Joseph Vogl

Der Informationskapitalismus

 

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Joseph Vogl: „Kapital und Ressentiment“ - Wie man Hass zu Geld macht - 38:50 Minuten

Neue Machtverhältnisse: Digitalkonzerne wie Google und Facebook eignen sich quasi-staatliche Funktionen an, beobachtet Joseph Vogl.

Moderation: Simone Miller · 14.03.2021

Geld, Macht und Einfluss konzentrieren sich immer stärker in den Händen weniger Internet- und Finanzkonzerne: Sie gefährdeten die Demokratie, warnt der Publizist Joseph Vogl, indem sie aus Feindseligkeiten systematisch Kapital schlagen.

Die globalen Finanzmärkte sind in den vergangenen Jahrzehnten geradezu explodiert. Inzwischen ist die Summe der Geldanlagen, die dort pro Jahr investiert werden, etwa dreimal so hoch wie die aller anderen Umsätze weltweit. Gleichzeitig übersteigen Privatvermögen die Einnahmen öffentlicher Haushalte um ein Vielfaches. So beträgt das private Vermögen der Europäerinnen und Europäer seit der Jahrtausendwende das Vier- bis Sechsfache dessen, was die Gesellschaften des Kontinents im Jahr erwirtschaften.

Wachsende Ungleichheit durch Boom der Finanzmärkte

Gestützt auf volkswirtschaftliche Bilanzen dieser Art, zeichnet der Berliner Literaturwissenschaftler und Philosoph Joseph Vogl in seinem Buch „Kapital und Ressentiment“ ein besorgniserregendes Bild unserer Gegenwart.

Dass immer mehr Einkünfte mit Geldanlagen erzielt werden, während der Ertrag von Lohnarbeit insgesamt abnimmt, führe zu einer „Spreizung von niederen und hohen Einkommen“, so Vogl. Denn wer wirklich gute Einnahmen erwirtschaften will, braucht Kapital, das sich vermehren lässt.
Ungleichheiten verschärfen sich daher noch. Die „Aufwärtsmobilität“ in der Gesellschaft nehme ab, sagt Vogl, und es komme zu einer „Hyperkonzentration“ von Vermögen: „Die reichsten 45 Haushalte in Deutschland haben so viel Vermögen wie die unteren 50 Prozent.“

Allianz von Digital- und Geldwirtschaft
Einen wesentlichen Grund für den rasanten Anstieg globaler Finanzgeschäfte sieht Vogl in der Entwicklung des Internets und entsprechender Computersprachen und Algorithmen, die es erlauben, das Verhalten von Markt-Akteuren in Echtzeit zu erfassen. Zwischen Finanzmärkten und Kommunikationstechnologien bestehe ein „Verwandtschaftsverhältnis“, dessen Vorgeschichte bis an die Schwelle vom Mittelalter zur frühen Neuzeit zurückreiche.
Die entscheidende Frage lautete stets: Wie lassen sich Zukünfte beherrschen? Doch während Postreiter, Brieftauben, Presse und Informationsdienste oder die Telegrafie allenfalls gewisse Vorsprünge an Zeit und Informationen verschafften, können Finanztransaktionen heute dank digitaler Netzwerke in Echtzeit ausgeführt und beobachtet werden.

Ein immenser Anstieg von Spekulationsgeschäften war die Folge. Denn nun ließen sich, gestützt auf eine gewaltige, ständig aktualisierte Datenbasis, Wetten auf das Wettverhalten anderer Marktteilnehmer abschließen.
Diese enorme Verheißung der Informationstechnologie brachte aus Vogls Sicht einen selbstverstärkenden Effekt mit sich und beschleunigte sowohl den Ausbau des Internets beziehungsweise seiner Vorläufer als auch das Anwachsen der Finanzmärkte.

Angriff auf die Kontrollinstanz der Zentralbanken
Die Verschmelzung von Finanz- und Digitalwirtschaft zu einer weltumspannenden Informationsökonomie hat nach Vogls Einschätzung weitrechende Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft. Die Ansammlung enormer Datenvorräte über das Verhalten ihrer Nutzerinnen und Nutzer versetze Google, Facebook und andere große Internetkonzerne in die Lage, quasi-staatliche Funktionen zu übernehmen.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Versuch, den staatlichen Zentralbanken ihre Hoheit über die Geldpolitik zu nehmen und stattdessen Finanz- und Digital-Märkte über die Geldschöpfung entscheiden zu lassen. Ein solches Projekt verfolgt etwa Facebook derzeit mit der Digitalwährung „Diem“. Das Unternehmen will das ursprünglich unter dem Namen „Libra“ entwickelte Cybergeld zu einem globalen Zahlungsmittel machen. Es wäre ein Schritt von einem regierungsgesteuerten zu einem marktgesteuerten Finanzsystem, sagt Joseph Vogl.

Geschäftsmäßige Förderung von Feindseligkeiten
Und auch auf politischer Ebene sieht er Anzeichen dafür, dass die Machtverhältnisse kippen, indem Internetkonzerne auch dem sozialen Miteinander und der gesellschaftlichen Willensbildung ihre eigenen, marktgetriebenen Spielregeln aufdrücken: Da die Funktionslogik der sozialen Medien Zuspitzung, Aufregung und Konfrontation belohne, wirke sie einer konstruktiven Verständigung und Vermittlung zwischen unterschiedlichen Interessen, auf die eine funktionierende Demokratie angewiesen sei, direkt entgegen.

Vogl nennt dieses Geschäftsmodell eine „Bewirtschaftung von Ressentiments“ und stellt klar: „Es kann ein sozial produktives, ein politisch demokratisches soziales Netzwerk nicht unter der Bedingung seiner radikalen Vermarktung geben.“ Wenn Politik und traditionelle Kontrollinstanzen der Wirtschaft noch weiter an Einfluss verlieren sollten, blieben Demokratie und Gemeinwohl auf der Strecke.
Die Verhärtung von Nationalismen und das Erstarken von Autokratien, auch in Europa bestärkten ihn in dieser Sorge, sagt Vogl, wenn auch „verbunden mit der vagen Hoffnung, widerlegt zu werden.“
(fka)

 

 

 

 

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