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1. Kapitel 

 Umwelt und Umweltzerstörung in vorindustrieller Zeit  

Datentafel

   Allgemeines   

13-45

Jedes Lebewesen beeinflußt die Umgebung, in der es existiert. Riffbauende Tiere, vor allem Korallen, haben vom Erdaltertum bis in die erdgeschichtliche Gegenwart in warmen Meeren das Oberflächenbild der Erde mitbestimmt (GOREAU et al. 1979). Biber errichten in fließenden Gewässern Dämme und können damit auf den Lauf von Flüssen einwirken. Ohne die großen Huftierherden hätte es wohl weniger Steppenland, Savanne und Prärie gegeben, wenn solche Grasländereien überhaupt möglich gewesen wären.

Fast alle Tierarten leben aber nur in einer speziellen ökologischen "Nische". Sie beeinflussen daher nur einen begrenzten Lebensraum. Der Mensch aber mit seinem Verstand ist ein für keinen spezifischen Lebensraum voll spezialisiertes "Mängelwesen" (GEHLEN 1957). Mag gewiß offenes Grasland die Heimat der frühen menschenähnlichen Wesen gewesen sein, so haben sich doch selbst Völker auf einfacher ökonomischer Stufe sogar extremen Territorien am Rande der großen Eiskappen wie den Regenwäldern angepaßt. Dabei sind die Menschen aber auf Werkzeug und Technik angewiesen. Der "Mensch" wurde dadurch schließlich mehr oder weniger ein "Generalist". Seine "kulturelle Evolution" entzog ihn zwar Selektionsprozessen, denen die Tiere ausgesetzt sind (FRITSCH 1990), setzte ihn aber einer eigengeschaffenen Welt mit anderen Selektionskriterien aus.

Gegenüber den Weiten des Weltalls und auch manchen irdischen Kräften gegenüber ist natürlich auch der auf Erden so mächtig erscheinende Mensch nur ein erbärmlicher Schwächling. Etwas geänderte Temperaturen, erhöhte Strahlung, Wegfall des Wassers, toxische Substanzen oder Verschwinden der Vegetation würden allem Menschenwerk ein rasches Ende bereiten. Nahezu hilflos stehen die Menschen auch den erdinneren Kräften, den Erdbeben und Vulkanen, aber auch den Tsunamis und selbst vielen exogen bedingten meteorologischen Erscheinungen gegenüber.

Daß die Natur über Jahrmillionen im Rahmen der ihr gegebenen Gesetzmäßigkeiten wirkte, daß in der Natur bestimmte Grenzwerte der verschiedensten Faktoren im allgemeinen nicht überschritten werden, hat die Existenz des Lebens überhaupt erst gesichert. Die Tatsache, daß der Mensch die verschiedensten Faktoren beeinflussen kann, befreit ihn nicht aus der Abhängigkeit von ihnen.

Hinsichtlich der Psyche des Menschen wird auf seine Zwitterstellung verwiesen. Fast instinktiv vermehrten sich die Menschen und nutzten dabei die Natur aus. Das geschieht auch bei anderen Lebewesen. Aber es gibt ausreichend Rückkoppelungen, die selbst den körperlich stärksten Lebewesen ihre Grenzen setzen. Keine Spezies der Tiere oder Pflanzen konnte die Erdoberfläche so stark beeinflussen, daß die Weiterexistenz von einer sehr großen Zahl von Lebensformen bedroht war. "Die Lebensordnung der Natur", heißt es richtig bei MIEGEL/WAHL (1993, S. 15), "ist gekennzeichnet von massenhaftem Entstehen und Vergehen, großer Fruchtbarkeit und großer Sterblichkeit".

Die Menschen, oder wenigstens ein Teil von ihnen, haben aber solche Mittel und Einflußmöglichkeiten erworben, daß sie bis zu einem gewissen Grade dieser Naturordnung entkommen und so stark auf die natürliche Umwelt einwirken konnten, daß sie großenteils eine andere wurde. Eine solche Macht müßte allerdings mit einem fast gottgleichen Verstand gelenkt werden, in wirklichem Zusammenwirken der Menschen verschiedenster Nationalität. Aber viele Menschen sind heute wie früher von ihren Trieben beherrscht und fragen zuwenig nach den Folgen ihres Tuns. 

Schon am Ende des 19. Jh.s schrieb der bedeutende deutsche Biologe ERNST HAECKEL (1834-1919) in seinem Buch "Die Welträtsel" (1899, Ausgabe 1924, S. 7), daß zwar auf der einen Seite "Technik, Industrie, Verkehr usw. ... unserem ganzen modernen Kulturleben ein völlig neues Gepräge gegeben" haben, mahnte aber zu Recht:

"Auf der anderen Seite haben wir auf wichtigen Gebieten des geistigen Lebens und der Gesellschaftsbeziehungen wenige oder gar keine Fortschritte gegen frühere Jahrhunderte auszuweisen, oft leider bedenkliche Rückschritte. Aus diesem offenkundigen Konflikt entspringt nicht nur ein unbehagliches Gefühl innerer Zerrissenheit und Unwahrheit, sondern auch die Gefahr schwerer Katastrophen auf politischem und sozialem Gebiet".

Wird die neuere Umweltproblematik einbezogen, ist diese Mahnung noch immer aktuell, ja noch bedenkenswerter als zur Zeit, als sie nieder­geschrieben wurde. Denn der Mensch hat auch die Nutzung der Erdoberfläche und der Naturprodukte in einem alle anderen Lebewesen übertreffenden Maße ausgeweitet, so daß vor allem im 20. Jh. Prozesse einsetzten, die in einer Erschöpfung und Vergiftung der Erdoberfläche bestehen.


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   Vorzeit der Menschheit  

 

Da seit der ersten spärlichen Bevölkerung der Erde mit menschenähnlichen Lebewesen schon Millionen Jahre vergangen sind, haben die Menschen auch manche Umweltveränderung miterlebt, die sie nicht beeinflußt haben. Wie stark sich die Umwelt im Laufe von Jahrtausenden ändern kann, wird deutlich, wenn man in Betracht zieht, daß Menschen einmal trockenen Fußes vom europäischen Festland nach dem heutigen Inselreich Großbritannien, ja bis nach Norwegen gelangten.

Während der Vergletscherungs­hochstände, so in der Wisconsin-Eiszeit Nordamerikas zwischen 18.000 und 16.000 v. Chr., lag der Meeresspiegel etwa 100 m tiefer als heute. Auch Sibirien und Alaska waren miteinander verbunden (AIGNER 1985). In der Bucht zwischen Marseille und Cassis entdeckte der Taucher HENRI COSQUER 1991 altsteinzeitliche Felsmalereien etwa 37 Meter unter dem Meeresspiegel in einer etliche Jahre vorher georteten Höhle. Die jüngeren Felsmalereien werden derzeit auf 12.000 v. Chr. datiert. Zur Zeit ihrer Ausmalung befand sich die Höhle allerdings auf einer Anhöhe. Der Meeresspiegel lag damals etwa 120 Meter tiefer als heute.

Seitdem die Menschen anfingen zu malen, hat sich in den Konturen von Land und Meer manches geändert. In der Natur gibt es keine Beständigkeit, sondern Wandel. Der Wandel geschieht im allgemeinen allmählich, nur bisweilen rascher. Die Verschiebung der im Naturzustand oft ohnehin verschwimmenden Grenze zwischen Land und Meer oder die Veränderung im Lauf von Flüssen sind völlig normale Vorgänge im Naturgeschehen. Es ist das Bestreben der zivilisierten und technisierten menschlichen Gesellschaften, diesen Wandlungen ein Ende zu setzen, um etwa Häfen oder Städte an Flüssen die Kontinuität zu sichern.

JENS REICH (1994, S. 48) bemerkte da sehr richtig: "Wenn wir das gegenwärtige globale Ökosystem stabilisieren wollen, dann folgen wir unseren gesellschaftlichen Zielvorstellungen und keinem geheimnisvollen Harmonie- und Bewahrungswillen der Natur". Aber dieser eher auf Stabilität ausgehende Mensch hat stets auch Veränderungen ausgelöst, auch gegen seinen Wunsch.


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Schon auf frühen Stufen seiner Entwicklung konnte der Mensch größere Territorien so beeinflussen, daß sie bald ganz anders aussahen, als sie es ohne menschliche Einwirkung getan hätten.

Die Menschen vollzogen gewaltige Veränderungen der Natur, indem sie oft über die Lebensnotwendigkeit hinaus Ressourcen nutzten und ihre Abfälle hinterließen. Dabei vermehrte sich die Zahl der Menschen bis an die Grenzen dessen, was die Natur jeweils "verkraften" konnte — und später sogar darüber hinaus.

Auf der Stufe der Jäger und Sammler konnten auf einem bestimmten Territorium viel weniger Menschen ernährt werden als bei Viehzucht und Ackerbau. Mit der Intensivierung der Landwirtschart konnten auf einer gegebenen Fläche noch mehr Menschen leben als bei extensiver Landwirtschaft. Folgen für die "Umwelt" aber gab es bei jeder Wirtschaftsweise.

Bei extensiver Viehweide und Brandrodung waren die Schädigungen nur andere als bei moderner intensiver Landwirtschaft mit Nitratüberdüngung und Pestizidanwendung.

Die Folgen der Naturnutzung waren
- Verknappung bestimmter Ressourcen zumindest in bestimmten Territorien,
- Abfälle,
- Zerstörung der Naturgegebenheiten, z.B. der Bodendecke.

Beispiele für diese Folgen finden sich schon früh in der Geschichte. Mit den Haustieren und Kulturpflanzen sowie mit den Werkzeugen traten zunehmend Dinge in die Umwelt, die ausschließlich Menschenwerk waren. Vor allem mit der Metallverwendung begann die Schaffung einer Umwelt, in der sich in der Natur nicht oder wenig vorhandenen Substanzen oder Phänomene einfinden (WEISSKOPF 1972). Es gibt in der Natur außer Spuren von Edelmetallen kaum gediegene Metalle. Schon elementares Kupfer ist kein Bestandteil der Natur.


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   Sammel- und Jagdwirtschaft ohne Ackerbau  

 

Es wird vermutet, daß der vorzeitliche Mensch am Aussterben eiszeitlicher Großsäugetiere auf der nördlichen Halbkugel nicht unbeteiligt war (MARTIN 1973, REMMERT et al. 1984, kritisch SOERGEL 1922) und auch in Südafrika vor 20.000 bis 10.000 Jahren menschliche Wesen das Aussterben etlicher großer Säugetiere zumindest beschleunigten (KLEIN 1977).

Um 15.000 v. Chr. lebten Jäger- und Sammlergruppen beispielsweise in der russisch-ukrainischen Ebene noch mit dem Mammut und anderen Großsäugetieren zusammen. Sie nutzten Mammutknochen, um Behausungen zu bauen (GLADKIH et al. 1984). Das Aussterben großer Säugetiere durch die Jagd einwandernder Menschen wird besonders für Nordamerika angenommen und PAUL S. MARTIN brachte ab der Mitte der 60er Jahre des 20. Jh. neue Beweise für die "Überjagungshypothese" (WILSON 1995c), des Zusammenhangs des Vordringens der Vorfahren der Indianer auf dem amerikanischen Doppelkontinent von Norden nach Süden und dem Verschwinden der Großsäugetiere wie Mammut, Mastodon, der ursprünglich in Amerika heimischen Pferde und der kamelartigen Säugetiere (MARTIN 1973). Auch in Australien haben die vor etwa 30.000 Jahren angelangten Aborigines einige Großsäuger vernichtet, so ein Riesenkänguruh. Vom Überjagen anderswo in späterer Zeit wird noch zu sprechen sein.

Es wurde aber auch berichtet, daß es bei Völkern Australiens verboten war, eßbare Früchte tragende Pflanzen auszuraufen und Vogelnester zu vernichten. Jungtiere wurden nicht getötet (FRIEDRICH 1915).

Große Gewässer, vielleicht periodisch von wandernden Fischschwärmen oder auch Robben aufgesucht, erlaubten Seßhaftigkeit ohne Landwirtschaft. Fischervölker gelten als die "seßhaften Jäger". Sie lebten ständig in derselben Umgebung.

An der Küste von Dänemark fanden sich Abfallhaufen aus Muschelschalen und anderen Meerestieren einer schon seßhaften mesolithischen Bevölkerung (PRICE et al. 1987). Diese in der dänischen Sprache Kokkenmodding (Kjökkenmödding) genannten vorgeschichtlichen Müllhaufen enthalten zwar nur der Natur entstammende Produkte, waren aber eben doch nicht völlig abzubauender Müll.


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Jagd- und Sammelwirtschaft erreichte in Mittel- und Nordeuropa nach der letzten Eiszeit für lange Zeit eine Höhe, die sie auch eine gewachsene Bevölkerung ernähren ließ (ZVELEBIL 1986). Sie war mehr als der primitive Vorläufer der Landwirtschaft. In Südschweden gab es zwischen 4000 und 3000 v. Chr. Gruppen, die auf die Seehundjagd spezialisiert waren und damit eine sichere Nahrungsgrundlage besaßen.

Nachdem der Mensch im Besitz des Feuers war, hat er wohl manchen Flächenbrand unbeabsichtigt oder beabsichtigt hervor­gerufen und damit, auch als Jäger und Sammler, die Umwelt beeinflußt. Daß auch einfache Völker zahlreiche Feuer unterhalten können, sah zuerst MAGALHAES an der Südspitze Süd-Amerikas, das noch heute "Feuerland" heißt. Es wird diskutiert, ob nicht sowohl die Rajasthan-Wüste in Indien als auch große Trockengebiete im Mittleren Osten, in Nord-Afrika bis zur Sahara und in Süd-Amerika schon auf Frühstufen der Menschheit durch menschlichen Einfluß zu Wüste und Steppe wurden (SAGAN et al. 1979).

 

Aber auch in der Zeit nach der Entstehung und Ausbreitung des Menschen hat sich das Klima und haben sich damit auch die Naturverhältnisse unabhängig vom Einfluß des Menschen geändert. Die letzten 10-12.000 Jahre sind im mittleren Europa von einer <nacheiszeitlichen Waldgeschichte> (FIRBAS 1949) gekennzeichnet, die mit dem Rückzug der Gletscher auch aus Skandinavien und der darauffolgenden Wiedererwärmung nach der letzten Vereisung verbunden war. 

Die Menschen der Steinzeit lebten auch von der Natur her in einem anderen Milieu als die Bauern der Bronzezeit. Von einer Tundren- oder Dryas-Zeit, benannt nach Dryas octopetala, einer charakteristischen Tundrenpflanze, verlief die Entwicklung über die Birken- (Kiefern-) Zeit, die Haselzeit (Boreal), die Eichen-Mischwald-Zeit (Atlantikum), die Eichenmischwald-Buchenzeit (Subboreal) zur Buchenzeit (Subatlantikum). Diese Wandlungen im Bestand der Gehölzarten im mitteleuropäischen Wald waren zum einen bedingt durch die Klimaveränderungen, zum anderen aber war auch die menschliche Besiedlung mit diesem Vegetationswandel zunehmend verknüpft. Die Bewaldung wurde mehr und mehr von der Tätigkeit des Menschen mitbeeinflußt, namentlich nach der Herausbildung der Landwirtschaft auf den fruchtbaren Böden. Die Entwaldung im Interesse des Ackerbaus wirkte der nacheiszeitlichen Wiederbewaldung Mitteleuropas entgegen.


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  Die Entstehung der Landwirtschaft — die "Agrarische Revolution"  

 

Die Herausbildung der Landwirtschaft, das heißt die Domestikation von Tieren und der Anbau von Kulturpflanzen und damit verknüpft die Entwicklung von Boden­bearbeitungs­geräten, war eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit. Es bedeutete die Ablösung der Sammler- und Jägerwirtschaft, der reinen Aneignungswirtschaft, durch eine vorausschauende, zumindest begrenzt planende Wirtschaft. Trotz der langen Dauer dieses Umbruchs benannte VERE GORDON CHILDE (1892-1957), ein führender australisch-britischer Archäologe, den Vorgang der Entstehung der Landwirtschaft mit dem Terminus "Agrarische Revolution". Wegen der langen Dauer der Herausbildung der Haustiere und Kulturpflanzen sowie der allmählichen Entwicklung der Landwirtschaftstechniken wird heute von manchen Wissenschaftlern der Terminus "Agrarische Evolution" dem Terminus "Revolution" vorgezogen.

Die Landwirtschaft entstand augenscheinlich mehrfach und unabhängig voneinander, natürlich auch unter Nutzung verschiedener Pflanzenarten. Als unabhängige Entstehungsgebiete werden genannt:

Die Anfänge der Landwirtschaft reichen im Nahen Osten bis auf etwa 9000 bis 7000 v. Chr. zurück. Desgleichen gibt es Reste von aller Wahrscheinlichkeit nach angebauten Pflanzen aus dieser Zeit in Nord-Thailand. Domestizierte Kürbisarten in Nordost-Mexiko werden auf etwa 7000 v. Chr. zurückdatiert.

Die frühesten Dorfgemeinschaften mit Anbau von Nahrungspflanzen reichen zurück bis in die Zeit zwischen 8000/7000 und 6500 v. Chr. (BRAIDWOOD 1964). Die erste dieser eingehend untersuchten Siedlungen war Jarmo. Sie liegt wie weitere aus früher Zeit bekannte Siedlungen an den Hängen der Zagrosberge, im Gebiet der Kurden im heutigen nördlichen Irak. Auf diesen in mittlerer Höhe gelegenen, offenbar kleinen und von Niederschlägen versorgten Flächen hat die Landwirtschaft begonnen.


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 Der Erforscher von Jarmo war der führende amerikanische Archäologe ROBERT J. BRAIDWOOD (geb. 1907) von der Universität Chicago. Die Ausgrabungen von Jarmo wurden in den späten 40er Jahren des 20. Jh.s aufgenommen. Die ersten kultivierten Pflanzen waren Gerste (Hordeum spontaneum C. Koch, als Kulturpflanze Hordeum vulgäre L.) und Weizenformen, zuerst vor allem Einkorn (Triticum monococcum L.). Diese Pflanzen, die heute im westlichen Mittelmeerraum fehlen, waren wohl nach der Eiszeit, also 10.000 bis 9000 v. Chr., im sommertrockenen Mittelmeergebiet eingewandert und boten erst seit dieser Zeit die natürliche Möglichkeit für die Entstehung der Landwirtschaft (WRIGHT JR. 1976).

Allerdings bedeutete das Einführen von Kulturpflanzen und Haustieren noch lange nicht, gänzlich auf die Jagd zu verzichten. Jagd und Landwirtschaft konnten auch nebeneinander bestehen. Standen Jagdtiere, vielleicht auf deren saisongebundenen Wanderungen, zur Verfügung, nutzten vor allem die Männer wohl lieber diese, als die eintönigere landwirtschaftliche Arbeit zu verrichten.

In Tell Abu Hureyra am Euphrat in Nord-Syrien wurde auch im Jahrtausend nach dem ersten Anbau von Kulturpflanzen und selbst nach der beginnenden Tierdomestikation tierisches Protein vor allem durch die Jagd gewonnen (LEGGE et al. 1987). Das geschah namentlich durch Massentötung der im Frühling nach Norden wandernden Gazelle (Gazella subgutturosa), auch von Jungtieren. Als offensichtlich auch in anderen Gebieten Jagdgatter für die Massentötung entstanden, sank die Zahl der Gazellen stark. Hier hat also Jagd auf höherer Stufe die natürliche Fauna offensichtlich beeinträchtigt.

Da wenigstens einige kleine Völker auf primitiver Wirtschaftsstufe, ausgestattet sowohl mit Jagd wie mit Gartenbau, sich bis ins 20. Jh. hielten, war es möglich, den Einfluß primitiverer Wirtschaft auf die Umwelt zu untersuchen. Im Jahre 1984 wurde im Inneren von Papua-Neuguinea das kleine Buschvolk der Hagahais entdeckt (JENKINS et al. 1992). Einen beträchtlichen Teil ihrer Nahrung erwerben sie durch Sammeln und Jagen. Sie brennen teilweise den Wald nieder, um Wild aus seinen Wald­verstecken zu treiben. Die Brandflächen werden daraufhin von Kunai-Gras besetzt. Ist das Grasland trocken, wird auch dieses niedergebrannt, um Wild aufzuscheuchen. Das Urwaldvolk kennt über 80 eßbare Pflanzenarten in der Natur. An lichten Stellen des Urwaldes pflanzen diese Papuas für Nahrungszwecke einzelne Sagopalmen und Papaya-Bäume. In einem wenig intensiven Gartenbau werden Süßkartoffeln, Yams und Taro angebaut.


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Im Dorf aufgezogene Schweine werden in den Wald gejagt, damit sie sich dort selbst ernähren. Nach einem Jahr oder später werden diese verwilderten Schweine wieder aus dem Wald hervorgelockt und eingefangen, um sie zu schlachten.

Mag die Landschaft im zentralen Neuguinea als Trägerin ursprünglicher Natur erscheinen, so ist auch hier, im Inneren Neuguineas, eine kleine Menschengruppe offensichtlich nicht ohne Einfluß auf die Natur, obwohl sich die dem Wald zugefügten Wunden sicherlich nach einiger Zeit bis zur Unkenntlichkeit wieder schließen.

Mit der Herausbildung der Landwirtschaft stieg vielerorts die Produktivität der Nahrungsmittelgewinnung pro Flächeneinheit, ebenso stieg die Besiedlungsdichte, und es wurde eine gewisse Vorratswirtschaft eingeführt (Aufbewahrung von Getreide­körnern). Allerdings erschöpften sich die Böden vielerorts nach einigen Ernten. Dann wurde weitergezogen, und es wurden anderswo Felder angelegt. Volle Seßhaftigkeit brachte zunächst auch der Landbau nicht immer.

Hinsichtlich möglicher Umweltfolgen durch die Landwirtschaft wäre auch zu bedenken, daß die Rassen der Haustiere und die Sorten der Kulturpflanzen Lebewesen mit teilweise neuen Genkombinationen sind. Die Haustiere und Kulturpflanzen waren bei aller Ähnlichkeit mit ihren Stammeltern neue Formen. Wenn im 20. Jh. die Freisetzung gentechnisch veränderter Formen voller Bedenken betrachtet wird, wären solche Bedenken gegenüber jedem neuen Organismus angebracht. Obwohl die Haustiere im Vergleich zu den Stammformen eher friedfertig sind, haben auch sie in vielen Regionen in den Haushalt der Natur eingegriffen. Sie waren nicht nur Nahrungskonkurrenten für Wildtiere, sondern haben bei späterer Verwilderung die Wildfauna und die natürliche Vegetation oft stark beeinträchtigt. Erinnert sei an die waldzerstörenden verwilderten Ziegen auf St. Helena. In neuerer Zeit erwiesen sich nach der Besiedlung Australiens dort ausgesetzte Haustiere, so die Kaninchen, teilweise als Landplage.

Alte Landwirtschaft kann noch lange nachgewiesen werden, landwirtschaftlich genutzte Flächen können sich noch über Jahrtausende von naturbelassenen Standorten unterscheiden. Gedüngte oder mit Schmetterlings­blütlern (Leguminosen) bebaute Böden haben ihre Fruchtbarkeit sogar verbessert, weil ihr Humusgehalt erhöht wurde. Das gilt für Gebiete an der Westseite der südamerikanischen Anden. Auch können vorgeschichtliche Siedlungen im Luftbild in heutigen Acker- und Wiesenfluren ausgemacht werden.


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   Die Stromtal-Kulturen  

 

Aber nicht nur direkt für die Umwelt, sondern für die gesamte folgende Entwicklung der menschlichen Kultur und damit für die weitere Gestaltung der Naturräume in der Geschichte war die agrarische Revolution sehr folgenreich. Der durch landwirt­schaftliche Nahrungserzeugung erwirtschaftete Überschuß an Lebensmitteln hatte zur Folge, daß manche Menschen sich nur noch mit Handwerk oder gar nur noch mit Medizin, nur noch mit religiösen Angelegenheiten, ja schließlich einige nur noch mit Wissenschaft befassen konnten. Metallurgie, Textilherstellung, die Konstruktion von Wagen folgten. Schließlich eröffnete die "Urbane Revolution" (V.G. CHILDE), die Gründung von stadtähnlichen Siedlungen, eine neue historische Epoche.

Neben Jericho in Palästina ist Catal Hüyük, südlich von Konya in Zentralanatolien, eine der frühesten bekannten stadtähnlichen Siedlungen. Sie wurde ab 1961 unter Leitung von JAMES MELLAART ausgegraben (MELLAART 1964); die Ausgrabung wurde von IAN HODDER fortgesetzt (H. KLOTZ 1995). Hier gab es Landwirtschaft um 7000 v.Chr. (RENFREW 1989). Die Siedlung gehört noch dem Neolithikum an. Gleich nach dem Seßhaftwerden der Menschen gab es also schon als städtisch anzusprechende Siedlungen, wobei der Doppelhügel von Catal Hüyük überdeckt war mit durch die Dächer begehbaren Lehmhäusern für etwa hunderttausend Menschen (KLOTZ 1995). Die Kultivierung einer nahen Flußebene erlaubte wohl eine so hohe Nahrungsproduktion, daß eine stadtähnliche Siedlung mit einer größeren Zahl nicht landwirtschaftlich tätiger Menschen ernährt werden konnte. Es war hier eventuell das erste Mal, daß eine Flußauenkultivierung die Grundlage für eine Stadtsiedlung bot. Der Terminus "Stadt" bezieht sich natürlich auf den Charakter der Siedlung und hat nichts mit "Stadtrecht" zu tun.

Zahlreiche stadtähnliche Siedlungen entstanden vor allem, nachdem sich die Landwirtschaft von den durch Niederschläge gespeisten mittleren Höhenlagen in Trockengebiete ausbreitete und an Flüssen und in den großen Stromtälern die Bewässerungswirtschaft eingeführt wurde.

Die Pflanzen- und Tierwelt der Stromtäler und namentlich ihrer Mündungsdeltas war augenscheinlich außerordentlich üppig. Es wird vermutet (REMMERT et al. 1992), daß das Delta des in die Kalahari-Wüste mündenden Flusses Okawango im nördlichen Botswana noch etwas von der Natur erahnen läßt, welche die Menschen zu zähmen hatten, damit die Stromtalkulturen entstehen konnten.


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Um 4000 v. Chr. entstanden stadtähnliche Siedlungen im südlichen Teil der flachen Stromtäler von Euphrat und Tigris, in Mesopotamien (ADAMS 1964, HOLE 1966). In diesen Stromtalkulturen des Vorderen Orients — und dann in Ägypten, im Indus-Gebiet und in China — mit ihren weitverzweigten Bewässerungs­anlagen war die Einwirkung des Menschen auf die Natur schon früh beachtlich.

Der bedeutende britische Historiker ARNOLD JOSEPH TOYNBEE (1889-1975), der wohl als erster führender Fachhistoriker die Beziehungen zwischen Menschengesellschaft und Biosphäre gebührend berücksichtigte, sah in der Urbarmachung von Teilen des Schwemmlandes von Euphrat und Tigris durch die Sumerer ein erstes bewußtgewordenes Zeugnis für die Fähigkeit des Menschen, "als geselliges Lebewesen einem bis dahin unzugänglichen und feindlichen Teil des Naturreiches seinen Willen aufzuzwingen; und in Erkenntnis dieses Triumphes ging er dazu über, seine eigene Kraft zu verehren ...".

Selbst die Götter verkörperten nun nicht mehr nur Naturkräfte, sondern auch die Stärke von Menschen in einem Stadtstaat. Die Urbarmachung des Nillandes und anderer Stromtäler blieb — wie manche andere Landveränderung — eine Veränderung für Jahrtausende bis zum heutigen Tage.

Die alluviale Landwirtschaft, also die Bebauung von Schwemmlandböden, brachte aber, wie es MICHAEL MANN (1991) formulierte, einen "Sozialkäfig". Aus ihm konnte der einzelne nicht mehr fliehen, ohne seine Existenz zu verlieren. Er mußte sich der regulierenden Macht unterwerfen (WITTFOGEL 1962). Im Urwald Landstücke durch Brandrodung zu gewinnen, das konnte sogar ein einzelner oder zumindest eine kleine Gruppe. In der Bewässerungskultur aber war der einzelne abhängig von den ihm zugeteilten Ressourcen. "Psychologically und sociologically this marked a turning point in man' s relations with his environment and his fellows" (HOLE 1966, S. 608). Das Geschick der Organisatoren entschied über das Geschick der Gesellschaft, Dem einzelnen Normalbürger konnte kaum mehr Verantwortung auch gegenüber der Umwelt angelastet werden.

In Gelände mit Relief wurden bereits im Altertum Staudämme angelegt und der in manchen bergigen Tropenländern verbreitete Terrassenbau wurde möglich. Als Weltwunder wurde der Staudamm von Marib im Norden des Jemen bezeichnet, der dem Lande Fruchtbarkeit und Wohlstand bescherte (W.G. LERCH 1994). Der Staudamm brach bei einer Naturkatastrophe, und das bedeutete das Ende des Wohlstands von Marib.


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Abb.1: In den Ebenen großer Ströme, so in Mesopotamien, China, Indien und später auch in Andalusien wurden große Landstriche durch Bewässerungsanlagen kultiviert und damit meist dauerhaft verändert. Die Abbildung zeigt ein Wasserschöpfrad am Rio Guadalquivir bei Cordoba (Spanien). (Foto: Gottfried Zirnstein)

 

     Landwirtschaft und Umwelt im mittleren und nördlichen Europa in der Vor- und Frühzeit   

 

Aber auch im mittleren und westlichen Europa kamen die Menschen schon vor Jahrtausenden dazu, sich in ihrer Umwelt recht sicher zu bewegen. Da die nördlichen Gebiete nicht Heimat der meisten Kulturpflanzen und Haustiere sind, ist die Landwirtschaft nach dorthin eingeführt worden. Um 5500 v. Chr. bewegten sich Bandkeramiker aus dem Karpathengebiet nord- und westwärts und rührten die Landwirtschaft mit. Um 4500 v. Chr. erreichten sie das Pariser Becken (HOWELL 1987). In Norddeutschland ist Landwirtschart etwa ab 4500 v. Chr. nachzuweisen. Im heutigen Dänemark und in Südschweden folgte sie über tausend Jahre später (ZVELEBIL 1986). Gerade in gewässerreichen Gebieten mit reichlichen Fischbeständen verzögerte sich die Aufnahme der Landwirtschaft. Im Inneren von Schweden wird Landwirtschaft um 2300 v. Chr. nachgewiesen.


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Wie Altersdatierungen mit radioaktivem 14C zeigten, setzte an mitteldeutschen Flüssen, im Saale-Elbe-Raum, einem alten Siedlungsgebiet, die Ablagerung von Aue-Lehm und Aue-Ton ein, nachdem in den Einzugsgebieten der Flüsse Wald zugunsten von landwirtschaftlichen Flächen gerodet wurde und die Abschwemmung oberer Bodenteile begann (HILLER et al. 1991). Auelehm und Aueton sind sehr feinkörnige Materialien, die sich über den bisher aus gröberem Material lagernden Flußboden setzten. Es wurde festgestellt, daß in den Tälern der Pleiße und der Weißen Elster die Auelehmsedimentation einsetzte, als die ersten Ackerbauern und Viehzüchter, die sogenannten "Bandkeramiker", den Raum extensiv nutzten (LITT in HILLER et al. 1991). 

Durch die Ablagerungen erhöhte sich der Talboden, es kam zu einer Nivellierung der gesamten Talbreite. Die Auenvegetation veränderte sich, ja die eigentliche Auevegetation bildete sich aus, weil Ried und Bruchwald zurücktraten. Die Auenvegetation besteht in Ufernähe aus Weiden- und Pappelarten, welche die "Weichholzaue" (Salici-Populetum der Pflanzensoziologen) bilden. Höher stockt die Hartholzaue mit Eiche, Esche und Ulme (Fraxino-Ulmetum). Auch die bronzezeitliche Besiedlung ist eigenständig nachweisbar.

Am Ende des Frühneolithikum war in Frankreich das mit verfügbarer Technik kultivierbare Alluvialland wohl ziemlich vollständig genutzt. Sowohl zunehmende Befestigungsbauten wie die Entwicklung verschiedenartiger Pfeilspitzen weisen auf eine zunehmend gespanntere Situation (HOWELL 1987) zwischen den Menschengruppen, die vielleicht durch den Streit um Ressourcen zustande kam. Kampf um Ressourcen, "Umweltkriege", Schlachten um "Jagdgründe", sind möglicherweise schon eine alte Angelegenheit.

Das eskalierte, als um 3500 v.Chr. eine Klimaverschlechterung eintrat. Die Baumgrenze im Gebirge sank.

Zu welchen Leistungen die Landwirte der nordwesteuropäischen Frühzeit befähigt waren, beweist das um 3000 v.Chr. begonnene Stonehenge, das berühmteste neolithische Steinmonument in England (ATKINSON 1987/1991). Ungefähr ab 2000 v. Chr. wurde das verlassene Stonehenge neu gestaltet; die Erneuerer transportierten dafür Steinblöcke aus "Blaustein" aus dem westlichen Wales über mehrere 100 Kilometer bis zu dem Steinmonument Stonehenge nördlich von Salisbury. Die Zustände in der Landschaft, ihre zumindestens teilweise Waldfreiheit, muß diesen teils offenbar zu Wasser, teils auf dem Lande erfolgenden Transport erlaubt haben.


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Bereits im Neolithikum gab es Anfänge des Bergbaus. Der Feuerstein, damals ein wichtiger Werkstoff, wurde nicht nur im Freiland aufgelesen, sondern, wo das möglich war, bei Kreide-Vorkommen "bergfeucht" aus dem einschließenden Gestein abgebaut. Das geschah an einigen Orten in Nordfrankreich, in Belgien, in England und im Polnischen Mittelgebirge (Gory Swietokryzskie) bei Kielce. So gering die Folgen dieses Bergbaus auf Feuerstein für die Landschaft waren, es blieben dennoch Spuren erhalten, die den Archäologen des 20. Jh.s die Untersuchung ermöglichten.

Vom Vordringen der Bronzezeit-Menschen in höhere Regionen zeugt die Mumie eines Menschen, der im Jahre 1991 in den Ötztaler Alpen in 3200 Meter Höhe gefunden wurde und dessen Lebenszeit auf etwa 2700 v. Chr. geschätzt wird. Vielleicht hat er als Hirte schon damals in alpiner Höhe Haustiere geweidet oder gejagt.

Im Vergleich zu der notwendigen Disziplin in den Stromtalkulturen erfreuten sich die Menschen in den Ufersiedlungen an den Schweizer Seen wohl eines beneidenswerten Individuallebens. Sie lebten gemäß neueren Forschungen übrigens nicht in Pfahlbauten, sondern in Holzhäusern, die im schlammigen Uferboden durch dort hineingerammte Pfähle gestützt wurden (MÜLLER-BECK 1961). Auf ihre Weise wurden auch sie mit ihrer Umwelt fertig, ohne soviel an Individualität aufzugeben, wie in den Bewässerungsdespotien verlangt wurde.

Man sollte sich aber keinen Illusionen über die individuelle Umwelt in den alten Tagen hingeben. Die offenen Feuer in den Häusern der Jungsteinzeit und später, etwa an Kaminen, brachten krebserregende Substanzen in die Räume, und vor allem waren die Menschen durch die Holzverbrennung mit Dioxin eingedeckt (MOHR 1995).

 

Antike

 

In den Kulturstaaten der Antike, namentlich im alten Griechenland, wurde hin und wieder das Verhältnis des Menschen zur Natur angesprochen. Wie aus den Mythen abzulesen ist, galt den Griechen der Kosmos als Werk, in das der Mensch nicht ungesühnt eingreifen kann. Prometheus, der den Göttern das Feuer raubte, blieb in der griechischen Sage gefesselt.


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Er galt erst später als der zu ehrende Herausforderer der Götter und als Überwinder naturgesetzter Grenzen. Nicht nur Prometheus wurde schwer gefoltert, auch Ikarus stürzte mit den von der Sonne geschmolzenen Wachsflügeln ab, als er sich zuviel anmaßte.

Auch andere Religionen verurteilten in Mythen Menschen, die versuchten, Leistungen zu vollbringen, die bisher göttlichen Wesen vorbehalten waren; und stets hatten die Menschen zu leiden, wenn sie sich in dieser Form auflehnten. Der Turmbau von Babel endete in Sprachverwirrung. Der Apfel vom Baum der Erkenntnis, den Eva dem Adam anbot, vertrieb das erste Menschenpaar aus der Umwelt des Paradieses in eine viel weniger angenehme Umgebung.

Es gab die Vorstellung, daß die Griechen schon auf Grund der vielen lokalen Naturgottheiten ein weniger gebrochenes Verhältnis zur Natur besaßen als die Menschen späterer Zeit. Ob die gedachten Najaden, die Fluß- und Quellnymphen, oder die Baumgeister, die Dryaden, im Ernstfall wirklich zur Achtung vor der Natur beitrugen, bleibt aber zweifelhaft. Der amerikanische Historiker LYNN WHITE JR. meint allerdings, daß die Ablösung des Animismus durch eine über der Natur stehende abstrakte Gottheit sowie der Ersatz der Naturgeister durch nicht mehr mit der Natur verbundene Heilige und schließlich die "naturalistische" Weltanschauung die Naturzerstörung begünstigten.

In der Bibel der alten Juden wird dem Menschen von Gott aufgetragen, sich die Natur untertan zu machen. Die Natur oder Naturobjekte sind im Alten Testament nicht selbst göttlicher Natur. Es gab Religionen, in denen die Planeten Götter waren. Im Alten Testament aber schuf Gott Licht und Sterne. Gott stand außerhalb der Natur, war von ihr getrennt. Naturzerstörung traf nicht unmittelbar göttliche Wesen. Deshalb wurde diskutiert, etwa von WHITE JR. (1967), ob nicht diese Einstellung der Bibelschreiber, die Natur zu unterwerfen, den Grund für die Umweltmisere legte. 

In Europa meinte etwa CARL AMERY, daß "Wachstumsgesellschaft und Expansionsideologie in zentralen Leitbildern jüdisch-christlicher Tradition wurzeln", was denselben Sachverhalt also etwas gemäßigter wiedergibt (nach HÄDECKE 1975, S. 296). H. LÜBBE (1995, S. 26) meint, daß "die wissenschaftlich-technische Zivilisation einem Überlieferungskontext entstammt, der ohne die Komponente des jüdisch-christlichen Schöpfungsglaubens nicht zu denken ist". In dem Gesamtzusammenhang mag das stimmen, wenn auch erst in späterer Auslegung. Aber einem oder wenigen Sätzen,. auch wenn sie in einem dermaßen gewichtigen Buch stehen, soviel Wirkung zuzuschreiben, wäre wohl doch übertrieben. So oft wurde dieser Satz vom "Untertanmachen" der Natur vermutlich auch nicht zitiert. Und wann und wo in der Geschichte hätten Menschengruppen schließlich ihr Handeln wirklich von einem Gebot oder Verbot bestimmen lassen?


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Über die Naturverhältnisse im alten Griechenland ist trotz mancher Bemühungen nicht viel auszumachen. Offenbar war die Landschaft fruchtbarer als heute (vgl. FRAAS 1847). Schon die Menschen des Altertums aber träumten immerhin von einer Ideallandschaft, dem "Paradies" (vgl. BARTHELMEß 1988, S. 28, S. 54ff.), dem "Elysium", den "Inseln der Seligen", "Arkadien" (S. 20), "Eden", "Räumen psychosomatischen Wohlbefindens und der Geborgenheit". Auch "Totenreiche" besaßen oft ihre landschaftliche Komponente. Daß den Griechen ein gewisses Landschaftsempfinden eigen war, kann aus der oft großartigen Lage der Theaterbauten, vor allem jener außerhalb der Städte abgeleitet werden. Die Zuschauerbänke lagen am Hang, der Zuschauer schaute nicht nur auf die dem Abhang nahe Bühne, sondern wie in Epidauros auf dem Peloponnes, wie in Delphi oder wie in Segesta im westlichen Sizilien in eine auch heute als erhaben betrachtete Landschaft, hinein in ein Tal und hin zu Bergen. Spätere Zeiten übernahmen diese Vorstellungen. Südliche Gefilde schienen als Schauplatz des Paradieses besonders geeignet zu sein. DANTES Paradies lag inmitten eines südlichen Meeres (GROVE 1992).

Landschaftseingriffe gab es in der Antike sicherlich viele. Heilige geschützte Haine waren wohl Refugien, die schon damals von dem ungeschützten und veränderten Umland abstachen, und solche Haine wurden deshalb schon in der Antike extra erwähnt. Die umweltgestaltende Macht des Menschen war den "Intellektuellen" der Antike wohlbewußt.

Der Athener Dramendichter SOPHOKLES (um 496-406 v. Chr.) läßt in dem Drama "Antigone", verfaßt gegen 442 v. Chr., den Chorus sprechen:

"Ungeheuer ist viel, und nichts ungeheurer als der Mensch."

Und etwas weiter heißt es unter anderem:

"... Die Erde auch ... Der Göttlichsten höchste, 
die nimmer vergeht und nimmer ermüdet, schöpfet er aus ..."

Richtig heißt es bei SOPHOKLES weiter: "Allbewandert er, auf kein Künftiges geht er unbewandert zu."


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Aber auch in der Gewißheit verheerender Folgen haben Menschen leider oft vernichtend gehandelt. "So über Verhoffen begabt mit der Klugheit erfindender Kunst," wußte schon SOPHOKLES, "geht zum Schlimmen er bald und bald zum Guten hin."

 

Auf Umweltprobleme verweist auch der athenische Philosoph PLATO(N) (427-347 v.Chr.), wenn er in dem Dialogwerk "Kritias" schrieb (1922/1988, S. 196), daß durch Fluten die einstmals hohe Erddecke von den Bergen abgeschwemmt wurde. Die Beteiligung des wirtschaftenden Menschen als Mitverursacher wird hier allerdings nur angedeutet. Es heißt:

"Auch Holz hatte es reichlich auf den Bergen, wovon noch jetzt deutliche Spuren vorhanden sind; denn von den Bergen bieten zwar manche jetzt nur den Bienen Nahrung, doch, es ist noch gar nicht lange her, daß das Dachgebälke großer Häuser noch wohlerhalten dastand, das man aus den Bäumen der Berge hergestellt hatte."  

Auf Abfallprobleme verweist die Reinigung des Augiasstalles durch den Helden HERKULES, der hier offenbar eine noch größere und fast heldischere Aufgabe als bei kriegerischen Auseinandersetzungen fand. Versorgung mit Wasser und Entsorgung von Abwasser fanden in der Antike schon Lösungen, die besser als in kommenden Jahrhunderten waren.  

Begründet auf der Arbeit zahlreicher Sklaven wurde die Versorgung von Rom und anderen Städten im römischen Imperium mit sauberem Wasser durch teilweise gewaltige Wasserleitungen mit talüberspannenden Aquädukten gesichert (LIEBMANN 1973). Bereits 312 v.Chr. wurde eine 16,5 km lange Wasserleitung von den Albaner Bergen nach Rom gebaut. Noch zur Zeit der Republik folgten 5 weitere. Der Pont du Gard bei Nîmes, erbaut 17 v.Chr., ist sogar 50 km lang. Die Abwässer Roms wurden durch eine Cloaca maxima entfernt. Zur Geruchsbeseitigung wurde sie regelmäßig mit Wasser aus den Aquädukten durchgespült. Landschaftsumgestaltende Entwässerung gab es um 312 v.Chr. in den Pontinischen Sümpfen.

 

Nordafrika, Spanien, Sizilien waren nach verschiedenen Zeugnissen zur Zeit des Römischen Imperiums Kornkammern, die auch Rom versorgten. Heute könnten das diese Territorien nicht mehr. Wenn Dalmatien noch in spätrömischer Zeit als "frondosa", als "laubreich" bezeichnet wurde, ist das heute vielerorts nicht mehr zutreffend (PALMGREN 1953).


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Der Einfluß des Waldes auf den Boden, auf dessen Erhaltung, ist im Mittelmeergebiet ohnehin schwieriger als die Wirkung des Bodens auf die Waldbedeckung einzuschätzen (PALMGREN 1953, nach FERNANDO BARO), weil der Wald hier teilweise von den Niederschlagsverhältnissen her an der Grenze der Wuchsmöglichkeiten steht. Es ist allerdings schwierig festzustellen, welchen Anteil am Rückgang der Fruchtbarkeit und der Verkarstung dieser Länder natürliche Klimawandlungen haben und was eindeutig auf das menschliche Tun zurückgeht. Die Mittelmeerländer blieben zweifellos bis heute bewohnbar. Aber schätzungsweise die Hälfte der Fläche wurde Ödland, wurde Karst und bestenfalls Schaftrift (TRUNKO 1986).  

Abb. 2: Aqua Claudia. Erster römischer Aquädukt, 312 v.Chr. von Appius Claudius erbaut, führte das Wasser von den Albaner Bergen nach Rom.

 

 


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    Landschaftsentwicklung im Mittelalter in Mitteleuropa  

 

Die Entwicklung der Kulturlandschaft in Mitteleuropa seit der Entstehung der Landwirtschaft und namentlich während des Mittelalters aufzuklären, hat die Arbeit zahlreicher Forscher erfordert. Manche Dinge sind bis heute umstritten. Erst die intensiven, unter Anwendung zahlreicher Spezialmethoden durchgeführten Untersuchungen von Geographen, Ökologen, Botanikern und Historikern des 20. Jh.s machten es möglich, das Bild der alten Landschaft zu rekonstruieren (vgl. HERMANN 1989, 1993, MEUSEL 1954, SCHLÜTER 1906 u.a., SCHWICKERATH 1954 u.a.).

Jedes Territorium hat selbstverständlich eine eigene Besiedlungsgeschichte. Daß die Besiedlungsgeschichte Mitteleuropas und überhaupt Europas besser untersucht wurde als die vieler anderer Territorien, ist in der Vielzahl einschlägiger Forscher in diesem Gebiet begründet, unter denen der einst in der "historischen Geographie" führende ROBERT JULIUS GRADMANN (1865-1950) wie auch die Geographen OTTO SCHLÜTER (1872-1959) und FRIEDRICH MAGER hervorgehoben seien. Die Methoden wurden in der Folgezeit natürlich auch kritisch untersucht und erweiten (GRINGMUTH-DALLMER 1972).

Wurden zum einen die verschiedenen Territorien von Spezialforschern bearbeitet, so wurde zum anderen auch die verschiedenen Zeitetappen erfaßt. Man ging dabei auch auf die "Germania" des römischen Schriftstellers TACITUS zurück, um die dort für die Umwelt in Mitteleuropa der Römerzeit mitgeteilten Dinge mit den Ergebnissen neuer Forschungsmethoden zu vergleichen (WILLERDING 1992).

Quellen für einigermaßen verläßliche Aussagen sind Urkunden, Reiseberichte, alte Karten, Gemälde, Buchillustrationen oder Überreste alter Wirtschaftsweisen im Gelände.

Aber von großer Bedeutung und durch ihre Exaktheit ausgezeichnet sind naturwissenschaftliche Forschungen. So gibt es Reste der einstigen wildwachsenden Vegetation wie der angebauten Gewächse. Erhalten blieben etwa die Samen, welche bei den einzelnen Arten der Blütenpflanzen ein unterschiedliches Aussehen besitzen (KÖRBER-GROHNE 1990). Solche Samen von Grünlandgewächsen wurden gefunden etwa in den Jaucherinnen der Stallteile in den Bauernhäusern aus dem 1. bis 4. Jh. n. Chr., in alten Brunnen, in Vorratsgruben, dort, wo also Erntegut oder Rückstände aufbewahrt wurden. In Dorrnagen am Rhein wurden Reste von Pferdefutter in einem abgebrannten Stallgebäude eines römischen Reiterlagers aus dem 2 Jh. n. Chr. gefunden (KÖRBER-GROHNE 1990).


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Wichtig unter den Forschungsmethoden wurde unter anderem die Pollenanalyse (u.a. FIRBAS 1949). Diese beruht darauf, daß in den Mooren mit ihrem Säuregehalt die Pollen der Blütenpflanzen konserviert werden. Die Pollen der einzelnen Pflanzenspezies besitzen ein mehr oder weniger artspezifisches Aussehen. Sie sind somit den einzelnen Pflanzenarten zuzuordnen. Die Moore wuchsen nach der Eiszeit allmählich und mit Unterbrechungen nach oben. Das Moorprofil gibt also eine Zeitfolge wieder. Horizont um Horizont wurde in Probebohrungen aus Mooren in den verschiedensten Landschaften der Pollenanteil von verschiedenen Baumarten, auch von Kulturpflanzen und anderen Gewächsen ermittelt. Aus dem Wechsel in der Häufigkeit der Pollen der Baumarten und anderer Blütenpflanzen im Moorprofil wurde die Wald- und Vegetationsgeschichte nach der Eiszeit erschlossen. 

Es mußte beachtet werden, daß Pollen teilweise von weit her in die Moore geweht werden konnten und nicht nur aus der umgebenden Pflanzenwelt stammten. Auch ist die erzeugte Pollenmenge bei den einzelnen Arten recht unterschiedlich. Die Pollenanalyse wurde von den Botanikern L. VON POST und CARL ALBERT WEBER (1856-1921) entwickelt und von KARL RUDOLPH (1881-1937) (FIRBAS und PASCHER 1937) in Prag und dann von FRANZ FIRBAS (1902-1964) (LANGE 1964) ausgebaut. Einen Markstein auf dem Wege zur Entwicklung und Nutzung der Pollenanalyse bildete die 1924 erschienene Schrift "Die Hochmoore des Erzgebirges" von RUDOLPH und FIRBAS. Namentlich dann durch FIRBAS, der ab 1946 in Göttingen lehrte, wurde die Pollenanalyse zu einer in Mitteleuropa weithin angewandten Methode zur Rekonstruktion der Wald- und Florenentwicklung.

Das Bild vom Vegetationswandel der Nacheiszeit wurde aber auch mit den Ergebnissen aus anderen Quellen und etwa der Besiedlungsgeschichte verknüpft.

Die Erkennung der Pollen und der oft verkohlt aufgefundenen Samen erfordert Formkenntnis, die nur durch längere Einarbeitung zu gewinnen ist. Die Rekonstruktion der alten Landschaftsgeschichte ist also in vielem eine Angelegenheit von Spezialisten, die wiederum ihre Befunde zu einem Gesamtbild vereinen müssen.

Die Landnutzung des Mittelalters und der frühen Neuzeit in Mitteleuropa war im wesentlichen extensiv. Der Arbeitsaufwand wie der Ertrag pro Flächeneinheit waren geringer als bei intensiver Landwirtschaft. Ein Drittel der Ackerfläche lag in den Gebieten mit Dreifelderwirtschaft brach.


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Der Wald wurde im wesentlichen im Raubbau genutzt. In der extensiven Landwirtschaft gab es vielfach keine scharfen Grenzen zwischen Wald, Wiese, Feld und Verkehrswegen. Die einzelnen Nutzungsformen der Landschaft flössen teilweise ineinander über.

Insgesamt wurde in Europa, aber auch auf anderen Kontinenten, der Wald auf die für die Feld- und Wiesenwirtschaft ungeeigneten Standorte zurückgedrängt. Die auf guten, nährstoffreichen Standorten von Natur aus möglichen Waldtypen sind daher oftmals unbekannt. Auch in den Tropen blieb der Wald oft nur auf von Natur aus wenig günstigen Territorien, ebenfalls nährstoffarmen Böden, bestehen.

Gab es in der mitteleuropäischen Landschaft des Mittelalters einerseits manche Zerstörung, so gibt es auch eine Habenseite, das heißt Veränderungen, die "aufbauend" oder zumindest nicht ungünstig für die menschliche Wirtschaftstätigkeit waren. Der Mensch war nicht nur Zerstörer. Der gepflügte und gedüngte Boden wurde oft fruchtbarer, als er ursprünglich gewesen war. Es gab durch die Besiedlung auch neuartige Lebensräume für Pflanzen- und Tierarten. Die Biotope, die Lebensräume, wurden vielfältiger. Selbst ein Vogel wie das Rotkehlchen (Erithacus rubecula), nicht unbedingt ein Kulturfolger, hat heute in manchen vom Menschen gestalteten Lebensräumen, ob Friedhöfe oder Parks, eine höhere Siedlungsdichte als im Wald.

Bei allem Zorn auf die heutigen Umweltschäden wäre es wohl unsinnig, den Menschen von der Erde am besten wegzuwünschen. Vielgestaltiger und fruchtbarer wäre die Erdoberfläche ohne alle Menschen nicht. Der dem Holismus zuneigende Philosoph KLAUS MICHAEL MEYER-ABICH (1990, S. 51f.) drückte diesen Sachverhalt mit der Feststellung aus: "Es war ein Mißverständnis, daß der Mensch nur auf Kosten der Schöpfung Schöpfer sein kann. Er soll es um der Schöpfung willen sein."

Erst im 20. Jh., als die Lebensbedingungen in verschiedenen Lebensräumen durchforscht waren, wurde deutlich, wie günstig gerade das gemäßigte Klima etwa Mitteleuropas für die menschliche Wirtschaft ist. Im wesentlichen nur hier und in Flußgebieten ließ sich die Fruchtbarkeit der Böden nicht allein halten, sondern auch steigern. Das Ausgangsmaterial für die Böden, also auch die Ackerböden, war in weiten Teilen von Mittel- und Nord-Europa das von den Gletschern während der Eiszeit herangeführte Material. Zur Bodenbildung mußte es verwittern. Es lieferte daher ständig neue Nährsalze. Die älteren, stets bewachsen gewesenen Böden in anderen Gebieten der Erde waren längst viel stärker "ausgelaugt". Hier in Mitteleuropa gab es ungeachtet mancher Bodenerosion keine der Verkarstung Dalmatiens vergleichbare Entwicklung.


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Über die Regenerationsfähigkeit der Landschaft und der Pflanzengesellschaften in den tieferen Lagen Mitteleuropas gibt es unterschiedliche Ansichten. Daß die regenfeuchten mittleren Breiten mit ihren nacheiszeitlichen Böden aber regenerationsfähiger sind als andere Regionen, ist offensichtlich. Gefährlich war es, von dem bekannten Mitteleuropa auf eine ebensolche Regenerationsfähigkeit in anderen Klimagebieten zu schließen. Große Teile der Tropenländer wurden durch Bodennutzung viel rascher ruiniert. Die Regenwälder der Tropen stocken oft auf nährstoffarmem Boden. Alle Nährsalze befinden sich in den Urwaldbäumen. Wird der Urwald abgeholzt und das Holz abtransportiert, bleibt der nährstoffarme Boden zurück. 

Für die Urwälder ist es lebensnotwendig, daß die Bäume viel Wasser verdunsten. Würde das Wasser wie in Nordwesteuropa im Boden abwärts sinken, wäre die Nährstoffauswaschung in den feuchten Tropen wohl verhängnisvoll (WAHLERT et al. 1977). In subarktischen Gebieten ist das Pflanzenwachstum langsam. Zerstörte Vegetation kehrt nur zögernd zurück. Kalte Regionen der Erde können zudem Abfall kaum abbauen. In Polargebieten bleiben eben nicht nur Leichen, sondern jegliche Abfälle unzersetzt liegen und kehren erst nach endloser Zeit als Humus in den natürlichen Kreislauf der Stoffe zurück. Die gemäßigten Breiten besitzen also besondere Vorteile.

Um den Vergleich zu Mitteleuropa zu haben, muß festgestellt werden, daß viele Teile der Erde heute ebenso nahezu vollständig durch den "wirtschaftenden Menschen" (E. FELS) geprägt sind, und zwar irreversibel. Wie für Mitteleuropa trifft das ebenso auf die besiedelten und ackerbaulich genutzten Landschaften Ägyptens, Chinas, Javas und zahlreicher weiterer Gebiete der Erde zu. Die Olivenhaine Griechenlands sind Menschenwerk, oft vor Jahrtausenden angelegt, und sie und nicht die unberührte Natur bestimmen vielfach die Physiognomie von Hellas und seinen besonderen Reiz.

 

    Wichtige Ereignisse im Landschaftswandel Mitteleuropas   

 

Für Mitteleuropa wurde vor allem von R. GRADMANN seit 1898 zur Diskussion gestellt, inwieweit zuerst ausschließlich offene "Steppenheiden", nicht jedoch dichte Wälder besiedelt wurden. Den Menschen des Neolithikum, aber auch den "alten" Germanen und anderen frühgeschichtlichen Völkern, wurde nicht zugetraut, dichte Wälder gerodet zu haben (GRADMANN 1901).


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Gemäß R. GRADMANNS "Steppenheide-Theorie" hat die Besiedlung und ackerbauliche Nutzung Mitteleuropas in Offenlandschaften eingesetzt. Das geschah, bevor sich die Wälder, die sich auf den nacheiszeitlichen offenen Böden ausbildeten, geschlossen hatten. Auf den einmal besiedelten Gebieten konnten die Ackerbauer und Viehhalter sich dann des sich ausbreitenden Waldes erwehren. Sie wahrten gewissermaßen Siedlungsinseln im Waldmeer. Waldbedeckt wurden und blieben vor allem alle Mittelgebirge. R. GRAD-MANNS "Steppenheide-Theorie" wurde viel diskutiert und bot große Anregung zum Nachdenken über die Besiedlung eines Landes in der Vergangenheit.

 

Nach Meinung anderer Forscher, es waren vor allem CARL SCHOTT und HELMUTH NIETSCH (1935), wurden in Mitteleuropa nach der letzten Eiszeit Siedlungen gerade im Wald, namentlich im lichten, schweineernährenden Eichenwald angelegt. Dazu wurde der Wald auch gerodet. C. SCHOTT beschrieb (1935), daß Indianer im östlichen Nordamerika, die Huronen, vor der Besiedlung des Landes durch Europäer zahlreichen Siedlungen und Ackerflächen angelegt hatten, indem sie Urwald durch Ringeln der Bäume und Brand rodeten. Kriege der Indianer untereinander und die von den Europäern eingeschleppten Blattern entvölkerten das östliche Nordamerika. Der Wald eroberte vor der ständigen Besiedlung durch die Weißen das Land weithin zurück und bedeckte die einstigen großen Rodungsflächen, die im frühgeschichtlichen Europa hätten ebenso möglich sein müssen.

Eine weitere Unterstützung erfuhr die These von SCHOTT und NIETSCH durch den Germanenkult der Nationalsozialisten, der die germanische Waldrodung gerne sah und die Siedlungsgeschichte in den 30er Jahren des 20. Jh.s sogar "ideologisch" "instrumentalisiert". R. GRADMANNS "Steppenheide-Theorie" blieb aber für die Forschung weiterhin beachtenswert, ja es wurden zu Anfang der 90er Jahre des 20. Jh. genaue Karten erstellt, auf denen die Parallelen zwischen der aktuellen Verbreitung der xerothermen Vegetationskomponenten (Steppenheidevegetation nach GRADMANN, 1898) und den archäologischen Spuren prähistorischer Siedlungen in verschiedenen Regionen Mitteleuropas (JÄGER et al. 1994, S. 75) bestätigt wurden.

Schon in der Römerzeit gab es in Germanien offensichtlich umfangreichere anthropogen bedingte Veränderungen (WILLERDING 1992). Mit der Holzentnahme wurden Lichtholzarten begünstigt, welche auf den Lichtungen als Pioniergehölze im Vorteil gegenüber anderen Baumarten waren.


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Die Rotbuche kam wegen ihres geringeren Ausschlagvermögens beim Holzeinschlag ins Hintertreffen. Wie Pollendiagramme nahelegen, ging im Siegerland im Zusammenhang mit dem Energiebedarf für die Erzverhüttung der Rotbuchenanteil in der Spätlatènezeit und während der Römischen Kaiserzeit zurück. Im römisch besetzten Germanien westlich des Limes, wo viele Ziegel und Dachziegel gebrannt wurden, wo Töpfereien und Glashütten bestanden, wo in Bädern Heizanlagen zu versorgen waren und anderes, gab es teilweise schon Holzerschöpfung.

 

Ereignisse in der Landnutzung Mitteleuropas während des Mittelalters

 

Im Frühmittelalter ging manche Errungenschaft der Römerzeit erst einmal verloren. Selbst große Wasserleitungen wurden aufgegeben. Die Landnutzung begann vielerorts in kleinerem Rahmen erneut.

In Mitteleuropa gab es vor allem ab der Zeit der Karolinger im 8./9.Jh. einen zunehmenden "Landesausbau", eine "innere Kolonisation", nämlich die Besiedlung und Urbarmachung der bisher nicht oder wenig besiedelten bewaldeten Landesteile. Verbesserte und mit Eisen versehene Pflüge, das Kummet für die Nutzung des Pferdes als Zugtier waren dafür Voraussetzung. Oft gingen Klöster in der Landnutzung voran. Das geschah nicht nur in Mittelgebirgen, so in der Eifel oder am Schwarzwald, nicht nur im Alpenvorland (Küster 1986), sondern erfolgte auch im ehemaligen östlichen Teil des Karolingerreiches, in den die römische Kultur nicht vorgedrungen war. 

Hier besaßen unter anderen die Klöster von Fulda und dann von Hersfeld eine in die weitere Umgebung ausstrahlende Wirkung. Für das Kloster Fulda, dessen Kirche 765 bis 770 fertiggestellt wurde, wird die Anlage eines Kanals bezeugt, die auf frühmittelalterliche Wasserbauten hinweist (ELMSHÄUSER 1992). Es zogen zunehmend Siedler in die bisher kaum aufgesuchten, wohl dichtbewaldeten Mittelgebirge und rodeten vielerorts den Wald. Längs der Bach- und Flußläufe in den Mittelgebirgstälern wurden die den fließenden Gewässern folgenden, langgestreckten "Waldhufendörfer" angelegt. Spezifische Ortsnamen, so mit den Endungen "rode", "-roda", "-reut", "-walde", "-walden", "-hain", "-schwende", "-hau", "-schlag", zeugen von der etliche Jahrhunderte währenden, gewaltigen Kulturarbeit in dicht bewaldeten Teilen Mitteleuropas.


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Der Abtrag an Boden muß teilweise stark gewesen sein. Jedenfalls finden sich in den Flußauen nördlich der Mittelgebirge, so an den Flüssen Elster, Mulde, Pleiße, Saale, teilweise mehrere Meter mächtige Ablagerungen von Auelehm und Aueton. In ihm findet man Reste alter Ziegel und anderes Menschenwerk. Daraus ergibt sich, daß der Auelehm zumindest zu einem beachtlichen Teil erst in historischer Zeit, als Folge menschlichen Tuns, auf den Grobschottern des vorangegangenen Flußbettes abgelagert wurde, wobei das in frühgeschichtlichen Zeiten einsetzte.

Der auf dem Auelehm der mitteleuropäischen Stromauen ausgebildete Stieleichen-Eschen-Feldulmen-Wald ist also eine mit dem Ackerbau verbundene, vom Menschen hervorgerufene Vegetation (MEUSEL 1954 u.a.). Er ersetzte teilweise die "Weichholzaue" aus Weiden und Pappeln auf dem ehemaligen Grobschotter der Aue. Die Auelehm-Ablagerung ist irreversibel, wie auch der heutige Auewald nicht ohne weiteres durch eine andere Waldgesellschaft ersetzt werden kann. Der wirtschaftende Mensch des Mittelalters setzte also Bedingungen für alle folgenden Perioden.

Die so beeinflußten Flußauen, öfters überflutet, konnten übrigens erst nach langem Kulturwerk besiedelt werden, auch wenn dann gerade an Flüssen reiche Städte entstanden. Straßen liefen vielerorts ursprünglich auf Höhen, längs den Wasserscheiden. Flußtäler wurden an günstigen Stellen gequert (GRADMANN). Während der Römerzeit lief eine wichtige Straße auf dem Hunsrück statt im Tal der Mosel.

Ein wichtiges Ziel der Landeskultivierung waren die Acker. In den meisten Gebieten gab es wenigstens alle 3 Jahre für einen Acker die Brache. Auf der Brache weidete das Vieh. Der Boden erhielt Dung, konnte sich etwas "erholen". Außer den Kulturpflanzen, namentlich Getreide, wuchsen auf den Ackern "Unkräuter", unbeabsichtigt dort vorkommende Pflanzenarten. Diese Unkräuter waren vielfach mit den Ackerbauern aus dem Südosten nach Mitteleuropa gekommen. Es waren auch Arten darunter, die später, vor allem im 20. Jh. wegen der dann intensiveren Landnutzung wieder verschwanden. Unkräuter sind also nicht irgendwie an Äcker angepaßt, sondern meistens an bestimmte Wirtschaftsformen. Wegen ihrer giftigen Samen wurde die Kornrade (Agrostemma githago) später so vermindert, daß sie in der heutigen Flora Mitteleuropas selten wurde.

Man hat die Ackerlandschaft, vor allem der späteren Zeit mit viel ausgedehnteren Feldflächen, als "Kultursteppe" bezeichnet. Jedoch stammt nur ein Teil ihrer Pflanzen, auch ihrer Unkräuter, aus trockenwarmen Steppen. Viele Unkräuter kommen aus feuchten Lebensräumen (Litoraea-Biotope) (SCHWERTFEGER 1975).


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Zahlreiche weitere "natürlich" wirkende Pflanzengesellschaften Mitteleuropas sind ebenfalls anthropogen. Von den Äckern abgewehter Boden sammelte sich an Hangkanten und Waldrändern und bedingte hier die nährstoffreichen Ackerrandstreifen mit eigener Pflanzengesellschaft (MEUSEL 1954).

Erst mit der Waldrodung und der Besiedelung der Flußauen entstanden "Wiesen" (GRADMANN 1932), jedenfalls in großen Flächen. Ohne die Mahd, also ohne die Sense, würden die Wiesen im Waldgürtel sich bald bewalden. Nur im Überschwemmungsland gab es natürliche wiesenähnliche Flächen.

Die anderen Wiesen und Weiden gingen aus Waldstandorten durch Lichtung und Beweidung hervor. Speziell zur Feststellung der Entwicklung des Grünlandes und des Vorkommens von Gräsern hat UDELGARD KÖRBER-GROHNE (1990) die nachweisbaren Samen von 103 Fundorten, erarbeitet in 93 archäobotanischen Publikationen verschiedener Autoren, zusammengestellt. Wirtschaftswiesen gab es in den von den Römern besetzten Gebieten in römischer Zeit. In Mitteleuropa wurden in der römischen Kaiserzeit von 27 Fundplätzen 35 Arten von Gramineen erfaßt, die höchste Artenzahl vom Neolithikum bis zum hohen Mittelalter. Diese Nachweise zeugen von den Wirtschaftswiesen im Römergebiet (KÖRBER-GROHNE 1990). Von gemähtem Gras in Mitteleuropa ist ab dem 8. Jh. die Rede (WIMMER 1905), also in der Zeit der Merowinger (POTT 1983). Das die wertvollsten Fettwiesen von heute bestimmende Gras, der Glatthafer Arrhenatherum elatius, ist wohl erst aus dem westlichen Mittelmeergebiet in Mitteleuropa eingewandert.

Werden Wiesen nicht zur Blütezeit der Gräser, sondern erst nach deren Vergilben im Herbst gemäht, entstehen die "Streuewiesen". Auf ihnen gedeihen zum Teil andere Arten als auf früher im Jahr gemähten Wiesen. Wird eine Fläche beweidet statt gemäht, bildet sich ebenfalls eine eigenständige Pflanzengesellschaft heraus. Und auch hier entstehen wiederum mit der verschiedenen Intensität der Beweidung unterschiedliche Formen. Im salzigen Küstenbereich gibt es in den gemäßigten Zonen zwar keine Bäume, aber natürliches Grünland, das durch die Beweidung, etwa durch Schafe, artenärmer wurde. Es blieb vor allem ein Gras, Puccinellia maritima, die Hauptart der "Andelwiesen". Dank seiner Fähigkeit zum dauernden Wachstum kann es dem Druck der Weidetiere widerstehen, ja verfestigt sogar den Boden, was an der Küste wichtig ist (REMMERT 1992). Gedüngte Fettwiesen erscheinen erst im 19. Jh. (POTT 1983).


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Abb. 3: Geräte aus der Zeit der Rodungsperiode (W. ABEL 1962).

1. Pflugochsen mit Zugseil (12. Jh.)
2. Pferdekummet (12. Jh.)
3. Kimmet, Zaun und Zügel (9. Jh.)
4. Kummet, Deichsel und Schwengel (13. Jh.)

 


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Große Rodungsgebiete mit den folgenden Acker- und Wiesenlandschaften gibt es auch anderswo, so in Osteuropa, in Nordrußland (E. OBST 1925). Auch in diese Gebiete kamen Siedler, weil es hier keine Leibeigenschaft gab, so wie etliche Jahrhunderte zuvor im östlichen Deutschland, in Ostelbien.

Im nordwestlichen Mitteleuropa, so in den späteren Niederlanden, im Gebiet der Friesen, wurde schon im frühen Mittelalter fruchtbares, von Natur aus waldloses Marschenland gegen das anbrandende Meer geschützt. An flachen Küsten wurde auch völlig neues Land aus dem Meer gewonnen. Deichbauten in den Niederlanden gehen bis ins 8./9.Jh. zurück (u.a. SCHLÜTER 1952). Ein die Situation gut wiedergebender Ausspruch lautete: "Gott schuf die Erde, aber der Holländer machte Holland" (aus DUBOS 1983, S. 122).

In Schleswig-Holstein begann der Deichschutz um 1100 mit, wie Ausgrabungen erwiesen, bereits flachgeböschten Überlaufdeichen (KÜHN 1992). Die Verhältnisse verschärften sich, als im 11. Jahrhunden der Meeresspiegel erneut gestiegen war, während vorher für Jahrhunderte ohne Deich- und Warftbau in der Marsch gesiedelt wurde. Deichbau war also in Schleswig-Holstein eine Anpassung an eine naturgegebene Veränderung der Grenze von Land und Meer.

Große, hinter Deichen gelegene Gebiete, sind eine rein menschengemachten und ständig neu gegen das Meer zu verteidigenden Umwelt. Sturmfluten wie im nordfriesischen Wattenmeer 1362 mit dem Untergang von Rungholt, die Flut vom 19. November 1421 in den Niederlanden, jene von 1634 und die Weihnachtsflut von 1717 zeugen von der Schwere der nicht ausbleibenden Niederlagen im Ringen der hier lebenden Menschen mit der Natur. In einfühlsamer Weise hat der von der Nordseeküste stammende Dichter THEODOR STORM (1817-1888) in der Novelle "Der Schimmelreiter" das Leben der in ständiger Auseinandersetzung mit dem unberechenbaren Meere stehenden Küstenbewohner geschildert, die auf Vorausschau und Zukunftsplanung angewiesen sind. Im Laufe der Jahrhunderte mußten die Deiche immer höher gebaut werde, und zwar, weil die Natur das erzwang (KÜHN 1992).

Gerade die Menschen dieser stets bedrohten Gebiete entwickelten aber auch eine hohe geistige Kultur. Die Niederlande verzeichneten in ihrer "Goldenen Zeit" im 17. und 18. Jh. nicht nur bereits 3 Mio. Einwohner auf ihrem begrenzten Territorium, sondern besaßen auch eine dreimal größere Handelsflotte als die Engländer. Trotz der hohen Besiedlungsdichte gab es hier keinen Hunger.


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Nutzung und Ausbau von Wasserläufen und Feuchtland waren stets ein besonderes Kennzeichen für Wirtschaftstätigkeit. Das größte Kanalprojekt des Mittelalters, die "Fossa Carolina", der Kanal KARLS DES GROSSEN zwischen Altmühl und schwäbischer Rezat, blieb allerdings unausgeführt (ELMSHÄUSER 1992).

Bewohner aus den Küstengebieten zogen öfters als Siedler nach dem Osten, wo ihre Erfahrungen im Wasserbau sehr geschätzt wurden. "Fläming" heißt noch heute eine Landschaft in der südlichen Mark Brandenburg, und im Thüringer Becken machten Siedler aus Flamen die versumpften Gebiete zu fruchtbarem Ackerland. Eine der ertragreichsten Landschaften ist hier die zwischen Südharz und Kyffhäuser gelegene "Goldene Aue". In den 40er Jahren des 12. Jh.s begannen dort die Mönche des in den 30er Jahren des 12. Jh.s gegründeten Zisterzienserklosters Walkenried mit dem Kultivieren des Rieds, und in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s wurden Kolonisten, meist als "Fläminger" bezeichnet, ins Land geholt. Noch im 19. Jh. allerdings konnten hier weite Flächen nur als Grünland genutzt werden, und weitere Meliorationen mußten folgen (Werte unserer Heimat... 1976, S. 64).

Im Laufe der Jahrhunderte, als im westlichen Europa schon blühende Städte entstanden, wurde die intensivere Kultivierung der Landschaft in die östlicheren Regionen Mitteleuropas getragen. Klöster, vor allem der Zisterzienser, aber auch der Prämonstratenser, bestimmten den weiteren Landesausbau vielerorts entscheidend. Das Mutterkloster der Zisterzienser in Citeaux war 1094 gegründet worden, damit hier Mönche wieder gemäß der Benediktiner-Regel "ora et labora" - "Bete und arbeite" - leben konnten. Im Jahre 1108 entstand ein eigener Zisterzienser-Orden. Das Kloster Citeaux wurde Ausgangspunkt einer großen Reformbewegung. Bis zum Ende des 12. Jh.s wurden 525 Zisterzienserklöster gegründet, darunter so berühmte wie 1165 Dobrilugk, 1170 Oliva (bei Danzig), 1171 Doberan, 1180 Lehnin, 1256 Chorin.

Der von 1156 bis 1180 regierende Welfenherzog HEINRICH DER LÖWE (1129-1195) eroberte ein ausgedehntes Kolonialreich im Slawenland östlich der Elbe, das Holstein, Lauenburg und Mecklenburg einschloß. Zwar waren auch die Slawen gute Ackerbauern, aber mit der deutschen Eroberung wurde die Besiedlung dichter. Es entstanden, wie auch in anderen Gebieten unter anderen Territorialherren, die ostdeutschen Kolonialstädte. Verkehrswege größeren Ausmaßes wurden geschaffen. Unter den ostdeutschen Städten wurde Prenzlau in der Uckermark zuerst 1128 urkundlich erwähnt und erhielt 1234 Stadtrechte.


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Es entstand zu Anfang des 13. Jh.s die Burg der Stadt Wittstock, erhielt Frankfurt an der Oder 1253 magdeburgisches Stadtrecht, um einige Jahreszahlen der nach Osten rückenden deutschen Siedlungswelle zu geben. In den Nordosten Mitteleuropas, in das Land der noch heidnischen Pruzzen, drang der Deutsche Orden vor. Die Marienburg, seit dem frühen 14. Jh. Zentrum des Ordenslandes, wurden 1274 gegründet.

BERNHARD BESCHOREN stellte (1934) fest, daß die Flachmoorbildung in der Mark Brandenburg und anderen Teilen Norddeutschlands zu einem beachtlichen Teil ebenfalls Menschenwerk ist, hervorgerufen durch Anstau vieler Fließgewässer für Mühlen, vielfach schon in der Kolonisationszeit. Er nennt als Beispiele Gebiete am Tollensesee bei Neubrandenburg, am Madüsee und Gebiete bei Fürstensee in Mecklenburg.

Als menschengemacht, wenn auch unter spezifischen Klima- und Bodenbedingungen, erwies sich schließlich nach etlicher Debatte auch die Lüneburger Heide. Besonders über ihre Entstehung gab es eine längere Auseinandersetzung bereits im 19. Jh., ja man darf sagen, daß in der Debatte über die Faktoren der Heidebildung (SCHALLOCK 1995, SCHAUER 1994) die Überlegungen zur Landschaftsentstehung in Mitteleuropa stark angeregt wurden. Um 1870 legte der Bremer Arzt und Botaniker WILHELM OLBERS FOCKE (1834-1922) dar, daß die Heide im wesentlichen naturbedingt ist. Es antworteten der führende Forst­wissenschaftler BERNHARD BORGGREVE (1836-1914) und der Mediziner und spätere Rostocker Botanikprofessor ERNST H. L. KRAUSE (1859-1942) (1892, 1896), welche die Rolle der menschlichen Wirtschaft für die Heidebildung betonten. 

BORGGREVE zog aus seinen Beobachtungen als Forstmann schon 1873 (S. 220) die Schlußfolgerung, daß es "wirklich natürliche Vegetationsformen ... in Culturländern wie Deutschland überhaupt gar nicht" gibt. Für die Heidebildung machte er vor allem die "Plaggenwirtschaft" verantwortlich, die darin besteht, daß von dem durchaus schon von Natur armen Boden in diesen Sandgebieten die ganze Pflanzendecke mit Wurzeln und auch den an der Oberfläche angesammelten Humusresten und festgehaltenen Nährsalzen abgeschält wird. Hier keimen dann wieder nur die Samen der Besenheide (Calluna vulgaris). Die weidenden Schafe sorgten außerdem für das Kurzhalten aller Gehölze. Ab und zu wird die Heide auch abgebrannt. Die Auswaschung der Mineralstoffe und deren Anreicherung zu einem "Ortstein" im Untergrund stabilisieren die auf den Menschen zurückgehenden Verhältnisse, wie der Bodenkundler E. RAMANN erkannte (1885). 


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Der Botaniker PAUL GRAEBNER (1871-1933) betonte noch einmal (so 1904) auf Grund von Beobachtungen über ausbleibende Heidebildung nach Walddevastierung, daß der menschliche Einfluß auch überschätzt würde (s.a. GRAEBNER 1904) und sah in der Heide eine in erster Linie naturbedingte Pflanzenformation. Es wurde sogar von der Gefahr einer Heideausbreitung gesprochen, bevor deutlich wurde, daß, wenn sie wenigstens in etlichen Gebieten erhalten bleiben soll, Schutzmaßnahmen erfordern. Hünengräber, so wurde später erklärt, wurden wohl in offenem Gelände angelegt und somit war solches in der Bronzezeit vorhanden, und dieses offene Gelände stand offenbar schon unter Menscheneinfluß (REMMERT 1995).

Für die Heideformation in Schottland waren mit Sicherheit wohl eher die Naturbedingungen Entstehungs­voraussetzung. Für die viel weiter im Binnenland gelegene Lüneburger Heide, ja selbst für die westenglischen Heiden wird aber die Entstehung durch die menschliche Waldrodung und Landnutzung kaum noch in Frage gestellt. Noch im Mittelalter war, wie man feststellte, die Region um den Wilseder Berg im Zentrum der Lüneburger Heide tiefer Wald. Das Holz wurde geschlagen, um die Salzsiedereien von Lüneburg damit zu versorgen. Die ohnehin anthropogen entstandene "Heide" ist dann in vielfältiger, auch raubbauartiger Weise weiter genutzt worden. Der Heidefilz wurde vielerorts ausgestochen und als Stallstreu, zur Ackerdüngung, als Heizmaterial, seltener als Dachbedeckung verwendet (GRAEBNER 1895). Dieser "Plaggenhieb" mußte in dem feuchten nordwestdeutschen Klima mit seinen Podsolboden zur weiteren Verschlechterung der Nährstoffbilanz im Boden, zur Versauerung und schließlich zur "Ortsteinbildung" führen. "Ortstein" heißt jene Schicht aus abgeschiedenen Eisen- und Aluminiummineralien in den Podsol-Böden, die durch nach unten hin ausgewaschene Substanzen zustande kam und oft hart und undurchdringlich ist. Auch das "Heide­brennen" hat die Lage vielerorts nicht verbessert.

Auch andere europäische Landschaften sind viel öfter Menschenwerk, als meist vermutet worden war. Die so urtümlich wirkende ungarische Puszta wurde von manchem Botaniker und Geographen im 19. Jh. als eine infolge der Sommertrockenheit nach Ungarn hineinreichende, naturbedingte Steppe betrachtet. In Wirklichkeit gehört das Gebiet aber dem Waldsteppengebiet an (DE SOO 1929). Die auf Sand stockenden Wälder wurden seit der Römerherrschaft abgeholzt, wuchsen zur Zeit der Ungarnkönige wieder und fielen unter der Türkenherrschaft erneut. Auch Flußregulierung und Kanalbau führten dann zur Szikespuszta, die also, wie die Lüneburger Heide, eine "Halbkulturformation" ist.


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    Errungenschaften des Hochmittelalters  

 

Ab dem 12. Jh., als sich auch die mittelalterlichen Städte entwickelten, wurden etliche bedeutende technische Errungenschaften mit Ausnutzung der Naturkräfte entweder nunmehr in großem Maßstab angewandt, in Europa eingeführt oder hier erstmals oder unabhängig von anderem Vorkommen erfunden. GUSTAV SCHMOLLER schrieb vielleicht etwas zu hochtrabend (ABEL 1970) sogar einmal von der "ersten Industrialisierung" Deutschlands, die allerdings auch in anderen Teilen Europas wirksam war. Die genutzten Ressourcen waren fast ausschließlich regenerierbare.

Weithin Verwendung fanden die Wasserräder, die bereits VITRUV zur Zeit des römischen Kaisers AUGUSTUS beschrieb und die ab dem Hochmittelalter nicht nur für das Getreidemahlen, sondern auch für das Sägen von Holz, den Antrieb von Blasebälgen, für Hammerwerke oder das Polieren von Marmor angewandt wurden. Neu war die wohl im östlichen Persien erfundene Windmühle, die in Europa nicht vor der zweiten Hälfte des 12. Jh.s anzusetzen ist und im 13. Jh. in Miniaturen und Urkunden klar nachgewiesen werden kann. Wichtig für die zukünftige Eroberung der Ozeane durch Europäer wurden hochseetüchtige Segelschiffe, mit hinterem drehbarem Steuerruder (etwa 12. Jh.), mit wesentlich erhöhter Manövrierfähigkeit durch auf bis 3 und gar 4 Masten verteilte und auch an den einzelnen Masten geteilte Segelflächen und schließlich durch Ersatz der Klinkerbauweise (dachziegelartig sich überdeckende Planken) durch die Kraweel-(Karavel-) Bauweise (14. Jh.). 

Dazu kam im 14. Jh. der Kompaß als Navigationsinstrument. Ihren Ursprung im fernen Osten hatten das Schießpulver, das Papier und das Gußeisen. Das aus Lumpen erzeugte Papier Europas erscheint im 13. Jh. Die Anfänge der Papierherstellung waren wohl aus dem Osten übernommen worden. Europäischen Ursprungs waren die Brille aus dem 13. Jh., welche die oft naturgegebenen Alterserscheinungen der Sehkraft behob, und die gleichlange Stunden anzeigende Gewichtsräderuhr (13. Jh.), die von Zeitmaßen der Natur unabhängiger machte. 

Feuerwaffen sind trotz der östlichen Anfänge europäischer Herkunft und tauchen um 1326 auf. Möglicher­weise unabhängig von der Entdeckung und Erfindung in Ost-Asien wurde wohl um 1400 das Gußeisen und vor der Mitte des 15. Jh.s das Drucken mit beweglichen Lettern (1436) auch in Europa gefunden.

Im Hochmittelalter wurden mit den neuen Schiffen und den Feuerwaffen die Voraussetzungen für die Erschließung großer Teile der Erde durch europäische Seefahrer, Krieger und Siedler geschaffen, was schließlich kaum irgendwelche Regionen der Erdoberfläche unberührt ließ.

Im 14. Jh. drangen die Portugiesen an der Westküste Afrikas immer weiter nach dem Süden vor, erreichten 1434 Kap Bojadur. 1488 wurde die Südspitze Afrikas umschifft, und noch vor Ablauf des 15. Jh.s wurde Ostindien unter Umrundung der Südspitze Afrikas erreicht. Spanische Schiffe, und bald auch englische, gelangten nach Amerika. Die ersten spanischen und kurz darauf auch portugiesischen Siedler fuhren bald nach der Entdeckung der "Neuen Welt" dorthin.

In Nordamerika wurde 1607 die englische Siedlung Jamestown in Virginien gegründet, 1608 gab es die Anfänge von Quebec als einer Handelsstation, und 1620 reisten die "Pilgerväter" auf der "Mayflower" nach Nordamerika, um Neu-England im engeren Sinne zu gründen. An der Südspitze von Afrika gründeten Holländer unter JAN VAN RIEBECK im Jahre 1652 eine erste Ansiedlung. Aus ihr ging Cape Town hervor.

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Gottfried Zirnstein 1994 Ökologie und Umwelt in der Geschichte  +  www.detopia.de