Ovid 

Publius Ovidius Naso

Metamorphosen

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Und es entstand die erste, die goldene Zeit: ohne Rächer, ohne Gesetz, von selber bewahrte man Treue und Anstand. 

Strafe und Angst waren fern; kein Text von drohenden Worten stand an den Wänden auf Tafeln von Erz; 
es fürchtete keine flehende Schar ihren Richter: man war ohne Rächer gesichert. 

Fichten fällt man nicht,
um die Stämme hernieder von ihren Höhn in die Meere zu rollen, nach fremden Ländern zu fahren;
Außer den ihrigen kannten die Sterblichen keine Gestade. 

Keinerlei steil abschüssige Gräben umzogen die Städte;
keine geraden Posaunen, nicht eherne Hörner, gekrümmte, gab es, nicht Helme noch Schwert; 
Des Soldaten bedurften die Völker nicht: sie lebten dahin sorglos in behaglicher Ruhe. 

Selbst die Erde, vom Dienste befreit, nicht berührt von der Hacke, unverwundet vom Pflug, 
so gewährte sie jegliche Gabe, 

Und die Menschen, zufrieden mit zwanglos gewachsenen Speisen, sammelten Früchte des Erdbeerbaums, Erdbeeren der Berge, Kornelkirschen, in stachligen Brombeersträuchern die Früchte und die Eicheln, die Jupiters Baum, der breite, gespendet. 

Ewiger Frühling herrschte, mit lauem und freundlichem Wehen fächelten Zephyrlüfte die Blumen, die niemand gesäet. 

Ja, bald brachte die Erde, von niemand bepflügt, das Getreide: ungewendet erglänzte das Feld von gewichtigen Ähren. 

Hier gab's Ströme von Milch, dort ergossen sich Ströme von Nektar, und es troff von der grünenden Eiche der gelbliche Honig. 

 

(Ovid, Metamorphosen, 26 f.)

2009 Audio Musikprojekt 

2014 Audio Proust-Flaubert-Ovid 

2021 Audio Ovid Handbuch Leben und Werk

wikipedia  Metamorphosen_(Ovid)


Aus Wikipedia 2015:

Publius Ovidius Naso, kurz Ovid genannt (* 20. März 43 v. Chr. in Sulmo; † wohl 17 n. Chr. in Tomis), war ein antiker Versdichter. Er zählt in der römischen Literaturgeschichte, neben Horaz und Vergil, zum Kanon der drei großen Poeten der klassischen Epoche. Ovid schrieb in einer Frühphase Liebesgedichte, in einer mittleren Phase Sagenzyklen und in einer Spätphase Klagelieder.

Ovids gut erhaltenes Werk übte, nachdem es in der Spätantike weniger beachtet wurde, einen immensen Einfluss auf die Dichtung, die bildende Kunst und die Musik des Mittelalters und des Barock aus. In der Romantik ging der Einfluss zurück, lebte im späteren 19. Jahrhundert aber wieder auf.

Sein Werk hat sich in das kulturelle Gedächtnis der Nachwelt tief eingeprägt, hier ist vor allem sein Hauptwerk, die Metamorphosen, zu nennen.


 

 

 

Aus wikipedia-2024

Metamorphosen (Ovid)

Die Metamorphosen (lateinisch Metamorphoses „Verwandlungen“ oder Metamorphoseon libri „Bücher der Verwandlungen“) des römischen Dichters Publius Ovidius Naso, geschrieben vermutlich um das Jahr 1 n. Chr. bis 8 n. Chr., sind ein in Hexametern verfasstes mythologisches Gedicht über Metamorphosen (altgriechisch μεταμόρφωσις metamórphosis „Verwandlung in eine andere Gestalt“).

In 15 Büchern zu je etwa 700 bis 900 Versen wird die Geschichte der Welt von ihren Anfängen bis hin zur Gegenwart des Dichters erzählt und in rund 250 Einzelsagen aus der römischen und griechischen Mythologie mit hohem künstlerischen Esprit dargestellt. Von ihrem Erscheinen an sind die Metamorphosen eine der populärsten Mythendichtungen überhaupt und sicherlich die den mittelalterlichen Schriftstellern und Dichtern am besten bekannte. Der Einfluss dieses Werks auf die Literatur nachfolgender Zeiten sowie auf die bildende Kunst des Mittelalters, des Barock bis hin zu der der Neuzeit ist enorm.

Thematischer Kern ist das in Mythen häufig anzutreffende Verwandlungsmotiv, worin meist ein Mensch oder ein niederer Gott in eine Pflanze, ein Tier oder ein Sternbild (Katasterismos) verwandelt wird. Das Werk beginnt mit einem Proömium, setzt an bei der Entstehung der Welt aus dem Chaos und endet bei der Verwandlung von Caesars Seele in einen Stern, woran noch eine Anrufung an Augustus und ein Epilog anschließen. Die logische Verknüpfung der oftmals thematisch nicht zusammengehörigen Einzelgeschichten erfolgt durch Überleitungen. Behandelt werden sowohl zentrale Geschichten und Figuren der Mythologie (zum Beispiel Kosmogonie, Herakles, Trojanischer Krieg) als auch eher abgelegene Mythen. Manche Metamorphosen werden sogar nur ganz knapp angedeutet oder nebenbei erwähnt (zum Beispiel bei Medeas Rundflug über die Ägäis im siebten Buch).

Sprachlich zeichnet sich das Gedicht durch ein großes erzählerisches Variationsbestreben und einen hohen künstlerischen Anspruch aus, sodass je nach Thema elegische, epische, tragische, komische oder sogar groteske Töne anklingen können. Aufgrund dieser Mischung aus epischer Form, stofflicher Vielfalt und dichterischer Eleganz werden die Metamorphosen als Epos sui generis („von ganz eigener Art“) bezeichnet.

 

 

Entstehungskontext
Zur genauen Abfassungszeit der Metamorphosen gibt es nur wenige direkte Informationen.[2] Ohnehin stammt das Meiste, was wir zu Ovid und seinem Werk wissen, aus dessen eigenen Dichtungen. Einzelne Aussagen müssen daher mit Vorsicht behandelt werden.[3] Als sicher kann gelten, dass die Metamorphosen im Jahre 8 n. Chr. weitgehend vollendet waren. Der Beginn der Arbeit ist um die Zeitenwende anzusetzen, weil Ovid sehr wahrscheinlich zu dieser Zeit seine Beschäftigung mit der Liebesdichtung abgeschlossen hat und sich so Neuem widmen konnte.[4] Drei Faktoren, die eng miteinander zusammenhängen, sind für die Entstehung der Metamorphosen von großer Bedeutung: der soziale und politische Alltag in Rom, die literarischen Traditionen und Ovids eigene Dichterbiographie.

 

Ovid und das augusteische Rom
Ovid, am 20. März 43 v. Chr. geboren, wächst zwar in der letzten Periode der römischen Bürgerkriege auf, ist aber erst dann ein junger Erwachsener, als der ab 27 v. Chr. Augustus genannte Gaius Octavius seine Alleinherrschaft bereits konsolidieren und Rom zu einer neuen kulturellen und politischen Blüte führen konnte. Anders als die um etwa eine Generation älteren Dichter Vergil, Horaz und Properz, die in die kriegerischen Auseinandersetzungen zum Teil aktiv involviert gewesen waren und deshalb in ihren Gedichten den Aufbruch in die neue Friedenszeit emphatisch thematisieren, kennt Ovid nur dieses augusteische Rom und setzt es gewissermaßen als Erfahrungshorizont voraus.[5] Am deutlichsten bringt dies das elegische Ich in der Ars amatoria zum Ausdruck: “Rohe Schlichtheit war früher: Jetzt ist Rom golden … Das Alte mag anderen gefallen, ich heiße mich glücklich, jetzt erst geboren zu sein: Diese Zeit passt zu meinem Charakter.”


Trotz dieses klar positiven Bekenntnisses bieten die Metamorphosen durchaus Konfliktpotential gegenüber Augustus’ zentraler Stellung als Alleinherrscher und gegenüber der offiziellen politischen Agenda.[7] Diese bestand darin, die Herrschaft des Augustus als eine segensreiche Zeit zu proklamieren, in der nach den Verwüstungen des Bürgerkrieges Friede und Beständigkeit herrscht und eine Rückbesinnung auf die ehrwürdigen Institutionen des Staates und der Staatsreligion stattfindet. Konfliktstoff könnte zudem geboten haben, dass sich Augustus’ Herrschaft in der Zeit zwischen 4 und 8 n. Chr. in einer Krise befand. Wenn in den Metamorphosen wiederholt die Vergänglichkeit großer Mächte (zum Beispiel Theben oder Athen) und die Fragilität monarchischer Herrschaft thematisiert werden oder wichtige identitätsstiftende Figuren und Motive (zum Beispiel die Gottheit Apollo und der Lorbeer oder der Held Aeneas) wenig glanzvoll erscheinen, widerspricht dies sicherlich indirekt der augusteischen Propaganda. Allerdings kann dieses komplexe Verhältnis nicht auf eine einfache Herrscherkritik oder Opposition reduziert werden, da Ovid zum einen auch positive Bezüge zu Augustus herstellt und zum anderen kein politisches, sondern allen voran ein dichterisches Anliegen verfolgt.[8] Des Weiteren war auch das augusteische Rom geprägt von zahlreichen grundlegenden Innovationen und Transformationen, sodass die Verwandlungsthematik hierzu keinen wirklichen Gegensatz bildet.

 



Literarische Einflüsse
Die formalen wie auch inhaltlichen Einflüsse früherer Dichter und Philosophen auf die Metamorphosen sind enorm und mitunter deutlich erkennbar.[10]


Mit der Wahl des Hexameters stellt sich Ovid in die Traditionslinie des antiken Epos, dessen maßgebliche Vorgänger bei den Griechen Homers Ilias und Odyssee und Apollonios von Rhodos’ Argonautika und bei den Römern Ennius’ Annalen und Vergils Aeneis sind. Zusätzlich zur äußeren Form des Epos weisen die Metamorphosen auch viele grundlegenden stofflichen Parallelen zu all diesen Epen auf.

 

Über die hexametrische Form eröffnet sich als zweite zentrale Traditionslinie die zur antiken Lehrdichtung. Wichtige inhaltlich-thematische Vorgänger sind bei den Griechen Hesiods Theogonie sowie Werke und Tage und Empedokles’ Über die Natur; bei den Römern Lukrez’ De rerum natura und Vergils Georgica.

 

Als dritte wichtige Tradition ist die Literatur des Hellenismus zu nennen, besonders die von Kallimachos vertretene dichterische Avantgarde und das Konzept des poeta doctus, eines Dichters, der scheinbar spielerisch hochkomplexe Erzählungen über entlegene Ereignisse und Figuren darbietet. Neben Kallimachos’ in elegischen Distichen verfassten Gedichten (Aitien und Hekale), welche u. a. im zweiten Buch der Metamorphosen deutlichen Niederschlag finden, sind es zwei nur fragmentarisch überlieferte Texte mit Verwandlungsgeschichten, die als direkte Vorbilder gelten können: Nikanders Heteroiumena („Verwandlungen“) und die Ornithogonia („Entstehung von Vögeln“) einer bzw. eines Boio/Boios.[11] Als Nachfolger dieser Dichter kann der im Rom des 1. Jahrhunderts v. Chr. lebende Parthenios von Nicaea gelten, der ein nicht mehr erhaltenes Gedicht Metamorphoseis und ein erhaltenes Prosawerk Erotica pathemata („Liebesleiden“) verfasst hat.

Deutliche Parallelen gibt es auch zur griechischen Tragödie, die einerseits stofflicher Natur sind (zum Beispiel zu Euripides’ Medea oder zu Sophokles’ Trachinierinnen), andererseits aber sogar strukturell, da in den Metamorphosen über die Hälfte der Handlung durch eine Binnenerzählung sozusagen inszeniert wird.[12]

Aus der Philosophie werden – neben den Lehrgedichten des Empedokles und des Lukrez – zahlreiche Motive oder Konzepte von Philosophen und Philosophenschulen der Antike aufgegriffen. Sehr prominent tritt hierbei Pythagoras und die Vorstellung von der Seelenwanderung im 15. Buch in Erscheinung, daneben gibt es Anleihen bei Heraklit, Platon (zum Beispiel der Demiurg im ersten Buch) und der Stoa (der Weltenbrand im zweiten Buch).

Durch den im Proömium eröffneten Zeitrahmen des Gedichts („vom ersten Ursprung der Welt … bis zu meiner Zeit“)[13] besteht zudem eine Verbindung zu der seit dem Hellenismus aufkommenden Universalhistorie.[14]

Der Dichter Ovid

Ovid in der Schedelschen Weltchronik (1493)
Die letzte bedeutende Traditionslinie, die in den dichterischen Kleinformen des Hellenismus ihren Ursprung hat und fast vollständig Ovids Frühwerk ausmacht, sind die römische Liebeselegie und Liebesdichtungen im elegischen Distichon (eine Ausnahme davon ist die fast vollständig verlorene Tragödie Medea). Schon in seinem Erstlingswerk, den Amores („Liebesgedichte“), lässt Ovid ein lebhaftes Interesse an mythischen Stoffen und Figuren erkennen, die zur Veranschaulichung oder Ausschmückung als Beispiele angeführt werden (so zum Beispiel im Katalog der Fabelwesen in am. 3,12,21–40). Viele davon tauchen in Form größerer Einzelepisoden in den Metamorphosen wieder auf. Gleiches gilt für die Heroidenbriefe und die Ars amatoria („Liebeskunst“), die als Elegien in Briefform und als elegisches Lehrgedicht die üblichen Gattungsgrenzen überwinden. Ähnlich wie die Heroiden schreibt zum Beispiel Byblis im neunten Buch der Metamorphosen einen Brief an ihren Geliebten und getreu den Lehren der Ars versucht zum Beispiel Iphis im 14. Buch seine Geliebte zu gewinnen.

Zeitgleich zur Arbeit an den Metamorphosen schreibt Ovid seine zweite große mythologische Dichtung, die nur halb fertiggestellten Fasten. Darin erzählt er im Versmaß des elegischen Distichons Ursprungsgeschichten zu wiederkehrenden Festen und Ritualen im römischen Kalender (lat. Fasti). Die Diskussion der strukturellen und thematischen Überschneidungen und Unterschiede dieser beiden Werke lieferte in der Vergangenheit wichtige Einsichten zum Verständnis beider Gedichte.[15] Allgemein bezeichnet man diese Schaffensphase als die mittlere, in der Ovid, nachdem er zuvor „Dichter der Liebe“ war, als „Dichter der Götter“ in Erscheinung tritt, ehe er dann in seiner Spätphase „Dichter des Exils“ ist.[16]

Textüberlieferung
Wie bei den meisten antiken Werken ist uns auch von den Metamorphosen – trotz des nachweislichen Erfolgs beim Publikum der nachfolgenden Zeit[17] – kein Original des Textes erhalten geblieben. Die frühesten direkten Textzeugnisse sind Fragmente von Handschriften aus dem 9. und 10. Jahrhundert n. Chr. (zum Beispiel der Codex Bernensis 363 aus dem 9. Jahrhundert, in dem die Verse 1,1–199, 1,304–309, 1,773–779, 2,1–22 und 3,1–56 enthalten sind).[18]


Codex Bernensis 363, fol. 187r (mit Ov. met. 1,1–199)
Wiederum einige Jahrhunderte später sind uns aus dem 11. und 12. Jahrhundert n. Chr. drei in Italien entstandene und eng zusammengehörige Handschriften erhalten, die die Bücher 1–14 relativ vollständig enthalten und als „italienischer Überlieferungszweig“ bezeichnet werden.[19] Eine davon (der Codex Vaticanus Urbinas lat. 341 aus dem 11. Jahrhundert) weist mit Einschränkungen den gesamten Text auf. Ebenso ab dem 11. Jahrhundert gibt es den sogenannten „französischen Überlieferungszweig“ mit sechs Handschriften vornehmlich aus dem süddeutschen Raum und Frankreich. In den nachfolgenden Jahrhunderten entstehen bis zur Erfindung des Buchdrucks mehr als 450 weitere Handschriften, die sich auf einen dieser Zweige zurückführen lassen.[20]

Aus dieser Überlieferungslage ergeben sich für die Erstellung einer Textausgabe mehrere Probleme, um zu einer Version zu gelangen, wie sie Ovid verfasst haben mag (Archetyp). Zum einen enthält jede Handschrift Fehler, die ein Schreiber beim Abschreiben der Vorlage unabsichtlich produziert hat, sodass alle Handschriften miteinander verglichen werden müssen und die wahrscheinlichste Variante ermittelt werden muss (Kollation und Rezension). Zum anderen gibt es bei den Metamorphosen zwei speziellere Probleme: Der Überlieferungsstatus des 15. Buches ist zusätzlich zur ohnehin bereits schlechten Textüberlieferung besonders prekär, weil vor allem die ältesten Handschriften den Text nur bis maximal zum 14. Buch aufweisen.[21] Die zweite Schwierigkeit betrifft den Umstand, dass an manchen Stellen die beiden Hauptüberlieferungszweige zwei unterschiedlich lange Versionen überliefern und so die Frage im Raum steht, ob im frühen Mittelalter zwei Versionen der Metamorphosen kursiert sind.[22] Als möglicher Grund wird hierfür diskutiert, dass die eine Version diejenige ist, die Ovid wegen des Verbannungsbefehls 8 n. Chr. nicht mehr final bearbeiten konnte;[23] und die andere längere Version des „französischen Überlieferungszweigs“ diejenige ist, die Ovid in der Verbannung in Tomis noch redigiert hat. Vor allem wegen der völlig unklaren Textgeschichte zwischen Ovids Original und der Version in den Handschriften, immerhin neun Jahrhunderte später, muss dies jedoch Spekulation bleiben.[24] Die Aussage Ovids aus den Tristia, er habe sein Manuskript vor Abreise ins Exil verbrannt (Ov. trist. 1,7,13–24), ist sehr wahrscheinlich nur eine dichterische Überspitzung, denn sie „offenbart sich selbst als poetische Fiktion“.

 

 

Merkmale des Gesamtwerks
Gattung
Als in stichischen Hexametern verfasstes Gedicht sind die Metamorphosen der äußeren Form nach ein Epos, was sich auch in weiteren Gattungsmerkmalen niederschlägt: ein allwissender Erzähler; ein Proömium (Ov. met. 1,1–4); Musenanrufe (zum Beispiel Ov. met. 15,622–625); Beschreibungen von Orten und Gegenständen (zum Beispiel Ov. met. 1,169–176); sogenannte Kataloge (zum Beispiel Ov. met. 3,206–225) und schmückende Beiwörter (Epitheta ornantia) (zum Beispiel Ov. met. 2,504: „wundenschlagende Waffe“ (lat. vulnificum telum)). Aber schon aus thematischer Sicht ist eine Zuweisung der Metamorphosen zum Epos unzureichend, weil darin weit mehr als nur Heldentaten eines Einzelnen oder eines Kollektivs, konstitutiver Kern von Epen, geschildert werden.[26] Ebenso gibt es keinen Haupterzählstrang, wie er sonst üblich ist.

Wichtige Hinweise zur Gattungsfrage gibt Ovid selbst im Proömium. Als Thema sind dort zunächst „in neue Körper verwandelte Gestalten“ (lat. in nova … mutatas … formas/corpora, Ov. met. 1,1–2) genannt,[27] was eher auf einen Stoff der Lehrdichtung hinweist. Dennoch nennt Ovid sein Werk ein „durchgängiges Gedicht“ (lat. perpetuum … carmen, Ov. met., 1,4), womit er eine griechische Bezeichnung für das Epos zitiert, die von Kallimachos stammt.[28] Zugleich signalisiert das in dem Satz gewählte Verb deducere, dass das Gedicht nicht nur in der üblichen Bedeutung „herabgeführt“, sondern wie ein feines Gewebe „abgesponnen“ werden soll.[29] Damit stellt sich Ovid sehr klar auch in die formale Tradition des Hellenismus mit seinem poeta doctus-Ideal.

Im Proöm wird so das für die Metamorphosen charakteristische Spannungsverhältnis aus Epos, Lehrgedicht und hellenistischer Kleinform mit perpetuum deducite … carmen auf eine Formel gebracht. Wenn Ovid nun eine doppelte Gattungskreuzung betreibt, kommt noch hinzu, dass andere dichterische Traditionen wie das Drama oder die Liebeselegie ebenso als wichtige Einflüsse zu beachten sind. Das Besondere an den Metamorphosen ist aber, dass darin alles wie in spielerischer Leichtigkeit vereint ist und „die in der Antike geprägten literaturtheoretischen Begriffe zu seiner Definition nicht so recht geeignet scheinen.“[30] Daher sind die Metamorphosen am besten ein Epos sui generis („von ganz eigener Art“) zu nennen.[31]

Aufbau
Wie bei der Gattung gibt es auch beim Aufbau der Gesamterzählung verschiedene scheinbar konkurrierende Prinzipien, von denen jedes einzelne beachtenswert, aber keines davon alleingültig ist. Man spricht deshalb auch von einer symphonischen Struktur.[32]

Die 15 Bücher bilden zunächst eigenständige Einheiten, deren Enden und Anfänge aber teilweise kunstvoll miteinander verknüpft sind.[33] Durch das einleitende Proömium (Ov. met. 1,1–4) und den abschließenden Epilog (Ov. met. 15,871–879) ist das Gedicht von Aussagen des Haupterzählers eingerahmt. Dem achten Buch kommt als symmetrischen Mittelpunkt auch thematisch eine hervorgehobene Stellung zu.[34] Darüber hinaus haben manche Bücher ein mehr oder minder geschlossenes Thema (zum Beispiel die Dynastie des Kadmos in Theben im dritten Buch).

Des Weiteren lässt sich eine Grobgliederung in drei Pentaden (drei Gruppen zu je fünf Büchern) erkennen. Am Ende einer jeden Pentade steht eine längere Binnenerzählung einer Künstler- oder Rednerfigur: die Muse Kalliope (Ov. met. 5,337–661), der Sänger Orpheus (Ov. met. 10,8–739) und der Philosoph Pythagoras (Ov. met. 15,75–478). Ergänzt wird dies zu Beginn der neuen Pentade um eine Art Reaktion, mit der das Thema „Dichtung“ noch einmal aufgegriffen und abgeschlossen wird: der „kreative“ Wettstreit zwischen Minerva und Arachne (Ov. met. 6,1–145) und der Tod des Orpheus (Ov. met. 11,1–66). Ovid selbst spricht zudem zweimal in seinen Exilgedichten von den Metamorphosen als „dreimal fünf Buchrollen“ (ter quinque volumina).[35]

Ausgehend von dieser formalen Strukturierung wurden immer wieder Versuche unternommen, auch thematische Blöcke zu identifizieren. So schlägt zum Beispiel der amerikanische Philologe Brooks Otis vier Sektionen vor,[36] der deutsche Walther Ludwig dagegen drei Hauptteile, die sich wiederum in zwölf Großteile unterteilen.[37] Letzten Endes können aber auch diese Themenschwerpunkte oder -blöcke nur eine grobe Orientierung bieten, über die der Assoziationen- und Ideenreichtum der erzählerischen Gesamtanlage weit hinausreicht.[38] So ist es etwa ein Charakteristikum der Metamorphosen, dass sich in Binnenerzählungen – und ebenso in wiederum in Binnenerzählungen einlegte Binnenerzählungen – etwas wiederholt oder wiederaufgegriffen wird, was im Haupterzählstrang bereits thematisiert wurde, sodass ein Bild im Bild (sog. Mise en abyme) entsteht.[39] Ebenso sind einzelne Geschichten über Bücher- oder Pentadengrenzen hinweg motivisch oder erzählerisch miteinander verbunden (wie zum Beispiel Hyacinthus und Aiax, aus denen Blumen mit identischer Inschrift entstehen).

Überleitungen
Abgesehen von der Einteilung des Gedichts in Bücher gibt es keine weiteren formalen Unterteilungen (wie etwa Kapitel, Überschriften o. ä.). Um aber dennoch das im Proömium angekündigte perpetuum carmen herzustellen und die rund 250 Einzelsagen zu einem einzigen Erzählfaden zu verbinden, nutzt Ovid sogenannte Überleitungen oder Übergänge.[40] Das bedeutet, dass er nach Abschluss einer Episode A eine Verbindung zur neu ansetzenden Episode B herstellt, nach Episode B wiederum zu C usw.

Ein besonderes Kennzeichen der Metamorphosen ist es, dass Ovid für diese Überleitungen – die immerhin über 200 Mal erforderlich sind – ein hohes Abwechslungsbestreben und einen ambitionierten Sprachwitz mit überraschenden Pointen zeigt. So gelingt es ihm in den meisten Fällen, lebendig in seiner Erzählung fortzufahren und den Leser zu unterhalten, ohne monoton zu wirken. Stark unterschiedlich ist zum einen die Länge: Sie kann von einem einzelnen Vers reichen (zum Beispiel Ov. met. 2,710) bis hin zu einem epischen Katalog (zum Beispiel Ov. met. 6,412–425). Zum anderen variiert die Art der jeweiligen logischen Verknüpfung: Mal ist sie zeitlich (zum Beispiel Ov. met. 2,401-410), mal örtlich (zum Beispiel Ov. met. 2,710), mal kausal (zum Beispiel Ov. met. 1,450-451), mal eine Teil-Ganzes-Relation (nach dem Schema „alle sind da, nur Einer fehlt“; zum Beispiel Ov. met. 6,412–425) oder mal eine Figur (zum Beispiel Ov. met. 5,250–251). Auf diese Weise wirken die Übergänge das eine Mal assoziativ und natürlich, das andere Mal bewusst künstlich und unterbrechend.

 

 

Themen und Motive
Ovid bringt zu Beginn das Thema eindeutig auf den Punkt: „in neue Körper verwandelte Gestalten“ (lat. in nova … mutatas … formas/corpora, Ov. met. 1,1–2), d. h. es werden Verwandlungen von einer früheren Form in eine andere erzählt, die zu neuen Körpern führten. Dem Vorgang wohnt eine zentrale Spannung inne, weil zum einen die Wandelbarkeit der Welt vor Augen geführt wird, aber zum anderen die Resultate dieser Verwandlungen dauerhafte Resultate hervorbringen (zum Beispiel bestimmte Naturphänomene wie Quellen, Felsen oder Tiere).[42] Der Vorgang ist zugleich auch aitiologisch, weil er Erscheinungen aus der Wirklichkeit mit dichterischen Mitteln auf einen mythologischen Ursprung zurückführt und in eine ursächliche Beziehung stellt. Der Lorbeerbaum (gr. δάφνη daphne) hat zum Beispiel, so die Aitiologie Ovids, seinen Ursprung in der Nymphe Daphne und die Verwandlung ihre Ursache darin, dass ihr Vater Peneus sie dadurch vor Apollo rettet.[43] Die Metamorphose kann rettend (wie zum Beispiel bei Daphne), belohnend (wie zum Beispiel bei Philemon und Baucis), bestrafend (wie zum Beispiel bei Lycaon) und manchmal sogar zufällig sein (wie zum Beispiel bei den Korallen, Ov. met. 4,740–752).

Abgesehen davon, dass über das gesamte Gedicht hinweg von Verwandlungen erzählt wird, spiegelt sich das Thema auch in vielerlei Weise in Motiven, Symbolen und Figuren wider. Eine zentrale Stellung nimmt dabei die – oft unerwiderte oder traumatisierende – Liebe einschließlich ihrer Personifikationen Venus und Amor ein, die in vielen Fällen die Ursache für die Metamorphose sind.[44] Symbolische Funktion haben des Weiteren sowohl Figuren mit der Fähigkeit, sich zu verwandeln, wie zum Beispiel Acheloos, Proteus und Thetis als auch wandel- oder formbare Materialien wie zum Beispiel Korallen (Ov. met. 4,740–752) oder Wachs (Ov. met. 15,169–172). Formbar bzw. geformt im weiteren Sinn sind auch die im ganzen Gedicht auffindbaren Kunst- und Schriftprodukte (wie zum Beispiel die gewebten Kunstwerke von Arachne und Minerva zu Beginn des sechsten Buches oder der Brief, den Byblis im neunten Buch schreibt), mit denen Ovid nicht zuletzt sein Dichten mittels der eigenen Dichtung reflektiert (sog. Metapoetik). Als eine ortsbezogene Verwandlung ist auch das Reisen und die Bewegung im Raum von großer Bedeutung in den Metamorphosen.[45]

Der gemeinsame Nenner für die enorme Vielfalt an Einzelmotiven, die selbst wiederum verschiedentlich aufeinander bezogen oder einander entgegengesetzt werden, ist der Mensch und seine Identität in einer unsteten und zahlreiche Gefahren und Bedrohungen aufweisenden Welt. Dementsprechend zentral ist die – typisch menschliche – Selbstüberschätzung (Hybris) zusammen mit der Missachtung eines oft göttlichen oder mächtigeren Gegenübers, was zu einer Bestrafung durch Metamorphose führt.[46]

 

 

 

 

 

 

 

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