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  Gesamtzusammenfassung  

1. Einleitung  

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Aus Untersuchungen über das Klima der Vergangenheit wissen wir, daß es von Natur aus Schwankungen unterliegt, mit denen wir auch in Zukunft rechnen müssen. Die genauen Ursachen dieser Klimaänderungen sind z.Z. noch nicht bekannt. Nachweisbar ist jedoch, daß die Verschiebung der Klimazonen und damit einhergehende Dürre- und Überschwemmungs­katastrophen zu Ernteausfällen geführt haben, die die Menschheit immer wieder vor ernsthafte Überlebensprobleme stellen — von weniger akuten Verschlechterungen des Lebensraumes einmal abgesehen.

Neu im Vergleich zur Klimavergangenheit sind sowohl die ungleich größeren Möglichkeiten der Klimabeeinflussung durch den Menschen als auch die verstärkten Auswirkungen von Klimaänderungen auf den Menschen. Durch seine Aktivitäten ist der Mensch in der Lage, das Klima nicht nur lokal, sondern jetzt auch global, drastisch und möglicherweise irreversibel, zu beeinflussen. 

Hinzu kommt, daß bei ständig wachsendem Bevölkerungsdruck und begrenzten Umwelt- und Nahrungsmittelressourcen auch die Verwundbarkeit der Gesellschaft gegenüber einer Klimaänderung ständig zunehmen muß. Es besteht Anlaß zu der Befürchtung, daß der jetzt schon eingeengte Sicherheits­spiel­raum dadurch noch weiter schrumpft. Die in Zukunft in verstärktem Maße zu erwartenden Verteilungskämpfe stellen eine ernste Bedrohung des Weltfriedens dar.

Hauptursache für die in den nächsten Jahrzehnten erwartete signifikante Erhöhung des natürlichen Erwärmungseffekts (Treibhaus-Effekt) in der bodennahen Luftschicht ist die Zunahme des CO2-Gehalts der Atmosphäre durch die Verfeuerung fossiler Brennstoffe (vor allem Kohle, Öl, Gas), die Abholzung großer Waldgebiete und die intensive Bodenbearbeitung. Dieses vom Menschen eingeleitete "globale Experiment" wird zusätzlich noch durch andere Strahlung absorbierende Spurenstoffe, durch Änderungen in der Oberflächenbeschaffenheit der Erde und z.T. durch direkte Wärmezufuhr an die Atmosphäre beeinflußt.

Wir müssen jetzt entscheiden, ob wir uns unvorbereitet den schon in naher Zukunft möglichen schwerwiegenden Auswirkungen einer Klimaänderung aussetzen, oder ob wir rechtzeitig dagegen etwas unternehmen wollen. Entscheiden wir uns für den sicheren Weg, dann bietet sich bei dem z.Z. noch recht lückenhaften Wissensstand folgende Sicherheitsstrategie an: Durch intensives Bemühen werden Wissenslücken weiter reduziert, gleichzeitig werden aber die schon gewonnenen Erkenntnisse zur Einleitung von Vorsorgemaßnahmen eingesetzt.


Sollen ernsthafte Folgen des erwarteten CO2/Klima-Problems vermieden werden, müssen wir vor allem den fossilen Brennstoffverbrauch drosseln und ein Gleichgewicht zwischen Abholzung und Wiederaufforstung herstellen. Eine der wirksamsten Maßnahmen ist die rationellere Energienutzung, da sie unmittelbar und ohne große Vorlaufzeit zur gewünschten Reduzierung des fossilen Brennstoffverbrauchs und damit der CO2-Emissionen beitragen kann. Sie ist darüber hinaus auch eine wirtschafts- und energiepolitische Notwendigkeit. 

Dadurch wird die Zeit gewonnen, die für den Übergang zu einer dauerhaften CO2-freien Energiewirtschaft auf der Basis erneuerbarer Energiequellen nötig ist. Eine solche Vorsorgestrategie macht deutlich, daß das CO2/Klima-Problem kein unabwendbares Schicksal ist. Der Mensch hat die Steuerungs­möglichkeiten, die gewünschte zukünftige Richtung mitzubestimmen.

 

  2. Klima und Klimaänderungen 

 

Durch die Rekonstruktion der Klimageschichte der Erde und die Abschätzung zukünftiger Klimaeffekte durch Modellrechnungen erhoffen wir Antworten auf eine mögliche CO2-Beeinflussung des Klimas und die daraus resultierenden Folgen.

Klimageschichte der Erde

Instrumentenmessungen und Proxi-Daten (z.B. Meeresablagerungen, Jahresringe von Bäumen, Pollen, Eisbohrkerne) geben Informationen über Klimaelemente wie z.B. Lufttemperatur, Niederschlag, Bodenfeuchtigkeit etc. Aus diesen Klimazeugen läßt sich die Klimageschichte der Erde teilweise rekonstruieren. Mit Ausnahme des Mesozoikums wechselten in allen anderen Erdzeitaltern Eis- und Warmzeiten auf den verschiedensten Zeitskalen — häufig auch ganz abrupt innerhalb von Jahrzehnten — miteinander ab. Langfristig, d.h. falls das Klima auch weiterhin seinem natürlichen Trend folgt, müßte es im Laufe der nächsten 10.000 Jahre zur Ausbildung einer schwachen Eiszeit kommen. Kurzfristig ist aber durch die Einwirkung des Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Temperaturanstieg zu erwarten. Diese Erwärmung ist gegenwärtig noch nicht nachweisbar, weil auf der Nordhalbkugel offenbar noch ein natürlicher Abkühlungstrend überwiegt und die hohe Wärmespeicherfähigkeit der Ozeane einen Temperaturanstieg verzögert.

Klimasystem

Das Klima, definiert als die Gesamtheit aller meteorologischen Zustände über einen längeren Mittelungszeitraum, entsteht durch Wechselwirkungen innerhalb des Klimasystems, das sich aus den Teilsystemen Atmosphäre, Hydrosphäre (Ozeane, Flüsse), Kryosphäre (Eis, Schnee), Lithosphäre (Land, Boden) und Biosphäre (Mensch, Pflanzen und Tiere) zusammensetzt. Diese stehen durch physikalische Prozesse (z. B. Strahlung Transport von Wärme und Impuls) miteinander im Austausch. 

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Die Vernetzungen des internen Systems sind nicht linear, wobei sich bei positiver bzw. negativer Rückkopplung die Prozesse gegenseitig verstärken oder abschwächen. Reaktionszeiten und räumliche Ausdehnungen sind ebenfalls ganz unterschiedlich. Hinzu kommen noch äußere Einflüsse, wie z.B. Änderungen der Sonneneinstrahlung, Erdbahnänderungen, Vulkanausbrüche und immer stärker menschliche Einwirkungen, insbesondere durch die CO2-Zunahme. Es verwundert deshalb nicht, daß ein solch vernetztes Regelsystem sehr komplizierten, zeitlich und räumlich ganz unterschiedlichen, Schwankungen unterliegen muß.

Die Sonne ist die Energiequelle für alle Klimaprozesse. Die unterschiedliche Verteilung der Energieflüsse in der Atmosphäre sowie der Wärmetransport durch Meeresströmungen bestimmen die unterschiedliche Ausbildung der Wetterlagen und damit die verschiedenen Klimate. Rund die Hälfte der kurzwelligen Sonnenstrahlung erreicht die Erdoberfläche und wird von dort als langwellige Strahlung wieder ausgestrahlt. Von den in der Troposphäre natürlich vorhandenen bzw. durch menschliche Aktivitäten eingebrachten Strahlungsabsorbierenden Gasen, wie vor allem Kohlendioxid (CO2), Wasserdampf (H2O), Ozon (O3,), Distickstoffoxid (N2O), Chlorfluormethanen sowie Aerosolen, wird ein Teil wieder zur Erdoberfläche zurückgestrahlt. Eine Verstärkung dieses sog. Treibhaus-Effekts ist ganz wesentlich für die erwartete Erwärmung verantwortlich.

Klimamodelle, Klimavorhersage und Klimaforschung

Eine Hauptaufgabe der Klimaforschung ist die modellmäßige Erfassung der komplizierten Wechselwirkungen innerhalb des Klimasystems. Mit Hilfe von Klimasimulationen sollen nicht nur die verschiedenen anthropogenen Klimaeinflüsse abgeschätzt werden, noch bevor sie in den Klimadaten nachzuweisen sind, sondern man hofft damit auch, den Verlauf des Klimas über eine längere Zeitperiode vorhersagen zu können. Die dafür entwickelten Modelle reichen in ihrer geometrischen Auflösung von einfachen null-dimensionalen bis zu den drei-dimensionalen allgemeinen Zirkulationsmodellen mit Atmosphäre-Ozean-Kopplung. Entsprechend werden die einzelnen physikalischen Prozesse in exakter oder angenäherter Form behandelt.

Für die praktische Anwendung dieser Modelle unterscheiden wir zwei Arten der Klimavorhersage. Bei der ersten wird die interne zeitliche Entwicklung des Klimasystems bei vorgegebenen äußeren Randbedingungen bestimmt. Damit kann die Entwicklung der klimatischen Bedingungen über Jahrzehnte (wichtig z.B. für die Landwirtschaft) oder auch über Jahrmillionen (interessant z.B. für das Studium der Eiszeiten) erfaßt werden. Die zweite Art der Vorhersage beschäftigt sich nicht direkt mit dem zeitlichen Ablauf des Klimasystems. Vielmehr wird hier mit Hilfe von Sensitivitätstests die Reaktion des internen Klimamodellsystems auf künstlich herbeigeführte Änderungen, etwa durch Ausschalten der Rückkopplungsprozesse, oder durch die Erhöhung des CO2-Gehalts der Atmosphäre, untersucht. Ziel dieser Studien ist es, die Mechanismen des Klimasystems soweit verstehen zu lernen, daß den Entscheidungsträgern hinreichend gesicherte Erkenntnisse übermittelt werden können.

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3. Gesellschaftspolitische Aspekte des CO2/Klima-Problems  

 

Die zukünftige Entwicklung des CO2-Gehalts und anderer klimabeeinflussender Faktoren ist von einer Reihe gesellschaftspolitischer Vorgänge abhängig.

Bevölkerungsentwicklung

Die Weltbevölkerung wächst in einem atemberaubenden Tempo. Die Entwicklungen von Sterblichkeits- und Fruchtbarkeitsrate sowie Nettowanderung deuten daraufhin, daß sie von rd. 4 Mrd. im Jahre 1975 auf mehr als 6 Mrd. Menschen im Jahre 2000 zunehmen wird. Wichtig ist, daß trotz einer leicht abgebremsten relativen Wachstumsrate die Bevölkerung in absoluten Zahlen schneller wachsen wird (d.h. 1975 rd. 75 Mill. Menschen/a und 2000 rd. 100 Mill./a). 

Fast 90 % der Zunahme erfolgt voraussichtlich in den Entwicklungsländern (EL). Wann und auf welchem Niveau sich in Zukunft die Bevölkerung stabilisiert, hängt von einer Reihe nicht vorhersagbarer sozialer, religiöser, ökonomischer u. a. Randbedingungen ab. Ob das Wachstum in 50 Jahren schon bei 8 oder erst bei 12 Mrd. Menschen anhält, ist ungewiß. Auf jeden Fall wird davon aber vor allem der zukünftige Bedarf an Energie- und Landressourcen bestimmt. Das kann nicht ohne Einfluß auf Umwelt und Klima bleiben.

Gesellschaftsstruktur

In der Vergangenheit hat eine Industrialisierung immer zu Landflucht und Verstädterung geführt. Nach einer UN-Prognose soll der Urbanisierungsgrad in den Industrieländern (IL) von fast 70% im Jahre 1980 auf fast 90% im Jahre 2030 ansteigen und sich in den EL über den gleichen Zeitraum von rd. 30% auf fast 60% verdoppeln, dagegen bezweifelt eine EG-Prognose auf Grund der abnehmenden Lebensqualität in großen Städten und des Ausbaus der Beschäftigungs­möglichkeiten auf dem Lande eine weltweite Zunahme des Verstädterungsgrads. Sollte die Urbanisierung zunehmen, könnte das zu einem Anstieg des Energiebedarfs führen. Der zukünftige Grad der Beeinflussung von Klima und Umwelt hängt davon ab, welche der beiden Prognosen sich bewahrheitet.

Wirtschaftswachstum

Das Bruttosozialprodukt (BSP) wird allgemein als Index für Wirtschaftswachstum herangezogen, obwohl es nur unzureichend die ökonomischen und sozialen Verhältnisse eines Landes widerspiegelt. Sollte sich das Wirtschaftswachstum in Zukunft auf den relativ umweltfreundlichen Dienst­leistungssektor verlagern, müßte sich das schonend auf Klima und Umwelt auswirken. Qualitatives Wirtschafts­wachstum ohne automatisches Energiewachstum ist nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert.

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Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe

Das zukünftige Klima wird maßgeblich vom Verbrauch fossiler Brennstoffe (Kohle, Öl, Gas) beeinflußt. Wichtig ist dabei die pro Zeiteinheit in die Atmosphäre eingebrachte CO2-Menge. Diese hängt nicht nur von der Größe und Verfügbarkeit der fossilen Ressourcen, sondern auch von politischen Entscheidungen über Förderleistung sowie Export- und Preisabsprachen ab.

Die beim derzeitigen Stand der Technik wirtschaftlich abbauwürdigen Kohlereserven von rd. 545 Mrd. t SKE* könnten sich bei verbesserter Fördertechnik auf rd. 1760 Mrd. t SKE erhöhen. Für den hypothetischen Fall der Fortdauer des gegenwärtigen globalen Verbrauchs von rd. 10 Mrd. t SKE/a, könnte damit der gesamte Weltenergiebedarf für die nächsten 170 Jahre gedeckt werden. Nur drei Länder, nämlich die UdSSR, die USA und China besitzen 82 % der Kohleressourcen und 57 % der Kohlereserven. Einer starken Zunahme der Weltkohleförderung (1975 rd. 2,6 Mrd. t SKE) und des Weltkohlehandels (1975 rd. 200 Mill. t SKE) stehen aber starke Hemmnisse, wie z.B. die hohen Kosten, die langen Abteufungszeiten, Landschafts-, Umwelt- und Klimaschutz, u.a., entgegen.

Die heute wirtschaftlich förderbaren Erdölreserven belaufen sich auf rd. 140 Mrd. t SKE. Die unkonventionellen Vorkommen (z.B. Teersande und Ölschiefer u.a.) könnten zwar zu einer Erhöhung des Erdölangebots führen, erfordern aber 10-20 mal höhere Kapitalinvestitionen und bringen starke Umweltbelastungen mit sich. Der Höhepunkt der Weltölförderung dürfte mit rd. 5 Mrd. t SKE/a Mitte der 90er Jahre überschritten sein. Die konventionellen Ölvorräte werden wahrscheinlich noch knapp 30 Jahre reichen.

Die Erdgasreserven, die heute wirtschaftlich nutzbar sind, werden auf rd. 96 Mrd. t SKE geschätzt. Unkonventionelle Gasressourcen (z.B. in Geopressions­zonen, als Gashydrate in der Arktis, im Devonischen Schiefer u. a.) könnten das Angebot zwar vervielfachen, aber die Verfügbarkeit ist wiederum aus Kosten- und Umweltschutzerwägungen heraus stark eingeschränkt.

Insgesamt stehen nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand rd. 1000 bis 3000 Mrd. t SKE fossiler Energieträger zur Verfügung. Von der reinen Verfügbarkeit her betrachtet könnten die fossilen Brennstoffe bei entsprechender Nutzung im nächsten Jahrhundert zu dem befürchteten CO/Klima-Problem führen.

Energieentwicklung  

Eine Klimabeeinflussung hängt vor allem von der Menge und der Art der Energieträger, Bestrebungen zum Abbau von Disparitäten im Energieverbrauch, Markteinführungszeiten und Preisentwicklungen gewisser Energieträger ab. Wir betrachten für die folgende Diskussion die bekannten Weltenergieszenarien für 2030 (ein hohes Szenario mit rd. 36 TW ** und ein niedriges mit rd. 22 TW) des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA).

* 1 t SKE  =  1 Tonne Steinkohleeinheit = rd.  8140 kWh. 
** 1 TW  =  1 Terawatt = 10h12 Watt = 1 Milliarde Kilowatt.

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Für die CO/Klima-Fragestellung ist wichtig, daß der dominierende Anteil der fossilen Energieträger von 90 % im Bezugsjahr 1975 in beiden Szenarien mit rd. 70 % auch im Jahr 2030 erhalten bleibt. Noch wichtiger ist, daß für alle fossilen Energieträger Steigerungsraten gegenüber 1975 um das 2-5fache vorhergesagt werden. Ein derartiges Wachstum ist aber aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, wie z.B. die Bereitstellung der erforderlichen riesigen Investitionen, Umweltschutz-, Standort- und Akzeptanzprobleme u.v.a.m., wenig wahrscheinlich. Sollte es aber doch verwirklicht werden können, würde das zu einer merklichen Klimaänderung durch CO2 beitragen.

Die Interpretation der IIASA-Szenarien macht deutlich, daß sich die Unterschiede im Energieverbrauch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, und damit die Spannungen zwischen Nord und Süd, nicht bei einem zunehmenden, sondern eher bei einem verringerten Energiewachstum abbauen lassen.

Betrachtungen über die Marktdurchdringungsdynamik zeigen, daß die Anteile der verschiedenen Energieträger, die in den nächsten 30-50 Jahren zu erwarten sind, anscheinend schon durch die gegenwärtige Energiepolitik festgelegt werden. Eine Politik mit Vorrang der Kohle und deren Veredlungsprodukte programmiert aber für die nächsten Jahrzehnte einen vermehrten CO2-Ausstoß vor, während eine Strategie der rationelleren Energienutzung ohne lange Markt­einführungs­zeiten unmittelbar zur Entschärfung des CO2/Klima-Problems beitragen kann.

Preissteigerungen im Energiesektor können u.a. das Wirtschafts- und Sozialgefüge eines Landes stark in Mitleidenschaft ziehen. Sie können aber auch das Innovationsstreben beflügeln und eine bessere Energienutzung erzwingen. Die zukünftige Energieentwicklung wird voraussichtlich nicht so sehr durch die technische Verfügbarkeit der Ressourcen als vielmehr durch die Kosten (Investitions- und Betriebskosten) der Energieträger und ihrer Alternativen bestimmt.

Eingriffe in Wald und Boden

Wald- und Bodenvernichtung führen zu schwerwiegenden Störungen des Kohlenstoffhaushalts mit gravierenden Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem, insbesondere auf Klima und Nahrungsmittelproduktion. Je nachdem, ob die terrestrischen Ökosysteme (Wälder, Böden) als Kohlenstoffquellen (z.B. durch Abholzung, Bodenzerstörung) oder Kohlenstoffsenken (z. B. durch Aufforstung) wirken, wird das CO2/Klima-Problem entweder verstärkt oder abgeschwächt.

 

4. Die wichtigsten anthropogenen Klimafaktoren

 

Die Menschheit hat durch ihre Aktivitäten ein geophysikalisches Experiment globalen Ausmaßes in Gang gesetzt, das schon in wenigen Jahrzehnten zu nachweisbaren weltweiten Klimaauswirkungen führen wird, und das, gemessen an menschlichen Zeitabläufen, bei nicht rechtzeitigem Eingreifen irreversible Klimaänderungen zeitigen kann.

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Das CO2/Klima-Problem

Der wichtigste anthropogene klimabeeinflussende Faktor ist der seit 24 Jahren einwandfrei nachgewiesene Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphäre. Die Ursache dafür liegt in der Verteuerung fossiler Brennstoffe (Kohle, Öl, Gas u. a.), dem Abfackeln bei der Öl- und Gasförderung, der Zementherstellung sowie der Abholzung ganzer Waldgebiete und der Bodenoxidation. Die dadurch ausgelöste Kettenreaktion bedingt dann über die CO2-Zunahme und die Aufheizung der unteren Atmosphäre (Treibhaus-Effekt) ganz unterschiedliche regionale und jahreszeitliche Veränderungen des Klimageschehens, was vor allem wegen der zunehmenden Weltbevölkerung katastrophale Folgen für die Wasser-, Nahrungsmittel- und Energieversorgung haben kann. Zur Vermeidung dieser Probleme müssen die Einflußfaktoren analysiert und zur Einleitung von Vorsorgemaßnahmen genutzt werden.

Der natürliche Kohlenstoff (C)-Kreislauf

Ungestört befindet sich der C-Kreislauf in einem Quasi-Gleichgewicht. Das Verständnis dieses natürlichen Zustandes ist die Voraussetzung für die Abschätzung menschlicher Eingriffe. Im C-Kreislaufsystem unterscheiden wir drei langsame geologische und zwei schnelle atmosphärisch-biologisch-ozeanische Kreisläufe. Nur die relativ schnell wirkenden biologischen und ozeanischen Speicher kommen als Senken für anthropogenes CO2 in Frage. Da aber auch diese Regelmechanismen — insbesondere die CO2-Aufnahme durch den Ozean — im Vergleich zum menschlichen Zeitmaß sehr langsam arbeiten, dauert es unter der Voraussetzung, daß es zur Carbonatlösung im Ozean kommt, noch Jahrhunderte, bis eine vom Menschen verursachte Störung des CO2-Gehalts der Atmosphäre wieder den ursprünglichen Gleichgewichtszustand erreicht.

Störung des natürlichen C-Kreislaufs durch den Menschen

Die Erfassung der CO2-Produktion bildet die Voraussetzung für die Abschätzung der atmosphärischen CO2-Konzentration und der dadurch ausgelösten Klimaeffekte. Die C-Emission ist durch die Verteuerung fossiler Brennstoffe von rd. 0,1 Gt C* im Jahre 1860 auf rd. 5,3 Gt C im Jahre 1980 angestiegen. Das ergibt eine durchschnittliche exponentielle Wachstumsrate von rd. 3,4 %/a. Seit der Energiekrise von 1973/74 hat sie sich auf rd. 2,3 %/a verringert. 1860 stammten die C-Emissionen fast ausschließlich aus der Kohleverbrennung. 1975 entfielen dagegen 43% auf Öl, 39% auf Kohle, 14% auf Gas und je 2% auf Abfackeln und Zementherstellung. 

Die Verschwelung von Ölschiefer und Teersanden sowie die Kohleveredelung (Kohleverflüssigung und -vergasung) insbesondere bei autothermen Verfahren (ohne Zuführung CO2-freier Fremdenergie), setzen im Vergleich zur konventionellen fossilen Brennstoffnutzung noch mehr CO2 frei.

* 1 Gt C (Gigatonne Kohlenstoff = 10h9 oder Mrd. Tonnen) entspricht 3,67 Gt CO2

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Die Rolle der Biosphäre im C-Kreislauf ist z.Z. einer der größten Unsicherheitsfaktoren. Durch Abholzung der tropischen Wälder, durch Zunahme der Biomasse auf den vorhandenen Waldflächen in den gemäßigten Breiten, durch Beeinflussung der Ökosysteme in den Polargebieten und der organischen Böden, durch Holzkohlebildung, Flußablagerungen und Stimulierung der Photosynthese sowie die Verringerung der CO2-Aufnahmekapazität durch Luftverunreinigung, greift der Mensch in die Biosphäre ein.

Das Meer stellt eine wichtige Senke für atmosphärisches CO2 dar. Die Aufnahmerate hängt ab von der Transfergeschwindigkeit des CO2 in das Ozeanober­flächen­wasser, von der auf chemischen Gleichgewichten beruhenden CO2-Aufnahmekapazität des Ozeans, vom Transport des CO2 vom Oberflächen­wasser in die Tiefsee und vom CO2-Transport durch biologische Prozesse im Meer. Obwohl über lange Zeiträume das gesamte aus den fossilen Brennstoff­reserven stammende CO2 unter der Voraussetzung der Carbonatlösung vom Ozean aufgenommen werden kann, wird aber zunächst bei einer zunehmenden atmosphärischen Konzentration der vom Ozean aufgenommene CO2-Anteil sinken.

Nach dem gegenwärtigen Wissensstand ergibt sich folgendes Bild über das Gesamtbudget. Als relativ gesichert gelten die rd. 5 Gt C/a durch den fossilen Brennstoffverbrauch, die rd. 3 Gt C/a, die in der Atmosphäre verbleiben und die rd. 2 Gt C/a, die der Ozean aufnimmt. Am unsichersten sind die Abschätzungen über den biogenen Netto-Effekt, aber rein rechnerisch läßt sich für die Gegenwart aus diesen Quellen (1-4 Gt C/a) und Senken (0,5-3 Gt C/a) ein ausgeglichenes C-Budget ableiten. Die Beseitigung dieser Unsicherheiten ist Voraussetzung für eine aussagekräftige Abschätzung der zukünftigen CO2- und Klimaentwicklung.

Abschätzung, Messung und Berechnung der CO2-Entwicklung

Ein Blick in die Vergangenheit ist für das Verständnis zukünftiger Entwicklungen nützlich. Isotopenanalysen z. B. von Jahresringen der Bäume und Eisbohrkernen werden dazu herangezogen. So schwankten z.B. die CO2-Konzentrationen im Grönlandeis zwischen rd. 200 ppm* während des Höhepunkts der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren und rd. 500 ppm während der Warmzeit des Holozän vor rd. 6000 Jahren, was einer Temperatur­schwankungsbreite von  -2,0 bis +1,8 °C entspricht. Verbesserte Meßmethoden deuten an, daß der Wert der Warmzeit wahrscheinlich etwas zu hoch ist.

Der vorindustrielle CO2-Gehalt der Atmosphäre wird auf 292 ± 20 ppm geschätzt. Bei einem gegenwärtigen Wert von 336 ppm bedeutet das einen Anstieg um rd. 15%. Erst seit 1958 wird CO2 auf dem Mauna Loa auf Hawaii und am Südpol regelmäßig gemessen. Zur Zeit nimmt der CO2-Gehalt um 1-2 ppm/a zu, wobei der Anteil aus dem fossilen Brennstoffverbrauch, der in der Atmosphäre verbleibt (die airborne fraction), z.Z. 56% beträgt.

* ppm = parts per million  (hier Teile CO2 pro Millionen Teile Luft)

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Zur Berechnung der zukünftigen CO2-Entwicklung braucht man ein C-Kreislaufmodell (z. B. Boxmodelle, Boxdiffusionsmodelle, Ozean-Atmosphäre-Zirkulations­modelle) und als Input Annahmen über die zeitliche Änderung der globalen Wachstumsrate des fossilen Brennstoff­verbrauchs, der einzelnen Brennstoffanteile, der Aufnahmefähigkeit des Ozeans sowie der biogenen CO2-Quellen und Senken.

Simulationen zeigen, daß z.B. beim Verbrauch aller fossilen Ressourcen selbst bei einer Wachstumsrate von nur 1,5 l/a. der CO2-Gehalt noch um das 7fache über den gegenwärtigen Wert ansteigen und, unabhängig von der Verbrauchsrate, jahrhundertelang um das rd. öfache gegenüber heute erhöht bleiben würde. Derartige Konzentrationen können durch eine sinnvolle Energienutzung vermieden werden, die eine Reduktion des fossilen Brennstoffverbrauchs und den Übergang zu CO2-freien erneuerbaren Energiequellen ermöglicht.

Klimaauswirkungen eines CO2-Anstiegs

Ein CO2-Anstieg in der Atmosphäre beeinflußt über Strahlungsprozesse den Energiehaushalt des Klimasystems und wird damit Klimaänderungen auslösen. Zur Untersuchung der Mechanismen und ihrer Auswirkungen bieten sich paläoklimatologische Analogstudien und Modellrechnungen an. Im Gegensatz zur ersten Methode kann mit der Simulation sowohl die Störung des Gleichgewichts eines Modellklimas, z.B. durch eine vorgegebene zeitunabhängige CO2-Verdopplung (Sensitivitätsstudie), als auch die Reaktion des Klimas auf einen berechneten zeitabhängigen CO2-Anstieg untersucht werden.

CO2/Klimaauswirkungen unter Gleichgewichts-Bedingungen

Sensitivitätsexperimente mit den gegenwärtig am weitesten entwickelten Modellen zeigen, daß eine CO2-Verdopplung von 300 auf 600 ppm die über die nördliche Hemisphäre gemittelten Temperaturen der unteren Troposphäre um rd. 3°C, bei Berücksichtigung des Ozeans um rd. 2°C erhöht. In polaren Breiten ist der Anstieg mit 8°C besonders stark; in der Stratosphäre nimmt die Temperatur über dem Äquator um den gleichen Betrag ab.

Bei einer Vervierfachung des CO2-Gehalts auf 1200 ppm verschwindet das Treibeis in den Sommern der Nord- und Südhalbkugel vollkommen. Der entscheidende Effekt ist eine weltweite Umverteilung der Niederschläge mit Auswirkungen auf den Wasserhaushalt und die Landwirtschaft. Schon durch eine CO2-Verdopplung wird der hydrologische Kreislauf um rd. 7% intensiviert. Noch wichtiger sind die regional und jahreszeitlich ganz unterschiedlichen Auswirkungen. So nimmt z.B. in den mittleren Breiten des US-Kontinents im Frühjahr die Bodenfeuchtigkeit, dagegen aber im Sommer die Trockenheit stark zu. Da in diesem Bereich die Kornkammern liegen, könnte das gravierende Auswirkungen auf die Welternährungslage haben.

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CO2/Klimaauswirkungen im zeitlichen Ablauf 

Temperaturmessungen auf der Nordhalbkugel (0-80 °N) lassen von 1880 bis in die 30er Jahre einen Anstieg von rd. 0,5°C danach eine Abnahme um rd. 0,3°C und in den letzten Jahren wieder einen leichten Anstieg erkennen. Der in den Eisbohrkernen Grönlands nachgewiesene Temperaturzyklus von rd. 180 Jahren zeigt ebenfalls seit den 30er Jahren einen abfallenden Verlauf. Da aber zur Jahrtausendwende hin die natürliche Temperaturkurve wieder ansteigt, wird dann bei Fortdauer des gegenwärtigen CO2-Anstiegs mit einer Erwärmung gerechnet, wie sie seit den letzten 1000 Jahren nicht mehr vorgekommen ist.

Entgegen unseren bisherigen Vorstellungen wird der CO2-Effekt (das Signal) nicht im Winter und in nördlichen Breiten, sondern am ehesten im Sommer und in mittleren Breiten in den Klimadaten entdeckt werden können. Wegen der thermischen Trägheit des Meeres wird sein Sichtbarwerden um einige Jahrzehnte hinausgezögert und wahrscheinlich erst zwischen 1990 und 2000 im natürlichen Temperaturverlauf identifizierbar sein.

Ein kritischer Vergleich der Ergebnisse zeigt, daß fast alle Klimamodelle für eine CO2-Verdopplung einen durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg von 1,5-4 °C berechnen. Bei Simulationen mit viel geringeren Werten konnte die Vernachlässigung wichtiger Rückkopplungsmechanismen nachgewiesen werden.

Es muß auch bedacht werden, daß offenbar zeitabhängige Modelle auf eine äußere Störung anders reagieren als Gleichgewichtsmodelle. Die wichtige Frage, ob wir mit unseren Berechnungen rechtzeitig den zeitlichen Ablauf der CO2-Effekte auf das Klima realistisch abschätzen können, d.h. bevor das Klimasystem sein eigenes geophysikalisches Experiment durchführt und uns dann das Ergebnis präsentiert, muß z.Z. noch unbeantwortet bleiben.

Klimaeffekte durch andere anthropogene Spurengase

Neben dem CO2 gibt es noch eine stattliche Zahl vom Menschen produzierter Spurengase, deren Wirkungen zum globalen Treibhaus-Effekt hinzugezählt werden müssen. Dazu gehören Distickstoffoxid, Chlorfluormethane, Ozon, Methan, Kohlenmonoxid, Ammoniak, Stick- und Schwefeloxide. Wichtig ist, daß z. Z. das CO2 zwar mit 60 % die Hauptursache für die anthropogene Erwärmung der unteren Atmosphäre darstellt, daß aber den anderen Spurengasen wegen ihrer z. T. erheblich längeren Verweilzeiten in der Atmosphäre und relativ höheren Wachstums raten in Zukunft eine zunehmende Bedeutung gegenüber dem CO2 zukommt. Bei einer realistischeren Gesamtbeurteilung der Klimaauswirkungen müssen folglich alle Spurengase in Betracht gezogen werden, weil eine einseitige Fixierung nur auf das CO2 die Wirkungen garantiert unterschätzen würde.

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Klimaeffekte durch Aerosole

Es ist schwierig, den Gesamteffekt der Aerosole auf das Klima abzuschätzen; denn er ist nicht nur abhängig von der Oberflächenalbedo und der Verteilung der verschiedenen Aerosoltypen über Kontinenten und Ozeanen, sondern auch von den unterschiedlichen vertikalen Profilen der Aerosole und dem mittleren solaren Zenitwinkel. Nach dem gegenwärtigen Wissensstand führt der Gesamteinfluß wahrscheinlich zu leichten regionalen Erwärmungen. In einigen Regionen scheinen Aerosole zudem die atmosphärische Stabilität zu erhöhen und damit die Bildung konvektiver Niederschläge zu beeinträchtigen, was nicht ohne Folgen für den Wasserhaushalt und die Landwirtschaft bliebe.

Klimaeffekte durch Landnutzungsänderungen

Landnutzungsänderungen durch exzessive Beweidung, Zerstörung der tropischen Regenwälder und Wüstenbildung, durch Urbanisierung und Industrialisierung sowie durch Energiegewinnungsprojekte (z.B. Solar-Farmen, Bioplantagen) und Be- und Entwässerungsanlagen bedeuten Eingriffe in das Klimasystem. Die damit verbundenen Änderungen der Albedo, der aerodynamischen Eigenschaften und der hydrologischen Charakteristika der Erdoberfläche können sowohl den Wärme- als auch den Wasserhaushalt und damit das Klima beeinflussen.

Klimaeffekte durch Abwärme

Bei jeder Energiegewinnung bzw. -umwandlung wird Abwärme freigesetzt. Während die z.Z. schon sehr hohen Abwärmedichten zu merklichen lokalen und regionalen Klimabeeinflussungen führen, sind aber bei der voraussichtlichen Weltenergieentwicklung globale Klimaeffekte eher unwahrscheinlich.

Kombinierter Glashaus-Effekt und kritische Schwellenwerte

Für eine realistische Erfassung des gesamten Glashaus-Effekts ist es wichtig, zusätzlich zum "realen CO2-Gehalt" (d.h. ohne die anderen Spurengase) einen "virtuellen CO2-Gehalt" (d.h. CO2 plus die anderen Spurengase) zu betrachten. Dadurch führt eine bestimmte CO2-Konzentration schon an einem früheren Zeitpunkt zu einem entsprechenden Temperaturanstieg.

Ein Vergleich mit den verschiedenen Warmphasen der Vergangenheit erlaubt dann eine sinnvolle Abschätzung kritischer Schwellenwerte. Wollen wir unser Klima einigermaßen stabil halten, dann darf der virtuelle CO2-Gehalt nicht über 400-450 ppm hinaus ansteigen. Diesem ersten kritischen Schwellenbereich entsprechen Erwärmungen von 1-1,5 °C, wie sie seit dem Mittelalter um 1000 n. Chr. nicht mehr aufgetreten sind. Katastrophale Klimaänderungen wären bei einer virtuellen CO2-Konzentration von 600-700 ppm zu erwarten. Das würde zu einer um 4-5 °C höheren globalen Temperatur führen, wie sie z.B. im Jungtertiär (vor rd. 5-3 Mill. Jahren) vorgeherrscht hat. Aufgrund der paläoklimatologischen Indizien müßte man nicht nur mit einem eisfreien arktischen Ozean, sondern auch mit einer Verschiebung der Klimazonen mit allen Folgen für die Welternährung und schließlich mit möglicherweise irreversiblen Klimaänderungen rechnen.

Ohne korrigierende Eingriffe werden diese Schwellenbereiche früher oder später im Laufe des nächsten Jahrhunderts erreicht. Dabei besteht die Gefahr, daß die dann zu ergreifenden Maßnahmen um so drastischer sein müssen, je länger sie hinausgezögert werden. Das CO2Klima Problem erhält damit schon jetzt eine hohe Dringlichkeitsstufe.

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5. Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Gesellschaft  

 

Die Wahrscheinlichkeit einer durch den CO2-Anstieg und andere Faktoren ausgelösten globalen Klimaänderung läßt es ratsam erscheinen, schon jetzt die möglicherweise weitreichenden Folgen für die Gesellschaft abzuschätzen.

Klima-Impaktprogramm

Für die Folgenabschätzung bedienen wir uns der Klima-Impaktstudien, die eigens zur Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Klima und Gesellschaft entwickelt worden sind. Es handelt sich dabei um Systemanalysen, die mit Hilfe hypothetischer Szenarien die Gesamtzusammenhänge aufzeigen. Die daraus gewonnenen Einsichten sind für eine sachliche Bewertung möglicher Zukunftsrisiken und die Notwendigkeit bzw. Angemessenheit von Vorsorgemaßnahmen erforderlich. Ein ausreichendes Instrumentarium, das die Wirkungskette CO2-Anstieg — Änderung des Klimas — sozio-ökonomische Auswirkungen — Reaktion der Gesellschaft beschreiben kann, existiert allerdings bisher noch nicht.

Ökosystem-Gesellschaften

Es gibt kaum noch natürliche Ökosysteme, die von den Aktivitäten des Menschen unbeeinflußt sind. Zu den am stärksten bedrohten zählen die tropischen Regenwälder (Landsuche, Brandrodung, Nutzholz), die Steppen- und Halbwüsten (Überweidung, Brennholz) sowie die Wälder der mittleren und nördlichen Breiten (Säureregen). Eine CO2-induzierte Erwärmung geht einher mit ganz unterschiedlichen neuen Temperatur- und Niederschlagsverteilungen. Bäume sind in Grenzstandorten, wie z.B. in semi-ariden Gebieten, auch schon geringen Niederschlagsabnahmen gegenüber anfällig.

Die zu erwartenden viel stärkeren Temperaturzunahmen in polaren Breiten würden besonders auf die Permafrostböden und Tundren einwirken. Dadurch könnten die oberen Sumpf- und Torfschichten austrocknen, den darin gelagerten Kohlenstoff als CO2 an die Atmosphäre abgeben und damit den Erwärmungstrend weiter verstärken. Dieses gegenseitige Aufschaukeln, ein klassisches Beispiel für eine positive Rückkopplung, ist sehr ernst zu nehmen, denn über das dadurch erhöhte Abschmelzen von Schnee und Eis wirkt es noch zusätzlich auf das gesamte globale Klimasystem.

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Energieversorgung

Seitdem Energie teuer geworden ist, wird uns erst so recht bewußt, welch entscheidende Rolle das Klima in der Energieversorgung spielt. Es ist beides, eine Bedrohung und ein Segen. Wir brauchen z.B. mehr Energie zum Heizen in sehr kalten Wintern bzw. für die Klimaanlagen in sehr heißen Sommern, und wir müssen viel Energie aufbringen, um uns vor anderen Elementen des Wetters und Klimas, wie Stürmen, Schnee, Eis usw. zu schützen. Andererseits stellen uns Klimaelemente wie Sonnenstrahlung, Wind, Niederschlag u.a. als unerschöpfliche Ressourcen die Sonnen-, Wind-, Bio- und Ozeanenergie sowie die Wasserkraft zur Verfügung.

Kalte Winter verursachen allein in der Osthälfte der USA für die zusätzlichen Energieaufwendungen regelmäßig Ausgaben in Höhe von mehreren Milliarden Dollar, und in Kalifornien müssen zur Bekämpfung von Dürreperioden mehrere hundert Millionen Dollar aufgebracht werden. Kostenabschätzungen für die USA zeigen, daß bei einer Temperaturzunahme von 2°C (der angenommene Wert für eine CO2-Verdopplung) entgegen den Erwartungen mit einer Kostensteigerung zu rechnen ist. Das hängt mit der Verschiebung des Bedarfs von den billigeren Primärenergieträgern Gas und Öl zur teureren Sekundärenergie Strom für die Klimaanlagen zusammen.

Ernährungssicherung

Eines der wichtigsten Menschheitsprobleme ist die Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung mit genügend Nahrungsmitteln. Da gegenwärtig schon eine halbe Milliarde Menschen hungert und in den nächsten 20 Jahren die Weltbevölkerung um weitere 2 Mrd. Menschen zunehmen wird, ist die Frage nach einer zusätzlichen Gefährdung der Ernährungslage durch eine CO2-induzierte Klimaänderung mehr als nur von akademischem Interesse.

Modellrechnungen, die die Abhängigkeit des Ernteertrags vom Klima erfassen, zeigen bei einer Temperaturzunahme um 2°C, wie sie um die Mitte des nächsten Jahrhunderts erwartet wird, ein Absinken der US-Maisproduktion um rd. 26%. Für die US-Kornkammern gilt allgemein, daß ein kühleres und feuchteres Klima die Maiserträge erhöhen, wärmere und trockenere Bedingungen sie jedoch verringern würde. Klimamodellrechnungen lassen bei einer CO2-Verdopplung vor allem im US-Maisgürtel trockenere Verhältnisse erwarten. Besonders empfindlich reagiert Weizen gegenüber zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen. Ein Anstieg von 2°C könnte im US-Weizengürtel zu einer Ertragsminderung von rd. 10% führen, während in Kasachstan, UdSSR, eine Temperaturzunahme von 1°C in Kombination mit einer Niederschlagsabnahme von 10% sogar eine Einbuße von 20% verursachen könnte. Günstig könnte sich eine CO2-induzierte Temperaturzunahme in den Randtropen auswirken, denn nach den Klimamodellrechnungen wird dort der Wasserkreislauf aktiviert. Für Reis wäre bei einem zu erwartenden Temperaturanstieg von 0,5-1 °C mit einer Zunahme der Erträge um rd. 15% zu rechnen.

Unter warmen und feuchten Bedingungen breiten sich tierische Schädlinge und Pflanzenkrankheiten besonders gut aus und verursachen beträchtliche Ernteschäden.

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Eine integrierte Schädlingsbekämpfung (z.B. biologisch/klimatologische Kontrollmethoden, Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Pflanzen, Erhaltung des Artenreichtums, verbesserte Anbaumethoden) kann das Risiko einer vom Klima begünstigten Ertragsminderung durch Schädlinge herabsetzen.

Unter künstlich erzeugten optimalen Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen (z.B. in Treibhäusern) kann eine CO2-Zufuhr zu einer verstärkten Pflanzen­produktion führen. Für natürliche Verhältnisse trifft das aber nicht zu, da offenbar die Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser für das Wachstum ausschlaggebender ist. Es ist deshalb unwahrscheinlich, daß sich eine durch CO2-Erwärmung ausgelöste Ertragsminderung durch eine CO2-bedingte Wachstumszunahme der Biomasse ausgleichen läßt.

Auch ein hoher Technisierungsgrad scheint die Verwundbarkeit gegenüber Klimaeinwirkungen nicht verringern zu können. So verursachte die Hitze- und Dürreperiode von 1980 allein im US-Agrarbereich einen Gesamtschaden von rd. 19 Mrd. Dollar.

Wasserversorgung

Vom Wasserkreislauf hängt alles Leben ab. Dürre und Überschwemmungen führen zu Mißernten. Bei niedrigen Wasserständen kommt es zur Aufheizung und Schadstoffanreicherung sowie schließlich zum Erstickungstod der Fische. Trinkwasser-, Hygiene- und Gesundheitsprobleme nehmen zu. Wassermangel bedeutet auch eine Einschränkung der Energieerzeugung (zu wenig Kühlwasser, aufgeheizte Flüsse, leere Talsperren), eine Reduzierung der Gewinnung und Verarbeitung von Brennstoffen (Ölschiefer, Kohleveredelung) und eine Behinderung des Gütertransports und des Verkehrs auf den Wasserstraßen.

Eine CO2-induzierte Klimaänderung könnte über ein Verschwinden des arktischen Meereises im Sommer auch zu einer Verschiebung der Klimazonen und damit zu Engpässen in der Wasserversorgung, insbesondere in den Industrieländern der gemäßigten Breiten, aber auch in den Mittelmeerländern, dem Nahen Osten und in Kalifornien führen. Es ist vorgeschlagen worden, die Wasserverfügbarkeit durch Entsalzung von Meerwasser, Wolkenimpfen, Transport von Eisbergen aus der Antarktis oder die Umleitung von Flüssen zu erhöhen. Die Meerwasserentsalzung in großem Stil und der Transport von Eisbergen sind aber zu energieaufwendig, und die Erzeugung von künstlichem Niederschlag zeigt bisher keine statistisch nachweisbaren Erfolge. Die Umleitung großer Flüsse in der UdSSR und Kanada nach Süden zur Bewässerung großer landwirtschaftlicher Flächen könnte den Salzgehalt des Arktischen Ozeans ansteigen lassen, die Treibeisbildung zusätzlich verzögern und über den Energiehaushalt die atmosphärische Zirkulation und das Klima beeinflussen.

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Fischfang

Sonnenstrahlung, Luftdruck- und Windverteilung sowie Ozeanzirkulationssysteme haben einen großen Einfluß auf den Fischbestand. Das Überleben der Fischlarven, die Wanderzüge zu den Laichplätzen und die Geschlechtsreife sind stark von diesen Klimaelementen abhängig. Der Hering bevorzugt kalte, der Kabeljau warme Meeresströmungen. Der Sardellenfang an der peruanischen Küste ist hoch, wenn durch Aufquellen nährstoffreiches Wasser an die Oberfläche kommt, und niedrig, wenn das Aufquellen abgeschwächt ist. Eine CO2-induzierte Klimaänderung könnte die Störungen vergrößern. Mit Aquakultur versucht man zwar eine klimaunabhängige Fischzucht aufzubauen, inwieweit das aber aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus in einem nennenswerten Umfang durchgeführt werden kann, bleibt abzuwarten.

Bevölkerung und Besiedlung

In der Geschichte der Menschheit spielte das Klima sowohl beim Entstehen als auch beim Untergang großer Zivilisationen schon immer eine entscheidende Rolle. So wird z.B. der plötzliche Untergang der Mykenischen Hochkultur in Griechenland um 1200-1300 v. Chr. mit regionalen Niederschlagsanomalien in Verbindung gebracht. Ein mildes Klima (im Mittel um 1-2 °C höhere Temperaturen als heute) und eine üppige Vegetation förderten die Besiedlung Islands um 1000 n. Chr. durch die Wikinger. Der Untergang zwischen 1300 und 1500 n. Chr. einer im Mittleren Westen der USA ansässigen alten Indianerkultur wurde wahrscheinlich durch die um 1200 n. Chr. beginnende Temperaturabnahme (Kleine Eiszeit) und die Reduzierung der Niederschläge mitausgelöst. Dieses Beispiel entbehrt nicht der Brisanz, weil diese Region, in der die Dürre immerhin rd. 200 Jahre anhielt, heute das Hauptanbaugebiet der USA für Frühjahrsweizen, Mais und Sojabohnen darstellt. In Mittel-, West- und Nordeuropa wurden zwischen 1300 und 1500 n.Chr. 20-60% aller Dörfer aufgegeben. Die Kleine Eiszeit war auch hier eine wichtige Ursache.

Das Abschmelzen der arktischen Eismassen und das Ansteigen des Meeresspiegels werden in der Öffentlichkeit am häufigsten mit einer CO2-induzierten Erwärmung in Verbindung gebracht. Der Meeresspiegel kann dadurch aber nicht beeinflußt werden, da das Treibeis mit ihm im Schwimmgleichgewicht steht. Auch die mächtigen Eisschilde Grönlands und der Ostantarktis sind gegenüber Erwärmungen in der erwarteten Höhe relativ unempfindlich.

Anders verhält es sich mit der kleineren Westantarktis; denn durch den Temperaturanstieg könnten rd. 2-2,5 Mill. km3 Eismassen ins Meer gleiten, abschmelzen und den Meeresspiegel um 5-6 m anheben. Abschätzungen zeigen, daß dadurch 2% der gesamten USA überflutet und, bei der gegenwärtigen Bevölkerungsverteilung, rd. 12 Mill. Menschen (6% der Gesamtbevölkerung) obdachlos würden. Analog dazu hätten wir in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein mit einem Verlust von rd. 16% der Landfläche und einer Evakuierung von rd. 2 Mill. Menschen (17% der Gesamtbevölkerung) zu rechnen.

Das Abschmelzen des arktischen Treibeises ist zwar für einen Meeresspiegelanstieg belanglos, aber ein eisfreier arktischer Ozean könnte zur Verlagerung der Klimazonen führen. Besonders kritisch wäre die Ausweitung der Trockengebiete bis ins südliche Mitteleuropa und in den zentralen Teil Nordamerikas, was vor allem für die Wasserversorgung und die Ernährungssicherung ernsthafte Folgen hätte. Aufgrund der daran beteiligten geophysikalischen Prozesse sollten die durch eine CO2-induzierte Erwärmung ausgelösten Schmelzvorgänge im arktischen Treibeis schneller als in den antarktischen Eisschilden vor sich gehen.

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Gesundheit, Krankheit, Wohlbefinden und Freizeit

Gesundheit und Krankheit des Menschen werden stark vom jeweiligen Wetter und Klima beeinflußt. Physiologisch ist der Mensch an einen eng begrenzten Klimabereich angepaßt, der sich bei vertretbarem Aufwand nur unwesentlich erweitern läßt. Die spezifischen Krankheitserreger haben ihr jeweils optimales Klima. Allgemein gilt, daß feucht-warme Bedingungen Krankheitsübertragungen begünstigen.

Der erwartete Erwärmungstrend könnte die Hitzewellen im Sommer verstärken. Die 1980 in den USA aufgetretene Hitzewelle kostete 1327 Menschen das Leben und verursachte Schäden in Höhe von rd. 20 Mrd. Dollar. Auch die Freizeitbranche ist sehr stark vom jeweiligen Wetter und Klima mit seinen Anomalien abhängig. Klima-Impaktstudien könnten dieser Milliarden­industrie Schäden in Millionenhöhe ersparen.

 

 6. Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung eines CO2/Klima-Problems  

 

Eine Vorsorgestrategie, die durch eine risikoarme Klima-, Energie- und Landnutzungspolitik gekennzeichnet ist, erweitert für die Entscheidungsträger den Handlungsspielraum.

Handlungsspielraum und Handlungskonzept

Eine Auswirkung des CO2-Anstiegs auf das Klima ist z.Z. in den Meßdaten noch nicht nachweisbar. Das macht es leicht, ein mögliches CO2/Klima-Problem zu verdrängen. Da aber schon die gegenwärtige Energiepolitik mit der Wahl bestimmter Primärenergieträger auch die CO2- und Klimabelastung für die nächsten Jahrzehnte und länger festlegt, geraten wir in ein Dilemma. Denn wollten wir bis zum Nachweis globaler Klimaauswirkungen warten, wäre es für Gegenaktionen zu spät. Also müssen Entlastungsmaßnahmen, sollen sie überhaupt noch greifen, schon jetzt eingeleitet werden. Der Handlungsspielraum ist dadurch aber keineswegs eingeengt, wenn die Flexibilität, Fehlentscheidungen zu revidieren, gewahrt bleibt und wenn neue Erkenntnisse jederzeit in den Entscheidungsprozeß einfließen und ihn mitbestimmen.

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Technische Eingriffe

Zur Reduzierung der CO2/Klima-Gefahr wurden bisher nur technische Mittel in Betracht gezogen. Dazu gehören die CO2-Abscheidung aus dem konzentrierten Gasstrom, der Atmosphäre und dem Ozean, die CO2-Speicherung im Ozean und in Kavernen, z.T. auch Techniken der CO2-Nutzbarmachung in der Kohlenstoffchemie und schließlich Kompensationsbestrebungen durch Albedomodifikation. Das Problem ist eine Mengen- und Kostenfrage. Die gegenwärtig anfallenden globalen CO2-Mengen betragen rd. 20.000 Mill. t/a (im Vergleich zu rd. 300 Mill. t Stäube/a und rd. 100 Mill. t SO2/a). Nach einhelliger Meinung aller Experten, die sich mit diesen Problemen intensiv beschäftigt haben, sind alle diese Techniken zu energieaufwendig und damit zu teuer.

Biologische Methoden

Für die biogene CO2-Speicherung kommen Pflanzen und Böden in Betracht. Ähnlich einer Blutbank ist eine biogene Kohlenstoffbank aus rasch wachsenden Bäumen und Wasserpflanzen vorgeschlagen worden. Eine amerikanische Sykomorenart speichert z.B. rd. 750t C/km2/a, und die Wasserhyazinthe kommt sogar auf rd. 6000t C/km2/a. Diese CO2-Senken halten zwar nur für einige Jahrzehnte, nämlich solange die Pflanzen wachsen, an. Damit wäre aber wertvolle Zeit gewonnen, um dauerhaftere CO2-reduzierende Maßnahmen einzuleiten. Im übrigen ist die Wiederaufforstung und die Erhaltung des Bodenhumus allein schon eine ökologische Notwendigkeit.

Energieeinsparung durch bessere Energienutzung

Im Anschluß an die Energiekrisen begannen die meisten Nationen, ihre Energiepläne zu revidieren und jetzt als höchstes Ziel ihrer Energiepolitik die bessere Nutzung und damit die Einsparung von Energie zu propagieren. Insofern Energieträger durch Einsparmaßnahmen geschont bzw. ersetzt werden können, stellt die effizientere Energienutzung funktional eine vom Ausland unabhängige zusätzliche Energiequelle dar. Diese erlaubt es, in Zukunft mit weniger fossilen Brennstoffen auszukommen, was sich positiv auf die zukünftige CO2/Klima-Beeinflussung auswirkt. Dazu einige ausgewählte Untersuchungen.

Die Studie des Öko-Instituts (1980) kommt zu dem Ergebnis, daß sich die gegenwärtige deutsche Energienutzungstechnik bezogen auf das Jahr 1973 im gewichteten Mittel um mindestens einen Faktor 2 verbessern läßt. Das könnte vor allem durch die Erhöhung der technischen Nutzungsgrade bei der Umwandlung, Verteilung und Nutzung sowie durch die bessere Umsetzung von Energie in Dienstleistungen erreicht werden. Dadurch könnte der Primärenergieeinsatz im Jahre 2030 bezogen auf 1973 um rd. 40% abnehmen. Für verschiedene Energieszenarien könnte der CO2-Ausstoß signifikant reduziert werden, und zwar in der Variante Fortschreibung um rd. 45%, in der Variante Kohle und Gas um rd. 29% und in der Variante Sonne und Kohle sogar um rd. 53%.

Im Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages (1980) werden vier Energiepfade definiert. Pfade 1 und 2 verfolgen die bisherige Praxis, den Energiebedarf von der Angebotsseite her zu lösen. In den Pfaden 3 und 4 wird dagegen von der Nachfrage ausgegangen und untersucht, inwieweit sich der Bedarf durch ra-

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tionellere Energienutzung reduzieren läßt. Für die benutzten Annahmen ergeben sich für 2030 folgende Änderungen der CO2-Emission gegenüber 1978: für Pfad 1 ein Anstieg um rd. 35%, dagegen aber eine Abnahme für die Pfade 2-4 um rd. 9%, 15% bzw. 36%.

Eine Energiestudie für Großbritannien (1979) weist nach, daß durch Einführung energiesparender Technologien ein Nullwachstum auf dem Energiesektor bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum erreicht werden kann. Die Analysen zeigen über den Zeitraum von 1976-2025 in einem niedrigen Energieszenario einen um rd. 24% und in einem hohen Szenario einen um rd. 10% reduzierten CO2-Ausstoß.

Der schwedische Reichstag verabschiedete 1981 ein Energiegesetz, das innerhalb von zehn Jahren eine Halbierung der Öleinfuhren und eine effizientere Energienutzung vorsieht. Dadurch würde sich 1990 im Vergleich zu 1975 die CO2-Emission durch Öl-Substitution um rd. 3,9% und durch bessere Energienutzung um rd. 7,5% reduzieren.

Die Harvard-Studie (1979) kommt zu dem Schluß, daß sich durch rationellere Nutzung gegenwärtig schon rd. 40% der 1973 in den USA verbrauchten Energie einsparen ließe. Die erneuerbaren Energiequellen könnten um 2000 einen Anteil von rd. 20% am gesamten Primärenergieverbrauch der USA erreichen. Würde eine solche Energiepolitik in der wichtigsten Industrienation der Welt in die Tat umgesetzt, hätte das eine entscheidende Signalwirkung für andere Länder und könnte dadurch neben anderen Umweltproblemen auch das CO2/Klima-Problem entschärfen.

In einer weiteren US-Studie, dem CONAES-Bericht (1980), wird die Ansicht vertreten, daß das Energiewachstum auch ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Wohlstands gesenkt werden könnte. Sollte es allerdings, wie vorgeschlagen, zu einem starken Ausbau der Kohleveredelungsindustrie kommen, könnte das die gegenwärtige CO2-Wachstumsrate eher beschleunigen.

Der Energienutzungsgrad in den Industrieländern ist schlecht; er ist aber trotz des viel geringeren Verbrauchs in den Entwicklungsländern noch um einiges schlechter (z.B. durch Kochen auf offenen Holzfeuern, veraltete Maschinen). Gerade bei einem sehr niedrigen Verbrauch, und insbesondere beim Fehlen von heimischen Ressourcen und Eigenkapital, wird die wirksamere Nutzung zur wichtigsten Energiequelle.

Einsatz erneuerbarer Energiequellen

Die Chancen, einen wesentlichen Teil des Bedarfs durch erneuerbare Energiequellen zu decken, bleiben bei einem starken exponentiellen Wachstum gering; sie steigen aber bei einem durch effizientere Nutzung ermöglichten reduzierten Energiebedarf rapide an. Mit der Doppelstrategie, nämlich den Verbrauch zu drosseln und den dann stark geschrumpften Bedarf zügig durch CO2-freie erneuerbare Energiequellen zu ersetzen, läßt sich ein CO2/Klima-Problem vermeiden. Es ist auch aus vielen anderen Gründen geboten, die knappen Vorräte an erschöpfbaren und unersetzlichen Brennstoffen wie Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran zu schonen und die Deckung unseres Energiebedarfs so schnell wie möglich auf die erneuerbaren und damit unerschöpflichen Energiequellen umzustellen. Eine ökologisch dauerhafte Lösung ist nämlich nur auf der Grundlage der erneuerbaren Energieträger möglich.

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Es existieren gegenwärtige Energiepläne für die USA, Kalifornien, Quebec, Saskatchewan, Schweden, Skandinavien, Frankreich, Sardinien und Indien, die für die Zeit zwischen 2015 und 2050 den vollständigen Ersatz der nicht erneuerbaren durch erneuerbare Energiequellen annehmen. Das maximale globale Potential dieser Ressourcen wird auf rd. 20 TW (IIASA) bzw. 26 TW (UN-Konferenz) geschätzt. Ein früherer IIASA-Mitarbeiter nennt Werte zwischen 78 und 283 TW (gegenwärtiger Weltenergieverbrauch rd. 9 TW), die sich bei großtechnischer Entwicklung in sonnenreichen Wüstenländern ergeben. Das Problem bei der Nutzung erneuerbarer Energiequellen ist also offenbar nicht die Menge, sondern die Auswahl der wirtschaftlichsten Möglichkeiten.

Auswirkungen unterschiedlicher Energiestrategien auf CO2- und Temperaturänderung

Unter dem energiepolitischen Grundsatz "weg vom Öl" wird der Ausbau der synthetischen Brennstoffindustrie (Kohlevergasung und -verflüssigung) propagiert. Szenarienanalysen kommen zu dem überraschenden Ergebnis, daß sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre im Jahre 2050 gegenüber 1978 verdoppelt unabhängig davon, ob nur die USA oder die gesamte Welt die Kohleveredelungsindustrie ausbaut. Das läßt vermuten, daß nicht so sehr die Art der fossilen Energieträger als vielmehr die Menge des fossilen Energieverbrauchs für hohe CO2-Konzentrationen ausschlaggebend ist. Inwieweit sich allotherme Verfahren (der Veredelungsprozeß geschieht mit Hilfe nicht-fossiler Energiequellen) auf den CO2-Gehalt auswirken, läßt sich aus Mangel an Abschätzungen z.Z. noch nicht sagen.

Bei der rein fossilen Brennstoff-Strategie wurde von einem globalen Energieverbrauch ausgegangen, der sich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts asymptotisch einem Wert von 30 TW nähert. Modellrechnungen zeigen, daß die Emission um fast das 5fache auf rd. 24 Mrd. t C/a, die CO2-Konzentration um fast das 3fache auf über 1000 ppm und die daraus abgeleitete mittlere globale Temperaturänderung um rd. 4 °C über den Bezugswert von 1967 ansteigen würden.

Das hohe IIASA-Szenario nimmt für 2030 im Vergleich zum Bezugsjahr 1975 (8 TW) eine Energiebedarfszunahme um das 4,4fache, und das niedrige Szenario eine solche um das 2,7fache an. Der hohe Anteil fossiler Brennstoffe von rd. 92 % im Jahre 1975 wird in diesen Szenarien nur auf rd. 70 % im Jahre 2030 reduziert. Beim "Null-wachstums"-Szenario, einer irreführenden Benennung, wird für 2030 eine Verdopplung des Energiebedarfs auf 16 TW angenommen. Das Effizienz-Szenario geht dagegen davon aus, daß durch die Steigerung der Produktivität die Energiedienstleistungen durch einen reduzierten Energieeinsatz bereitgestellt und der dadurch stark geschrumpfte Bedarf an fossilen Brennstoffen relativ schnell durch erneuerbare und CO2-freie Energiequellen ersetzt werden können.

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Dadurch ließe sich der Primärenergiebedarf gegenüber 1975 um 8% im Jahre 2000 und um 32% im Jahre 2030 verringern. Gleichzeitig kann der hohe fossile Brennstoffanteil von 92% im Jahre 1975 auf 71% in 2000 und auf 18% in 2030 gesenkt werden.

Aus den Kohlenstoffkreislauf- und Klimamodellrechnungen ergibt sich, daß im hohen IIASA-Szenario, bezogen auf 1975, im Jahre 2030 die CO2-Emission um das 3,4fache, die CO2-Konzentration um 50 % und dadurch die globale Temperatur um 1,6 °C zunimmt. Dagegen zeigt das Effizienz-Szenario im Jahre 2030 eine Abnahme der CO2-Emission auf ein Achtel des Werts von 1975, wodurch die Konzentration nur noch um 10% ansteigt. Die Temperaturzunahme ist dann mit 0,8 °C nur noch halb so groß wie beim hohen IIASA-Szenario.

Die reinen Zahlenwerte dieser Simulationen sind wegen der vielen noch bestehenden Unsicherheiten mit der entsprechenden Zurückhaltung zu interpretieren — das gilt übrigens auch für alle anderen Abschätzungen. Deutlich wird aber, daß offenbar nur die Maßnahmen des Effizienz-Szenarios zu einer merklichen Abschwächung des Temperaturanstiegs führen. Damit wird etwas ganz Wesentliches gewonnen, nämlich Zeit für den ordnungsgemäßen Übergang zu einer dauerhaften Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energiequellen, die das Umwelt- und Klimasystem nicht in unzulässiger Weise verändert.

Flankierende Maßnahmen und Entscheidungshilfen

Neben diesen direkten Vorsorgemaßnahmen gibt es eine Vielzahl anderer Aktivitäten, die einem ganz anderen Zweck als der CO2-Reduzierung dienen, aber durch die Herabsetzung der Anfälligkeit unseres Umweltsystems gegenüber einer Klimaänderung einen positiven Nebeneffekt erzielen. Dazu gehören der Schutz der Bodenkrume, die Anwendung innovativer Agrartechnologie, die Anlage einer Nahrungsmittelreserve, eine Verbesserung der Wasserbewirtschaftung, die Erhöhung des Küstenschutzes und der Ausbau von Hilfsprogrammen.

Sachgerechte Entscheidungen beruhen auf einem guten Informationssystem. Damit sie rechtzeitig getroffen werden können, brauchen wir ein Vorwarn- und Vorsorgesystem. Es reicht aber nicht, das Klimageschehen nur zu messen, bzw. mögliche CO2-induzierte Klimaänderungen nur zu berechnen. Die Erkenntnisse müssen auch in die Entscheidungsprozesse miteinfließen. Mit der Informationsbeschaffung — Informationsweitergabe — Informationsnutzung — Einleitung von Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung eines CO2/Klima-Problems schließt sich erst der Aktionskreis.

 

7. Zukunftschancen 

 

Welche realistischen Möglichkeiten führen uns aus der durch CO2 und andere Faktoren ausgelösten Klimagefahr? Wir müssen lernen umzudenken und einsehen, daß das Klima als Teil der Umwelt ein Allgemeingut ist, mit dem behutsam umgegangen werden muß. Der Schlüssel zur Vermeidung eines CO2/Klima-Problems liegt darin, neue Akzente für eine sinnvolle Energie- und Landnutzungspolitik zu setzen.

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Alter Fortschrittsglaube - neue Glaubwürdigkeit

Technische Entwicklungen beeinflussen Umwelt und Klima. Die Reaktion darauf ist häufig nur die nachträgliche meßtechnische Feststellung der Auswirkungen, ohne gleichzeitig Vorsorge­maßnahmen zur Verhinderung einer Eskalation einzuleiten. Hilflosigkeit gegenüber den undurchsichtigen technologischen Entwicklungen löst bei den Menschen Furcht und einen Vertrauensschwund aus. Die verlorene Glaubwürdigkeit läßt sich nur wiedergewinnen, und die Existenzangst vor einer lebensfeindlichen Zukunft kann nur abgebaut werden, wenn an ihre Stelle eine Politik des gegenseitigen Vertrauens und der aktiven Mithilfe an einer humaneren Lebensgestaltung tritt.

Der Mensch: Gestalter seines eigenen Schicksals?

Der plötzliche Zusammenbruch der Hochkultur der Mayas vor rd. 1000 Jahren und die chronischen Dürre- und Hungerkatastrophen im Sahelgebiet werden oft als Beispiele dafür angeführt, was bei der Überschreitung der Tragfähigkeit eines Landes und damit der Zerstörung der eigenen ökologischen Grundlagen passiert. Sind das und die möglichen CO2-induzierten Klimaänderungen schicksalhafte Ereignisse, denen der Mensch hilflos ausgeliefert ist? Das von uns in Gang gesetzte CO2/Klima-Experiment entwickelt zwar schon im Umweltsystem seinen Eigenschwung. Aber für eine kurze Zeit, etwa über die nächsten 15-20 Jahre, besteht noch eine gute Aussicht, die Dynamik der Ereignisse abzubremsen und eine Wende herbeizuführen. Denn anders als die Mayas haben wir bessere Möglichkeiten, nicht nur unsere Probleme zu analysieren, sondern auch ihre Folgen abzuschätzen und so durch rechtzeitig, d.h. jetzt eingeleitete Vorsorgemaßnahmen, eine drohende Katastrophe abzuwenden. Noch haben wir die Chance, zwischen verschiedenen Wegen in die Zukunft zu wählen.

Zukunftschancen: Die bisherigen Trends fortschreiben

Ein möglicher Weg in die Zukunft könnte die Fortschreibung der gegenwärtigen Energiepolitik sein. Viele Wirtschafts- und Energiemanager können sich eine Zukunft ohne ein quantitatives Wachstum nicht vorstellen. Dagegen ist Systemanalytikern klar, daß in einem geschlossenen System, wie dem der Erde, ein unbegrenztes Wachstum mit einer konstanten Rate ganz einfach unmöglich ist. Offenbar bedarf es eines neuen qualitativen Wachstumsbegriffs; denn nicht die Frage, ob Wachstum oder nicht, ist entscheidend, sondern vielmehr wie und in welche Richtung es verlaufen soll.

Die Chancenungleichheit zwischen Industrie- (IL) und Entwicklungsländern (EL) stellt für die Zukunft eines der größten Konfliktpotentiale dar. Viele Vorhersagen propagieren ein starkes Energiewachstum sowohl in den EL als auch in den IL, weil nur dadurch die großen Unterschiede abgebaut werden könnten. Unerklärt bleibt dabei, wieso in der Vergangenheit bei starkem Energie- und Wirtschaftswachstum sowie vergleichsweise geringen Energiepreisen die Kluft zwischen IL und EL immer größer werden konnte. 

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Die Analyse der IIASA-Szenarien zeigt aber das genaue Gegenteil, nämlich eine Reduzierung der Unterschiede zwischen IL und EL und damit eine Verbesserung der Chancen bei geringerem Energiewachstum. Eine effizientere Energienutzung, und somit ein gebremster Energiebedarf besonders in den IL, kann bei leichzeitiger Schonung von Klima und Umwelt die N-S Spannungen abbauen. Dagegen ist bei Fortschreibung des gegenwärtigen Trends damit zu rechnen, daß sich die Ressourcen noch schneller erschöpfen, dadurch die Preise ansteigen und die Verteilungskämpfe noch mehr zunehmen, was wiederum die Sicherung der Rohstoff-, Energie- und Nahrungsmittelversorgung noch mehr in Frage stellt und das weltweite Konfliktpotential erhöht.

Zukunftschancen: Neue Akzente setzen

Ein vernünftigerer Weg in die Zukunft erfordert dagegen eine Neuorientierung. Sie ist notwendig geworden, weil bisher die offiziellen Wirtschafts- und Energiewachstumsprognosen weit an den tatsächlichen Ereignissen vorbeigegangen sind, und weil sich das ehemals eiserne Gesetz einer Kopplung von Energie- und Wirtschaftswachstum als Mythos erwiesen hat. Ein absoluter Rückgang des Energieverbrauchs ist bei gleichem oder noch höherem Lebensstandard wie heute möglich. Er ist sogar im Interesse einer gesunden Weltwirtschaft und der Reduzierung des Konfliktpotentials eine Notwendigkeit, da der wirtschaftlichste Weg der Energieversorgung nicht etwa einen steigenden, sondern vielmehr einen sinkenden Einsatz fossiler Brennstoffe erfordert.

Sehr viel ist schon gewonnen, wenn wir nur unser bisheriges technisches Wissen sinnvoll einsetzen würden. So läßt sich z.B. durch die Kombination zweier verschiedener Nutzungskreise zur Erzeugung von Strom (Kraft) und Wärme (Kraft-Wärme-Lopplung) der Gesamtnutzungsgrad herkömmlicher Kraftwerke von rd. 36% bis auf 85% steigern. Dadurch können nicht nur beträchtliche Mengen an Energie eingespart, andern auch die Gas- (CO2), Aerosol- und Abwärmeemissionen merklich reduziert werden.

Durch den Bau kleiner dezentraler Blockheizkraftwerke lassen sich die Verluste beim Energietransport und die Investitionskosten für die Leitungen beträchtlich verringern. Darüber hinaus kann ein solches Kraftwerk, das aus einer Serie von Motoren besteht, je nach Bedarf durch Zu- und Abschalten immer mit Vollast und deshalb mit höchsten Nutzungsgraden gefahren werden.

Mit der Wirbelschichtfeuerung wird nicht nur ein um 10% höherer Nutzungsgrad erreicht, sondern es können damit auch die Schwefel-, Stickoxid- und Staubemissionen drastisch herabgesetzt werden. Die Wirbelschichttechnologie ist in Kombination mit Kraft-Wärme-Kopplung in hohem Maße energiesparend und paßt damit besonders gut in ein Energiekonzept, das die Abhängigkeit von importiertem Öl verringern, die vorhandene Kohle aber intensiver und umweltschonender nutzen will.

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Großkraftwerksbetreiber haben bisher kein ernsthaftes Interesse an der Abwärmenutzung gezeigt. Mit dem Bau dezentraler Heizkraftwerke und dem Ausbau eines Fernwärmenetzes könnte aber sofort ein sinnvolles Beschäftigungsprogramm eingeleitet werden, das neben der Energieeinsparung vielen Tausenden von Menschen über Jahre hinaus einen gesicherten Arbeitsplatz garantieren würde. Kein Land wird es sich in Zukunft leisten können, auf die Abwärme­nutzung, d.h. eine von internationalen Energie- und Preisabsprachen nicht beeinflußbare eigene Energiequelle, zu verzichten.

Auch im Bereich der Wärmepumpen stehen in Industrie und Gewerbe bereits ausgereifte Systeme zur Verfügung, die beträchtliche Energieeinsparungen ermöglichen. Da im allgemeinen die Raumheizung einen Großteil des Energiebedarfs der Industrieländer ausmacht, ist die Wärmedämmung ein wirksames und vielseitiges Mittel, den Verbrauch zu reduzieren. Die jetzt entwickelten Metall-Halogendampfbirnen haben einen um 75 % geringeren Stromverbrauch und eine 4-5mal so große Nutzungsdauer wie eine herkömmliche Glühbirne. Mit innovativen, aber gegenwärtig schon vorhandenen Mitteln, läßt sich der Kraftstoffverbrauch von Personenkraftwagen von z.Z. 8-10 l/100 km auf rd. 2 l/100 km reduzieren. Durch eine koordinierte Verkehrs-, Raumordnungs- und Städtebaupolitik ließe sich bei einem Übergang zu einer Wasserstoffwirtschaft die Nutzung fossiler Brennstoffe und damit das Umwelt- und Klimarisiko noch weiter herabsetzen. Auch mit Hilfe der Mikroelektronik kann man beträchtliche Energieeinsparungen erzielen.

Der erschöpfbare fossile Kohlenstoff ist zu wertvoll, um einfach verbrannt zu werden. Mit diesem Element, dem Baustein allen Lebens, konnten bisher rd. vier Millionen verschiedene chemische Verbindungen aufgebaut werden. Der Anwendungsbereich der Kohlenstoffchemie reicht von der Medizin bis hin zur Bauindustrie.

Eine Neuorientierung bedeutet vor allem auch einen Abbau der institutionellen Barrieren. Eine Hauptursache für viele Mißstände ist z.B. das aus dem Jahre 1935 stammende und noch heute gültige Energiewirtschaftsgesetz. Bei der gegenwärtigen Tarifgestaltung werden Vielabnehmer bzw. Energieverschwender durch einen Sondertarif belohnt, während Kleinabnehmer und diejenigen, die mit der Energie sparsam umgehen, bestraft werden. Durch den vorrangigen Zubau großer Kohle- und Kernkraftwerke werden die Chancen einer rationelleren Energienutzung durch Kraft-Wärme-Kopplung und Fernwärme massiv behindert. Im Interesse einer vernünftigen Energieversorgungswirtschaft ist es zwingend notwendig, sowohl die richtigen Preissignale zu setzen als auch die bestehenden Marktverzerrungen abzuschaffen. Die Enquete-Kommission hat einen ausführlichen Maßnahmenkatalog zum Abbau der Barrieren vorgelegt.

Wege aus der CO2/Klima-Gefahr

Das CO2/Klima-Problem ist kein unabwendbares Schicksal, dem wir hilflos ausgeliefert sind. Uns steht eine ganze Reihe von Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung, die gewünschte zukünftige Richtung mitzubestimmen. Die Weichen für die globale Klimaentwicklung stellen wir vor allem durch unsere Energiepolitik selbst. Diese Einsicht hat einen Umdenkungsprozeß eingeleitet, der sich auf die empirisch und methodisch überzeugenden Energiestudien einer Vielzahl verschiedenartiger Länder stützt.

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Alle zeigen sie, daß höhere Energiedienstleistungen als bisher mit einem geringeren Energieeinsatz allein durch die Steigerung der Energie­produktivität bereitstellt werden können. Dieses ermutigende Ergebnis weist uns den Weg zu einer gesunden Energie- und Wirtschaftspolitik und gibt uns gleichzeitig den Schlüssel zur Vermeidung eines möglichen CO2/Klima-Problems.

Eine solche risikoarme Energie- und Klimapolitik zeichnet sich durch die wirkungsvollere Nutzung der bisher schon verwendeten Energieträger aus. Dadurch reduziert sich der Gesamt bedarf, wodurch einerseits die nicht erneuerbaren Quellen geschont werden und andererseits die zunächst nur in bescheidenem Maße einsetzbaren erneuerbaren CO2-freien Energiequellen schon einen spürbaren Beitrag leisten können. Diese Doppelstrategie hat gegenüber allen anderen Vorgehensweisen den ausschlaggebenden Vorteil, daß sich die effizientere Energienutzung ohne große Vorlaufzeit in aktive Energiepolitik mit unmittelbar sichtbaren Erfolgen umsetzen läßt, und daß für eine geordnete und wohlüberlegte Einführung der erneuerbaren Energieträger genügend Zeit bleibt.

Ergänzt werden muß dieses Konzept noch durch eine Landnutzungspolitik, die sich durch ein Gleichgewicht zwischen Abholzung und Wiederaufforstung sowie die Erhaltung der Bodengüte auszeichnet. Eine solche Politik bringt vielfältigen Nutzen, denn sie entschärft nicht nur das CO2/Klima-Problem, sondern trägt auch durch die Eindämmung der Bodenerosion, die Verhinderung von Überschwemmungen und die Verbesserung des Wasserhaushalts ganz entscheidend zur Ernährungssicherung bei.

Diese Strategien, die uns aus der bisherigen Durchlauf- in eine dauerhafte Kreislaufwirtschaft führen, begünstigen darüber hinaus eine stabile Gesellschafts­ordnung. Der Bonus einer solchen Politik reicht von der Verringerung der Abhängigkeit von externen Ressourcen, dem Abbau des Leistungsbilanz­defizits und der Sicherung von Arbeitsplätzen, bis hin zur Reduzierung technologischer Risiken und Akzeptanzproblemen sowie der Verhinderung der Umweltzerstörung.

Auf die Lösung dieser Menschheitsprobleme muß jetzt verstärkt hingearbeitet werfen. Die Dringlichkeit der CO2/Klima-Gefahr sollte einen zusätzlichen Impuls liefern, die Einleitung von Vorsorgemaßnahmen zu beschleunigen, durch die gleichzeitig auch diese Gefahr vermieden werden kann. Die Erfolgschancen stehen keinesfalls schlecht, weil eine Politik mit den geringsten ökonomischen Kosten auch das geringste Klimarisiko verursacht. 

Diese vernünftige Wirtschafts- und Energiepolitik muß jedoch gegen den großen Widerstand einflußreicher Interessengruppen durchgesetzt werden. Hier ist die wachsame Mithilfe eines jeden Bürgers gefordert.

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