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Atatürk – Republik
und Reformen
Mustafa Kemal
Pascha organisierte ab dem 19. Mai 1919 den politischen und
militärischen Widerstand gegen diese Pläne. Besonders heftig waren ab
1920 die Kämpfe mit Griechenland. Der Krieg endete am 9. September 1922
mit der Rückeroberung Izmirs.
Nach der Einstellung der Kampfhandlungen
kam es zu ethnischen Säuberungen in Griechenland und der Türkei, dabei
wurden „Türken“ von griechischem Territorium und „Griechen“ von
türkischem Territorium vertrieben, wobei die Griechen in Istanbul und
die Muslime in Westthrakien davon ausgenommen waren.
Nach dem Sieg der Türkei wurden am 24. Juli 1923 mit dem Vertrag von
Lausanne die Bestimmungen des Vertrages von Sèvres revidiert. Mit dem
Vertrag wurden die bis heute gültigen Grenzen des neuen Staates
völkerrechtlich anerkannt. Gleichzeitig wurde die wechselseitige
Vertreibung der Minderheiten legalisiert.
Nachdem alle
ausländischen Militäreinheiten Anatolien verließen, rief Mustafa Kemal
Pascha am 29. Oktober 1923 die Republik aus.
Im Laufe seiner Amtszeit führte Mustafa Kemal Pascha tiefgreifende
Reformen im politischen und gesellschaftlichen System durch, welche die
Türkei in einen modernen, säkularen und europäisch orientierten Staat
verwandeln sollten. Die Leitlinien seiner Politik werden heute unter dem
Begriff Kemalismus zusammengefasst.
Unter anderem wurde im Jahre 1922 das Sultanat abgeschafft und am 3.
März 1924 folgte die Abschaffung des Kalifats. Im selben Jahr schaffte
die Türkei die Scharia ab, 1925 wurden im Zuge einer umfassenden
Kleiderreform (Hutgesetz) der Fes verboten und die Koedukation
eingeführt. Die einflussreichen islamischen Bruderschaften wurden
verboten. 1926 wurde die islamische Zeitrechnung durch den
Gregorianischen Kalender ersetzt sowie das metrische System eingeführt.
Letzteres galt für staatliche Einrichtungen schon seit 1871.
In den folgenden Jahren wurden ganze Rechtssysteme aus europäischen
Ländern übernommen und den türkischen Verhältnissen angepasst. 1926
wurde zunächst das Schweizer Zivilrecht – und damit die Einehe mit der
Gleichstellung von Mann und Frau – übernommen (Die Gleichstellung der
Geschlechter gelang im täglichen Leben allerdings nur teilweise). Es
folgten das deutsche Handelsrecht und das italienische Strafrecht. 1928
wurde die Säkularisierung ausgerufen und im selben Jahr die arabische
Schrift durch die lateinische ersetzt (siehe Buchstabenrevolution).
Auf lokaler Ebene erhielten Frauen am 3. April 1930 das aktive und
passive Wahlrecht.[74][75] Die nationalen Wahlen von 1934 waren die
ersten auf nationaler Ebene, an denen Frauen teilnehmen durften.[75][76]
Seit 1934 konnten Frauen in die Große Nationalversammlung gewählt
werden.[77] Martin nennt hierfür als Datum den 5. Dezember 1934.[78][76]
1935 saßen erstmals Frauen im Parlament. Es war eine Gruppe von 18 (nach
Martin: 17), von Atatürk handverlesenen Frauen.[79][80] Dies entsprach
4,5 Prozent der Abgeordneten und war die höchste Zahl weiblicher
Abgeordneter in Europa zur damaligen Zeit.[75] Die Türkei war damals ein
Einparteien-Staat, sodass es keinen Wettbewerb zwischen verschiedenen
Parteien bei der Wahl gab.[79]
1930 wurde das Familiennamensgesetz verabschiedet, wobei Mustafa Kemal
Pascha von der Nationalversammlung den Namen Atatürk (Vater der Türken)
erhielt. Nur wenige der Reformen – etwa Atatürks Initiative, den
Gebetsruf statt auf Arabisch nur noch auf Türkisch zu tätigen – wurden
(nach seinem Tode) zurückgenommen, da man es nicht ganz durchführen und
kontrollieren konnte.
Nachdem Atatürk am 10. November 1938 starb, wurde sein enger Weggefährte
Ismet Inönü zweiter türkischer Staatspräsident. Inönü war bestrebt, die
Modernisierung der Türkei fortzuführen und die außenpolitische
Neutralität beizubehalten.
Der zwischen Syrien und der Türkei
umstrittene Küstenabschnitt Sandschak Alexandrette wurde 1938
übergangsweise zur Republik Hatay, die Mandatsmächte Frankreich und
Vereinigtes Königreich stimmten 1939 einem Anschluss an die Türkei zu,
um sich im heraufziehenden Konflikt mit Deutschland der Neutralität der
Türkei zu versichern. |