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6.  Das Ende der Welt  

 

 

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Zur gleichen Zeit aber beten und fasten die wahren Christen auf den öden Höhen um Jericho. Doch am Abend des vierten Tages machten sich im Schutze der Dunkelheit Professor Pauli und neun seiner Gefährten, auf Eseln und von einem Gefährt begleitet, nach Jerusalem auf. Auf Seitenwegen umgingen sie den Charam-esch-Scherif und gelangten so unbemerkt vor den Eingang der Auferstehungskirche, wo die Leichen des Papstes Petrus und des Vaters Johannes auf der Straße ausgestellt lagen. 

Zu dieser Stunde war die Straße menschenleer, denn die ganze Stadt hatte sich zum Charam-esch-Scherif begeben. Die Soldaten, die die Leichen bewachen sollten, lagen in tiefem Schlaf. Als Pauli und seine Gefährten an die Leichen herantraten, stellten sie verwundert fest, daß diese nicht in Verwesung übergegangen, ja, sogar nicht einmal erkaltet waren. Man hob sie auf Tragbahren, bedeckte sie mit mitgebrachten Tüchern und kehrte auf denselben Umwegen zu den Brüdern zurück.

Kaum aber hatten sie dort die Bahren auf die Erde abgestellt, als die beiden Toten wieder zum Leben erwachten, sich bewegten und bemüht waren, die Tücher abzustreifen, in die man sie gehüllt hatte. Alle suchten ihnen unter Freudenrufen zu helfen, und bald standen die beiden vom Tode Erweckten frisch und gesund vor ihnen.

Der greise Vater Johannes sprach als erster die folgenden Worte: 

"Nun seht doch, ihr Kindlein, so haben wir uns also gar nicht verlassen. Höret aber, was ich euch jetzt zu sagen habe: Die Stunde ist da, um das letzte Gebot Christi an seine Jünger zu erfüllen: daß sie eins sein möchten, wie Er und der Vater eins sind. Um dieser Einsicht in Christo willen, laßt uns jetzt, Kindlein, unseren geliebten Bruder Petrus ehren: Er soll zuletzt noch die Lämmer Christi weiden. Brüder, so soll es sein!" 

Und er umarmte Petrus. — Da trat auch Professor Pauli auf den Papst zu und bekannte: "Tu es, Petrus. — Jetzt ist es ja gründlich erwiesen und außer jedem Zweifel!"

Er drückte ihm mit seiner Rechten fest die Hand, die Linke aber reichte er dem Vater Johannes mit den Worten: "So also, Väterchen — nun sind wir ja eins in Christo!" So vollzog sich hier, in dieser finsteren Nacht und auf dieser einsamen Höhe, die Wiedervereinigung zur Einen Kirche. 

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Doch plötzlich wurde die Nacht von einem strahlenden Lichte erhellt und am Himmelszelt erschien ein großes Zeichen: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, unter ihren Füßen die Mondsichel und auf ihrem Haupte einen Kranz von zwölf Sternen. Die Erscheinung blieb einige Augenblicke stehen, dann zog sie langsam nach Süden. Da erhob Papst Petrus seinen Hirtenstab und rief aus: "Dies sei unser Banner! Laßt uns ihm folgen!" 

Begleitet von den beiden Ältesten und gefolgt von der Schar der Christen, ging er der Erscheinung nach, dem Berge Gottes zu, nach dem Sinai.

Nachdem die geistigen Führer und Vertreter der Christenheit in die Arabische Wüste gegangen waren, wohin dann aus allen Ländern Scharen gläubiger Bekenner der Wahrheit ihnen folgten, konnte der falsche Papst Apollonius durch seine Wunder und Zaubereien ungehindert alle übrigen oberflächlichen Christen, die sich noch nicht über der Antichristen ernüchtert hatten, verderben. 

Er erklärte, er habe kraft seiner Schlüsselgewalt die Pforten zwischen dem Diesseits und dem Jenseits geöffnet, und tatsächlich wurde der Umgang von Lebenden mit Toten, sogar zwischen Menschen und Dämonen, ein alltägliches Schauspiel. Alsbald entwickelten sich daraus neue unerhörte mystische und dämonische Ausschweifungen.

Kaum jedoch glaubte der Imperator, sich nun auch auf religiösem Gebiet sicher fühlen zu dürfen, als er sich unter den drängenden Einflüsterungen jener geheimnisvollen "väterlichen" Stimme zur einzigen und wahrhaften Verkörperung der höchsten Weltgottheit erklärte.

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In diesem Augenblick brach ein neues Unheil über ihn herein, und zwar von einer Seite, von der es niemand erwartet hätte: Die Juden erhoben sich gegen den Imperator.

Dieses Volk, das nunmehr die Zahl von dreißig Millionen erreicht hatte, war an der Vorgeschichte sowie an der Festigung des Welterfolges dieses Übermenschen nicht ganz unbeteiligt. Als der Imperator in Jerusalem seine Residenz aufschlug, hatte er unter den Juden das Gerücht verbreiten lassen, es sei sein letztes Ziel, auf der ganzen Erde die Herrschaft Israels aufzurichten. Von diesen Einflüsterungen bewogen, hatten die Juden ihn als Messias anerkannt und ihm ihre begeisterten und grenzenlosen Huldigungen dargebracht.

Plötzlich aber erhoben sie sich zornentbrannt und riefen zur Rache auf. Diese völlige und so unerwartete Umkehr ist jedoch in der Heiligen Schrift voraus­gesagt und durch die Überlieferung wach gehalten worden. Sie wurde durch die zufällige Entdeckung ausgelöst, daß der Imperator, den die Juden bis dahin für einen reinblütigen und treuen Israeliten gehalten hatten, nicht einmal beschnitten war. Noch am gleichen Tage flammte der Aufstand in Jerusalem auf und hatte schon vierundzwanzig Stunden später ganz Palästina erfaßt. Die unbegrenzte und glühende Hingabe an den Retter Israels, den verheißenen Messias, verkehrte sich in einen ebenso grenzenlosen wie glühenden Haß gegen den arglistigen Betrüger und frechen Emporkömmling.

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Ganz Israel erhob sich wie ein Mann und seine Feinde sahen mit Staunen, daß die Seele Israels im Letzten nicht von den Berechnungen und Begierden des Mammons bestimmt wurde, sondern von der Kraft eines aufrichtigen Herzens, von der Hoffnung und vom Zorn seines uralten Messiasglaubens.

Der Imperator hatte einen so plötzlichen Ausbruch der Leidenschaften nicht erwartet und verlor seine Selbst­beherrschung. Er erließ einen Befehl, der alle aufrührerischen Juden und Christen zum Tode verurteilte. Viele Tausende, ja Zehntausende, die nicht mehr zu den Waffen greifen konnten, wurden ohne Erbarmen getötet. Doch schon nach kurzer Zeit bemächtigte sich ein Millionen­heer von Juden der Stadt Jerusalem und schloß den Antichrist im Charam-esch-Scherif ein. 

Dieser hatte nur einen Teil seiner Garde zur Verfügung, die außerstande war, die Überzahl der Feinde abzuwehren. Doch mit Hilfe der Zauberkünste seines Papstes gelang es dem Imperator, durch die Linien der Belagerer zu entfliehen, und schon bald war er wieder in Syrien als Befehlshaber einer großen Armee von Heiden aller Völker und Rassen.

Trotz ihrer geringen Siegesaussichten traten ihm die Juden entschlossen entgegen. Doch kaum waren die Vorhuten beider Armeen aufeinandergestoßen, als ein furchtbares Beben die Erde erschütterte.

Unter dem Toten Meer, an dessen Ufern das Heer des Imperators Aufstellung genommen hatte, öffnete sich der Krater eines ungeheuren Vulkans. Glühende Lavafluten stiegen auf und flossen zu einem einzigen Flammenmeer zusammen. Es verschlang den Imperator, sein zahlloses Heer und auch seinen unzertrennlichen Begleiter, den Papst Apollonius, dem nun alle magischen Künste nicht mehr helfen konnten.  

Die Juden aber flohen nach Jerusalem und riefen in Furcht und Zittern den Gott Israels um Rettung an. Als die heilige Stadt schon vor ihren Blicken lag, spaltete ein gewaltiger Blitz den Himmel von Osten nach Westen. Sie sahen Christus. Bekleidet mit den Insignien der Allmacht, mit ausgebreiteten Händen, auf denen die Wundmale der Nägel leuchteten, schritt er auf sie zu.

In dieser Zeit zog auch die Schar der Christen vom Sinai hinauf nach Zion, geführt von Petrus, Johannes und Paulus. Von allen Seiten strömten ihnen jauchzende Scharen zu: Das waren jene Juden und Christen, die der Antichrist hatte töten lassen. Sie waren auferstanden und herrschten mit Christus tausend Jahre.

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E n d e  

 

 

 

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