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DER SPIEGEL 9/1951 vom 28.02.1951, Seite 29

MENSCHENÜBERSCHUSS / WISSENSCHAFT

Gespenst der Hungersnöte

Die Geschichte unserer Zukunft ist bereits geschrieben", behauptet William Vogt, Leiter der "Abteilung für Bodenschutz" der Panamerikanischen Union. Er stellt folgende Tatsachen nebeneinander:

  • Der wirtschaftlich nutzbare Teil der Erdoberfläche schrumpft, weil die Ackerkrume rasch zerstört wird. Auf die Dauer wird die Erde nicht, wie heute, 2,5 Milliarden Menschen ernähren können.

  • Die Zahl der Erdbewohner nimmt jährlich um 20 Millionen zu und wird sich innerhalb eines Jahrhunderts verdoppelt haben.

Der Amerikaner ist überzeugt, daß nicht erst seine Ur-Ur-Enkel diese Entwicklung zu spüren bekommen. Er rechnet nur einige Jahrzehnte voraus und prophezeit, das Gespenst der Hungersnöte werde noch zu Lebzeiten der jetzt Zwanzig- und Dreißigjährigen umgehen. "Die Menschheit befindet sich in einer Zwangslage, ebenso eng wie ein um zwei Nummern zu kleines Paar Schuhe."

Auf allen Äckern der Welt ist die Erosion (Auswaschung) des Bodens mehr oder minder stark festzustellen. Der Regen schwemmt die fruchtbare Ackerschicht mit erdgeschichtlicher Stetigkeit fort. Das die Berge hinabfließende Wasser reißt Erdkrümchen mit sich und trägt wertvollen Humus ab. Zwar sind die Ackerflächen in den letzten Jahrhunderten immer mehr vergrößert worden, aber bestelltes Land unterliegt der Erosion viel eher als unbeackerte Erde. "Die Menschheit hat von Wechseln auf die Zukunft gelebt. Jetzt werden die Wechsel in der ganzen Welt fällig", warnt Vogt. "Wir können die Begleichung nicht mehr lange aufschieben."

Die Amerikaner tun seit 1935 (die Europäer schon länger) ihr möglichstes, diese Wechsel trotzdem prolongieren zu lassen. Durch einzelne landwirtschaftliche Maßnahmen, wie durch Pflügen entlang den Berghängen, kann die Bodenerosion aufgehalten werden. Vogts Bestseller "Road to Survival" (in deutscher Uebersetzung "Die Erde rächt sich"), hat vor zwei Jahren die Behörden und Farmer mobil gemacht. Ihre Maßnahmen hatten Erfolg. Heute bringt die "Dust Bowl" des Mittelwestens, die amerikanische "Streusandbüchse", wieder mehr Weizen hervor als vor Beginn der Boden-Auswaschung.

 

Professor Julian Huxley, der Generalsekretär der UNESCO, ist zuversichtlich: "Das Problem der Bodenerosion ist sicherlich zu lösen." Er glaubt sogar, daß die Landwirtschaft Ernten und Milcherträge in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln und verdreifachen kann. Huxley fürchtet eher ein anderes Problem: Das unheimliche Gesetz, nach dem die Zahl der Menschen anschwillt, die vom Ertrag der Aecker leben wollen. Der Professor hat errechnet, daß die jährliche Bevölkerungszunahme der Erde fast gleichbleibend ein Prozent beträgt.

Bei insgesamt 2,5 Milliarden Erdbewohnern ermittelte Huxley eine tägliche Zunahme von 70 000 Menschen. "Man stelle sich vor: 365 neue Mittelstädte in jedem Jahr - Montag: Wittenberg, Dienstag: Hildesheim, Mittwoch: Bamberg und so weiter, an jedem der 365 Tage des Jahres.

Es sind auch keine Anzeichen vorhanden, daß der Geburtenüberschuß von einem Kind pro Jahr auf je hundert Erdbewohner merklich unterschritten werden sollte. In hundert Jahren wird sich die Einwohnerschaft der Erde verdoppelt haben. Da aber auch die 70 000 "zusätzlichen" Kinder eines jeden Tages später einmal Nachkommen haben werden, trägt das Kapital der Menschheit außer ein Prozent Zinsen auch noch Zinseszinsen. Sie wirken sich besonders katastrophal aus: Huxley rechnet für das Jahr 2150 mit 18 Milliarden Menschen, für 2250 mit 45 Milliarden und für 2350 mit 135 Milliarden Menschen.

Julian Huxley setzt damit lediglich die Rechnung des britischen Gelehrten Thomas Robert Malthus fort. Der Engländer starb vor 117 Jahren. Seitdem ist die Erdbevölkerung auf mehr als das Doppelte angewachsen.

Malthus hatte recht: die Zahl der Menschen nimmt ungefähr nach dem Maßstab zu, den er angegeben hatte. Nur mit einer Prognose hatte er unrecht - die von ihm prophezeiten Folgen, Hungersnöte, Seuchen und Kriege aus nackter Existenznot, sind nicht eingetreten. Jedenfalls nicht, weil die Erde nicht mehr imstande wäre, ihre Bewohner zu ernähren. Im Gegenteil: Die Welt hatte vor dem zweiten Weltkrieg einen Nahrungsmittelüberschuß wie nie zuvor. Malthus hat die Fruchtbarkeit der Menschen richtig beurteilt, aber die Fruchtbarkeit der Erde hat er unterschätzt.

"Ist die Erde jetzt unfruchtbarer geworden?" fragt William Vogt. "Die Ernteerträge zeigen rückläufige Tendenz." Einen ähnlichen Rückgang meldeten die Statistiken schon zu Malthus' Lebzeiten (gestorben 1834). Der Präsident der Vereinigten Staaten bekam 1858 eine Denkschrift: Wo im Staate New York 80 Jahre früher 25 bis 30 Bushel Weizen geerntet wurden, ist der Ertrag auf 12 Bushel gesunken. Auf Ohios jungfräulichem Boden beträgt er weniger als 12 und ist im Abnehmen begriffen. "Alle Leute, die Baumwolle und Tabak bauen, leben von ihrem Kapital. Sie verkaufen ihren fruchtbaren Boden in ihren Produkten zu einem so niedrigen Preis, daß sie mit jedem Dollar den Wert von fünf zerstören." Mit diesem Kapital war der Mineralstoffgehalt des Bodens gemeint, der durch die intensive Landwirtschaft stark gemindert wurde.

Man nehme Atombomben.  

Aber zur gleichen Zeit, in der dieses Memorandum verfaßt wurde, stellt Justus von Liebig in München einen Dünger mit den wasserlöslichen Mineralien her, die er als lebenswichtig für das Pflanzenwachstum erkannt hatte. Mit Liebigs Kunstdünger wurden dem Ackerboden alle Stoffe wiedergegeben, die ihm die geernteten Pflanzen entzogen hatten. Seitdem sind die Ernten verdreifacht worden. Die drohende Nahrungsmittelnot war gebannt.

Das 20. Jahrhundert hat noch keine neuen Rezepte vom Format der Liebigschen Arbeit gefunden. Nach Ansicht des britischen Forschers Sir John Russell ist das auch nicht nötig. "Nur etwa 5 bis 10 Prozent der Bodenfläche der Erde werden zur Zeit bis zum äußersten zur Erzeugung von Lebensmitteln ausgenutzt. Die restlichen 90 Prozent enthalten unausgeschöpfte Reserven." Huxley widerspricht: Die traurigen Wüsten des Hochlandes von Mexiko, die Sandflächen Mittelamerikas, die Wüstengürtel Asiens und die trostlose Sahara würden niemals einen Getreidehalm hervorbringen.

Der Franzose Frederic Joliot, Schwiegersohn der Madame Curie und Pionier der Atomphysik, ist jedoch überzeugt, daß die Oberfläche der Erde durch Kernenergie umgestaltet werden könnte. Ein anderer Franzose, Jean Cabrerets, ist mit einem exakt durchgearbeiteten Bewässerungsplan für die Sahara hervorgetreten. Sein Rezept: "Man nehme einige Atombomben."

Die Luft über der Sahara ist oft mit Dunstwolken überzogen, die sich aber nicht genügend verdichten, um Regen zu spenden. Da müßte man "wie mit dem Daumen nachhelfen", meint Cabrerets. Radioaktive Ausstrahlungen von Atombomben-Explosionen könnten die Nebelkerne bilden, um die sich schwere Wolken verdichten. Gleichzeitig sollten durch andere Bomben die Gebirgsstöcke zwischen dem Mittelmeer und den Binnenseen gesprengt werden. Cabrerets sieht bereits die Sandberge unter der tropischen Sonne grünen.

Die Geburtenfreudigkeit der Menschen.  

Vor vierzig Jahren beschäftigten sich ernsthafte Wissenschaftler nicht mit derartigen Problemen. Nach damaliger Auffassung wurde der Bevölkerungsüberschuß durch menschenmordende Kriege abgeschöpft. Das war ein Fehlschluß: Die Bilanz des "Massenschlachtens" im zweiten Weltkrieg:

Fazit: Ferngeschütze, Fliegerbomben, Luftminen, V-Raketen, Gaskammern und Atombomben mußten vor der Geburtenfreudigkeit der Menschen kapitulieren. Einzelne Völker wurden biologisch schwer getroffen, aber die Vermehrung der Menschen war nicht aufzuhalten.

Die Ernährungskatastrophen aber, die dem zweiten Weltkrieg folgten, waren ein Paradefall für den befürchteten Zeitpunkt, an dem die Erde ihre Bewohner nicht mehr ernähren kann. "Wegen der damaligen drückenden Notzeit" gab auch Professor Thomas Scharnagel von der Bayerischen Landessaatzuchtanstalt in Weihenstephan dem ungarischen Flüchtling Georg von Szebeny eine Chance. Szebeny kam mit einem phantastischen Projekt: Zwei Ernten sollten jährlich in Deutschland reifen. Solche Pläne werden den Experten der Landwirtschaft ebenso oft vorgelegt wie den Physikern Vorschläge zum Perpetuum mobile.

Scharnagel glaubte nicht an das Gelingen des Experimentes. Nur der Hungersommer veranlaßte ihn, dem Ungarn im Juli 1946 einige Beete abzutreten, auf denen gerade Braugerste geerntet worden war.

Unter den Augen der Bierprofessoren von Weihenstephan darf Georg von Szebeny am 5. Juli seine Experimente beginnen. Mit "etwas Skepsis, aber doch mit Interesse und Wohlwollen" verfolgen sie die Versuche. Szebeny hat alle Pflanzen - Zuckerrüben, Tomaten, Paprika, Tabak, Bohnen, Sonnenblumen und Mais - vorher in Erdtöpfen heranwachsen lassen.

 

Das hat er in seiner Heimat bei den Melonenzüchter - Bauern vom Komitat Heves gesehen. Wenn sie ihre Melonen frühzeitig ernten und zu höheren Preisen verkaufen wollen, ziehen sie die Pflanzen in Erdtöpfen vor. Auf Szebenys Beeten kann wirklich noch vor Frostbeginn geerntet werden, obwohl Hagelunwetter dazwischenfahren.

Seine Erfolge sind 1947 noch eindeutiger. Szebeny geht davon aus, daß Wintergetreide in der zweiten Julihälfte geerntet werden kann. Dann liegen die Aecker brach oder werden mit minderwertigen Stoppelfrüchten bestellt. Anspruchsvolle Pflanzen wie Mais und Sonnenblumen werden unter normalen Verhältnissen im deutschen Klima nicht mehr reif. Vom Keimen bis zur Ernte haben sie eine Vegetationszeit von etwa hundert Tagen. 30 Tage Ackerzeit spart Szebeny ein. Beim Auspflanzen sind Sonnenblumen schon 35, Mais schon 25 Zentimeter hoch.

Der Sommer 1946 war ungewöhnlich naß und kühl, der Sommer 1947 überdurchschnittlich heiß und trocken. Trotzdem reiften die Früchte. Heute empfiehlt Professor Thomas Scharnagel die Methode des Ungarn Szebeny: "Damit sehe ich auch in den Trockengebieten Deutschlands eine günstige Möglichkeit, dieses Anbauverfahren anzuwenden."

Zaubermittel Hormon.  

Zwei Ernten im Jahr sind in Deutschland keine Utopie mehr. Die Topfzucht erfordert natürlich mehr Arbeit, aber sie ist rentabel. Die "Töpfe" sind in Wirklichkeit nur Würfel aus Erde, Moorboden und Mist, nicht etwa tönerne Blumentöpfe. Sie werden nach dem Lineal auf einem Beet am Rande des Ackers ausgestochen und können später mit Maschinen verpflanzt werden. Das Verfahren nutzt die Kraft des Ackers voll aus. Die Kritiker der Szebeny-Methode glauben jedoch nicht, daß der Boden einer solchen Ueberbeanspruchung gewachsen ist.

Professor Eduard von Boguslawski, der Direktor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung in Gießen, teilt diese Bedenken nicht. "Wir fördern zweite Ernten, gerade um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen." Er erklärt den scheinbaren Widerspruch mit wenigen Worten: "Die Erde ist wie ein hungriger Magen. Sie nährt nicht nur die Pflanzen, sondern profitiert auch selbst von den organischen Rückständen, die nach der Ernte im Boden bleiben: Wurzeln, Stiele, Kraut und Stoppeln, die untergepflügt werden können. Bei abwechslungsreicher Fruchtfolge und genügend mineralischem Dünger kann ein Acker nicht ermüden. Er bringt gern und willig zwei Ernten im Jahr hervor. Daß sie normalerweise nicht reif werden, liegt am langsamen Wachstum in unserem Klima."

Mit Blühhormon.  

"Schnellere" Pflanzen glaubten die Botaniker schon vor 20 Jahren mit dem "Zaubermittel" Hormon züchten zu können. 1931 hielt der Utrechter Professor Kögl 200 Milligramm pflanzliches Wuchshormon (Auxin) in seinem Reagenzglas und rechnete aus, daß er mit dieser Menge zehn Milliarden Haferkörner schneller keimen lassen könnte. Die Wirkung ist aber nicht auf alle Pflanzen gleich. Als 1937 in der gläsernen Galerie über dem Torbogen der Frankfurter Universität Keimlinge des Hafers und der Kornrade mit der gleichen Wuchsstoffpaste bestrichen wurden, reagierten beide Samen ganz verschieden. Der Hafer wurde im Keimen gefördert, die Kornrade gehemmt.

Aehnliche Erfahrungen machten Professor Kraus und seine Mitarbeiter im botanischen Institut der Universität von Chikago vier Jahre später. Sie prüften einige chemisch erzeugte Wuchsstoffe. Eine dieser Substanzen, die 2,4 Dichlorphenoxydessigsäure, kurz 2,4 D genannt, ist für das Getreide fast unwirksam, regt aber die meisten Ackerunkräuter zu Wuchsorgien an. Die überschüssige Wachstumskraft wirkt tödlich. Deswegen wird das Hormonpräparat 2,4 D heute in vielen Ländern zur Unkrautvertilgung benutzt. Vom Unkraut befreit, kann die Kulturfrucht um 20 bis 50 Prozent bessere Erträge liefern.

Mit diesem praktischen Ergebnis ist die Hormonforschung dennoch in eine Sackgasse geraten. Seit der Entdeckung des Auxin glaubten die Botaniker, das Wuchshormon müsse auch einen Gegenspieler haben, ein Blühhormon. Es bekam den Namen Florigen, aber es wurde bisher nicht gefunden. Der Name ist bis heute das einzige geblieben, was die Forscher vom Blühhormon wissen.

Nach ausgedehnten Experimenten sind selbst Optimisten wie der Limburger Professor Laibach inzwischen skeptisch geworden: "Daß es überhaupt ein Blühhormon gibt, ist unwahrscheinlich." Der Professor sieht Hoffnungen zerrinnen, die führende Botaniker und Landwirte noch vor einigen Jahren hegten. Danach wären die Pflanzen mit versprühten Wuchshormonen zu rascherem Wachsen angeregt worden. Wäre nun im richtigen Augenblick Blühhormon ausgestreut worden, so hätten sich Blüte und Fruchtansatz steuern lassen. Schnellwüchsige, frühreife Pflanzen wären das Ergebnis. Der Sommer würde dann in Deutschland für zwei Fruchtfolgen ohne Topfkultur und Umpflanzung reichen. Wenn es ein Blühhormon gibt ...

Mit Sonnenenergie.  

Professor von Boguslawski ist überzeugt, daß die Landwirtschaft noch greifbare Reserven hat. Darunter: Züchtung und Anbau leistungsfähigerer Pflanzen.

Boguslawski ist einer der Pioniere für Pflanzen, die mehr Kalorien und hochwertigere Nährstoffe bringen. Sonnenblumen, Ölkürbis, Ölrettich und Senf - alles Fettpflanzen, hat er in den letzten Sommern gezüchtet. Fett liefert 9,3 Kalorien pro Gramm, Eiweiß und Kohlehydrate nur 4,1. "Allein mit landwirtschaftlichen Mitteln könnten die Ernten der Welt die zehnfache Anzahl der heute lebenden Erdbewohner speisen. Auf Jahrhunderte hinaus ist die Übervölkerung kein Grund zum Hungern."

25 Milliarden Menschen, zehnmal so viel wie heute, wird die Erde nach Huxley im Jahre 2180 haben. Dann aber sei nicht nur der Stand der landwirtschaftlichen Forschung fortgeschritten, geben die Bodenforscher zu bedenken, sondern auch die heute noch als "utopisch" verschrienen Projekte könnten bis dahin entwicklungsreif sein. Zu diesen "utopischen Projekten" gehört die Ausnutzung der Sonnenenergie zur Erzeugung von Nahrungsmitteln im Laboratorium.

"Stellen Sie sich einmal vor" - so macht der nach Kriegsende in die Vereinigten Staaten ausgewanderte Berliner Biochemiker Otto Warburg einem Laien klar, was im Innern der Pflanzen geschieht - "die Blätter nehmen Kohlensäure aus der Luft auf. Chemisch gesehen, ist Kohlensäure eine Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff. Das Sonnenlicht liefert die Energie, den Sauerstoff abzutrennen. Uebrig bleibt der Kohlenstoff in Form von Zucker. Aus dem Boden entnimmt die Pflanze nur Mineralien, die in Wasser aufgelöst sind. Um Zucker (und daraus wieder Stärke, Fett und Eiweiß) zu bereiten, wird also nicht unbedingt Ackerboden gebraucht. Für die Erzeugung von Nahrungsmitteln ist nur wichtig, daß die Sonne scheint. Solange sie da ist, können auch die Menschen genügend zu essen haben - wenn sie nur wollen."

Professor Warburg macht auf die Pflanzen aufmerksam, die von Natur nicht auf den Acker angewiesen sind. Nur der zehnte Teil des pflanzlichen Zuckers, des Ausgangsstoffes für alle anderen Nahrungsmittel, wird in Wäldern, Wiesen, Weiden und Aeckern produziert. 90 Prozent werden von den winzigen Wasserpflanzen auf der Oberfläche der Weltmeere, den Tangen und Algen, erzeugt.

An der Spitze einer großen Forschungsgruppe untersucht Warburg jetzt die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Algenanbaues. Er vergleicht: Auf einem Hektar Acker können im Jahr ungefähr 5 Tonnen Blätter, Stiele und Früchte beliebiger Nutzpflanzen geerntet werden.

Auf einem Hektar Wasserfläche hat er in der gleichen Zeit 120 Tonnen Algen geerntet. Sie enthalten bis zu 60 Prozent verwertbares Elweiß, können aber auch als Fettpflanzen mit einem Ölgehalt von 80 Prozent gezüchtet werden. Als Viehfutter und vielseitiger Rohstoff für die Industrie würden Algen- und Tangwirtschaften die Aecker entlasten. "Vielleicht wird auch der Zukunftsmensch Appetit auf Seepflanzen bekommen", meint Warburg. Er selbst mag Tanggemüse nicht.

In der amerikanischen Zeitschrift "Colliers" zeichneten die Wissenschaftler ein Bild der "Farm von Morgen": Dicke Glasrohre, die sich spiralförmig an den Küsten der Meere dahinschlängeln.

Das Arbeitsprinzip der Farm sehen sie so: Pumpstationen an der Küste saugen große Wassermengen durch Batterien von Wärme-Austauschern, die das Wasser sterilisieren. Automatische Vorrichtungen geben dann mikroskopische Pflanzen - Algen - in das sterilisierte Wasser und setzen gleichzeitig Nahrungsmittel für diese Pflanzen zu - Kohlendioxyd, Stickstoff und Magnesium. Die dicke Glasspirale schützt die Algenplantage vor Verunreinigung, setzt sie aber dem Sonnenlicht aus. Die Algen vermehren sich und produzieren Pflanzenfette und Nahrungsmittel - Butter, Proteine, Stärke und Viehfutter.

Am Ende der kilometerlangen Glasrohrleitung steht die "Ernte" - Pumpstation. Zentrifugen scheiden die Ernte vom Wasser, Fließbänder bringen die Pflanzen in große Automaten, die ihnen die verwertbaren Rohstoffe entziehen.

Warburgs Mitarbeiter Dr. Burk hat ausgerechnet, daß die Seewirtschaft mindestens zehnmal leistungsfähiger wäre als die Landwirtschaft. Selbst die 135 Milliarden Menschen, die Huxley für das Jahr 2350 erwartet, könnten dann noch nicht alle Nahrungsmittel verzehren, die sich auf der Erde - zu Lande und zu Wasser - erzeugen ließen.

 

 

Normaler Geburtenüberschuß in sechs Jahren

120 Millionen

Tote durch Kriegseinwirkungen aller Art

26 Millionen

Geburtenüberschuß

94 Millionen

 

TROTZ KRIEGEN MEHR MENSCHEN 

Jahr<
1650 0,54 Mrd. Menschen<
1800 1 Mrd.<
1940/50 2,2 Mrd.<
2000 4 Mrd.<
2050 6 Mrd.<
2100 10,5 Mrd.<
2150 18 Mrd.<
2250 45 Mrd.<
2350 135 Mrd.<