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   Deckname  »Lyrik« 

 

Ministerium für Staatssicherheit
Bezirksverwaltung Gera
06.09.1968

 

Eröffnungsbericht...

Kunze wurde [1964] im Rahmen der analytischen Arbeit unter Künstlern im Bezirk... überprüft. Die Überprüfung der Person erfolgte mit dem Ziel, seine Verbindungen zu Schriftstellern sowie die nach Westdeutschland und Westberlin operativ zu nutzen. Im Ergebnis wurde festgestellt, daß über Kunze operatives Material in der Bezirksverwaltung Leipzig vorlag [1958 bis 1960].

Eine Aussprache mit ihm ergab, daß er für die inoffizielle Arbeit nicht geeignet ist.

 

[Informationen zwischen 1964 und dem 6.9.1968:]

Gera, den 18.8.1964

Von einer Kontaktperson wurde folgendes über Reiner Kunze berichtet: ... Reiner Kunze gehöre zu denjenigen Lyrikern, die es strikt ablehnen, an Lyrikabenden teilzunehmen. Er begründet das damit, daß hier eine »Zensur« erfolge, d.h. daß er erst seine Gedichte vorlegen und diese genehmigt werden müßten, ehe er sie lesen dürfe.

Gera, den 1.6.1966

Verbindungen des Reiner Kunze... [es folgen 23 Anschriften von Schriftstellern, Verlegern und Schauspielern in der DDR, in der Bundesrepublik Deutschland und in der CSSR].

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Gera, den 30.08.67

... Der freischaffende Schriftsteller Kunze, Reiner, erhielt vom westdeutschen Merlin-Verlag eine Einladung. Begründet wurde die Einladung damit, daß Kunze der Übersetzer einer tschechischen literarischen Arbeit ist, die erstmalig in Westdeutschland herausgekommen sei [Jan Skäcel, »Fährgeld für Charon«, Gedichte]. Aus diesem Anlaß habe der Merlin-Verlag den tschechischen Autor und Kunze eingeladen. Nach Rücksprache mit Minister Gysi und der Kulturabteilung des ZK der SED wurde die Reise abgelehnt. Quelle: Gen. Dr. Seh..., Deutscher Schriftstellerverband.

 

Cottbus, den 19.10.1970

Reiner Kunze, Lyriker aus Greiz. Auf Einladung des Schriftstellerverbandes Cottbus weilte Vorgenannter... im Blechen-Club zu einem Vortrag... Eine klare, eindeutige politische Haltung zu unserer Kulturpolitik ist bei K. vermutlich nicht vorhanden... [Hinter] seinen... Worten »Man darf dem Künstler nicht die eigene Meinung nehmen« ... läßt [sich] die Tendenz von der sog. unpolitischen Kunst vermuten... Der IM, in dessen Händen die Leitung des Vortrages lag, und der die Gefährlichkeit dessen Thesen erkannte, bemühte sich mehrmals um die strikte Einhaltung der Tagesordnung.

 

Berlin, den 23.05.1968

... Ludvik Kundera ist einer der bekanntesten Lyriker der CSSR, der neben seiner eigenen lyrischen Produktion Gedichte und Erzählungen der DDR-Schriftsteller Arendt, Bobrowski, Brecht, Fühmann, Bieler, Kunert, Kunze und Huchel in die tschechische Sprache übersetzte... Kundera nahm an dem im Dezember 1964 stattgefundenen Schriftsteller-Kolloquium im Haus des Lehrers in Berlin teil. Im

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Verlauf der Diskussion stellte Kundera - nach seinen eigenen Worten - »bewußt scharf einige Fragen«, die eine Provokation darstellten. So äußerte er u.a.: »Warum hält man sozusagen im Hintergrund solche Dichter wie Günter Kuriert und Reiner Kunze"? Ich glaube, daß diese und ähnliche offene Fragen... den Ruf der Literatur und der Kulturpolitik der DDR stark schädigen.«

 

Berlin, den 7.06.1968

... Kunze fiel 1962 erstmalig im Zusammenhang mit dem Schriftsteller Hermlin, Stephan, operativ an... Seit den Ereignissen in der CSSR im September/November 1967 wird ersichtlich, daß sich Kunze auf die feindlichen Kräfte in der CSSR stützt und er besonders befürwortenden Anteil an der feindlichen Entwicklung nimmt. Aus diesem Grund erklärte er sich auch bereit, im Mai 1968 im Haus der Tschechoslowakischen Kultur in Berlin... Gedichte zu lesen. Nach der Veranstaltung wurde er mit anderen negativen und feindlichen Personen durch die Leitung des Kulturhauses zu einem Glas Wein eingeladen. In diesem Kreis wurden die Ziele der feindlichen Kräfte in der CSSR diskutiert und von Kunze und den anderen Anwesenden akzeptiert.

 

Gera, den 27.08.1968

... Die Gedichte des K. sind in der DDR kaum bekannt... Es wird eingeschätzt, daß die meisten seiner Werke schwer bzw. nicht verstanden werden... Bei einem Seminar... im März 1968 für Kulturschaffende und Künstler, an welchem K. teilnahm, wurde über Probleme in der CSSR gesprochen. K. nahm hierbei [die] Haltung ein, daß er sich gegen die Ausführungen des Referenten verwahrte... Hierbei kam es zu einer Auseinandersetzung, in der K. für die Schriftsteller der CSSR eintrat... Charakterlich wird K. als

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ein äußerst sensibler Mensch eingeschätzt, der bescheiden und zurückgezogen lebt... Im Wohngebiet ist K. als ein Einzelgänger... bekannt... Sein Hobby [sind] neben der Lyrik Musik und Malerei... Die Ehe des Kunze verläuft in geordneten Bahnen... Kunze unterhält zahlreiche Verbindungen zu Schriftstellern in der DDR, CSSR und in Westdeutschland. Im Einzelnen wurden folgende Verbindungen bekannt: [es folgen 17 Anschriften mit Kommentaren wie »Milan Kundera... Konterr. 21.8.68 angefallen«]... Charakteristisch ... ist, daß es sich vorwiegend um Personen handelt, die in der Vergangenheit eine negierende Haltung gegenüber der Kulturpolitik der Partei zeigten... Auf die Bevölkerung sind die Einflußmöglichkeiten des Kunze aus den schon genannten Gründen gering. Sie erstrecken sich auf... Schriftsteller der DDR... Eine wechselseitige Einflußnahme besteht zu den Schriftstellern in der CSSR... Kunze wird in einem Operativ-Vorlauf nach § 100 [Staatsfeindliche Verbindungen] bearbeitet. [Handschriftlich:] Beschluß... § 106.

 

Ziel der Bearbeitung:

 

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