielte Meeresbewirtschaftung zu ersetzen, usw.
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Wer sich diesen Herausforderungen ernsthaft stellt, der sieht, daß genau die Fragen zu lösen sind, die bei einem Projekt zur Besiedlung des Planeten Mars anstehen. Wir brauchen ein großes Ziel, eine Orientierung, womit das Denken heraus aus den beklemmenden Niederungen der Nullwachstumsideologie gezogen wird und sich zur wirklichen Verantwortung für zukünftige Generationen erheben kann. Die Raumfahrt kann uns dieses Ziel "kostenlos" geben. Wir brauchen ein Marsprojekt, um das zu beschleunigen, was ohnehin für die Entwicklung der Erde getan werden muß. Wer für die Erde technologische Stagnation, malthusianisches Nullwachstum und wirtschaftliche Auszehrung plant, dem erscheint das Marsprojekt natürlich als etwas, das nur "Extrakosten" hervorruft.
Wer die Menschen der Welt wirklich entwickeln will, der erkennt die Raumfahrt als große Hilfe. Drei Jahrzehnte Nullwachstumsideologie haben uns heute vor die konkrete Wahl gestellt: Entweder gewinnen wir den Mars und die Erde, oder wir verlieren die Erde!
Menschliche Zukunft
In tausend Jahren, was werden dann die Kinder dieser Welt von uns wissen, was werden sie Erwähnenswertes über unsere Generation in der Schule lernen? Wie schön wäre es, wenn sie mit funkelnden Augen sagen würden: "Damals ist die Menschheit zum ersten Mal in den Weltraum vorgedrungen. Damals hat der erste Mensch den Mond betreten und dabei stolz gesagt: ,Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für die Menschheit!' Damals begann der Aufbruch in die Neue Welt." Sie würden dann vielleicht sogar die in ihren elektro-optischen Videogeräten gespeicherten Bilder der Saturnrakete und der Mondfähre
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betrachten und mit großer Ortskenntnis die ersten Landegebiete auf dem Mond bezeichnen, welche sie gerade im Heimatkunde-Unterricht gelernt hätten. Wenn die Menschheit in einem Jahrtausend noch leben wird, dann wird das ganz bestimmt so sein, denn mit dem Maßstab der Jahrtausende gemessen, haben wir sonst nichts Wichtiges vollbracht.
In Jahrmillionen und Jahrmilliarden, was wird dann sein? Wir wissen, daß die Sonne wie jeder andere Stern vergehen wird. In einer unvorstellbar fernen Zukunft, jedoch sicher irgendwann in einer endlichen, meßbaren Zeit, wird die Sonne bei ihrem Untergang die Erde für alles Leben unbewohnbar machen. Wird dann alles, was die Menschheit erschuf, mit unserem Heimatplaneten vergehen, oder wird sich dann das Leben und die schöpferische Intelligenz des Menschen hinaus in die Weiten des Universums verbreitet haben, um andere Planetensysteme zu beleben und zu entwickeln?
Wieviele reden heute von der Zukunft, von "unserem Planeten Erde", den wir "zukünftigen Generationen erhalten" müssen? Und wie wenige stellen sich diese Frage wirklich ernsthaft und konsequent! Unser Planet Erde kann gar nicht erhalten werden wie er ist, er hat sich selbst nie im gleichen Zustand erhalten. Spätestens seitdem das Leben die Photosynthese erfunden hat, seitdem für die Entwicklung auf der Erde die von außen einströmende Energie des Sonnenlichtes entscheidend wurde, spätestens seit dieser Zeit hat sich ,,unser Planet Erde" auf eine Entwicklungslinie begeben, welche eine ,,offene Welt" voraussetzt. Für unseren Planeten Erde gibt es kein Zurück mehr in einen abgeschlossenen Zustand. Und genauso, wie jedes Kind strebt, aus seinem Laufstall herauszukommen, und als junger Mensch aus seiner Heimatstadt strebt, um die Welt zu erforschen und zu erobern, genauso wird dieser offene Lebensprozeß im Universum keine endgültige Grenze akzeptieren.
Die Menschheit wird zuerst das Planetensystem der Sonne erforschen und erobern, um dann, so unvorstellbar das heute sein mag, zu anderen Planetensystemen vorzudringen. Als Begründung dafür, warum man zum Mars, zum Saturn, zu neuen Welten aufbricht, wird man genau das angeben, was Sir Edmund Hillary zur Antwort gab, als man ihn fragte, warum er den Mount Everest bestiegen habe. Er hat den höchsten Berg der Welt erklommen, "weil es ihn gab!"
Wie klein ist unser Leben heute zwischen Büroschränken und Ladentheken geworden, daß wir uns dieses Streben fast nicht mehr vorstellen können! Und dennoch ist es zutiefst mit dem Menschsein verbunden. Es gehört ganz allgemein zum Wesen des Lebens, denn wie sonst wäre die Beharrlichkeit zu erklären, mit der das Leben danach strebt, jedes Fleckchen der Erde, so unwirtlich es auch sein mag, zu erobern, Besitz davon zu ergreifen und es dann auf seine Weise zu verwandeln.
Eine Gattung nach der anderen, eine Tier- und Pflanzenart nach der anderen entwickelte sich und baute auf dem Lebensprozeß der Vergangenheit auf, um neue Bereiche zu erobern. So kam das Leben aus dem Meer, so eroberte es Kontinente, Wüsten und die Pole. Mit dem vernunftbegabten Menschen gelang dem Leben auf unserem Planeten etwas ganz Besonderes. Der Mensch kann das, wozu ansonsten neue Gattungen nötig waren, als Gattung tun, indem er sein soziales Verhalten ändert und neue Technologien erfindet und so bestehende Existenzgrenzen überwindet. Mit dem Menschen kann die Natur ihren Lebensprozeß äußerst ökonomisch fortsetzen und sich die Entwicklung vieler Gattungen ersparen. Der Mensch kann den Lebensprozeß auch über Grenzen hinaustragen, die jeder anderen Gattung als unüberwindlich gegenüberstehen: Er kann den Weltraum überwinden.
Ende
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deto-2019: Keine Literaturangaben am Buchende.
Reklame im Buch
FUSION - die Zeitschrift des Fusions-Energie-Forums
Als einzige deutschsprachige Zeitschrift berichtet FUSION regelmäßig und allgemeinverständlich über die jüngsten Entwicklungen aus dem Bereich der Kernfusionsforschung. Bekannt ist die Zeitschrift FUSION auch dafür, daß sie den Tiraden der Kernkraftgegner und Umweltschützer Tatsachen entgegenstellt. Beispiele:
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FUSION
Zeitschrift des Fusions-Energie-Forums (FEF) e.V. erscheint vierteljährlich Jahresabonnement DM 40,-
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