Auf der Suche nach den Ursachen
Rudolf Bahros "Logik der Rettung" ist das Buch der Stunde
Jochen Uebel in der Zeitschrift <Trendwende> 1987
Hier ist er also nun, der nächste Denkschritt, hin auf einen Ausgang zu, der aus der globalen Misere herausführen soll. Das Buch der Stunde. Warum? Bahros Analyse, seine argumentativen Voraussetzungen stimmen. Und das ist heute eine Seltenheit.
Wie nur wenige ist er sich bewußt, daß die Zeiten, in denen die Menschen noch über isolierte Teilprobleme klagen konnten, Vergangenheit sind. Wie nur wenige hat er begriffen, daß die Menschen vor einer gigantischen, alle und alles umfassenden Totalkrise stehen, nicht nur, weil manches Teilproblem — man nehme die Rüstung — schon für sich allein uns global und total bedroht.
Die Krise ist total, die Teilprobleme sind für sich schon gigantisch, und doch sind sie nur ihr Symptom. Zwar ahnen viele die Einheit der einen umfassenden Megakrise, viele ahnen, daß die Gleichzeitigkeit der Bedrohungen eben nicht ein Zufall ist. Und man findet die Ahnung selbst unter den Konservativen, deren Gros sich derzeit noch als Bewahrer unzulänglicher Analysen versteht: "Globalkrise? Schwarzmalerei!". Kurt Biedenkopf hebt sich hier wohltuend ab, weshalb Bahro sehr ausführlich sich an seinen Argumenten mißt.
Doch auch, wer das Richtige ahnt, läßt sich leicht von der Totalität und Globalität der Einzelprobleme gefangen nehmen, so daß er ohne Überblick bleibt. Er meint, die gigantischen Gefährdungen, jeweils eine davon und/oder alle zusammen, seien schon die Megakrise selbst.
Wenn es doch nur so einfach wäre! Deshalb ist die Aufgabe, Krise und Symptom scharf auseinanderzuhalten, eben gerade keine intellektuelle Finesse: Sie zu bewältigen ist vielmehr zwingende Voraussetzung, wenn wir uns auch nur die Chance offenhalten wollen, den Bedrohungen zu entrinnen.
Versiegeln wir beim Aufwischen einer Wasserlache denn schon ihr verursachendes Leck? Genau das aber ist das Ansinnen so gut wie aller Weltverbesserer oder Weltbewahrer (das ist hier gleich).
Sie alle wollen nur Lachen aufwischen: Die Rüstungslache, die Artentodlache, die Waldsterbenlache, die Giftmüllache, die Nuklearenergielache, die Genforschungslache, die Ozonlache, die Aids-Lache, die Materialismus-Lache, die Irrationalismus-Lache, die (Un-) Ethik-Lache, die Egoismus-Lache. Und auch die Lache der Lieb- und Friedlosigkeit.
Doch all diese Pfützen sind, trotz ihrer Ausdehnungen, gleichwohl nur Ausfluß eines über alle Maßen beschädigten Wehrs: des aus der ehernen Ordnung der Schöpfung herausgefallenen Denk-, Gefühls- und Wahrnehmungsapparates der Menschen. Des aus der Ordnung herausgefallenen Bewußtseins des jeweils einzelnen Menschen, fünfmilliardenmal addiert.
Immer sind es zuerst wenige, die zwingend notwendige Denkschritte historischer Zäsuren nachvollziehen können. Noch weniger sind fähig, sie auch in Worte zu kleiden: Hier helfen die Schriftsteller. Aber auch unter den Schriftstellern, die schon wissen, haben immer nur wenige den Mut, schon frühzeitig die unbequemen Worte offen und öffentlich zur Sprache zu bringen. Bahro ist einer davon.
Wie unangenehm ist es doch, sich mit so etwas Windigem wie "Bewußtsein" herumschlagen zu müssen! Und wieviel Sicherheit gibt doch die Analyse des vergleichsweise so viel Handfesterem, Überschaubarerem, sei sein Name nun "Rüstungswettlauf", "Luftchemie" oder "Bodengift"!
Aber Bahro schlägt die Skeptiker mit ihren eigenen Waffen.
Er analysiert und er analysiert mit der ganzen Schärfe eines Intellekts, der ihn schon einmal und schon damals zu Recht über die Ländergrenzen hinweg berühmt gemacht hatte, damals, als er wegen seiner im Westen erschienenden "Alternative" zum "real existierenden Sozialismus" im Bautzender Gefängnis einsaß.
Bahro nennt das aus der Schöpfungsordnung herausgefallene Menschenbewußtsein "Exterminismus": der (Selbst-)Auslöschungsdrang, das Vernichtungsstreben, die Destruktion, die ökologische Subversion, Freuds Thanatos. Das Sägen am eigenen Ast.
Aber er fragt dann sehr schnell:
Ist die umweltverachtende, waffenstarrende, Arten ausrottende, genmanipulierende. klimazerstörende Megamaschine des Industriesystems tatsächlich schon die Wurzel allen Übels, das auf ihr Joch zu nehmen die wenigen Wachen als ihre Pflicht erkennen?Ist nicht auch diese Megamaschine, so eindrucksvoll ihre Vernichtungskapazität ist, selbst nur wieder angetrieben von dem mörderischen Prinzip gewinnträchtiger Kapitalanlage? Komme, was da wolle! Nach uns die Sintflut!
Investment-Interessen, die den klimawichtigen Tropenwald vor die Hunde gehen lassen. Investment-Interessen. die die Politiker beim Verbot atmosphärenzerstörender Gase behindern. Investment-Interessen, die die Regierungen immer wieder neu zum Kauf sinnloser Waffensysteme verführen. Investment-Interessen, die nach neuen Super-Kühen rufen, nach frostgesicherten Erdbeeren, nach giftresistenteren Arbeitern, nach pestizid-unempfindlichen Getreidehalmen, nach dem ganzen Instrumentarium fortgeschrittener Gentechnologien.
Nur erkennt Bahro eben auch: Kapitalismuskritik kann nicht die Endstation globaler Problemanalyse sein. Der Denkzug hat noch Wegstrecke vor sich, gerade derzeit, im Zeichen der Capras, Hendersons. Bermans. im Zeichen des Wassermanns:
Ist es nicht die Anthroprozentrik des Westeuropäers, ist es nicht sein ungezügelter Herrschaftswille, seine lineare Auffassung von Zeit, sein Entweder-Oder-Denkschema, seine Arroganz, ja seine Gefühlsblindheit gegenüber jedweder höheren Eigenintelligenz, heiße sie nun "Natur", heiße sie "Gott", wodurch naturwidriges Investieren erst möglich werden konnte?
Ja und Nein. Das "ungezügelte Ich der Weißen", dieser Geist vom Schlage eines "Ich weiß fas alles" und "ich darf alles tun", der so gern als Gegenpol zu einem neuen, naturverträglichen Zeitalter angesehen wird, er ist real, aber auch er ist noch nicht das treibender Moment unseres Wahns.........
Also weiter.
Ist all dies — das Herrschenwollen, das Ich-Überschätzen, die Natur-Selbstaggression, nicht alles patriachaler Stoff? Ist das denn wirklich "der Mensch"? Oder ist das nicht doch vor allem "der Mann"? Zitat:
"Geld und Kapital, Staat und Kirche, rationalistische Wissenschaft und Technik sind lauter männliche Erfindungen und Veranstaltungen. Keine Amazone, keine Marketenderin, keine Königin, keine Heilige, keine Curie kann dagegen zeugen. Die Rollen sind vorausgeschrieben und vorverteilt, die Frauen dabei mitspielen können. Der Geist und die Methode sind männliche Wesen, Frauen modulieren nur."
Und doch:
"Hexenrituale haben den Aufbruch des modernen technokratischen Mannes nicht aufgehalten. Warum sollten sie sein Finale verhindern können?"
Und etwas später:
"Das heutige Hexenrevival mag eine Form sein, sich weiblicher Ursprungskräfte wieder zu vergewissern, aber es bezieht sich auf eine bestenfalls rebellische Tradition. Ein emanzipatorisches Ideal dürfte die Hexe schwerlich sein. So wie sie damals kehrseitig zum Mönch gehörte und als Gestalt auch seine projektive Schöpfung gewesen ist, gehört sie heute, wiederum als Gegenstück, auch zu dessen Nachfolger; dem rationalistischen Monomanen in Wissenschaft, Technik, Kapital und Politik. (...) Die weiße Dame sagt dem weißen König Schach (...), das schwarz-weiß-gekastelte Brett mit seinen Regeln, mit seiner Logik aber vertritt auch sie. Gleichberechtigung auf dieser Grundlage, der Einzug in die Welt der Arbeit, der Schule, der Wissenschaft, Technik, Medizin und selbst des Staates — all das tastet die patriarchale Struktur und ihre tödlichen Konsequenzen kaum an (...). Das Einrücken der Frauen in die alten Positionen fügt dem Übel nichts Wesentliches mehr hinzu, legitimiert es allerdings ein letztes Mal ..."
Also ist eine klassenkämpferische Behandlung der Geschlechterfrage, sagt Bahro, eine "Erkenntnisbremse". Die Frau "muß von vornherein auch 'Komplizin' des erst entstehenden Patriarchats gewesen sein, d.h., die Rollen müssen sich korrelativ, sozusagen ko-evolutionär dahin bewegt haben".
Kein patriarchaler Herrschaftswille wäre zum Zuge gekommen, ohne entsprechende Gelegenheiten; die Geschlechter sind komplementär, ergänzen und bedingen sich, "weder von der einen noch von der anderen 'Hälfte des Himmels' allein können Zerstörung oder Heilung ausgehen.
Im Einklang mit Ken Wilber ("Halbzeit der Evolution") und eben richtiger als manche vordergründige Männerkritik sieht Bahro das Patriarchat "vor allem als eine neue Bewußtseinsverfassung" des Menschen schlechthin, als "eine neue Ich-Verfassung", als logische Folge des "heroischen, selbstbewußten, mythischen Ego", das sich von der Großen Mutter zu lösen begann. Ein Schritt, der, wie Ken Wilber so gut zeigt, für Bewußtseinsevolution unumgänglich ist.
"Wenn aber jetzt dieser Held 'am Ende' ist, so ist es über ein kleines die Frau auch, weil die Gesamtkultur krank ist ..." Das männliche Prinzip ist "in dem Ganzen, das uns alle hat".
Nun also nähern wir uns dem Ziel, wenn auch die Festung des "Patriarchats", wiewohl einer Hauptstadt gleich, doch immer noch nur Provinzregierung ist, am Bändel eines Höheren. Wo ist sie, "die letzte, tiefste Ebene in der 'Geologie' des Exterminismus"?
Immerhin befinden wir uns schon jetzt in der Nähe des Gattungsursprungs, dort, wo die Polarität der Geschlechter sich aufzutun beginnt: Findet sich also die Verwurzelung der Selbstzerstörung "im menschlichen Genotyp" selbst, im Gattungscharakter des 'Hirntiers' Mensch?
Bahro meint: Ja. Nicht der kapitalistische Antrieb, nicht das europäische Welt- und Selbstverständnis, nicht der "männliche Logos steuert zum Tode". Es ist die Macht des menschlichen Bewußtseins selbst, unter den wir erst einmal zusammenzubrechen drohen:
Es sind die Strukturen unseres Bewußtseins. die die Strukturen der Welt vorgeben — und trotzdem beharren wir darauf, die Wurzeln allen Übels irgendwo da draußen, auf keinen Fall aber bei uns selbst zu suchen ("Projektion").
Die objektive Bedeutung des Menschen scheint, kosmisch gesehen, unendlich klein; die so herausragende, überaus seltene, ja einzigartige Fähigkeit, sich seiner selbst bewußt zu sein, verrührt aber den Menschen zu dem hybriden Wahn, unumschränkt agieren zu dürfen ("Anthropozentrik").
Nicht ahnend, wer wir wirklich sind, versuchen wü, möglichst bleibende Spuren zu ziehen, in der Hoffnung, wenigstens dadurch etwas "gewesen" zu sein ("Egozentrik"; Ken Wilbers "Atman-Projekt").
Solche Geistesverfassung, wiewohl kulturgeschichtlich ein organischer Schritt, führe aber. mit dem modernen technologischen Vermögen hochpotenziert, nicht nur spirituell zu einem Gefängnis: Materiell lege sie uns eine Rüstung an, die uns nun in die Tiefe zieht Lohn der Überheblichkeit...
Hier endet erst einmal Bahros Analyse. Anders jedoch als bisherige Wendezeit-Autoren beläßt Bahro es aber nun nicht bei unverbindlichen "Man müßte also ..."-Appellen und zieht sich auch nicht auf individualistische Privatratschläge zurück. Die Sensationen dieses Buches stecken in der zweiten Hälfte, dort, wo Bahro Strategien zur Entmachtung des Naturwidrigen entwirft ...
TEIL 2
Auf dem Weg zur eigenen Mitte
Rekapitulieren wir kurz den ersten Teil des neuen Bahro-Buches, so, wie wir ihn ausführlich in der letzten Ausgabe (Trendwende 9/87) besprochen hatten:
Ausgangspunkt Bahros ist die Einsicht, daß die derzeit zu beobachtenden Globalprobleme — Umwelt, Rüstung, Wirtschaft, Dritte Welt, Gentechnik, Atomtechnik, etc. — nur Symptome einer tieferliegenden Krise sind.
Aber weder das "Industriesystem" noch der "Kapitalismus" noch das diesem zugrundeliegende "ungezügelte Ich der Weißen" noch der diesem neuzeitlichen Ich innewohnende "männliche Geist" sind die letzte Ursache der Misere.
Die Macht des menschlichen Bewußtseins selbst ist es, die als letzte Ursache unserer Misere erkannt werden muß:
• Unser Bewußtsein will nicht wahrhaben, daß es selbst die Ursache unser Vorstellungen und Handlungen ist, weil es bislang sich kaum selbst erkennt.
• Angesichts der relativen Bewußtlosigkeit der restlichen Schöpfung mißinterpretiert der Mensch den hohen Grad seiner eigenen Bewußtheit als Beweis seines Nicht-eingebunden-Seins in die Schöpfungsordnung.
• Und da der Mensch ahnt, daß er sich noch gar nicht selbst kennt, versucht er, sich in der Welt, im Handeln zu finden, wenigstens dort. Daher die unerhörte Energie, mit der er — objektiv vollkommen unnötig — die Welt fortwährend umzugestalten sucht.
Soweit Bahros Analyse, die "Logik der Selbstausrottung" — nun also zu seiner "Logik der Rettung": die sofort Entscheidendes fordert: Stellt die Frage nach dem Subjekt des Selbstvernichtungsdranges zuerst! Geht ihr bis auf den letzten Grund!
Zitat: "Gegenwärtig ist der subjektive Faktor ganz und gar entscheidend, weil es gar nichts mehr bringt, aus den alten Grundeinstellungen heraus auf die immer wieder neuen Handlung s an lasse zu reagieren, die uns die durchgegangene Zivilisation bietet. Aus diesem Grunde muß sich jetzt unser logisches Bemühen viel mehr auf uns als die letzte und eigentliche Ursache richten als auf die von uns geschaffene Welt, die doch nur objektive Spiegel unseres Gestörtseins ist" (S. 203/204; letzte Hervorhebung durch mich).
Hier also kommt die "Subjektivität der Rettung" ins Spiel: das Subjekt, sein innerster Bewußtseinskern, der "logische Ort einer Rettungspolitik". Wohlgemerkt: "-politik"!
Bahro wünscht sich also dafür, daß wir angesichts der sichtbaren Apokalypse uns nicht von der unsichtbaren ablenken lassen. "die so viel Vorlauf hat und mit der aus unserem Innersten schon Dinge entschieden sind, die wir im Äußeren noch aufzuhalten suchen" (S.218).
Die Entfaltung einer "neuen Bewußtseinsstruktur", eine "Selbsttransformation", die der Selbstzerstörung die Grundlagen entzieht, sei deshalb das Gebot der Stunde. "An der individuellen Transformation vorbei gibt es keinen Rettungsweg." Zwar seien Anstoß und Ermutigung der Menschen, sich auf intensive Selbsterfahrung einzulassen, nicht alles, was gegenwärtig zu tun ansteht, solche Selbsterfahrung aber sei "der wichtigste soziale Prozeß" (Hervorhebung durch mich).
Und Bahro begründet diese Ansicht nicht zuletzt analog zu meinen Überlegungen nach Tschernobyl (Trendwende 7+8/86): mit der unerhörten Schnelligkeit der "Vernichtungsfunktionen", mit ihrem Exponentialverlauf. "Politische Geschäftigkeit im Staatstheater" und "Bürgerinitiativen aus Betroffenheit" allein seien hier hilflos überfordert.
Es geht also nicht darum, sich einer aus dem Tritt geratenen Well regressiv zu entziehen. wie man den Spirituellen gelegentlich generell unterstellt. Es geht darum, gerade auch der Welt zuliebe und als Voraussetzung zu ihrer Transformation eine erneute Rückbindung an den Ursprung zu suchen — weil man auch selber ein .Antriebsmotor ihrer Selbstzerstörungstendenz ist. Bahro:
"Auf der 'tierhaften', 'profanen', vitalen Ebene verharrend und weiter in unsere Kämpfe um Selbstdurchsetzung verstrickt, können wir die Megamaschine nicht nur nicht aufhalten, wir können sie nur weiter vorantreiben. Sie ist unser wahrer Gott oder vielmehr Götze, der Niederschlag unseres kombinierten toten Geistes."
Und den "unpolitisch Spirituellen" schreibt Bahro ins Stammbuch, sie seien "Menschen mit einer insgesamt zu schmalen Welt, auch innen". Meditation als Evolutionshilfsmittel diene doch nicht "der Erzeugung irgendwelcher psychischer Zustände und euphorischer Feelings", sondern diene "dem politischsten Zweck, der heute denkbar ist, der weitestmöglichen Befreiung von der Ich-Perspektive, vom selbstsüchtigen Eigenwillen und der Befreiung zum rettenden Handeln, zum Neubau der Kultur, zur Veränderung der Institutionen." Die Welt zum Selbst machen ...
Damit ist die Richtung seiner restlichen Argumentation, sind die "Axiome eines Rettungsweges" vorgegeben, und wir können verkürzt zitieren (S. 300-321) und zusammenfassen:
1. Die Chance
Selbstmord oder geistige Neugeburt sind zur aktuellen Alternative der Menschheit geworden. Der vielmillionenfache Sprung in eine neue Bewußtseinsverfassung ist ihre einzige Chance. Die Tiefenverwandlung des Bewußtseins ist der grundlegende Vorgang unserer Epoche.2. Aufklärung nach innen
Auslösen kann diese Wandlung nur eine Öffnung gegenüber dem GEIST, dem inneren Leitstrahl der Evolution, dem impliziten Ordnungsaspekt unserer Natur und der in uns entfalteten Gesamtnatur. Solange unsere Kultur nicht auf der bewußten Kommunion mit dieser ursprünglichen Ordnung gründet, solange stören wir mit unserem Erkennen und Handeln auf begrenzte Zwecke hin die natürlichen Gleichgewichte.3. Rettung ist möglich
Die Entscheidung liegt bei jedem einzelnen; die Fronten verlaufen nicht so sehr zwischen als vielmehr in den Menschen, und also ist Rettung möglich.4. Wissen, was nicht mehr genügt
An den Symptomen entlang gibt es keinen Rettungsweg. Auf den Rettungsweg führt nur, sich geistig und physisch Schritt für Schritt von der Megamaschine und ihren Machtknotenpunkten zurückzuziehen und. den Dissens auch um sich herum erkennen zu lassen.5. Sackgasse Gegengewalt
Die transformatorischen Kräfte sollten
nicht negativ-protestierend direkten Einfluß auf die Herrschenden und den Machtapparat nehmen, sondern auf das Bewußtsein der Menschen, ohne Unterschied ihrer Zuordnung. Wir müssen mit der Ohnmacht der Apparate rechnen; die Herrschenden stehen nicht böse über der Welt. Es gibt keine andere positive Möglichkeil als den Versuch, den Gegner "mitzuerlösen", "den Wolf zu umarmen". Terror hingegen trainiert nur die Mechanismen des Notstandsstaates. Der spirituelle Rettungsweg ist die einzige ernsthafte Alternative zur Gegengewalt.
6. Der Schlüssel
Die Selbstzerstörung ist Folge unserer erfolgreichen Naturbeherrschung, auskristallisiert in Wissenschaft, Technik, Kapital und Staat, einschließlich Militär, Massenmedien, Schulen und Gesundheitswesen. Sie sind zu einer einzigen Zentralmacht verkoppelt, die uns auf ihren Kurs festlegt und sich doch von nichts anderem nährt als von unserer lebendigen Energie, auf deren Loyalität sie angewiesen ist. Mithin ist die Stärkung unseres wahren Selbst der Schlüssel zur Auflösung der Megamaschine.7. Was ist wirklich?
Zwar wird nur eine andere Gesellschaft einen zuträglicheren Gebrauch von Wissenschaft und Technik machen, aber diese andere Gesellschaft setzt einen anders gepolten Menschengeist voraus: Das Sein wird durch das Bewußtsein bestimmt. Also braucht es eine "kritische Masse" von halbwegs verwandelten oder sich verwandelnden Individuen. Bisher waren es immer zu wenige.8. Empfänglich werden
Wichtiger als ständiger Aktionismus — anti dies und anti das — ist, Kraft, Zeit und Mittel zu bewahren für das Wesentliche, den inneren Weg auf eine andere Grundposition hin. Ohne Kontakt zu der Ursprungsebene sowohl des Katastrophenschubs als auch der Rettungskräfte kann Politik die Krise nur verlängern und verschlimmern.9. Imperativ des Glücks
Der Rückzug von der Megamaschine wird nur als Rückzug auf die eigene Mitte hin gelingen, als deren "Eroberung". Nicht die Atombombe ist das Problem, sondern das Herz des Menschen (Einstein). Wenn wir eine gute Gesellschaft wollen, so ist der Imperativ, ein glückliche(re)s Bewußtsein zu erlangen, noch wichtiger als der Kategorische Imperativ. Nur glücklich können wir "richtig" sein. Bloßer Pflicht folgend werden wir nur Eingriffe finden, mit denen wir nur die Harmonie der Welt stören. Umkehr der Herzen muß vor allem Öffnung der Herzen sein.10. Achse des Weges
Weil der Mensch mit sich und nicht mit der Well beginnen muß, mit dem Mittelpunkt, nicht mit der Peripherie der Kugel, ist Meditation die Achse des Rettungsweges. Sie kann uns insiandseizen, unsere alltäglichsten Angelegenheiten rückzubeziehen auf die implizite ..heilige'* Ordnung. Unterordnung des Verslandes unter diese zugleich fundamentalere und höhere Regulalion ist das Kardinalproblem — und also Meditation der Königsweg der Reitung, ihre Ausbreitung durch die ganze Gesellschaft, nicht zuletzt in ihren jetzt noch exterministischen Eliten, die erste politische Strategie.11. Reise nach innen
Nach der Perfektionierung von Erkenntnis und Veränderung der Außenwelt muß der "objektive Beobachter" des Außen zum "Zeugen" des eigenen Inneren konvertieren, ein Schlüssel auch zu praktischen Antworten auf die Megamaschine. Wo wir der Megamaschine bisher unsere Energie gegeben haben, entziehen wir ihr nun den besten, motiviertesten Teil davon, erneuern sie nicht mehr so vehement wie bisher; lassen sie tendenziell verhungern. Wahrhaft ökologische Politik geht diesen indirekten Weg, der in Wahrheit viel direkter ist, weil die Psyche die Quelle allen sozialen Übels ist.
Soweit also Bahros bis hierhin noch immer weitgehendst theoretisches Konzept einer "Logik der Rettung": Unvollständig jedoch bliebe die Zusammenfassung dieses wichtigen Buches, wenn nun nicht auch das praktische Programm vorgestellt werden würde, das Bahro als logischen Weg zur "Rettung", zur Befreiung von den drängenden Globalproblemen, sieht: das umfassende Programm einer Umgestaltung, wie Bahro es in dem Bild eines "Fürsten der Ökologischen Wende" bescheibt.
"Dieser 'Fürst'", teilt Bahro mit, wäre "Teil einer neuen Identität von uns allen, wäre eine politische Struktur, die mit sehr entschiedenen Eingriffen auf die exterministischen Symptome, Mechanismen und Antriebe reagiert." Eine Struktur, die allerdings in engster Verbindung stünde zu den eigentlichen, den subjektiven Ursachen der gegenwärtigen Misere. Auf diesem Weg. so Bahro. sei am Ende "echter Konsens" darin möglich, wie wir gemeinsam die notwendige Umgestaltung unserer Lebensbedingungen in Angriff nehmen wollen — und mit welchen Zielen. Ein Konsens, der schließlich die gesamte Bevölkerung erfassen könne — und müsse —, wenn der Umbruch gelingen soll.
Teil 3 House of the Lord
Die ersten beiden Teile dieser Buchbesprechung hatten Rudolf Bahros Argumentationsgrundlagen vorgestellt, die "Logik der Selbstausrottung" und ihre zentrale Schlußfolgerung, die "Richtung der Rettung".
Wir erinnern uns: Bahro führt in diesem Buch, auf seine Weise, den Beweis, daß die moderne Krise eine alle und alles umfassende Totalkrise ist, die bis in die Wurzeln der menschlichen Existenz hineinreicht — oder besser: ihnen erwächst.
Weshalb keine wie immer geartete Außenkosmetik an den "Verhältnissen" allein in der Lage sein wird, die drohende Selbstausrottung abzuwenden. Vielmehr müsse der Mensch sein Bemühen auf sich selbst "als die letzte und eigentliche Ursache richten**, oder "An der individuellen Transformation vorbei gibt es keinen Rettungsweg." Selbsterfahrung sei inzwischen der "wichtigste" soziale Prozeß; die Tiefenverwandlung unseres Bewußtseins der grundlegende Vorgang unserer Epoche.
In "12 Axiomen des Rettungsweges" steckt Bahro wesentliche Merkmale und Orientierungspunkte dieser notwendigen Tiefenverwandlung ab; elf davon haben wir zusammengefaßt, in der letzten Ausgabe vorgestellt.
Das 12. Axiom ("Rettungspolitik: Grundeinstellungen") aber führt uns nun zu dem Teil des Buches, dessentwegen es wohl vornehmlich geschrieben worden ist. Wie es der Buchuntertitel schon sagt: "Wer kann die Apokalypse aufhalten?"
So wenig ich mit den "Genug-der-Theorie!"-Rufern übereinstimmen kann — die Welt scheint mir nach wie vor in hohem Maß erklärungsbedürftig zu sein —, so sehr stimme ich mit denen überein, die angesichts der vielerlei Theorien über Ursachen und Lösungen der Globalkrise fordern: "Nun aber bitte auch, auch praktische Lösungsvorschläge! Was können wir tun! Was kann ich, was sollte ich tun? Was kann ich tun?"
Jeder weitere Durchgang durch dieses Buch aber festigt mein Gefühl, das sich schon beim allerersten Querlesen einstellte:
Dies ist das Buch, von dem die konkrete, praktische Rettungsbewegung ihren Ausgang nehmen kann, soweit sie sich gesellschaftlich, sozial, politisch manifestieren muß: wenigstens in der Bundesrepublik, wahrscheinlich aber weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus. Und wenigstens in den Kreisen grüner, linker, sozialistischer; spiritueller und "therapeutischer" Couleur, wahrscheinlich aber bis weit in die Domänen der Wertkonservativen, der beunruhigten Etablierten, der sensibel gewordenen oder werdenden Verantwortungs- und Entscheidungsträger hinein. Dieses Buch könnte der Initialfunke einer übergreifenden Rettungsbewegung werden.
Damit komme ich zu den sensibelsten — und derzeit wichtigsten der Bahro-Thesen. Obgleich es, wenn man es gründlich durchdenkt, ganz simple Wahrheiten sind, hatte in jüngerer Zeit und hierzulande niemand den Mut, sie in dieser Klarheit auszusprechen:
=> Ohne eine große, geeinte Volksbewegung, mit der Kraft und dem Willen bis hin zu einer Volkserhebung, haben auch wir Europäer keinerlei Chance, den Maschinenlauf der Großen Industriellen Walze zu stoppen, der so rasant auf's ökologische Aus zusteuert Und:
=> Diese Volksbewegung wird auf keinen Fall darauf verzichten können, einen weitreichenden Neuentwurf der politischen Institutionen anzusteuern, weil die vorhandenen politischen Institutionen ein untrennbarer Teil der Walze sind.
Bahros Begründung zu Letzterem: Das pluralistische Gefüge demokratischer Parlamente ist zwangsläufig der Ort, an dem der Konflikt der verschiedenen Teilinteressen ausgetragen wird. Von daher kann er nicht die Plattform sein, auf der gleichzeitig "die Interessen und Rechte all der natürlichen Fakultäten, die aus sich selbst heraus keine menschliche soziale Macht bilden können ..., Sitz und Stimme haben": Erde, Wasser, Luft und Feuer, Steine, Pflanzen und Tiere. Und nicht zu vergessen die Kinder.
Wofür Bahro hier plädiert, ist das Ziel eines Oberhauses, formell der britischen Konstruktion ähnlich, tatsächlich aber eben gerade kein "House of Lords", sondern das "House of the Lord" (Bahro), nicht als Ersatz des Parlaments, sondern dessen "rahmengebende höhere Institution ..., die dem sozialen Interessenkampf Maß und Grenzen setzt".
Ein "ökologischer Rat" also, im Idealfall ein "Rat der Höchsten Intelligenz", dem Konsens verpflichtet, mit Vetorecht für jede Fakultät, vertreten durch Anwälte, "die sich rituell damit identifizieren".
Dieses Oberhaus wird "die Themen von Volksbefragungen festlegen und die Alternativen formulieren, über die abgestimmt werden soll", und einen Präsident vorschlagen, der vom ganzen Volk zu wählen ist, nicht als ein Symbol des Staates, sondern als ein Symbol der ganzen Gemeinschaft, und "diese nicht so sehr als 'zivile bürgerliche Gesellschaft', sondern als eines der Völker Gottes".
Der Präsident ist es, der dann den Kanzler "als den ersten Diener des allgemeinen Wil-
lens" beruft und die "unter Berücksichtigung des Parteienproporzes zusammengestellte Regierung" vereidigt: "Partei- und fraktionsverpflichtete Regierungen indessen gibt es nicht mehr."
Diese Regierungen aber haben die Aufgabe, "den Willen der Parteien und Interessengruppen, der sich im Unterhaus ausdrückt, mit den Richtlinien abzustimmen und in Einklang zu bringen, die vom Oberhaus mit von anderen Instanzen unanfechtbarer Autorität gegeben werden." (Hervorhebung durch d. Red.).
Warum aber sind diese Thesen so sensibel und wichtig?
Sensibel ist die Inititation einer neuen Volksbewegung, weil es auch eine Volksbewegung war, die das Dritte Reich einleitete.
Und sensibel ist der Aufbruch hin zu einer neuen Verfassung, weil die gegenwärtige Verfassung der drei deutsch verbliebenen Teile des außer Kraft gesetzten Deutschen Reiches — Bundesrepublik, DDR und Österreich —, kaum das Ergebnis eines über Nacht gewandelten Bewußtseins sein konnte, sondern der Versuch, von außen die Geburt eines vierten, auf jeden Fall aber eine Erneuerung des dritten Deutschreiches zu verhindern. Die Verlierer wollten und hatten keine andere Wahl.
Wer also eine neue Verfassung ansteuert, begibt sich nicht so sehr deshalb auf gefährliches Terrain, weil er die neue Verfassung will — der Wandel der Verfassungen ist ein so häufiger Vorgang in der Geschichte, daß man fast schon sagen kann: Er ist der ganz natürliche Ausdruck sich wandelnden Bewußtseins und wird es auch immer sein.
Nein, der Aufbruch hin auf eine neue Verfassung zu hätte nur diesmal einen so besonderen Stellenwert, weil er die gegenwärtige Verfassung angriffe — und damit die einstigen Garantien gegen einen Rückfall in eine Diktatur, sei sie nun "Nazi-" oder anders.
Ein Rückfall allerdings, — und aus diesem Grund läuft Robert Jungks erstaunlich kurz angebundene Kritik an der "Logik der Rettung", am 29.10.87 in der taz, vollkommen ins Leere —, der wenigstens in Deutschland kaum noch wahrscheinlich scheint, jedenfalls, wenn man einmal etwas gelassener die Stimmungslage, das Selbstverständnis und die Lebensumstände der heute Lebenden und Agierenden betrachtet.
Ein paar rückwärtsbewegte NS-Fans ändern an diesem Bild nichts, und schon gar nicht das Gros der Wertkonservativen am rechten Rand des politischen Spektrums: Die wollen doch sowas gerade nicht! Sondern hier will man genau das erhalten, was einst mit dem "Wirtschaftswunder" begann und sich heute in der Behäbigkeil einer "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" nach allen Seiten hin, mit Wäldern aus Stahl und Glas und Mauern aus Beton, "abgesichert" hat: Hauptsache, der Zug sitzt fest auf dem Geleis, mag es am ökologischen Horizont wetterleuchten wie es will.
Und warum wichtig?
Weil die Malesche, die man vor dem längst abgekühlten NS-Eisen noch immer hat, nicht nur als "Erkenntnisbremse" wirkt, wie Bahro so schön sagt, sondern auch als Handbremse, als Bremse des Handelns — voll angezogen, versteht sich. Und also bewegt sich nichts.
Aber wollen wir nun über einen neuen Lebensentwurf hinaus auch irgendwann die neue Lebenswirklichkeit, in der auch die äußeren, die sozialen, die wirtschaftlichen und die gesellschaftlichen Verhältnisse auf einen Einklang mit dem Naturgesetz eingeschworen sind, oder wollen wir sie nicht?
Dann haben wir doch nur die Wahl zwischen Freiwilligkeit — die jede(r) Vemünftige(r) nur wünschen kann —, und einer Öko-Diktatur, die niemand sich wünschen sollte, die aber schon jetzt sich vorzubereiten beginnt, weil die bestimmenden wirtschaftlichen und politischen Institutionen, angesichts des Zerstörungsdrucks auf die natürlichen Lebensgrundlagen, gar nicht anders können, als nach und nach der Freiheit Zügel anzulegen — so abhängig sind doch selbst sie davon, daß der Karren wenigstens nicht gänzlich im ökologischen Rückschlag steckenbleibt.
Nur wenn wir eine naturgesetzliche Zukunft nicht richtig wollen — was verständlich wäre, weil jede Neugeburt von uns auch etwas aufzugeben verlangt, bevor sie uns Neues schenkt; das große Thema hier also ist Angst, nicht "politische Umsicht" —, nur dann werden wir zufrieden sein, wenn weiterhin nur eine geordnet-organisierte, "überschaubare" Opposition aufmuckt (hier ist sie wieder, die Angst vor dem Kreatürlichen, dem Spontanen, die Angst vor der Kraft, vor der Natur!), um schließlich, wenn schon nicht in Würden, dann aber wenigstens im Amt als grün-buntes Korrektiv — Blümelein zu enden — im Zug der Lemminge.
Nur ja nichts Völkisches mehr, nur ja keine wirkliche Bewegung im Volk — und damit eben auch des Volkes: Nur ja also keine Volksbewegung!
Eine Partei jedoch, die nur mit den Flügeln flattert, weil sie Angst vor'm Fliegen hat, wird schwerlich in der Lage sein, anderen, die doch erst beginnen wollen, sich von den gefährlichen Entwicklungen abzustoßen, Mut zu machen zum Flug.
So weit Bahros "Logik der Rettung", ein Buch, das einsehen hilft, daß wir uns alle, in Einigkeit und ohne prinzipielle Barrieren, allmählich erheben müssen: hin zu einem neuen Sosein unserer Selbst, das war soweit klar, aber eben auch hin zu einem neuen Sosein des Volkes, und seien es am Ende Regionen und "Stämme" — Volksstämme, eben — das harmonische Ganze.
Wir werden die neue Zeit sein und jeder mit uns, sonst wird sie nicht sein. Rudolf Bahro: "Wir brauchten selbst dann eine Neuinstitutionalisierung, wenn es nicht ums Überleben ginge: die dem menschlichen Wesen auf seiner heutigen Stufe gemäße Große Ordnung." Außen wie innen.
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