2 Die Chance des Kirchentags
Diese
Rede war für den Ökumenischen Kirchentag
2003 in
Berlin vorbereitet.
Aus Gesundheitsgründen
war der Autor nicht
in der Lage, die Reise anzutreten.
(Amery-2003)
279-288
Schon einmal, in den Achtzigerjahren, hatte ich die Gelegenheit, vor einem Kirchentag (damals einem evangelischen) zu sprechen und als Motto wählte ich Johannes 6, Vers 60: »Diese Botschaft ist hart: wer will sie hören?« Auch diesmal wird sie hart sein, die Botschaft; nicht, weil es dem Redner Spaß macht, sondern weil sich die Verhältnisse seitdem nicht geändert — oder, wenn überhaupt, ins Schlimmere gewendet haben.
Hier und heute gilt es offen zu reden, offener als leider üblich; es geht nicht um Public-Relations für einen mehr oder weniger netten Haufen von Aufmüpfigen, die sich hier versammelt haben, sondern um die substantiellen Tatsachen des anhebenden Jahrtausends — und unsere Möglichkeiten, sie zum Besseren zu wenden.
Beginnen wir mit einer Tatsachen-Geschichte des letzten Jahres, die eine wahrhaft antike Größe des Verderbens entfaltete.
Im August, also mitten in der Elbflut, und in Sachsen, dem am schwersten betroffenen Lande, wurde mit bedeutendem Tamtam, mit Kulturgirlanden und Prominentenreden, feierlich eine neue Produktionsanlage angeworfen — eine Fabrik zur Herstellung von rohstoff- und energiefressenden, klimaverändernde Schadstoffmassen absondernden Protzautomobilen. Der Name des neuen Modells ist Phaeton. Da Kenntnis der klassischen Mythologie so gut wie verschwunden ist, kommentierten weder Wirtschaftsjournalisten noch Feuilletonisten die im wahrsten Sinn des Wortes blutige Ironie des Namens im Zusammenhang mit der Sintflut ringsum.
Der ursprüngliche Phaeton, eine leichte Prunkkutsche der Rokokozeit, bezog seinen Namen von einem Mythos der Griechen, der Geschichte vom Jüngling, welcher der Sohn des Sonnengottes von einer sterblichen Mutter war. Seinem gewinnenden Wesen gelang es, dem Vater einen Tag eigener Fahrt auf dem gewaltigen Helioswagen mit den Feuerrossen abzuschmeicheln. Der Tag wurde zum kosmischen Desaster, Phaeton verlor die Kontrolle, und der Sonnenwagen riß eine breite Schneise des Verderbens durch die Lebenswelt. Zeus, der Donnergott, mußte eingreifen, er zerschmetterte den Frevler mit einem Keilblitz, um Menschen und Erde zu retten.
Wie gesagt: kein Kommentator stellte damals die so offensichtliche Verbindung zum Hybris-Mythos der Griechen her. Die Verachtung der biosphärischen Wirklichkeit, ihre Gefährdung durch eben das Werte- und Produktionssystem, dessen goldenes Sakrament der glorifizierte Verbrennungsmotor ist, läßt sich hier in einem letzten Endes religiösen Zusammenhang erschauen, der in der Regel auch von Christen nicht wahrgenommen wird.
Für dieses Nicht-Wahrnehmen, das eine Krankheit zum Tode ist, gibt es ein beziehungsreiches deutsches Wort: Verblendung.
Verblendung ist nicht völlige Blindheit, sondern Blockade der Sehkraft — entweder durch die übermäßige Einwirkung einer besonders starken Lichtquelle, oder durch seitliche Sichtbegrenzungen, Blenden, nach dem Scheuklappenprinzip. Die Lichtquelle, die heute unser aller Sehkraft absorbiert, ist der Ökonomismus, ist das Weltdeutungsmonopol durch den Totalen Markt.
280
Er ist drauf und dran, nicht nur alle politischen Kriterien zu ersetzen oder zu verschlingen, sondern auch fast alle unsere persönlichen Entscheidungen zu motivieren — nach dem bekannten Kosten-Nutzen-Prinzip, das als Anstoß aller Lebensbewegungen nur die egoistische Vorteilnahme nach Preisvergleich gelten läßt. In dem Maß, in dem dieses Deutungsmuster seine Allmacht proklamiert und dadurch die kulturellen wie die politisch-gesellschaftlichen Systeme zersetzt, zerstört es auch unser Wahrnehmungsvermögen für die Lebenszusammenhänge von Gottes gut ausbalancierter Welt.
Und damit erklärt sich auch die zweite Bedeutung von »Verblendung«: die Montage von Scheuklappen, die unseren Blickwinkel auf primitivste betriebswirtschaftliche Argumente beschränken sollen.
Diese Montage war und ist weltpolitisch äußerst erfolgreich.
In den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts brach, unterstützt von unwiderleglichen wissenschaftlichen Argumenten, im Bewußtsein der Nachdenklichen die ökologische Perspektive auf — die einzige wirklich originelle seit den Tagen der großen Theoretiker des 19. Jahrhunderts. Sie begann sich politisch zu formieren und wurde gestärkt durch den Vietnam-Protest sowie die erste massive Ölkrise.
Ein US-amerikanischer Präsident, Jimmy Carter, erwog allen Ernstes, diese Perspektive in die politische Praxis einzuführen; er gab die große Prognose GLOBAL 2000 in Auftrag, und (was wichtiger war) einen strategisch begründeten Plan zur Dezentralisierung und zum raschen Ausbau regenerativer Energieerzeugung.
Heute ist klar: die Plutokratie, vor allem die großen US-Wirtschaftsmächte, die politisch vorwiegend in der republikanischen Partei zusammengefaßt sind, erkannten die ungeheure Gefahr, die da für sie drohte.
Durch ein beispiellos machiavellistisches Manöver mit den schiitischen Machthabern des Iran stellten sie 1980 die Abwahl Carters sicher, lancierten ihren Darsteller Ronald Reagan und ließen die beiden skandalösen Pläne schleunigst in der hintersten Washingtoner Archivschublade verschwinden. Eine Linie der Macht- und Wirtschaftspolitik war damit gefestigt, deren tödliche Folgen wir rings um uns erleben.
wikipedia Phaethon_(Mythologie) wikipedia Geiselnahme_von_Teheran 1979-1981 wikipedia Jimmy_Carter *1924
281/282
Darüber hinaus aber gelang es den glänzend dotierten think tanks, den neoliberalen und neokonservativen Denkküchen Europas und US-Amerikas, die gesamte ökologisch-biosphärische Dimension so gut wie ganz aus der öffentlichen Debatte, vor allem aus den Tagesmedien, zu tilgen. Es war und ist dies ein ideenpolitischer Coup, wie er keinem noch so effizienten und machthungrigen Leitungsbüro irgendeiner Kirche oder irgendeines Imperiums je gelungen ist, und selbst die brutalen Meinungsdiktate des Sowjetsystems waren bei weitem nicht in der Lage, ihre Gegner in den Köpfen so erfolgreich zu paralysieren.
Ohne bedenkliche Verdummungserscheinungen war dies allerdings nicht zu machen, das ist ja tagtäglich in den Geschwätzspektakeln, neudeutsch Talkshows, zu erleben. Und Politik reduziert sich mehr und mehr auf die wirkliche oder vermeintliche Sicherung des jeweiligen Industrie- und Finanzstandorts. Die wird mit unbewiesenen Argumenten und unpassendem Werkzeug versucht, meist auf Kosten der unteren Hälfte der Bevölkerungen — vor allem der unteren Hälfte der Weltbevölkerung.
Die Folge ist, daß zweihundertfünfzig Menschen dieser Welt mehr besitzen als ihre gesamte untere Armutshälfte.
Und darüber (oder darunter, je nach Perspektive) läuft die stete, skrupellose, ungeminderte Zerstörung der Lebensgrundlagen so(wohl) wie der sozialen Bindekräfte weltweit, auch in unseren wohlgenährten Ländern.
Damit kommen wir zur Sache eines Kirchen-, eines Christentages.
282
Ist es wahrscheinlich, ist es überhaupt vorstellbar, daß diese einmalige artgeschichtliche Herausforderung, diese unbewußte oder halbbewußte Zubereitung der Lebenswelt für ihren Tod von Hand des Geldes, diese immer weiter gähnende Kluft zwischen Arm und Reich, die immer mehr Menschen in die absolute Überflüssigkeit stößt; dieser kontinuierliche Verlust an Lebens- und Menschengerechtigkeit, nichts mit christlichem Weltauftrag, mit Heils-Geschichte zu tun hat?
Ist es nicht offenbar, daß der Totale Markt mit seinen Allmachtsansprüchen, seiner egoistischen Ellbogenideologie, seinen ungeheuren Kollateralschäden in der Lebenswelt und den Gemeinschaften, ja den Gemütern der Menschen, in unserer Zeit die Verkörperung dessen ist, was die Offenbarung des Johannes als das Große Tier aus der Tiefe beschreibt — machtvoller, wirkungsvoller, tödlicher als je zuvor?
Und darf die Ecclesia, die Gemeinde der Christen, sich aus der Pflicht der absoluten Konfrontation, die daraus erwächst, davonstehlen? Darf sie so tun, als ginge es bei der Ausbeutung der Armen und der lebendigen Erde um rein weltliches Zeug, das mit der Verkündung des Gottes- und Christusbundes nichts zu tun hat? Hat sie nicht vielmehr den unausweichlichen Auftrag, die Sache des guten und gerechten Lebens ganz >konkret< als Zivilisations-Auftrag, selbst auf Gefahr der Verfolgung hin zu vertreten?
Sind wir aber erst bei dieser Er-kenntnis angelangt, dann sind wir auch am Ende eines Be-kenntnisprozesses angelangt. Dann erkennen wir nämlich, daß hier das offene Bekenntnis zu einer anderen möglichen Welt gefordert ist; einer Welt des Friedens, der Gerechtigkeit und des konstruktiven Umgangs mit der Schöpfung. (Man sollte nicht von »Bewahrung« einer Schöpfung reden, die mit uns, für oder gegen uns, jedenfalls ständig rings um uns weitergeht.)
Solche Erkenntnis ist aber nicht vollständig, ehe sie nicht bei der Tat anlangt — bei der unerschrockenen, wirksamen, alternativen Tat, wie sie ja auch von den Propheten und vom Evangelium gefordert wird.
Wer davor wegläuft; wer sich von dieser Pflicht zur Tat für das Leben der Welt und für Mitmenschen, vor allem arme Mitmenschen abschottet, der spricht das Urteil über sich selbst.
283
Im großen Epos vom Verlorenen Paradies des englischen Dichters John Milton findet sich die wundervolle Zeile: The gates of Hell are locked from within — »Die Pforten der Hölle sind von innen verriegelt«. Es gibt keine genauere, keine logischere Definition der Hölle als diese Selbst-Einkerkerung. Sie ist, soviel wird klar, der Idealzustand des homo oeconomicus, des Menschen des absoluten Vorteildenkens. Der Macht und der Verlockung dieses Denkens verdankt der Totale Markt, das Imperium der global players seine scheinbare Unüberwindlichkeit.
Gegen sie gilt es anzutreten, wenn unsere Existenz als Ecclesia, als Versammlung der Christenmenschen überhaupt noch einen Sinn über die individuelle Tröstung hinaus haben soll. Nachdem die letzte Gewalt-Herausforderung an den Totalen Markt, der sogenannte Realsozialismus, zusammengebrochen ist, nachdem die Herren über unser Geschick seinetwegen nicht mehr um ihre Gewinne zittern müssen, sehen wir uns als Kirche unversehens in der Mitte des unerbittlich notwendigen Widerstands, bei dem es mit mahnenden Worten längst nicht mehr getan ist.
Gewiß, das Wort der Verkündung wird gebraucht, und in Lateinamerika war es ja auch laut und entschieden zu hören — so laut und entschieden, daß es selbst zur Tat wurde, und daß der Kampf der Mächte und Gewalten dagegen im Nu den Märtyrerkalender füllte — vom Bischof Oscar Romero bis hinab zum Indianerkatecheten, den die Henker gefesselt aus dem Hubschrauber ins Meer warfen.
Aber gefürchtet wurde das Wort nur, weil es die neue Tat für eine andere Welt heraufzuführen drohte, und weil diese andere Welt mit den Profit- und Machtträumen der Chefbüros nicht vereinbar ist (auch nicht mit kirchlichen Machtträumen von gestern, die ja für den Tod der lateinamerikanischen Märtyrer einen guten Packen Mitverantwortung tragen).
Diese andere mögliche Welt, soviel ist selbst ihren Feinden instinktiv klar, ist auf jeden Fall viel realistischer, wenn es um die Zukunft der Menschheit geht.
284
Die Globalisierung des Totalen Markts ist schlicht nicht möglich, weil sie gegen die thermodynamischen und Entropiegesetze handeln muß und damit zwangsläufig zum Verbündeten der Wüste wird. Globalisierbar, das heißt universalisierbar, ist einzig und allein eine Welt der Geschwisterlichkeit, in der man das neidlose Teilen des laufenden natürlichen Einkommens als persönlichen Souveränitätsgewinn erfährt. Der Jesuit Ignacio Ellacuria hat dies 1989 hier in Berlin zwingend formuliert, wenige Wochen später war er tot, in San Salvador zusammen mit fünf Mitbrüdern und zwei Haushaltshilfen viehisch massakriert von den lokalen Agenten der CIA.
Aber was können wir hier und heute, in den Ländern des immer noch herrschenden Überflusses, für die Nachhaltigkeit der Lebenswelt, für und mit den Unterprivilegierten praktisch tun?
Eine ganze Menge; das hat die hier vertretenen Basisgruppen bei aller Buntheit zusammengeführt. Sie haben schon viele wesentliche Aktionsfelder markiert, auf denen man tätig werden kann. Sie bemühen sich um fairen Handel mit der armen Welt, um die Substitution fossil-nuklearer Energie, um die Stärkung der Bio-Landwirtschaft. Sie haben die vorbildliche Genossenschaft Oicocredit gegründet, die heute Zehntausende von Mitgliedern hat, und die mit extrem zinsniedrigen Krediten der Selbsthilfe in der armen Welt nachhilft. Und sie arbeiten politisch aufs engste mit zivilgesellschaftlichen Oppositionskräften, etwa mit ATTAC, zusammen — wobei es natürlich auch um Aufklärung und die Proklamation wesentlicher Reformen wie etwa der Tobin-Steuer geht.
Zugegeben: von der öffentlichen Meinung und damit von der politisch-sozialen Landschaft wird all das noch kaum wahrgenommen. Auch deshalb nicht, weil die Kirchenleitungen und die offiziösen Gruppierungen wie etwa das Zentralkomitee deutscher Katholiken den fundamentalen, den theologischen, ja christologischen Ernst der Welt- und Lebenslage noch nicht öffentlich aussprechen; wohl, um den Anschein undemokratischer Intoleranz zu vermeiden, wohl auch, weil die jahrtausendalten Bündnisse der Kirchen mit den Obrigkeiten dieser Welt noch immer ihren Verblendungstribut fordern.
285/286
Dies wird, so ist zu vermuten, dank dem ungestümen Drängen der armen Südkirchen, die das klare Bekenntnis fordern, wohl nicht mehr lange möglich sein. Niemand kann, um es schlicht mit dem Evangelium zu sagen, zwei Herren dienen; Gott und dem Mammon. Niemand kann darauf hoffen, daß man sich durch Aufsplitterung der Verantwortung den Unheils-Zusammenhängen des Systems entziehen kann.
Aber dann folgt die praktische Frage.
Wie kann ich, wie können wir als alternative Ecclesia in dieser unserer Region, in dieser unserer Fleischtopfkultur für die Zukunft der Welt, für die mögliche andere Welt tätig werden?
Nun, wie schon gesagt, sprießen schon eine Menge bunter Initiativen, an Phantasie fehlt es gar nicht. Was vielleicht fehlt, ist, so meine ich, das kollektive Gemeindebewußtsein; das Bewußtsein unserer Kraft und Wichtigkeit, wenn wir erst einmal der Zusammenhänge und gegenseitigen Bedingtheit unserer alternativen Anliegen bewußt geworden sind.
Deshalb ist ein ökumenischer Kirchentag die große Chance.
Lassen wir sie nicht ungenutzt vorübergehen! Lassen wir diesen Kirchentag nicht vorübergehen wie eine Kirmes, auf der am Montagmorgen die Ringelspiele ausgesetzt, die Zelte aufgerollt, die Buden des großen spirituellen Basars abgebrochen werden — vielleicht nachdem der eine oder andere ganz gute Geschäfte gemacht, die eine oder andere Rechthaberei sich wieder befriedigend bestätigt hat. Nein, bemühen wir uns hier und heute, an diesem Berliner Freitag, um erste und möglichst große Schritte in eine möglichst intensive Gemeinsamkeit, in die Verwirklichung einer ökumenischen Tatgemeinschaft!
Dazu brauchen wir kein OK, kein Imprimatur, keine großmütige Freigabe von irgendwelchen Kirchenleitungen. Im Gegenteil: wir laden die Kirchenleitungen ein, sich an unserer ökumenischen Tatgemeinschaft zu beteiligen. Wir laden sie ein, die ungeheuren Möglichkeiten zu erkennen, die für eine wahrhaftige Pädagogik, eine wahrhaftige Predigt-Praxis entstehen; die Möglichkeiten, Kirche inmitten des Gewusels der Sinn-Angebote wieder als ganz klare, als unverwechselbare Trägerin eines ganz konkreten Zukunftauftrags erkennbar werden zu lassen.
Dann spielen Statistiken von Sonntagskirchgängern, von größeren oder geringeren Ausschlägen des Loyalitätspendels bei den Gläubigen keine große Rolle mehr. Dann wird es nicht mehr darum gehen, wer sagt »Herr Herr!«, sondern wer den Willen des Vaters tut — des Vaters der geschaffenen Welt, der sichtbaren und unsichtbaren Dinge; des Bundesgottes, der sich täglich und stündlich einer verblendeten Menschheit erbarmt; des Jesus von Nazareth auch, der uns ein für allemal an die Güte dieses Vaters ausgeliefert hat.
Aber zurück zur Praxis. Lassen wir diese Berliner Freitag-Möglichkeit nicht ohne ein paar handfeste Entschlüsse vorübergehen. Ich schlage vor, folgende Möglichkeiten zu diskutieren und auf den Weg zu bringen:
ein vorbereitendes Komitee für eine »ökumenische Tatgemeinschaft« zu errichten — wenn nicht anders möglich, durch Akklamation;
dieses Komitee zu beauftragen, Einzelbereiche (Energie, Finanzen, Beziehungen zur armen Welt usw.) jeweils mit vorhandenen Kristallisationspunkten (alternativen Strominitiativen, Bio-Landwirtschaftsringen, alternativen Banken und Genossenschaften usw.) abzustimmen und allen Genossen der Tatgemeinschaft (alternativen Gruppen, aber auch ganzen Gemeinden usw.) die so gebotenen Möglichkeiten bekannt zu machen;
schließlich Organisationsformen vorzubereiten, in denen gegenseitige Hilfe und Transparenz die Verdichtung der alternativen Strukturen laufend fördern.
Dieser letzte Punkt ist eigentlich der wesentliche. Ein gesonderter, ein unverkennbarer Auftrag und Beitrag der Christen zu einer nachhaltigen Zukunft wird erst dann zu erkennen sein, wenn sie diesen Verdichtungsgrad erreicht haben. Im zünftigen anthropologischen Wortschatz der Amerikanerin Ruth Benedikt heißen Gesellschaften, die durch einen hohen Grad der gegenseitigen Wahrnehmung und Unterstützung gekennzeichnet sind, »hoch-synergetisch«. Nun, bevor sich die Moderne durch möglichst viele Fachausdrücke zu legitimieren versuchte, sagte man das einfacher.
In der Antike, so ist uns überliefert, beschrieb die öffentliche Meinung diese sonderbaren Christen mit dem Satz: »Seht, wie sie einander lieben!« Wenn wir den Satz jeglicher moderner (oder auch antiker) Sentimentalität entkleiden, ist sein Sinn klar. Aber ebenso klar ist, daß es massiven Widerstands gegen die Zentralströmung unserer Mammon-Welt bedarf, um auch durchschnittlichen, zögerlichen, ja schwachen Zeitgenossen ein Leben in Wahrheit zugänglich zu machen.
Genau dafür, so wurde ich gelehrt, ist die Kirche da.
Seien wir großmütig genug, ihr dabei zu helfen, ihren Auftrag einzulösen.
287-288
#
wikipedia Akklamation wikipedia Ekklesia