David Wallace-Wells


Die
unbewohnbare
Erde

Leben nach der
Erderwärmung


The Uninhabitable Earth.
Life After Warming.


 

ab 2017 im New-York-Magazine

2019 bei Tim-Duggan-Books

2019 bei Ludwig, München

2021 bei Heyne

David Wallace-Wells - Die unbewohnbare Erde - Leben nach der Erderwärmung -The Uninhabitable Earth.

2019     333 Seiten
264 Seiten Lauftext
676 Quellenangaben

dnb Buch   Qwant.Buch

bing Buch   goog Buch 

wikipe Buch 


wikipe Autor *1982


detopia: 

Klimabuch 

Ökobuch    W.htm 

Pearce-2007    Davis-2008 

Michael E. Mann-2016 

Schellnhuber-2015  

Buchter-2019   Guha-1993  

Hutter-2009+2018   

Ghosh-2017    Taxacher-2012 

Emmott-2013  Kolbert-2006  

Schrödl-2018  

Glaubrecht-2019

Reimer+Staud-2021 

Liebmann-1973

Friedrich-2019 

 

 

"Es ist - das verspreche ich - schlimmer als Sie denken." (D-W-W)


Widmung:  Für Risa und Rocca, für meine Mutter und meinen Vater (#2016)


Rücktext - Wenn wir nur die Spanne eines Menschenlebens brauchten, um die Welt an den Rand der Klimakatastrophe zu bringen, wie schlimm kann es dann noch in der Lebenszeit heutiger Teenager werden? David Wallace-Wells beschreibt in diesem fesselnden Lagebericht die jetzt schon weltweit spürbaren Folgen der Klimaerwärmung und zeichnet ein anschauliches Bild davon, was uns und unsere Kinder in Zukunft erwarten wird. Er macht die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels begreiflicher als jemals zuvor und zwingt uns, endlich die dunklen Wolken am Horizont ernstzunehmen. Der aufrüttelnste Klimabericht unserer Zeit, der uns schonungslos zeigt: Wir müssen handeln!


Verlagstext - Die heute schon spürbaren und die schlimmstmöglichen Folgen der Klimaerwärmung sind das Thema des Journalisten David Wallace-Wells in diesem spektakulären Report. Wie kann und wird das Leben auf der Erde in nur 40, 50, 60 Jahren aussehen? Sicher ist: Heutige Teenager und Kinder werden noch erleben, wie sich die Bedingungen für die Menschheit auf der Erde dramatisch verschlechtern, sie werden erleben, wie sie in Teilen unbewohnbar wird. Wallace-Wells macht die vielen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die Mehrheit der Menschen oft gar nicht erreichen, begreifbar, ja fühlbar. Und am Ende steht die drängende Frage: Haben wir überhaupt noch eine Chance, das Unheil abzuwenden?


wikipe  Ludwig Verlag        Buch beim Verlag - Lesen bis Seite 33 

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Inhalt

 

I   Kaskaden  (9-51)     Leseprobe-1     Leseprobe-2 

II  Elemente des Chaos  (53-163)  (110 Seiten)

Hitzetod  (55)   Hunger (66)   Ertrinken (76)   Flächenbrand (88)
Naturkatastrophen, die keine mehr sind (96)   Süßwassermangel (105)
Sterbende Meere (113)   Verpestete Luft (119)  Seuchenalarm (128)
Wirtschaftskollaps (135)  Klimakonflikte (145)  »Systeme« (152)

III  Das Klima-Kaleidoskop  (165-250)   (85 Seiten)

Erzählungen (167)   Krisenwirtschaft (184) 
Die Kirche der Technologie (199)   Konsumpolitik (215)
Geschichte jenseits des Fortschritts (228)  
Ethik am Ende der Welt  (236)

IV  Das anthropische Prinzip (251-264)  


  • Dank (265)   

  • Quellenbemerkung (269)  

  • Anmerkungen (271-335)

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detopia-2022  -  Ein besonderes Buch. Ein guter Abschluss aller Klimabücher. Ein Buch mit Höhepunkten. Es behandelt auch scheinbare Randthemen, wie die Widerspiegelung in der Öffentlichkeit. 600+ Anmerkungen, wissenschaftliche Quellen, auch mit Internetlinks. Der Autor hält einen unmoralisierenden Stil durch, auch da, wo es um Handlungsaufforderungen an den Normalbürger geht. Er weist keine Schuld zu - nicht den Kapitalisten, nicht dem Volke, nicht den Linken, nicht den Klimaforschern, nicht den Umweltschützern, nicht den Technokraten. Aber er "entläßt" auch keinen - aus der Verantwortung. Ein Höhepunkt meiner detopischen Klimabuchliste!

Perlentaucher und eine Googlesuche melden  in deutschen Massenmedien nur eine einzelne Rezension (TAZ), wenige in kleinen Medien (siehe unten) und einen Bericht zum Artikel 2017 in der Süddeutschen. Auf Amazon jedoch 222 Leserberichte. - Für mich hat das Buch auch etliche "Schwurbligkeiten", also eine gewisse Art, niemanden zu provozieren; aber das geht wohl nicht anders - nicht in Amerika,  nicht für den Massenmarkt und nicht nachdem Wallace-Wells bei der populär-fachlichen Darstellung Großes geleistet hat; und uns letztendlich den unvermeidlichen Zivilisationscrash in den kommenden Jahrzehnten belegt; das kann man nur unorthodox-journalistisch machen, zwischen den Themen hin- und her springen; ähnlich einem Singsang, der mit Reimen die ungemütliche Wahrheit am Schluss erträglich macht.

Natürlich ist die Sache insgesamt traurig, aber so ist es nun mal (wer nicht hören will, muss fühlen). Auf jeden Fall eine journalistisch-wissenschaftlich Glanzleistung. "Mehr geht nicht - journalistisch" Es gibt bis heute immer noch - auch vom großen Klimaaktivisten Michel E. Mann - Zweifel an der (aktivierenden) Nützlichkeit solcher überdeutlicher Darstellungen, samt "worst-case". Andererseits: Der "Klimawandel" ist nur ein Teilproblem (der "Artenwandel" ist ein weiteres) und deshalb ist jeder Versuch wertvoll. Und mir sehr wichtig: Da die Ökokatastrophe (oder Biokalypse) seit Jahrzehnten von der Popindustrie "ausgebeutet" wird (bsp: Crichton, Emmerich), so gibt es nunmehr absolut kein Gegenargument gegen "wissenschaftlich-journalistische Drastik".

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Hörbuch, gelesen von Mark Bremer

 

 

Heyne-Taschenbuch:

Aus Wikipedia-2019  zum Buch 

 

Prolog

Zwar werden verschiedene Aspekte der Klimakrise in den Medien häufig thematisiert, doch wie sich die Lebensumstände auf der Erde in den nächsten Jahrzehnten im Detail verändern könnten, spielt in der öffentlichen Diskussion eine eher untergeordnete Rolle.

David Wallace-Wells hat konkrete Szenarien für eine möglicherweise unerträgliche Zukunft entwickelt.

Der Autor bekennt: „Ich bin kein Umweltschützer und sehe mich nicht einmal als Naturliebhaber“.

Er wollte nicht über die wissenschaftlichen Aspekte der Erderwärmung schreiben, beispielsweise die exakten physikalischen Folgeerscheinungen der Kohlen­stoff­dioxid-Emissionen. Seine Texte beruhen jedoch auf Forschungen und Prognosen anerkannter Wissenschaftler. Daraus entwickelte der Journalist Szenarien, welche konkreten Auswirkungen die Erderhitzung auf die Biosphäre und auf menschliche Gesellschaften haben könnte.

Der Autor beschreibt die schlimmstmöglichen Folgen im Rahmen verschiedener Worst Case-Szenarien, zeigt sich jedoch optimistisch, dass die Menschheit in der Lage sein wird, die kommende Krise zu bewältigen.

Kernthesen des Artikels

Titelbild des New-York-Magazine-Artikels ist die Darstellung eines männlichen Skeletts mit Sonnenbrille. Die Resonanz auf den Artikel sprengte sämtliche Erwartungen, er wurde zum meistgelesenen Artikel dieser Publikation.

„Es ist, das verspreche ich, schlimmer als Sie denken.“ Mit diesem Satz beginnt der erste Abschnitt über die von Menschenhand geschaffene Apokalypse, die sich, so der Autor, deutlich angekündigt hat.

Er beschreibt die Probleme des Svalbard Global Seed Vault, eines weltweiten Saatgut-Tresors auf Svalbard in Norwegen, erbaut 2006 und 2007, welcher aufgrund des Klimawandels und dem Auftauen der Permafrostumgebung massive statische Probleme bekam. Er sieht das Schicksal dieser Rettungsstruktur als Metapher für das der Erde.

Er erinnert daran, dass im arktischen Permafrost 1,8 Billionen Tonnen Kohlenstoff gespeichert sind, mehr als doppelt so viel wie derzeit in der Erdatmosphäre schwebt, und wie dessen Freisetzung den Klimawandel beschleunigen kann.

Die Sprache des Autors ist klar und unmissverständlich:

„Die meisten Menschen reden, als hätten Miami und Bangladesch noch Überlebenschancen. Die meisten Wissenschaftler, mit denen ich gesprochen habe, gehen davon aus, dass wir sie innerhalb des Jahrhunderts verlieren werden, auch wenn wir im nächsten Jahrzehnt aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen.“

Doomsday steht im Englischen für den Weltuntergang, für das Jüngste Gericht. Der Spitzname des norwegischen Saatgut-Tresors war "Doomsday". Wallace-Wells zitierte weiters die Szenarien des Weltklimarats (IPCC), die im ungünstigsten Fall (repräsentativer Konzentrationspfad RCP 8.5) einen Temperaturanstieg von 2,6 bis 4,8 °C bis zum Ende des 21. Jahrhunderts veranschlagen,[4] wenn die gegenwärtigen Emissionen nicht drastisch verringert werden.

Als oberen möglichen Wert prognostiziert der IPCC bis zu acht Grad, wobei die Folgen des schmelzenden Permafrosts noch nicht eingerechnet wurden. Der Autor erinnerte weiters an das Perm-Trias-Ereignis vor rund 252 Millionen Jahren, in dessen Verlauf etwa 95 Prozent der marinen Lebensformen und 75 Prozent der Landfauna ausstarben.

Rezeption

Laut einer Rezension des Österreichischen Rundfunks bietet das Buch keine dezidierte Lösungen an. Lediglich Steuern, öffentliche Investitionen in alternative Energien und vor allem die Wahl von Regierungen mit klimafreundlichen Agenden würden hervorgehoben. Der Autor werte individuelle Konsumentscheidungen wie den Verzicht auf Plastiktrinkhalme oder auch einen veganen Lebensstil eher als Ablenkung und als Ersatz für politisches Handeln.

In einem offenen Brief lobten ihn zwar drei namhafte Akademiker für die drastisch beschriebenen Szenarien, widersprachen hingegen dem Optimismus und dem Glauben an die mögliche Rettung des Planeten.

Insbesondere seien die Perspektiven des Geoengineering zu optimistisch dargestellt. Um eine Klimakatastrophe zu vermeiden, müsse der Gesellschaft vielmehr vor Augen geführt werden, dass ein Kollaps („some kind of eco-induced societal collapse“) inzwischen nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich sei.

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Leseberichte

 

 

 

 

 

Pflichtlektüre (2019) auf Amazon

Das Buch von David Wallace-Wells ist ungeheuer wichtig.

Bereits 2017 hat er mit seinem Artikel zum gleichen Thema ("the uninhabitable earth") im New York Magazine, dessen Chefredakteur er ist, heftigste Diskussionen bei seinen nordamerikanischen Lesern ausgelöst. Daraus wurde dieses Buch, das 2019 im Frühjahr auf Englisch erschienen ist und jetzt in deutscher Übersetzung vorliegt.

Dieses Buch hat ebenfalls ungeheure "Schockwellen" bei seinen englischsprachigen Lesern ausgelöst.

Der Autor versteht es sehr gut, eine große Informationsfülle sehr verständlich zu vermitteln - mit einem sehr aktuellen Materialstand. Er macht sehr deutlich, dass der Klimawandel (richtiger: Die Klimakatastrophe) viel rascher, viel härter und viel zerstörerischer ist, alle Lebensbereiche erfasst - und auch in das Leben der "Täter" auf der Nordhalbkugel massiv eingreift.

Die Zeitspanne eines Menschenlebens (40er Jahre des 20. Jahrhunderts bis zum frühen 21. Jahrhundert) hat genügt, um den Planet irreversibel schwer zu schädigen. Der industrielle Lebensentwurf auf der Basis von Erdöl und Erdgas ist völlig unvereinbar mit dem lebendigen Planeten. Der Autor belegt, dass mehr als die Hälfte des CO2 erst in den letzten dreißig Jahren in die Atmosphäre gingen - also zu einer Zeit, als bereits völlige wissenschaftliche Klarheit über den Klimawandel bestand.

(1964 wurde die US-Regierung erstmals ausführlich darüber unterrichtet, dass die industrielle Erdöl-/Erdgas-Ökonomie rasch zu einer massiven Klimaveränderung führen wird).

Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass die Menschheit (bzw. das, was von ihr übrig bleiben wird), im 22. Jahrhundert in einem "century of hell" landen wird.

Bei einer Gesamterwärmung weit über 2 Grad (4 bis 6 Grad sind die von ihm diskutierten Szenarien) werden große Areale des Planeten unbewohnbar (60 Grad-Hitzewellen), bricht die Süßwasserversorgung zusammen, ist die industrielle Landwirtschaft in vielen Regionen nicht mehr möglich, beschleunigt sich das Artensterben in ungeheurer Weise und : Erhöht sich signifikant das menschliche Aggressions-Verhalten und seine Bereitschaft, (Nuklear-)Kriege zu führen.

Eine 4 Grad-Erwärmung hat Flucht- und Wanderbewegungen von Menschen im Bereich mehrerer 100 Millionen zur Folge.

Es ist sehr spannend, wie der Aufbruch des neuzeitlichen Menschen der letzten 500 Jahre (und die damit verbundene europäische Expansion), der mit Vernunft und Autonomie ein "irdisches Paradies" schaffen wollte, jetzt in der völligen Apokalypse enden wird.

Auch ein weitgehendes Aussterben der meisten Lebensformen wie am Ende des Perm vor 250 Mio. Jahren lässt sich nicht mehr ausschließen.

 

In den Großmedien wohl nur wenig Leseberichte - in taz, ttt und ORF. (Aber nicht im dlf/dfk)

Auf Amazon 222.

Auf prozukunft = Robert-Jungk-Biblio.

Und in Süddeutsche ein "Vorab-Lesebericht-2017"


"Ein tiefgreifendes Buch, das mich zugleich in Schrecken versetzt und mir Hoffnung für die Zukunft gibt."   wikipe  Jonathan S. Foer *1977


»Er wirft einen düsteren Blick in die Zukunft. Keine Schwarzmalerei, sondern ein Szenario, das auf streng wissenschaftlichen Studien beruht.« ― ARD, "ttt", 2019


perlentaucher  die-unbewohnbare-erde.html     notiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2019

Der amerikanische Journalist David Wallace-Wells vermittelt dem Rezensenten Stefan Reinecke schön eindrücklich, wie weit Wissen und Handeln in der Klimafrage auseinanderklaffen, wie fundamental also die Krise der Vernunft ist, die wir durchleben. Wenn Wallace-Wells ein Worst-Case-Szenario nach dem anderen ausbreitet, hält der Rezensent das für ein legitimes Mittel der schockierenden Aufklärung. Auch dass sich der Autor als All-American Boy präsentiert, der eigentlich auch am liebsten Burger isst, sich jetzt aber langsam doch Sorgen macht, findet der Rezensent okay. Nur die mutmachenden Appelle zwischendurch gehen Reinecke in ihrer Seichtheit auf die Nerven.



2019 von Radinger, Wolf-Magazin, auf Amazon

Ein Weckruf für das, was vor uns liegt
 

Ich lese das Buch während der 2. großen Hitzewelle des Sommers 2019 bei 40°C an einem schattigen Ort im Garten. Ich zähle mich damit zum glücklicheren Teil der Bevölkerung. Viele Menschen können der Hitze und ihren Folgen nicht entfliehen. Wer da noch in trumpscher Manier behauptet, es gäbe keinen Klimawandel, dem fehlt m.E. nicht nur jedes Verständnis, sondern auch der Verstand. Die Lektüre von David Wallace-Wells Buch kann vielleicht helfen, das populistische Geschrei zu entlarven und die Fakten klarzustellen.

In „Die unbewohnbare Erde“ präsentiert der Autor die neuesten Erkenntnisse und Forschungsergebnisse über die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels im 21. Jahrhundert. Ja, es ist ein Horrorszenario, das er schildert. Jedoch sind sämtliche Themen wie Waldbrände, wirtschaftlicher Zusammenbruch und Klimakonflikte sehr gut recherchiert und auf dem aktuellsten Stand.

Der Autor hat zahlreiche führende Klimawissenschaftler konsultiert, wobei er sich auf die Folgen von Temperaturerhöhungen von „nur“ 2 Grad bis 6 Grad konzentriert. Bei all seinen Szenarien bemüht er sich, nicht zu spekulieren, sondern alle Argumente mit Quellen zu untermauern. Empfehlenswert hierzu die ca. 60 Seiten „Anmerkungen“ am Ende des Buches mit weiteren Lesetipps.

Wallace-Wells legt Wert darauf, zu betonen, dass er KEIN Naturschützer ist. Kein Bäume-Umarmer, keiner von „uns“. „Ich sehe mich nicht einmal als Naturmensch, ich habe mein ganzes Leben in Städten verbracht und erfreue mich an den Apparaten, die in industriellen Lieferketten entstehen. … Ich war noch nie campen. … Ich würde nicht mit meinen eigenen Händen eine Kuh schlachten, um einen Hamburger zu essen, habe aber auch nicht vor, Veganer zu werden“, schreibt er (S. 16) mit einer gewissen, leichten Überheblichkeit, die ihn aber gleichzeitig auch authentisch macht.

Nach seinen Aussagen ist „Die unbewohnbare Erde“ kein Buch über die wissenschaftlichen Aspekte der Erderwärmung, sondern handelt vielmehr davon, wie sich diese Erderwärmung auf unser Leben hier auf diesem Planeten auswirkt – und letztendlich ob und was wir dagegen unternehmen können.

Nach Wallace-Wells steuern wir auf den Untergang zu. Schmelzender Permafrost, kalbende Gletscher, brütende Dürre, Waldbrände, Fluten. Der Autor wirft uns vor, dass niemand Klartext rede. Er tut es – und macht dem Leser eine höllische Angst. Am meisten Angst macht kann uns die Gleichgültigkeit machen, mit der ignorante Politiker auf derartige Warnungen reagieren, bzw. nicht reagieren.

Wallace-Wells übernimmt in diesem Buch zwei Aufgaben.

Erstens bringt er uns auf den neuesten Stand der Klimawissenschaften und der zuverlässigsten Prognosen über die Auswirkungen des Klimawandels. Wie er betont, glauben wir in unserer Naivität immer noch, dass der Klimawandel nur den Meeresspiegel ansteigen oder die Temperaturen hier und da ein wenig wärmer werden lässt. Jedoch ist es nicht annähernd so einfach. Fein, ich selbst wohne nicht in Küstennähe, sondern im mitten in Hessen, also könnte mir doch der Anstieg des Meeresspiegels egal sein, oder?

Aber das Problem ist vielfältiger. Niemand kann entkommen. Ja, der Meeresspiegel wird steigen, ebenso wie die Temperaturen, so dass einige Gebiete fast unbewohnbar werden. Dürren und Überschwemmungen werden in ihrer Häufigkeit und Schwere zunehmen. Waldbrände, wie in diesem und letztem Jahr in Deutschland und den USA werden an Schwere und Häufigkeit zunehmen. Stürme werden sich vermehren und stärker werden. Etablierte Krankheiten werden sich ausbreiten (Malaria, Dengue-Fieber und Zika sind bei uns angekommen). Die Ernten werden versagen und die Erträge sinken. Natürlich wird die Natur überleben, aber Tier- und Pflanzenarten und ganze Ökosysteme werden verschwinden. Die Menschen werden gezwungen sein, zu wandern, um zu überleben. Und Konflikte werden sich ausbreiten und verschärfen, von innenpolitischen Auseinandersetzungen bis hin zu Kriegen und Bürgerunruhen. Soweit das Fazit des Autors.

Vielleicht werden nun Kritiker und Leugner des Klimawandels Wallace-Wells als Panikmacher darstellen, der sich mit billigem Nervenkitzel und Fake News profilieren will. Jedoch basieren alle Informationen des Journalisten auf wissenschaftlichen Fakten und intensiver Recherche.

Und bei all den Schreckensmeldungen gibt er letztendlich die Hoffnung nicht auf und rät, wie Individuen, Gesellschaften und Nationen auf den zunehmenden Druck reagieren können, dem wir ausgesetzt sind.

Sprachlich ist der Autor genial. Er nimmt ein hoch komplexes – und reales – wissenschaftliches Thema und führt Gespräche mit dem Leser darüber. „Die unbewohnbare Erde“ ist kein „Wohlfühlbuch“, dazu ist es zu erschreckend. Aber es ist die Vorbereitung auf eine Zukunft, die ohne Zweifel kommen wird.

Ja, wir Menschen sind anpassungsfähig und vielleicht – nur vielleicht! – überleben wir die kommende „Klimakatastrophe“. Jedoch brauchen wir dazu Zeit und Ressourcen, die wir nicht haben. Außerdem ziehen wir es in unserer Selbstgefälligkeit und Verschwendung vor, die Vorzeichen zu übersehen.

Genau wie die junge Klima-Aktivistin Greta Thunberg uns immer wieder zuruft „Ich will, dass ihr Angst habt“, ist es auch das Ziel des Autors, uns zu erschrecken. Schon im ersten Satz schreibt er: „Es ist schlimm, viel schlimmer als Sie denken.“ Im Laufe des Buches bombardiert er den Leser immer wieder mit Worst-Case-Szenarien des globalen Klimawandels. Ob das tatsächlich etwas ändert, sei dahingestellt. Aber Angst ist nötig und effektiv, um die Dringlichkeit einer Situation zu demonstrieren. Bleibt zu hoffen, dass die Menschen, wenn sie das verstehen, etwas unternehmen werden. Und das wäre dann letztendlich das Positive an einer Klimakatastrophe: dass uns die drohende Vernichtung als Volk und auch als Erdenbürger wieder zusammenschweißt.

Was ich als Naturschützer vermisse, ist eine Erwähnung der anderen – nicht menschlichen – Tierarten. Der Autor konzentriert sich fast ausschließlich auf die Auswirkungen des Klimawandels auf den Menschen, eine meiner Meinung nach zu reduzierte Sicht. Denn würden sich die Ökosysteme auflösen, würden nach Schätzung von Wissenschaftlern alle 24 Stunden 150 bis 200 Arten von Pflanzen, Insekten, Vögeln und Säugetieren aussterben.

Wallace-Wells besteht darauf, dass er optimistisch sei. Was die Zukunft der Erde betrifft, so sei diese „nur düster und nicht apokalyptisch“. Ich gestehe, dass ich dies nicht so sehe.

Das Thema und die unvergleichlich kraftvolle und prosaische Schreibweise von Wallace-Wells, erinnern mich an Rachel Carsons Buch „Der stumme Frühling“, das ich gerade zum x-ten Mal lese. Es führte 1962 zum Verbot von Pestiziden in der Landwirtschaft und wurde zur Grundlage der Umweltbewegung.

Vielleicht trägt „Die unbewohnbare Erde“ in diesem Sinne dazu bei, die Treibhausgase zu verringern.

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2017 

Süddeutsche

Helfen Weltuntergangs-Szenarien dem Klimaschutz?

Dürfen Wissenschaftler die Apokalypse ausmalen, um vor der Erderwärmung zu warnen?

Kritiker von derlei "Klima-Porno" warnen: Das führt erst recht zu Resignation und Zweifeln.

Von Christopher Schrader, 20. Juli 2017

sueddeutsche.de/wissen/erderwaermung-helfen-weltuntergangs-szenarien-dem-klimaschutz-1.3592803

Der fieseste Drache der Klimaforscher hat viele Namen. Der derzeit gängigste lautet RCP8.5. Das Kürzel steht für das schlimmste anzunehmende Horrorszenario: Die Staaten der Welt stoßen genau wie in der Vergangenheit weiter Treibhausgase aus, ungehemmt und rücksichtslos. "Business as usual" nennt man das auch. Es bedeutet, dass die globale Erwärmung schon 2050 die Marke von zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit durchbricht und sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um die fünf Grad Celsius aufheizt. Zieht man alle Unwägbarkeiten in Betracht, ist es ein Szenario, mit dem man Angst und Schrecken verbreiten kann.

Aber ist das auch sinnvoll oder angemessen? Viele Wissenschaftler glauben inzwischen, dass dieser Drache gebändigt ist. Zwar räumen etliche auch ein, dass sie die im Klimaabkommen von Paris vereinbarten Ziele für unrealistisch halten.

Mathematisch, physikalisch, technisch sei es möglich, die Erwärmung langfristig auf weniger als zwei Grad zu begrenzen - politisch, wirtschaftlich und kulturell fehlten jedoch entscheidende Voraussetzungen. Ein ungebremster Klimawandel sei aber auch nicht zu erwarten, sind sie überzeugt - auch wenn sie das lieber nicht so laut sagen, um keine Ausrede für Drückeberger zu liefern. Schließlich werden erneuerbare Energien immer billiger, die weltweiten Emissionen stagnieren bereits; und Hoffnung macht auch das Pariser Klimaabkommen, an dem die meisten Staaten beim G-20-Gipfel tapfer festgehalten haben.

In diese gute Stimmung platzte jedoch in der vergangenen Woche eine Titelgeschichte des US-Magazins New York. "Die unbewohnbare Erde", hieß sie; der Autor David Wallace-Wells beschrieb darin, welche extremen Folgen des Klimawan dels Forscher für möglich - wenn auch für ziemlich unwahrscheinlich - halten. Dafür fütterte er den Drachen auch noch mit Aufputschmitteln. Er setzte nicht nur voraus, dass die Freisetzung von Treibhausgasen ungebremst weitergeht. Sondern der Klimawandel verstärke sich sogar noch, weil die Permafrostregionen der Erde auftauen und große Mengen Methan freisetzen.

"Das Ökosystem der Erde wird brodeln", heißt es im Artikel. Die Erde könne sich um sechs, acht oder gar zwölf Grad Celsius erwärmen; Naturkatastrophen würden alltäglich. Die Ozeane vergifteten sich selbst. Viele Regionen würden unbewohnbar, weil es die Menschen draußen wegen Hitze und Feuchtigkeit nicht mehr aushalten, geschweige denn arbeiten können. Die Produktion von Lebensmitteln bräche ein, die Weltwirtschaft könne auf die Hälfte schrumpfen, permanente Kriege stürzten die Völker weiter ins Elend.

Wallace-Wells stützt sich dabei auf seriöse Forscher. Doch er beschuldigt die Wissenschaft, ihre eigenen Ergebnisse weichzuspülen. Und er übt Kritik am Publikum: "Wir alle leiden an einem unglaublichen Mangel an Vorstellungsvermögen." Darum will der Journalist die Menschen aus ihrer Gleichgültigkeit aufrütteln.

Das ist ihm gelungen. Der Artikel hatte sofort gewaltige Resonanz. Das war aus zwei Gründen erstaunlich: Nicht nur, weil das Thema Klimawandel in den USA überhaupt Aufmerksamkeit erregte, just als Details eines Wahlkampf-Treffens von Donald Trumps Sohn mit einer russischen Anwältin bekannt wurden. Sondern auch, weil beißende Kritik von uner warteter Seite auf Wallace-Wells regnete. Nicht Klimawandel-Leugner meldeten sich zu Wort, die gern "alarmistische" Klima-Berichte verreißen. Stattdessen kritisierten Wissenschaftler Wallace-Wells, auch mehrere Online-Medien fielen über ihn her. Sie alle warnen üblicherweise selbst vor den Folgen der globalen Erwärmung.

Ein Forscher nannte den Artikel einen "Klima-Porno", und meinte damit wohl die ungefilterte und brutale Zurschaustellung von Extremen. Manche kritisierten sachliche Fehler: Die aus dem Permafrost drohende Gefahr sei längst nicht so dramatisch, der Zusammenhang von Klimawandel und Krieg nicht so klar - und sollte es tatsächlich zu einer globalen Rezession kommen, könne man nicht zugleich annehmen, dass die Emissionen weiter ins Unermessliche steigen. "Viel gelesen und wenig verstanden", urteilt der Max-Planck-Forscher Jochem Marotzke.

Die meisten Kritiker aber wenden sich grundsätzlich gegen Wallace-Wells' Aufrüttelungsansatz: Mit Untergangsszena rien, meinen sie, erreiche man keine Veränderung. "Die Beweise, dass der Klimawandel eine ernsthafte Herausforderung ist, sind sehr klar", schrieb etwa der prominente Klimaforscher Michael Mann von der Pennsylvania State University in der Washington Post. "Es ist nicht nötig zu übertreiben, besonders wenn das eine lähmende Geschichte von Verderben und Hoffnungslosigkeit nährt." Das Online-Medium Mashable.com zitierte Katharine Hayhoe von der Texas Tech University: "Die schlimmsten und gefährlichsten Folgen sind vermeidbar, aber dafür müssen wir verstehen, dass es auf unser Verhalten wirklich ankommt." Die Angst vor dem Untergang jedenfalls werde die Menschheit nicht motivieren.

Extreme Klima-Szenarien verleiten zum Nichtstun

Nun kann man darüber streiten, ob Journalisten mit Klimaberichterstattung überhaupt Verhaltensänderungen anstreben sollten. Allerdings wollte Wallace-Wells mit seinem Stück erklärtermaßen wachrütteln - da muss man Kritikern zu gestehen, seine Mittel infrage zu stellen. "Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass Fatalismus ein größeres Risiko für das Klima ist als Gleichgültigkeit", schrieb der Autor auf Twitter. Immerhin habe seine Geschichte eine wichtige Debatte darüber ausgelöst, wie man über die furchterregenderen Folgen der Erwärmung sprechen könne.

Zu seiner Verteidigung sagte Naomi Oreskes von der Harvard University der SZ: "Die meisten Menschen verstehen tat sächlich nicht, wie schlimm der Klimawandel wird, wenn wir so weitermachen wie bisher. Der Autor hat uns einen Dienst erwiesen, indem er die Aufmerksamkeit darauf lenkt."

Man sollte die Gesellschaft vor möglichen Risiken warnen. Aber bitte ohne Untergangsrhetorik

Die Kommunikationsforschung hingegen bestätige die Kritiker, sagt Imke Hoppe von der Universität Hamburg. Der umstrittene Film "The Day after Tomorrow", der 2004 den plötzlichen Einbruch einer Klimakatastrophe zum Spektakel machte, habe damals zwar das Problembewusstsein der Zuschauer leicht erhöht, sie aber zugleich überwältigt, weil kein Ausweg zu bleiben schien. Magazin-Artikel könnten ähnlich wirken, selbst wenn sie sich auf wissenschaftliche Ergebnisse berufen.

Oft sei sogar eine absurde Reaktion zu beobachten, sagt Hoppe. "Gerade wenn der Klimawandel als extrem bedrohlich dargestellt wird, erleben manche dies schnell als unrealistisch oder übertrieben und stellen dann die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung insgesamt in Frage."

Wenn er eine solche Verdrängung auslöst, könnte Wallace-Wells die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel nicht nur nicht befördern, sondern ihr sogar schaden. "Viele von den Wissenschaftlern, die ihm widersprochen haben, fühlen sich vermutlich um Jahre in ihrer Arbeit zurückgeworfen."

Klimaforscher sorgen sich offenbar generell um die Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit. Diese ist vor allem in den USA immer wieder angegriffen worden, zuletzt auch von Präsident Trump und Teilen seiner Regierung.

Wallace-Wells' Kritiker wollen diesmal offenbar die Debatte früh steuern, um nicht später auf Vorwürfe antworten zu müssen.

Dabei bewegt auch Wissenschaftler die Frage, wann sie mit den wahrscheinlichsten Folgen des Klimawandels argumentieren sollten, und wann mit Extremszenarien. Wenn etwa mit zunehmender Erwärmung plötzliche, radikale Veränderungen drohen, meinen manche Forscher, müsse man auch auf Extreme hinweisen, selbst wenn sie wenig wahrscheinlich sind.

Wenn etwa ab einem bestimmten Meeresspiegelanstieg plötzlich die einfache Deicherhöhung nicht mehr aus reicht, sondern auf lange Sicht ganze Städte versetzt werden müssen, dann ist es wichtig, auch diese Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. "Oder wenn es mancherorts mit ein paar Grad Erwärmung nicht einfach nur unangenehmer wird, sondern Hitze und Feuchtigkeit auf einmal die physiologischen Grenzen des Menschen überschreiten", sagt zum Beispiel Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

"In manchen Fällen sollte die Gesellschaft wissen, welche größten Schäden möglich sind, und wie wahrscheinlich sie sind", bestätigt Jochem Marotzke. "Man muss aber vermeiden, mit Katastrophenrhetorik den Eindruck zu erwecken, dass manche Gegenmaßnahmen alternativlos sind. Und Angst zu machen, erscheint mir als Mobilisierungsstrategie sowieso fragwürdig."

Wem an einer rationalen Debatte gelegen ist, der sollte sich demnach gut überlegen, welche Drachen er losschickt.

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Pro Zukunft - Das Buchmagazin für zukunftsweisende Debatten

Ausgabe: 2020-1  
prozukunft.org/buecher/die-unbewohnbare-erde 

"Die unbewohnbare Erde“ von David Wallace-Wells – stellvertretender Chefredakteur beim New-York-Magazine – ist nichts für schwache Nerven. Wallace-Wells skizziert hier nichts anderes als den Untergang unserer Zivilisation durch den menschengemachten Klimawandel.

Das Buch ist in vier Teile gegliedert: In „Kaskaden“ legt Wallace-Wells dar, wie einzelne Komponenten des Klimawandels ineinandergreifen und die Erde in letzter Konsequenz unbewohnbar machen, sollte nicht alsbald die globale Kehrtwende geschafft werden. Der Einstieg ist hart: „Es ist schlimmer, viel schlimmer als Sie denken“, erfahren die LeserInnen gleich zu Beginn (S. 11). Die Auswirkungen des Klimawandels sind überall präsent: Hurricans, Starkregen, arktische Eisschmelze, Waldbrände – aber auch politische Konsequenzen wie etwa der Bürgerkrieg in Syrien, dem jahrelange Dürren und Missernten vorausgingen. Das Ausmaß der Klimakatastrophe variiert je nach Temperaturanstieg. Bleibt bei 2 Grad die Erde noch gut bewohnbar, wenn auch mit Verlustzonen, wird es ab 4 Grad jährlich globale Nahrungsmittelkrisen geben. Vor allem wird der Klimawandel zu noch größeren sozialen Ungerechtigkeiten führen, leiden doch gerade die Ärmsten besonders stark darunter.

Im zweiten Teil des Buches werden die „Elemente des Chaos“ vorgestellt: Von einer Explosion der Anzahl der Hitzetoten über Hungersnöte, Überschwemmungen und Flächenbrände bis zu anderen ökologischen Katastrophen wie Luftverschmutzung und das Sterben der Meere lässt Wallace-Wells wenig aus. Mit Blick auf die Hitze sind wir schon jetzt mit einer kontinuierlich steigenden Zahl von Hitzetoten konfrontiert. Was auf uns zukommt, ist ein empfindliches Schrumpfen der „habitablen Zone“ auf der Erde. Vor allem Großstädte um den Äquator könnten durch den Hitzeinseleffekt schon in näherer Zukunft unbewohnbar werden. Ähnlich düster schaut das Bild bezüglich Nahrungs­mittel­produktion und -verteilung aus: Die fruchtbaren Regionen, in denen heute Getreide angebaut wird, sind hochempfindlich gegenüber steigenden Temperaturen; Ernteeinbrüche werden daher häufiger.

Nicht wesentlich optimistischer wird man, wenn Wallace-Wells sich den extremen Wetterlagen und hier vor allem dem prognostizierten Anstieg des Meeresspiegels zuwendet. Zahlreiche Millionenstädte sind durch den Anstieg des Wassers stark gefährdet, vor allem die Megalopolen in Asien. Allen Klimakrisen ist gemein, dass sie bereits bestehende Verteilungskonflikte verschärfen. Kein Wunder, dass angesichts all dessen auch die Wirtschaft leiden wird. Mittlerweile geht es nicht nur mehr um die horrenden Kosten, die der Klimawandel verursacht, es geht auch darum, dass der Klimawandel die Lebenssituation von vielen Menschen beträchtlich verschlechtern wird und damit das Wachstum einbrechen werden.

Der dritte Teil des Buches widmet sich dem „Klimakaleidoskop“ – der Tatsache, dass wir die Gefahr zwar direkt vor unseren Augen haben, doch offenbar davon so geblendet sind, dass wir nicht reagieren (vgl. S. 167). Es scheint mehr als erstaunlich, dass angesichts all der prognostizierten Katastrophen die Warnrufe der Forscher so lange ignoriert wurden. Dies änderte sich erst mit dem Weltklimabericht zu 1,5 Grad Erderwärmung des Weltklimarats, der – salopp ausgedrückt – Tacheles redete. „Die Botschaft, die er vermittelte, lautete: Ihr dürft jetzt – endlich – die Nerven verlieren.“ (S. 183; Hervorhebung im Original) Und doch tun wir das viel zu wenig – warum?

Hier verweist Wallace-Wells auf die Verhaltenspsychologie: Menschen werden ungern mit Ungewissheiten konfrontiert. Zudem haben wir die Neigung zu warten, bis andere handeln, statt dass wir es selbst tun, während wir Schwierig­keiten haben, etablierte Denk- und Verhaltensmuster aufzubrechen und Alternativen auszuprobieren. Ein besonderes Problem ist das Marktdenken, welches unsere Gesellschaft völlig durchdrungen hat:

„Es ist leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen als ein Ende des Kapitalismus“ (Fredric Jameson, S. 187).

Immer wieder betont Wallace-Wells die Rolle der Politik und des kollektiven Handelns. Ähnlich wie Naomi Klein bemerkt er, dass individuelle Konsumentscheidungen nicht ausreichen werden, um den Klimawandel zu stoppen: „Bioprodukte zu essen ist gut, aber wer das Klima retten will, sollte lieber wählen gehen“ (S. 218). Um den Klimawandel entschieden einzubremsen, bräuchte es eine neue große Erzählung jenseits des Fortschritts. Das bedeutet auch eine Abkehr vom „anthropischen Prinzip“, welches Wallace-Wells im vierten und letzten Teil des Buches erläutert: eine narzisstische Sichtweise auf den Kosmos, in der wir uns selbst eine Sonderstellung geben, ohne dass wir daraus einen guten Umgang mit der zerbrechlichen Erde ableiten.

  • "Die unbewohnbare Erde“ ist ein informatives, gut recherchiertes Buch, das uns die Wahrheit schonungslos zumutet.

  • Gleichzeitig fällt es oft schwer, den thematischen Sprüngen des Autors zu folgen. Wallace-Wells bemerkt selbst, dass sein Buch stellenweise panisch wirken mag bzw. der „Klima-Panik“-Literatur zugezählt werden kann: „Das ist in Ordnung, denn ich empfinde Panik.“ (S. 247)

  • Mitunter zeigt Wallace-Wells die Tendenz, die schlimmsten Szenarien besonders zu betonen und die weniger katastrophalen Zukunftsbilder nur kurz zu erwähnen.

  • Auch wäre das Buch ohne jenen unglücklichen Vergleich, dass der Klimawandel schlimmer als die Atombombe sei, ausgekommen (vgl. S. 262). Das ist Panikmache und es tut der Versachlichung des Themas sicherlich keinen guten Dienst.

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David Wallace-Wells - Die unbewohnbare Erde - Leben nach der Erderwärmung  - 2019